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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 31. März 2009 um 8:10 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(WL/AM)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Es spricht zweitens einiges dafür, dass die auf vielfältige Weise von der Krise betroffenen Wirtschaftsbürger über ein ausgeprägtes Bewusstsein von der Komplexität der Lage verfügen. Dem plakativen Abgesang auf den Kapitalismus steht die Skepsis an schnell entwickelten Alternativen gegenüber.
Ideologische Fixierungen tragen kaum zur Lösung bei (…)
In der gegenwärtigen Finanzkrise fällt die Politik als gesellschaftliches Gegenüber jedoch aus. Quer durch alle politischen Lager werden die Einschätzungen über Versagen und Fehlverhalten der verantwortlichen Finanzmanager geteilt.
Die regulierende und kontrollierende Rolle des Staates wird selbst von jenen aufgerufen, die in ihren Parteiprogrammen Staatsferne und Entschlankung zum wirtschaftspolitischen Mantra erhoben haben.
Die Aufgabe der Politik wird darin bestehen, moralischen Standards zur Geltung zu verhelfen, nach denen es den Verantwortlichen unmöglich ist, einfach so weiter zu machen. Eine Folge der Finanzkrise wird eine nachhaltig veränderte politische Kultur sein.
Auf das beschädigte Vertrauen in Säulen der gesellschaftlichen Stabilität antwortet die Bevölkerung mit einer Art Selbstvergewisserung über die Verlässlichkeit der Institutionen. Während der Protest auf den Straßen meist von der Idee des ganz anderen getragen ist, erwartet man nun Vorkehrungen von Politik und Staat, dass sich dergleichen nicht wiederholt.
Statt eines mit völlig neuen Implikationen der Umverteilung scheint die abwartende Bevölkerung an der Idee von einer komplexen Gleichheit (Michael Walzer) festzuhalten. Das Abwarten ist nicht als Ausdruck von Lethargie und Schicksalsergebenheit misszuverstehen.
Die Straße scheint augenblicklich nicht der Ort zu sein, an dem einmal mehr das Rätsel aufgegeben wird, warum eine Gesellschaft, die aus vielen Widersprüchen besteht, nicht an dem einen zerbricht, den der in diesen Tagen wieder viel zitierte Karl Marx analysiert hat.
Quelle: FR
Anmerkung eines Lesers:
Dieser Kommentar der Frankfurter Rundschau (Autor: Harry Nutt) ist nur in sofern von Interesse, als er ein weiters Mal das schrittweise Abgleiten der Frankfurter Rundschau ins konservative Milieu zeigt. Der politische Kurs des Mehrheitseigentümers (seit Juli 2006 hält der konservative Kölner Medienkonzern M. DuMont Schauberg 50 % der Anteile plus eine Aktie) beraubt die Frankfurter Rundschau ihres ehedem kritischen Bisses und macht sie zunehmend verwechselbar mit der Mainstream-Presse.
Der FR-Kommentator “vergisst” bei seiner Auflistung der angeblich ursächlichen Gründe für eine noch eingeschränkte Protestbereitschaft der hiesigen Bevölkerung eine ganz wesentliche Ursache: Die einlullende Berichterstattung vieler unserer Medien, die sich im Übrigen auch im Kommentar des FR-Journalisten Harry Nutt widerspiegelt.
In seiner Gesamtheit erweckt der FR-Kommentator den Eindruck, die Politik ergreife die der Situation angemessenen politischen Maßnahmen und trage so zur Bewältigung der heutigen Krise und zur Verhinderung einer ähnlich gelagerten Krise in der Zukunft bei.
