Die Propaganda für Privatvorsorge wird immer dreister – und Politik und Wissenschaft immer schamloser.
Heute zu besichtigen erstens auf einer Doppelseite der Super Illu Nr. 33/2007 [PDF – 668 KB] mit Walter Riester, Bert Rürup und Carsten Maschmeyer (AWD) bei einer Super Illu-Aktion in Zusammenarbeit mit AWD und Focus Money sowie zweitens in der Frankfurter Rundschau mit der Ankündigung einer FR-Telefon-Aktion mit vier „Experten“ des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Albrecht Müller.
Diese beiden Beispiele – ähnliches findet mit hoher Wahrscheinlichkeit in vielen deutschen Medien statt – zeigen noch einmal, wie verlogen die Empörung der Medien über den Versuch der PR-Agentur des Bundeswirtschaftsministers, eine Glos-freundliche Berichterstattung im Gegenzug für Anzeigen zu erreichen, war. Auf ähnliche und viel schlimmere Verstöße gegen das Gebot der Trennung von Werbung und Redaktion gerade beim Thema Rente haben wir hingewiesen.
Wirklich apart ist, dass nunmehr das Schwesterblatt des Kölner Stadtanzeigers, der das Ansinnen der PR-Agentur des Bundeswirtschaftsministers öffentlich gemacht hatte, genau eine solche PR-Aktion im Dienste der privaten Versicherungswirtschaft veranstaltet. (FR und Kölner Stadtanzeiger gehören zum gleichen Verlag). Eine treffende Kommentierung eines unserer Leser zur PR-Aktion der Frankfurter Rundschau folgt unten.
Zunächst noch mit einigen stichwortartigen Anmerkungen zum viel größere Skandal, der Doppelseite in der Super Illu. Wenn Sie in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis zeigen wollen, wie heruntergekommen bei uns inzwischen Politik und Wissenschaft sind, dann können Sie diese Doppelseite verwenden. Es ist ein Musterbeispiel für den Niedergang der politischen Kultur:
- Wunderbar schon das Foto: Die kräftig lachenden „Top-Experten“, der Professor Rürup und der Abgeordnete und ehemalige Arbeitsminister Walter Riester, geben sich die Hand und der Hauptprofiteur des Händedrucks Carsten Maschmeyer legt seine Hand lächelnd auf die beiden andern Hände. Wirklich symbolträchtig.
- Maschmeyer sagt ehrlich: „Bei der privaten Vorsorge kommt es auf jeden Monat und jeden Euro an.“ Dann klingelt es bei AWD bestens in der Kasse.
- Rürup macht dieses Spiel mit und wird auch „Vorsitzender der fünf Wirtschaftsweisen“ genannt. Er nutzt also dieses Amt eines Rates der sich sogar unabhängig nennt für private Werbeaktionen. Schon fast komisch ehrlich wird auch er als Top-Experte in Sachen private Altersvorsorge vorgestellt. Das ist richtig. Er hat als Kommissionsvorsitzender der Rürup-Kommission sogar die Gesetze mit vorbereitet, die der Finanzindustrie die Euros in die Kassen spült.
- Beide, Rürup und Riester, werben in der Hauptschlagzeile damit, dass der Staat zahlt. Die sagen allerdings nicht, dass sowohl Riester-Rente als Rürup-Rente nicht rentieren würden und nicht verkäuflich wären, wenn der Staat die eine nicht durch massive Zulagen und die andere durch massive Steuererleichterungen subventionieren würde. Natürlich sagt der Sachverständigenratsvorsitzende nicht, dass diese Subvention eine Subvention ist und deshalb gegen alle sonstigen heiligen Versprechen und Forderungen zum Subventionsabbau verstößt.
- Nirgendwo steht natürlich, warum Carsten Maschmeyer sich in besonderer Weise freuen kann. Er ist einer der Hauptförderer dessen, was sich an Bevorzugung der Finanzindustrie in der Regierung Schröder getan hat – für die Privatvorsorge genauso wie für die Steuerbefreiung der Heuschrecken. Carsten Maschmeyer war im Landtagswahlkampf 1998 für seinen Freund Gerhard Schröder aktiv. Das gute Abschneiden bei dieser Landtagswahl war wie bekannt entscheidend dafür, dass die SPD Gerhard Schröder zum Kanzlerkandidaten gewählt hat. Dann kam eben die Riester-Rente und die Steuerbefreiung bei Unternehmensverkäufen. So hat sich der Einsatz im Niedersachsen des Jahres 1998 bis zum heutigen Tage gelohnt.
- Natürlich sagen die Herren insgesamt nichts dazu, wie jämmerlich die Renditen der Privatvorsorge Produkte sind – trotz staatlicher Milliarden.
- Und natürlich sagen sie nichts dazu, dass die Wenigverdiener mit ihren Steuerzahlungen für Lohnsteuer und vor allem für Mehrwertsteuer für die Subventionen für Rürup- und Riester-Rente zu Gunsten jener, die sich diese Produkte leisten können, aufkommen. Auch eine spezielle Form der Einkommensumverteilung.
- Und natürlich steht auf dieser Doppelseite nichts von den Nebenverdiensten des Walter Riester.
- Einer unserer Leser macht uns darauf aufmerksam, dass wir von den NachDenkSeiten und ich speziell als Autor von „Machtwahn“, wo die Interessenverflechtungen sowohl von Riester als auch von Rürup und anderen Wissenschaftlern dokumentiert sind, gelegentlich den Vorwurf zu hören bekämen, wir seien Verschwörungstheoretiker. Die Doppelseite in der Super Illu ist der beste Beweis für die tatsächlich stattfindende Verschwörung. – Danke für diesen Hinweis.
Und nun noch der Kommentar unseres Lesers zur Aktion der Frankfurter Rundschau:
Darauf hätte man förmlich warten können, mir ist nämlich noch die Podiumsdiskussion der FR in Kollaboration mit der INSM bestens erinnerlich. Jetzt treibt die FR der Versicherungsindustrie die Kunden zu, mit einer völlig ungeniert im redaktionellen Wirtschaftseil verlinkten Telefonaktion für alle, die später “ihren Lebensstandard im Alter halten” wollen.
Für mich hat die FR jedwede Glaubwürdigkeit verloren und ist nur noch ein beliebiges angepasstes Blatt unter vielen, ohne jegliches Rückgrat. Ich empfehle eine Abänderung derer Domain auf www.pr-online.de, das ist mittlerweile treffender für diese Zeitung.
Widerlich …
Die hohe Politik gibt ihren Segen
Zum Schluss bleibt anzumerken, dass sich die Akteure in bester Gesellschaft befinden. Der Vorsitzende SPD Kurt Beck höchstpersönlich hat tags zuvor in einem Interview mit Bild seinen Segen erteilt. Dort heißt es:
Ich sage es in aller Deutlichkeit: Wer von den heute Beschäftigten privat vorsorgt, dessen Lebensstandard wird sich im Alter verbessern. Mit der gesetzlichen Rente allein kann niemand seinen Lebensstandard im Alter halten.
Die hohe Politik als Versicherungsvertreter.