PR statt FR
Vor wenigen Tagen ließ sich der in der Mediengruppe DuMont Schauberg (MDS) erscheinende Kölner Stadtanzeiger als Retter der Pressefreiheit feiern, weil diese Zeitung den Versuch einer vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten PR-Agentur abgewiesen hat, eine positive Berichterstattung für den CSU-Minister zu erkaufen. Jetzt macht sich die zu 51 Prozent dem gleichen Verleger gehörende FR zur PR-Agentur für die Versicherungswirtschaft: „Im Auftrag der FR-Wirtschaftsredaktion“ beantworten in einer Telefonaktion am 20. August vier Experten des „Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft“ Fragen rund um die Altersvorsorge. Propaganda für ein Ministerium: Nein. Propaganda für die Versicherungswirtschaft: Ja. Wo liegt da eigentlich journalistisch ein Unterschied? Die Gegenfinanzierung durch das Schalten von Anzeigen der Versicherungswirtschaft dürfte für die FR gesichert sein – selbst wenn es darüber keine schriftliche Vereinbarung geben sollte. Wolfgang Lieb.
Dass die Frankfurter Rundschau eine kritische Distanz zu den zurückliegenden sog. Renten-„Reformen“ aufgegeben hat, konnte man schon über längere Zeit nachlesen. Dass sich die FR nun aber gar noch als Werbeplattform für die private Altersvorsorge hergibt, ist eine weitere Stufe des Niedergangs des kritischen Journalismus.
Hätte man wenigstens auch noch Vertreter der (gesetzlichen) Deutschen Rentenversicherung als Telefon-Ratgeber herangezogen, so hätte man vielleicht noch den Schein der Neutralität wahren können. Aber selbst eine solche Schminke scheint die FR-Wirtschaftsredaktion nicht mehr für nötig zu halten. So bedenkenlos ist dort inzwischen die journalistische Distanz zur „Wirtschaft“ preisgegeben worden. Den Ankündigungstext für die Telefonaktion kann man beim besten Willen nicht mehr als Berichterstattung bezeichnen, die FR macht sich dort vielmehr ganz ungeschminkt zum Sprachrohr der seit Jahren geführten Kampagne der Versicherungswirtschaft: Die gesetzliche Rente reicht nicht mehr, „um den Lebensstandard im Alter zu halten, (jetzt) muss der Einzelne mehr als bisher zusätzlich vorsorgen.“
Kein Wort mehr über die Vor- und Nachteile einer gesetzlichen oder einer privaten Altersvorsorge. Kein Wort über die Risiken oder über die hohen Kosten von betrieblichen oder privaten Lebensversicherungen.
Dass die „Experten“ des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft den Anrufern ihre „Produkte“ andienen werden, versteht sich für Versicherungsvertreter von selbst.
Diese Telefonaktion der FR belegt, dass ihre Medienpartnerschaft mit der Metallarbeitgeber-Propagandamaschine „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ kein Ausrutscher war, sondern ganz unverblümt die Abkehr vom „linksliberalen“ Kurs signalisieren sollte, der der Reaktion nach dem Wechsel der Chefredaktion und bei der Übernahme durch Neven DuMont früher zugesagt worden war.
„Das neue Denken“ kann man im Wirtschaftsteil der Tabloid-Zeitung etwa in den Beiträgen von Markus Sievers täglich wieder finden.
Die FR hat inzwischen neben den liberal-konservativen Kampfblättern FAZ oder Welt oder über den liberalen Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung hinaus kaum noch einen eigenständigen Platz als überregionale Tageszeitung. Sie macht sich überflüssig.