An diesem Wochenende protestierten hingegen in einer Auftaktveranstaltung Zehntausende gegen die Ursachen der Krise ebenso wie gegen die von der Politik eingeleiteten Maßnahmen zur Krisenbewältigung, die aus Sicht der Veranstalter der Berliner und Frankfurter Protestkundgebungen der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise in keiner Weise angemessen sind und zudem befürchten lassen, dass es den “Eliten” in Wahrheit um ein möglichst unverändertes “Weiter so” mit dem neoliberalen Politikkurs geht. Die Protestkundgebungen werden vom FR-Autor mit negativen Vokabeln belegt:
plakativer Abgesang auf den Kapitalismus”, “Skepsis (der Bevölkerung) an schnell entwickelten Alternativen”, “Ideologische Fixierungen tragen kaum zur Lösung bei”, ein von den Protestkundgebungen geforderter “radikaler Systemwechsel”, “Die Straße scheint augenblicklich nicht der Ort zu sein…
Hier werden vom FR-Kommentator eine ganze Reihe konservativer bzw. neoliberaler Klischees bedient.
Der Kommentator erweckt zudem den Eindruck, als ergreife die Politik bereits die notwendigen Schritte zur Krisenbewältigung:
Quer durch alle politischen Lager werden die Einschätzungen über Versagen und Fehlverhalten der verantwortlichen Finanzmanager geteilt.
Die regulierende und kontrollierende Rolle des Staates wird selbst von jenen aufgerufen, die in ihren Parteiprogrammen Staatsferne und Entschlankung zum wirtschaftspolitischen Mantra erhoben haben.
Die Aufgabe der Politik wird darin bestehen, moralischen Standards zur Geltung zu verhelfen, nach denen es den Verantwortlichen unmöglich ist, einfach so weiter zu machen. Eine Folge der Finanzkrise wird eine nachhaltig veränderte politische Kultur sein.
“Der Druck der Straße” ist völlig unnötig und unangebracht, so das unausgesprochene Leitmotiv des FR-Kommentators.
Er verschweigt, dass unsere “Eliten” ein großes Maß an Wendehälsigkeit an den Tag legen. Und: unsere “Eliten” sind häufig eng mit der Finanz-“Industrie” verfilzt. Dies alles wurde von den NachDenkSeiten in den vergangenen Monaten immer wieder dokumentiert:
Heiner Flassbeck, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium unter Oskar Lafontaine, beschreibt im Vorwort zu seinem aktuellen Buch “Gescheitert – Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert” die politische Situation zu Beginn der rot-grünen Koalition (bis zum Rücktritt Oskar Lafontaines als Bundesfinanzminister). Und er spannt den Bogen zu den aktuellen Ereignissen:
Als ich 1998 nach langen und wissenschaftlich geprägten Jahren in Berlin mit Oskar Lafontaine, Claus Noe und Wolfgang Filc … wieder in ein Bundesministerium eintrat, war der Schock gewaltig. Zwar hatte die SPD gerade mit Pauken und Trompeten eine Wahl gewonnen, zwar war der Bundesfinanzminister auch der Vorsitzende der großen Koalitionspartei, zwar hatten wir in der Oppositionszeit interessante Ideen entwickelt, zwar war die internationale Szene günstig wie nie (weil fast ganz Europa sozialdemokratisch regiert wurde), zwar war unser Programm der Kontrolle der Finanzmärkte und der fundamentalen Änderung der wirtschaftspolitischen Rollenverteilung hochaktuell und – wie sich einige Jahre später zeigen sollte – geeignet, eine große globale und europäische (Finanz-)Krise zu verhindern, aber wir waren extrem einsam.
Die Einsamkeit begann mit der Beamtenschaft, die auf alles getrimmt war, nur nicht auf kritisches und eigenes Denken, sie setzte sich fort im Parlament, wo keinerlei Reflexionsfläche für unsere Vorstellungen zu finden war, sie war latent allen Politiker- und Kabinettskollegen, die mit offenem oder verhülltem Entsetzen auf unsere Vorstellung reagierten, sich mit den “Finanzmärkten”, der heiligen Bundesbank oder der Unternehmerschaft anlegen zu wollen, und unsere Einsamkeit endete in den Medien, wo die letzten unabhängigen und kritischen Wirtschaftsjournalisten die Segel gestrichen hatten und die Verteufelung des Staates und des gesamtwirtschaftlichen Denkens zur Doktrin der gesamten staatstragenden Kaste erhoben worden war.
