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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Wendehälse
Datum: 9. Oktober 2008 um 9:20 Uhr
Rubrik: Finanzkrise, Finanzpolitik
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Wie wurden doch noch vor kurzer Zeit die positiven Auswirkungen der Liberalisierung der Finanzmärkte in höchsten Tönen gelobt. Jede Kritik wurde als Verstoß gegen die „herrschende Lehre“ gegeißelt.
Wenn man dagegen die gestrigen Äußerung von Kanzlerin Angela Merkel, des 1. Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Norbert Röttgen, oder des haushaltspolitischen Sprechers der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Steffen Kampeter, hörte, gilt offenbar der Satz: Was stört mich mein Geschwätz von gestern.
Lesen Sie einmal selbst das Loblied auf die freien Kapitalmärkte, das die CDU/CSU noch im Mai 2002 als Minderheitsvotum zum Bericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderung und Antworten“ abgegeben hat.
„…Die Mehrheit steht der Globalisierung der Finanzmärkte ablehnend gegenüber. Schlimmer jedoch ist, dass die Mehrheit diese Skepsis an den Anfang ihrer Überlegungen stellt und daher bei allen weiteren Betrachtungen systematisch empirische Entwicklungen und Theorien ausblendet, die nicht in diese Kritik passen. So setzt sie sich bereits mit der sonst allgemein anerkannten Überzeugung der „herrschenden Lehre“ nicht einmal ernsthaft auseinander, wonach weitgehend freie Kapitalmärkte nicht nur notwendige Voraussetzung funktionierender internationaler Gütermärkte sind, sondern auch aus sich heraus dazu beitragen, den Wohlstand in der Welt zu mehren („das zentrale Argument für einen freien internationalen Kapitalverkehr ist sein Beitrag für das Wirtschaftswachstum“ (Deutsche Bundesbank 2001d: 21). Sie erweckt stattdessen den Eindruck, die positiven Wirkungen globaler Finanzmärkte könnten nur unter sehr speziellen, in der Realität nicht gegebenen Voraussetzungen eintreten.
An vielen weiteren Stellen werden Stil und Inhalt des Mehrheitsberichts den Ansprüchen, die an eine ausgewogene Darstellung und wissenschaftliche Auseinandersetzung zu stellen sind, nicht gerecht. Dies betrifft vor allem die Teile, die sich mit dem Problem hoher Realzinsen, dem Entstehen und den Folgen von Finanzkrisen sowie dem europäischen Finanzmarkt und der Europäischen Währungsunion beschäftigen. Ein Bemühen um Konsens in der Arbeitsgruppe war bei der Mehrheit nicht festzustellen. Dies führte dazu, dass die Meinung der Minderheit im Kommissionsbericht fast an keiner Stelle sichtbar wird. Im Folgenden können nur die wichtigsten Themen angesprochen werden.
Die CDU/CSU-Gruppe betont dagegen die durchweg positiven Auswirkungen der Liberalisierung der Finanzmärkte. Sie bewirkt z.B., dass
Die Mehrheit ist der Meinung, Ausgangspunkt der Finanzkrisen sei ein überhöhtes Kapitalangebot. Besonders attraktiv erscheinende Länder seien „überschwemmt“ worden. Die Welle sei dann zurückgeschwappt, wenn sich eine zu geringe Absorptionsfähigkeit des nationalen Marktes gezeigt habe.
Die CDU/CSU-Gruppe widerspricht dieser einfachen Argumentation. Nachfrageaspekte bleiben dabei unberücksichtigt…
Quelle: Deutscher Bundestag, Minderheitsvotum der CDU/CSU 11.1.7
Siehe dazu im Rahmen der Debatte um die Regierungserklärung vom 7.10.08:
Norbert Röttgen:„Sozialismus und liberale Marktgläubigkeit sind passé“
oder: Steffen Kampeter:
„Wir erfahren, dass weitere Banken durch die Vertrauenskrise in eine schwierige Situation getrieben werden. Deswegen ist die Frage berechtigt, ob wir mit dem Einzelfallmanagement weitermachen können. Ich verstehe die Äußerungen des Bundesfinanzministers dahin gehend, dass wir uns künftig in Bezug auf strategische Fragen besser wappnen müssen. Deswegen ist eine Übereinkunft mit den Akteuren des Finanzmarktes wichtig. Wir müssen systemische Krisen mit einem umfassenderen System beantworten (…)
Wir als Christlich Demokratische Union und wir als Christlich-Soziale Union sind der Auffassung, dass jetzt die Stunde der Politik ist. Wir wollen diese Krise bewältigen.“
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