Titel: Deutschlands maßgebliche politische und wirtschaftliche „Eliten“ sind mit der Finanzindustrie verfilzt
In einem Beitrag vom 23.9. war schon daraufhingewiesen worden, wie eng unsre Bundeskanzlerin mit der Finanzkrise verbunden ist. Darauf bleibt zurück zu kommen, nachdem hierzulande immer so getan wird, als hätten unsere „Eliten“ das Spiel der Finanzindustrie anders als die Regierung der USA und Großbritanniens nicht mitgespielt. Jetzt wird der Eindruck erweckt, die „postideologischen Sozial- und Christdemokraten“ Europas seien jetzt besonders gefordert und besonders geeignet, unsere Probleme zu lösen. Siehe: „Finanzkrise – Wenn Ideologien sterben“ in der „Zeit“. Albrecht Müller
Der Autor der Zeit, Werner Perger, erwartet von unorthodoxen Reformpolitikern, u. a. von Angela Merkel eine Reform des Finanzsystems, eine globale Agenda 2008 der Weltfinanzordnung. Auf zwei Fehleinschätzungen möchte ich in diesem Kontext eingehen und dabei die Gedanken des Beitrags vom 23.9. verstärken und erweitern:
- Europas politische und ökonomische Eliten sind mit dem Geschehen und den handelnden Gruppen und Interessen in der angelsächsischen Welt eng verflochten. Sie sind von Ackermann über Steinbrück bis zu Angela Merkel und dem im Beitrag der Zeit besonders gewürdigten Luxemburger Regierungschef Juncker und vor allem dem EU-Kommissionspräsidenten eng verflochten mit der Ideologie, die uns das Elend miteingebrockt hat und sie sind vor allem in ihren Interessen mit der Finanzindustrie engsten verflochten.
Man muss nur etwas aufmerksam beobachten und lesen können:
Am 2. Juli brachte sogar die Wirtschaftswoche unter der Überschrift „Die Amerikanisierung der Finanzmärkte und ihre Folgen“ einen aufschlussreichen Artikel, in dem sie der Frage nachging, warum bei uns auch öffentliche Unternehmen im wesentlichen über angelsächsische Investmentfirmen privatisiert werden. Siehe Anlage A.
- Angela Merkel kann gut mit Goldman-Deutschland-Chef Alex Dibelius.
- Angela Merkel und ihr Fraktionsvorsitzender Kauder, damals Generalsekretär der CDU, kamen in den Genuss der ehrenamtlichen Wahlkampfhilfe durch den für den öffentlichen Sektor und das Transportwesen Zuständigen bei der Investmentbank Morgan Stanley, Dr. Dirk Notheiß.
- Steinbrücks und seines Staatssekretärs Asmussen behende Tätigkeit für das Verbriefungsgeschäft und zu Gunsten von Private Equity und Hedgefonds ist in den NachDenkSeiten mehrmals belegt.
- Die schon angesprochene Tätigkeit des ehemaligen Kanzleramts-Staatsministers Hans Martin Bury und von Jürgen Schrempp für Lehman Brothers sind in Anlage B. und C. belegt. Wenn ein ehemaliger Kanzleramts-Staatsminister mit seinem Namen und als Vorstandsmitglied für ein solches Unternehmen eintritt, braucht man sich nicht zu wundern, dass deutsche Sparkassen das Geld ihrer Sparer bei „Lehmann“ arbeiten ließen.
- Wenn Lothar Späth, Friedrich Merz und der ehemalige Bundesbankdirektor und Chefökonom der Europäischen Zentralbank Issing und viele mehr für ausländische, angelsächsische Investmentfirmen und Hedgefonds arbeiten, dann deutet das auf ein einflussreiches Geflecht hin.