Im Frühjahr 2009 ist alles ganz anders. Der Staat hat die reale Wirtschaft vor dem Untergang gerettet, nachdem sie von den Finanzmärkten in den Sumpf getrieben worden war. Gut und Böse haben die Rollen getauscht. Die Staatenlenker sind die Helden, die Banker sind die Bösewichte. Der Name Keynes taucht wieder in den deutschen Gazetten auf und gar die verfemten “Konjunkturprogramme” werden ernsthaft diskutiert.
Doch Vorsicht! Viele von denen, die jetzt die neue Ära der Staatswirtschaft ausrufen, haben auch vorher nicht verstanden, wovon sie sprechen, und die anderen wird ihr Opportunismus bei nächster Gelegenheit sofort wieder vom Gegenteil überzeugen. Niemand lernt über Nacht und bloß aufgrund eines großen globalen Schocks gesamtwirtschaftliches Denken. Weil aber die Bereitschaft der Menschen zu lernen, offenbar nur durch solche Schocks angeregt werden kann, gibt es jetzt eine Chance für einen Neuanfang – nicht mehr und nicht weniger. Ob sie wahrgenommen wird, wissen wir nicht. Sicher aber ist, dass die Architekten der alten Ordnung keinen tragfähigen Plan für die neue erarbeiten werden.
Lediglich ein kleines Gremium von neun Abgeordneten aus dem Haushaltsausschuss wurde eingesetzt, dem die Bankenretter einmal pro Sitzungswoche ihre Entscheidungen mitteilen. Immer am Freitagmorgen trifft die Gruppe mit Asmussen oder dem parlamentarischen Staatssekretär Karl Diller sowie Hannes Rehm, dem operativen Chef des Soffin, zusammen und darf Fragen stellen. Ablehnen oder ändern können die Parlamentarier die Beschlüsse jedoch nicht. Und selbst die Unterrichtung ist geheim.
(…)Gleichzeitig sind bisher ganz zentrale Fragen bei der Verteilung der Bankenrettungsgelder im Ausschuss nicht einmal diskutiert worden.
Zum Beispiel jene nach dem eigentlichen Ziel der ganzen Milliardenoperation.
Quelle: Tagesspiegel
Die am Samstag von der HRE vorgelegten Zahlen für 2008 strafen den Finanzminister Lügen. Wenn die HRE 2008 allein mit strukturierten Finanzprodukten 1,1 Milliarden Euro Verlust gemacht hat, dann widerspricht das der bisherigen Darstellung der Bundesregierung.
Entweder wusste Steinbrück im Oktober wirklich nicht, auf was er sich und die Steuerzahler einließ. Dann haben wir ein dramatisches Kompetenzproblem im BMF und in der Bankenaufsicht. Oder er hat das Parlament und die Öffentlichkeit schon damals über das wahre Ausmaß der HRE-Probleme belogen. Dann müsste er erst recht politische Konsequenzen ziehen.
Quelle: Axel Troost
Bei personellen Verflechtungen zwischen Ministerialbeamten und Unternehmen der Privatwirtschaft, bei denen diese Personen Aufsichtsräte sind oder waren, kommt eine Untreue gegenüber dem Staat in Frage.
Quelle: Gallandi.de [PDF – 864 KB]
Anmerkung AM: In den NachDenkSeiten konnten Sie zum Skandal der Berufung Issings im vergangenen Jahr schon lesen. Und zur Konversionsnotwendigkeit des Finanzsektors spätestens am 7.1. Das ist keine Kritik an Zeise.
Punkt fünf galt bis vor wenigen Monaten als das erste Gebot der Globalisierung. Der Herr, dein Gott – das waren die Finanzmärkte. Es schien keine Macht zu geben, ihren Einfluss zurückzudrängen. Nun sind sie selbst kollabiert und die, die noch vor ein paar Monaten die Unterwerfung unter das Finanzkapital predigten, müssen es nun beaufsichtigen.
