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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Fall Koch in Sachen Brender: Staatsferne ja! Wo bleibt die Wirtschaftsferne?
Datum: 1. Dezember 2009 um 16:24 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien
Verantwortlich: Albrecht Müller
Kein Zweifel: was sich Koch (CDU) und seine Freunde im ZDF-Verwaltungsrat geleistet haben, ist ein Anschlag auf die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Mediums ZDF. Aber der Protest der Chefredakteure und anderer Medienmacher wäre glaubwürdiger, wenn sie sich genauso vehement gegen den Zugriff der Wirtschaft und der neoliberalen Ideologen wehren würden. Das tun sie nicht, offensichtlich weil sie in diesem Zugriff mittendrin stecken. Albrecht Müller
Bekannte Medienmacher von Springer, Spiegel, Stern, Gruner+Jahr, Zeit, FAZ und FR wie auch die Vertreter von Reporter ohne Grenzen und des Deutschen Journalisten-Verbands beklagen die Nichtverlängerung des Vertrages von Nikolaus Brender als einen „flagranten Verstoß“ gegen die „Europäische Charta für Pressefreiheit“ (siehe Anlagen mit verschiedenen Artikeln zum Thema). Das ist ja alles recht und schön; aber offensichtlich nutzen die Chefredakteure und andere Vertreter der genannten Medien den Fall Koch („Fall Brender“ würde ich das nicht nennen), um sich als unabhängig darzustellen.
Das sind sie aber gar nicht. Die Springerblätter, allen voran die Bild-Zeitung, wie auch der Spiegel und die Zeit zum Beispiel sind permanent in politische Kampagnen und in PublicRelations-Kampagnen zu Gunsten privater Interessen und der herrschenden neoliberalen Ideologie eingespannt. Sie haben darüber hinaus in der Regel nicht kritisiert, wenn sich die öffentlich-rechtlichen Sender in Kampagnen zu Gunsten der Wirtschaft und der herrschenden Ideologie haben einspannen lassen. Sie haben in solchen Fällen auch nicht den Täter im Fall Koch, den MP Koch, kritisiert.
Die Einflussnahme und die Kampagnen der herrschenden Ideologie und der Wirtschaft auf die privaten und öffentlich-rechtlichen Medien sind meist kein Thema der Spitzenfunktionäre unserer Medien.
Dazu nacheinander einige Hinweise und Belege:
Ich könnte diese Reihe von Ungereimtheiten um viele weitere Beispiele ergänzen. Die Intervention unserer Spitzenmedienvertreter ist leider sehr unglaubwürdig, sie ist verlogen. Es geht den meisten vermutlich nicht um die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Offensichtlich nutzen sie diesen Fall, um sich als unabhängig zu präsentieren, was sie nachweisbar nicht sind.
Sie sind die Hauptträger eines für die Pressefreiheit tödlichen Kampagnenjournalismus.
Staatsferne ist gut. Aber sie ist bei weitem nicht alles. Staatsferne kann auch dazu benutzt werden, um die öffentlich-rechtlichen Medien noch mehr unter die Kontrolle der Wirtschaft zu bringen. Dieses Ziel kann man bei den jetzt Intervenierenden nicht einmal ausschließen.
Die Kritik gilt übrigens auch den Juristen, die sich jetzt zu Wort gemeldet haben. In der folgenden kleinen Dokumentation, sind auch einige wenige Wortmeldungen dieser Gruppierung angeführt.
Anlagen
Verschiedene Artikel zum Thema Brender:
30. November 2009, 16:25 Uhr
Fall Brender
Journalisten schalten EU-Kommission und Europarat ein
Beschäftigt die Causa Brender bald die EU? 17 profilierte Journalisten und Verlagsrepräsentanten, die bereits vor der Ablösung des ZDF-Chefredakteurs vor einer Verletzung der Europäischen Pressefreiheitscharta gewarnt hatten, rufen jetzt Brüssel und Straßburg an.
Berlin – Nach dem Beschluss des ZDF-Verwaltungsrats zur Ablösung von Chefredakteur Nikolaus Brender haben am Montag 17 deutsche Erstunterzeichner der Europäischen Charta für Pressefreiheit die EU-Kommission und den Europarat eingeschaltet. In gleich lautenden Schreiben nach Brüssel und Straßburg bezeichnete Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der “Stern”-Chefredaktion und Initiator der Charta, die Entscheidung im Namen der Gruppe als “flagranten Verstoß” gegen Artikel 2 der Charta.
Darin heißt es: “Unabhängiger Journalismus in allen Medien ist frei von Verfolgung und Repressalien, ohne politische oder regulierende Eingriffe des Staates zu garantieren.” Für die “politisch organisierte Mehrheit” im ZDF-Verwaltungsrat sei Brender offenbar “zu unabhängig, unbeugsam gegenüber Versuchen politischer Einflussnahme”. EU-Kommission und Europarat, bei denen die Charta offiziell notifiziert ist, wurden aufgerufen, “mit ganzer Kraft dafür einzutreten, dass die Europäische Charta für Pressefreiheit in allen Mitgliedstaaten, auch in der Bundesrepublik Deutschland, vorbehaltlos respektiert wird”.
Quelle: SPIEGEL Online
ZDF: Nikolaus Brender
Robespierre beim ZDF
So banal funktioniert Macht im Fernsehen: Der “staatsferne” Verwaltungsrat murmelt etwas von schlechten Quoten und zu langer Amtsdauer. Und beschließt dann über Nikolaus Brenders Schicksal.
Ein Kommentar von Kurt Kister
Quelle: SZ
Rundfunkrechtler Holznagel zur Zukunft von ZDF-Chefredakteur Brender
Am Freitag will der Verwaltungsrat des ZDF über die Vertragsverlängerung von Chefredakteur Nikolaus Brender entscheiden. Ginge es nach umstrittenen öffentlichen Äußerungen des Gremiummitglieds Roland Koch (CDU), wird es keine Verlängerung geben. Diese Entscheidung aber sei “nicht sein Bier”, sagt Rundfunkrechtler Bernd Holznagel.
Quelle: dradio.de
23. November 2009
Fall Brender
Journalisten warnen vor Verletzung von Pressefreiheitscharta
Was passiert, wenn der Vertrag von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender auf Drängen der CDU nicht verlängert werden sollte? Prominente Journalisten fürchten, dass damit ein “flagranter Verstoß” gegen die Europäische Charta für Pressefreiheit begangen würde.
Hamburg – Vor einer Verletzung der Europäischen Charta für Pressefreiheit im Fall des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender haben 17 deutsche Erstunterzeichner der Charta gewarnt. “Die Entlassung von Nikolaus Brender durch einen massiven politischen Eingriff in die Unabhängigkeit des Zweiten Deutschen Fernsehens wäre der erste flagrante Verstoß gegen die Europäische Charta für Pressefreiheit in Deutschland”, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der Journalisten.
Quelle: SPIEGEL Online
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