- Dieses Netz ist offenbar gut organisiert und gut geschmiert. Anders als mittelständische Unternehmen haben die großen Investmentfirmen – man muss inzwischen sagen: hatten – alle finanzielle Macht und auch die nötige Übung, um über Publicrelations Firmen in Berlin dafür zu sorgen, dass die bei uns handelnden Personen mitmachten, wenn diese Spieler im Casino neues Spielgeld brauchten oder sonst Millionen und Milliarden an Vermögenstransfers verdienen wollten.
- Der Strom ist nicht versiegt: diese Berliner Politik macht zum Beispiel überhaupt keine Anstalten, die Verscherbelung des 24,9% Anteil der Deutschen Bahn anders zu organisieren. Für andere Privatisierungen gilt das auch. Es läuft einfach so weiter, obwohl ein Teil der vorgesehenen Privatisierungspartner in großen finanziellen Schwierigkeiten sind und andere absehbar in solche geraten werden. Das ist das schlagenste Argument gegen die Vorstellung, die deutsche Bundeskanzlerin sei eine eigenständig handelnde Persönlichkeit, der die Reform des Finanzsystems ein Anliegen wäre. Sie ist wie eine Reihe anderer auch eingewoben im Geflecht der internationalen Finanzindustrie.
- Der Stopp der Privatisierung der Deutschen Bahn wäre ein Beleg für die Eigenständigkeit. Aber es geschieht nichts. Siehe dazu auch eine neue Meldung aus der Süddeutschen Zeitung: Anlage D.
- Es ist jetzt üblich geworden, das Heil in einigen neuen Regeln für den Finanzsektor zu suchen. Meines Erachtens reicht dies nicht. Es muss grundsätzlich überlegt werden, ob wir uns auch in Zukunft weiter einen weit überdimensionierten Kapitalmarkt leisten wollen. Nach meiner Einschätzung werden viel zu große Kapazitäten auf den Kapitalmärkten verschleudert. Dort geht es im Kern darum, die Transformation zwischen Sparkapital und Investitionsbedürfnissen zu leisten. Um dies zu leisten, muss man kein Casino betreiben. In einer Rede vom 12.5.2007 habe ich versucht, zwischen Unternehmen die Werte schöpfen und solchen, die mit Vermögenstransaktionen Geld verdienen, zu unterscheiden. Wir müssen die Tendenz, am Vermögenstransfer zu verdienen und deshalb zum Beispiel Unternehmen ständig neu zusammenzufügen, auseinanderzunehmen und neu zu organisieren, brechen. Mergers und Acquisitions dienen in der zuletzt betriebenen Dimension nicht dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt. Sie werden gemacht, weil einzelne daran verdienen wollen. Zu diesem Zweck werden andere Kapitaleigner und vor allem die Arbeitnehmer ausgebeutet, erpresst, gepresst und auch betrogen.
Wer wirklich reformieren will und dabei wieder Ruhe in die wirtschaftlichen Beziehungen bringen will, muss alle diese Casinoelemente abschneiden und auslaufen lassen. Dazu wird Angela Merkel aufgrund ihrer Verflechtung mit den Interessen am Vermögenstransfer nicht fähig und auch nicht willens sein.
Anlagen:
- Börsen Die Amerikanisierung der Finanzmärkte und ihre Folgen
Marktmacht, cleveres Marketing, Rückendeckung durch Regulierer: Wie US-Finanzinstitutionen es schaffen, dass wir nach ihren Regeln spielen – und welche Folgen die Amerikanisierung der Finanzmärkte für Unternehmen und Anleger hat.
Da waren’s plötzlich vier: Eigentlich sollten ja Morgan Stanley und die Deutsche Bank den für November geplanten Börsengang der Deutschen Bahn organisieren. Völlig überraschend benannte die Bahn aber von Anfang an vier Banken: UBS und Goldman Sachs rutschten als nahezu gleichberechtigte globale Koordinatoren mit ins Konsortium. „Goldman wurde auf massiven Druck aus dem Kanzleramt mitreingenommen“, sagt ein Frankfurter Investmentbanker. Angela Merkel kann gut mit Goldman-Deutschland-Chef Alex Dibelius. Für den zahlt sich das aus: Jede der vier Führungsbanken dürfte mindestens 15 Millionen Euro einnehmen.