Greenwald und Kahns Buch könnte zu einem Vademecum des realistischen Umgangs mit den Entwicklungen der letzten Jahre werden. Es gibt die Globalisierung. Sie konzentriert sich aber auf wenige Bereiche. Geld muss nach wie vor auf lokalen Märkten verdient werden.
Quelle: FR
Anmerkung WL: Eine solche Kritik an der These von der allmächtigen Globalisierung hat Albrecht Müller schon vor fünf Jahren in seinem Buch „Reformlüge“ geäußert. Er ist danach heftig dafür beschimpft worden. Es dauert leider manchmal etwas länger, bis die Vernunft die Ideologie wieder einholt. Was machen jetzt nur alle, die die „Globalisierung“ als Begründung für ihre „Reformen“ benutzt haben? Sie scheren sich vermutlich nicht um ihr Geschwätz von gestern, Hauptsache sie konnten den Sozialabbau und die Umverteilung von unten und von der Mitte nach oben politisch umsetzen.
Anmerkung Orlando Pascheit: Liebe Frankfurter Rundschau, wer diesen Titel zu verantworten hat, hat kräftig daneben gegriffen. Hartmut Mehdorn ist kein Buhmann, er gehört zwar schon lange ausgebuht, aber es ist im Sinne des Wortes weder ein Kinderschreck noch ein Sündenbock, denn sein Sündenregister ist lang. Die Erbsünde ist natürlich, er ist kein Eisenbahner und er hat nicht erkannt, dass wir ein Volk von Eisenbahnern sind.
Die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 2,8 Prozent im Januar 2009 betrachtet die Regierung trotz der angespannten Wirtschaftslage weiter als sinnvoll. Durch die antizyklische Senkung würden die Beitragszahler entlastet und Impulse für den Erhalt und die Schaffung neuer Arbeitsplätze gesetzt, so die Begründung. Auch bei steigenden Kurzarbeiter- und Arbeitslosenzahlen sei die BA in der Lage, die erforderliche Arbeitsförderung zu leisten. Die finanzielle Handlungsfähigkeit für 2009 sei sichergestellt, heißt es weiter.
Quelle: Deutscher Bundestag
Anmerkung WL: Was jeder wissen konnte tritt nun ein: Sobald die Arbeitslosigkeit wieder ansteigt kommt die Bundesagentur in eine schwierige Finanzlage. Schon bald wird es wieder Forderungen geben, zu sparen, indem die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen noch weiter als schon geschehen zurückgefahren oder die Kosten für das Alg I gesenkt werden sollen, durch Kürzung oder kürzere Auszahlungsfristen.
Anmerkung WL: Die Ideologie der Eigenverantwortung trifft auf die Wirklichkeit. Wer scheitert hat eben „Pech gehabt“.
Dazu auch:
Der strittige Euro im Hut
Die Stadt Göttingen lenkt ein: Bettelndem Hartz-IV-Empfänger werden Sozialleistungen nicht gekürzt
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: Das war mitnichten “unsensibel”, wie das niedersächsische Sozialministerium verlauten lässt, sondern zutiefst inhuman. Das erinnert an eine Blockwartmentalität, die u.a an bestimmten Gedenktagen mit einem “Nie wieder” bedacht wird. Welche Art Pflichtbewusstsein wird in unseren Sozialämtern herangezüchtet, muss man sich fragen. Anscheinend werden die Menschen dort so verbogen, denn der Fall ist kein Einzelfall. Ich kann mir, will mir einfach nicht vorstellen, dass ein Mensch von vornherein mit einer solchen Inhumanität ausgestattet in den Sozialdienst tritt. Es muss schon irgendwie mit diesem Dienst zu tun haben, der Allmachtphantasien in einem armen bürokratischen Würstchen weckt. Vielleicht bedürfen die Mitarbeiter unserer Sozialdienste einer stärkeren Betreuung, damit das Bedürfnis, sich gegen Hartz-IV-Empfänger abzugrenzen, nicht so ausartet, sondern Sozialdienst als Dienst empfunden wird. Das Traurige ist, dass diese Inhumanität von Politikern, wie Wolfgang Clement seinerzeit mit der Rede von ” Abzocke und Selbstbedienung im Sozialstaat”, gedanken- wie bedenkenlos befördert wird.
Nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes würde der Mindestlohn sofort einen Nachfrageschub von zehn Milliarden Euro auslösen, die vor allem der inländischen Konsumwirtschaft zugute kämen. Und wenn die erbärmliche Hartz-IV-Unterstützung auf 470 Euro im Monat erhöht würde, brächte das sieben Milliarden Euro im Jahr. Angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise und der zurückgehenden Exporte wäre eine Stärkung der Massenkaufkraft genau das richtige Mittel gegen die Rezession.
Quelle: Ossietzky
Wenn nun die Abwracker 12.500 Euro fremdfinanzieren lassen, so müssen sie – bei marktüblichen Zinsen und vierjähriger Laufzeit – jeden Monat rund 300 Euro tilgen. Da jeder Euro nur einmal ausgeben werden kann, müssen die stolzen Neuwagenbesitzer das Geld natürlich an anderer Stelle einsparen. Gastronomen, Einzelhändler und Handwerker werden ob der Abwrackprämie noch jubilieren. Aber auch für die Automobilbranche ist dies nur ein Strohfeuer, das den Zeitpunkt des bösen Erwachens lediglich aufschiebt. Wer in nächster Zeit ein Auto kaufen wollte und Anspruch auf die Abwrackprämie hat, der hat in vielen Fällen den Kauf vorgezogen. Sobald diese Bestellungen abgearbeitet sind, wird die Zahl der Neuanmeldungen merklich zurückgehen. Sollte die Weltkonjunktur nicht überraschend drehen, so wird dies am Ende des Jahres 2009 mitten in einer konjunkturellen Abschwungphase geschehen. Vom Ausland wird kein Impuls erfolgen und der inländische Markt wird dann erst einmal gesättigt sein. Düstere Zeiten für die deutsche Automobilbranche stehen somit vor der Tür. Ob dann wieder Milliardenspritzen aus Steuergeldern zu erwarten sind, ist ungewiss – im September wird gewählt und dann ist die Zeit der Wahlkampfgeschenke erst einmal wieder vorbei.
Quelle: Spiegelfechter
Bei der Frage nach den allgemeinen für die Gesellschaft wichtigen Werten erreicht “Freiheit” erneut den Spitzenplatz. … die Hälfte aller Befragten fühlt sich “frei und unbeschwert”. Ein knappes Drittel der Befragten sieht sich in Schwierigkeiten, betont aber, dass sie selber damit fertig werden. Allerdings ist unverkennbar, dass Freiheit gegenüber einer Umfrage in 2006 in der Wertschätzung als „sehr wichtig“ von 76 auf 71 Prozent zurückgegangen ist.
Weiterhin als sehr wichtig für das Funktionieren der Gesellschaft werden mehrheitlich von den Befragten “Gleichberechtigung”, “soziale Gerechtigkeit“, “Anstand”, “Weltoffenheit/Toleranz” und “Eigenverantwortung” genannt. Aber auch bei „Eigenverantwortung“ gab es einen Rückgang der Wertschätzung als „sehr wichtig“ von 68 auf 60 Prozent gegenüber 2006.
Allerdings: nur 7 Prozent in den alten, und nur 4 Prozent in den neuen Bundesländern sind mit der Demokratie sehr zufrieden. Im Osten ist sogar nur eine knappe Mehrheit von 53 Prozent überhaupt zufrieden. 35 Prozent aller Befragten äußerten sich unzufrieden mit der Demokratie.
Quelle: Stiftung für die Freiheit
Anmerkung WL: Die „Stiftung für die Freiheit“ hat einen merkwürdigen Freiheitsbegriff, nämlich „sich frei und unbeschwert“ fühlen und ohne Schwierigkeiten zu leben. Wer wollte das nicht. Sicherlich wird die FDP damit hausieren gehen, dass für mehr als zwei Drittel „Freiheit“ der höchste Wert ist. Nur meinen die Liberalen mit „Freiheit“ etwas ganz anderes, als sie gefragt haben.
Anmerkung AM: Dass jetzt wieder mal die „afghanischen Mädchen und Frauen“ als Argument herhalten müssen, ist schon beachtlich. Man muss die Attacis schon für sehr blöd halten, um ihnen dieses Argument zuzumuten.
Anmerkung D.R.: Dieser Artikel …beleuchtet auf anschauliche/”gegenständliche”(Goethe) Weise die langsam sich gestaltende Vernetzung sozialer Brennpunkte in “la douce France”! Für die Leser der NDS wäre es sicherlich nicht uninteressant zu beobachten, wie sich in Frankreich immer noch soziales/ökonomisches Engagement mit der Kunst, in diesem Falle der Literatur, paart, eine Symbiose, die in der BRD völlig undenkbar wäre. Mir ist kein Schriftsteller “in diesem unserem Lande” bekannt, der auch nur mit einer Zeile die Krisenplanung des Kapitalismus geißelte! Vereinzelt begegnen mahnende Worte noch bei Grass, Enzensberger, Walser. Aber sie gehören der Generation der Urgroßväter an, deren Enkel sich in der expressiven “Wellness-Lounge” behaglich eingerichtet haben. Vor diesem prekär-kuscheligen Watteheim(beinahe wie in Ibsens “Nora – Ein Puppenheim”) prangt ein Schild für Hartz IV-Empfänger, Rentner, Arbeitslose etc. “Off limits”! Nicht so in Frankreich, das Land des legendären Abbé Pierre, des Armen-/Arbeiterpriesters schlechthin.
Nach diesen Vorfällen wurde die Militarisierung der Städte nicht etwa kritisiert oder für ineffektiv erklärt. Die »ethnischen Vergewaltigungen«, als die sie teilweise bezeichnet wurden, dienten vielmehr als Argument dafür, dass das Sicherheitskonzept ausgebaut werden müsse. Und so wurde beschlossen, die Mission der italienischen Soldaten, die ursprünglich im Februar enden sollte, um ein halbes Jahr zu verlängern, obwohl sogar die größte Polizeigewerkschaft Italiens diese Entscheidung als »unwürdig für ein demokratisches Land« kritisierte. Kritisch äußerten sich Carabinieri und Polizei auch zu den so genannten ronde, Bürgerwehren, deren Legalisierung im jüngsten Eildekret der Regierung beschlossen wurde.
Quelle: Jungle World
Anmerkung WL: So sehr man Jörges bei der Abwehr des parteipolitischen Einflusses auf den Rundfunk zustimmen möchte, so erstaunt doch, dass er über den „Krieg“, den die Verleger in ihren Medien führen, kein Wort verliert. Jörges tut gerade so, als wären die privaten Medien in Deutschland nicht von denjenigen bestimmt, denen die Verlage gehören. Da gibt es zwar keinen öffentlichen Streit über die Besetzung einer Chefredakteursstelle, da entscheidet einfach der Verleger, wer ihm in seine Richtung passt. Ohne Zustimmung von Bertelsmann wäre Jörges von Gruner + Jahr niemals zum Mitglied der Chefredaktion beim stern gemacht worden. Wahrscheinlich glaubt er immer noch, dass hätte er allein seiner Professionalität zu verdanken.
Ein bisschen mehr Selbstreflexion sollte man sich von solchen gefühlten Top-Journalisten schon erwarten dürfen.
Aus Sicht des studentischen Dachverbandes gefährdet die Politik so den dringend nötigen Kapazitätsaufbau an den Hochschulen in der BRD.
Hierzu erklärt Florian Keller, Mitglied des fzs-Vorstands: “Wir erleben mittlerweile im Wochentakt, wie sich Bund und Länder in Bildungsfragen nicht einigen können und am Ende mit einer schlichten Vertagung der kritischen Punkte verbleiben. Im Bereich des Hochschulpakts hat sich nunmehr seit mehr als fünf Monaten nichts Messbares getan. Dieser Kindergarten gefährdet die dringend nötigen Studienplätze für die doppelten Abiturjahrgänge!”