Zwei US-Banken, ein schweizerisches und nur ein deutsches Institut dominieren den milliardenschweren Börsengang eines Staatsunternehmens – und alle tun dies im Wesentlichen von London aus. Nichts illustriert besser, welchen Einfluss angelsächsische Institute mittlerweile auf dem heimischen Finanzmarkt gewonnen haben. Warum sind Goldman Sachs & Co. derart dominant? Und welche Folgen hat die Amerikanisierung des Finanzmarktes für Unternehmen und Anleger?
Quelle: www.wiwo.de
- Mitglied des Vorstand der Lehman Brothers AG
Quelle: www.bury.de [PDF – 32 KB]
- 19.10.2006
LEHMAN BROTHERS
Neuer Job für Schrempp
Quelle: www.manager-magazin.de
Bis Ende vergangenen Jahres war Jürgen Schrempp Chef bei DaimlerChrysler, nun hat er eine neue Aufgabe: die US-Investmentbank Lehman Brothers verpflichtet den 62-Jährigen als Berater.
Hamburg – Jürgen Schrempp hat einen neuen Job. Der langjährige Vorstandschef des Automobilkonzerns DaimlerChrysler arbeitet künftig als Seniorberater für die US-Investmentbank Lehman Brothers . Dies berichtet das manager magazin in seiner neuen Ausgabe, die am Freitag (20. Oktober) erscheint.
Schrempp soll den Bankern bei der Begleitung großer Fusionen und Übernahmen vor allem in Europa zur Seite stehen. Er hatte den Vorstandsvorsitz bei DaimlerChrysler zum Jahresende 2005 niedergelegt.
- Auszüge:
De Zoch kütt
Der Countdown läuft: Ende Oktober bringt Konzernchef Hartmut Mehdorn die Deutsche Bahn an die Börse – und wird vermutlich deutlich weniger einnehmen als bislang geplant.
Einem Bericht der Financial Times Deutschland zufolge könnte die Finanzkrise den Erlös auf eine Summe unter fünf Milliarden Euro drücken. Die zwölf Banken, die den Teilbörsengang von DB ML begleiten, wollen dem Bericht zufolge am Wochenende ihre Analysen vorlegen. Nach Informationen des Blattes werden die zum Verkauf stehenden 24,9 Prozent zumeist in einer Spanne von 4,7 bis 5,3 Milliarden Euro taxiert.
Insgesamt wäre Europas größter Bahn- und Logistikkonzern demnach rund 20 Milliarden Euro wert. Der Jahresumsatz der entsprechenden Bahntöchter bewegt sich derzeit um die 30 Milliarden. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte einst von einem Emissionserlös von bis zu acht Milliarden Euro gesprochen.
“Als problematisch kann sich aber der Discount erweisen”, zitierte das Blatt einen Analysten. Dieser Abschlag für Großinvestoren beträgt in stabilen Kapitalmarkt-Zeiten fünf bis zehn Prozent. Angesichts der Risiken auf den Märkten drohe der Bahn aber ein Abschlag von zehn bis 20 Prozent.
Das würde Einnahmen in Höhe von vier bis 4,5 Milliarden Euro bedeuten.
…bislang (wurde keine) Untergrenze festgelegt, bei der die Teilprivatisierung gestoppt wird. Der Eigentümer, die Bundesregierung, fürchtet aber bei zu geringen Emissionserlösen eine heftige öffentliche Diskussion. Als Beispiel für einen unglücklichen Börsengang wurde in jüngster Zeit in diesem Zusammenhang Air Berlin genannt, bei dem die anfängliche Bewertung zu einer Verschiebung geführt hatte.
Quelle: SZ