Quelle: fzs
Dazu auch:
Keine Peanuts für AbiturientInnen
Kaum eine Bildungsreform der vergangenen Jahre ist so unpopulär wie das auf acht Jahre zusammengestauchte Turbo-Abitur. Dabei dürften die schlimmsten Folgen noch bevorstehen: mit den doppelten Abiturjahrgängen, die von 2011 an in den bevölkerungsreichsten Bundesländern an die Unis drängen. Und was macht die Politik? Sie verkennt die Brisanz des Problems. Mindestens 275.000 Studienplätze wären nötig – doch die zuständigen Wissenschaftsminister konnten sich nicht einigen. Entscheidung aufgeschoben.
Dabei kämpfen schon heute die Studierenden um Plätze an den Universitäten. Und weil sich die Hochschulen inzwischen die Bewerber selbst aussuchen wollen, kostet das Zulassungsverfahren einiges an Zeit und Nerven. Der Start eines bundesweiten Bewerbungssystems ist gerade erst auf Herbst 2011 verschoben worden – ob es dann auch funktioniert, weiß keiner.
Quelle: taz
Dazu noch:
Hochschulen: Gefahr im Verzug
Man stelle sich vor, der Bund bietet Milliarden für die Bildung und die zerstrittenen Länder nehmen es nicht. Grotesk? Genau das ist die Lage beim Hochschulpakt II. Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten haben schon im Herbst 2008 grünes Licht für den Ausbau der Hochschulen um 275 000 Studienplätze gegeben. Die zerstrittenen Fachminister aber haben seither kein Konzept zustande gebracht. Damit ist Gefahr im Verzug für den Bildungsstandort. Wenn es bis Ende April keine Einigung gibt, die den Weg für einen Paketabschluss vor der Wahl frei macht, gerät der angelaufene Ausbau der Hochschulen ins Stocken.
Quelle: Handelsblatt
Vom 15.-19. Juni werden in ganz Deutschland Menschen im Rahmen des Bildungsstreiks 2009 mit scharfen Protesten auf die Missstände und katastrophalen Veränderungen im Bildungssystem aufmerksam machen. Die Aktionen werden sich gegen die aktuelle Bildungspolitik und ihre strukturellen sowie inhaltlichen Probleme richten. Einen der Höhepunkte der Streikwoche werden dabei bundesweite, dezentrale Demonstrationen am 17. Juni darstellen.
Quelle: Projektgruppe Bildungsstreik [PDF – 124 KB]
Das jetzige “Rettungspaket” für Witten ist lediglich eine Überbrückung und schafft noch keine institutionelle Dauerfinanzierung. Auch unter privaten Investoren ist das Interesse an der privaten Universität arg gesunken (…)
Dies hat mit der Entwicklung des gesamten Hochschulsystems zu tun, die sich in gewisser Weise an der Krisengeschichte Wittens ablesen lässt (…)
Die juristisch radikalste Realisierung dieses Konzeptes ist das “Hochschulfreiheitsgesetz” (2007) Nordrhein-Westfalens, für das das CHE die Blaupause geschrieben hatte. Dessen langjähriger Leiter Detlef Müller-Böling äußerte sich daher in einem Interview Anfang Januar auch äußerst freimütig zur Wittener Krise: “Die Unternehmen brauchen heute nicht mehr eigene Hochschulen zu gründen, um sinnvoll zu investieren, sie können das an den staatlichen Hochschulen tun. Die sind nach der Entfesselung qualitativ genauso gut, wenn nicht besser.”
Warum sollte ein Unternehmer das Risiko und die Kosten einer privaten Gründung auf sich nehmen, wenn ein zu 95 Prozent staatlich finanziertes System von der Politik auf dem Silbertablett serviert wird? Das ist sowohl effizienter als auch kostengünstiger, schließlich lässt sich die öffentlich finanzierte Infrastruktur gleich mit nutzen.
Quelle: BdWi
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