Bild-Serie mit Deutschlands wichtigsten Chefs – verlogen bis über die Grenzen des Erträglichen.
Unter der Überschrift „Die Politik muss ehrlicher werden!“ erschien am 14.8. im Rahmen einer Serie der Bild-Zeitung mit dem Titel „Deutschlands wichtigste Chefs erklären in BILD, wie unser Land Spitze bleibt“ ein Beitrag von Carsten Maschmeyer. In diesem Beitrag stimmt nahezu nichts und wichtige Informationen sind nicht enthalten. Der Autor, Vorstandsvorsitzender des Finanzdienstleisters AWD Holding AG schreibt auch hemmungslos zu Gunsten der Interessen seines Unternehmens.
Zunächst zur Person Maschmeyer und seiner Firma:
- AWD verdient an der Privatvorsorge. Wenn das Vertrauen in die gesetzliche Rente weiter zerstört wird und jene Menschen, die sich das leisten können, privat vorsorgen, verdient AWD.
- Maschmeyer hat bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der SPD im Frühjahr 1998 ganz wesentlich mitgemischt. Damals wurde sonderbarer Weise die Entscheidung zwischen Schröder auf der einen Seite und Lafontaine auf der andern Seite an der Landtagswahl in Niedersachsen im März 1998 aufgehängt. Die Landtagswahl wurde zum entscheidenden Kriterium hochgespielt. Mit dem rasanten Sieg von Schröder war die Kanzlerkandidatur entschieden. Die SPD und ihre Mitglieder hatten die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur aus der Hand gegeben. Wesentlichen Anteil an der Kampagne für den Niedersachsen Gerhard Schröder als nächsten Kanzler hatte Maschmeyer.
- Schröder hat den Dank üppig erstattet: die staatlich subventionierte Riester-Rente, schließlich eine private Rentenversicherung staatlich subventioniert, vom Steuerzahler unterstützt, kommt Finanzdienstleistern wie AWD massiv zu gute. Hab en Sie schon einmal bedacht, dass die Privat-Vorsorge-Riester-Rente ohne staatliche Subvention nicht auskommt? Man kann es auch anders sagen: die Provisionen für AWD zahlt der Steuerzahler.
- Auch die Steuerbefreiung der Gewinne der so genannten Heuschrecken, die Schröder zusammen mit Eichel zum 1.1.2002 durchgesetzt hat, kommen Finanzdienstleistern zu gute.
Nehmen wir uns nun die einzelnen Aussagen von Maschmeyer vor:
- Die Wirtschaft brumme, die Auftragsbücher seien prall gefüllt, behauptet Maschmeyer. – Das kann man in Deutschland allenfalls von der Exportwirtschaft sagen. Die auf den Binnenmarkt orientierte Wirtschaft, von den produzierenden Gewerben bis zum Einzelhandel, spürt vom Brummen noch nicht viel.
- Rund 84 Milliarden € gebe der Staat jedes Jahr für Gesundheit und Soziales aus -Tendenz steigend. Grund sei die demographische Entwicklung. Immer mehr Rentner stünden immer weniger Beitragszahlern gegenüber. – Das stimmt einfach nicht. Heute gibt es 15 Millionen Menschen über 65 Jahren und fast 53 Millionen arbeitsfähige Menschen in Deutschland. Das ist eine glänzende demographische Relation von Arbeitsfähigen zu Alten. Wir haben kein demographisches Problem. Das Problem ist erstens die hohe Arbeitslosigkeit, zweitens die Subvention der Minijobs zulasten der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse und damit als Folge der permanente Verlust von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. 1990 gab es noch 30 Millionen Beitragszahler, heute sind es unter 26 Millionen. Maschmeyer unterschlägt auch die Tatsache, dass die hohen Subventionen für Gesundheit und Soziales eine Folge der Entscheidung der Regierung Kohl sind, die sozialen Kosten der deutschen Vereinigung und der Aussiedleranwerbung den Beitragszahlern aufzudrücken.
- Maschmeyer wirbt dann offen für die Produkte der Versicherungswirtschaft, für die Riester-Rente und die Rürup-Rente. Sie seien notwendig, um die Kürzungen der gesetzlichen Renten abzufangen. Und es wird der Eindruck erweckt, diese Privatvorsorge-Modelle änderten irgendetwas an dem behaupteten demographischen Problem. Dazu ist zu sagen: die Privatvorsorge ändert überhaupt nichts an der demographischen Relation von arbeitsfähiger Bevölkerung zur Generation der Rentner. Ob gesetzliche Rente oder Privatvorsorge, immer müssen die Arbeitsfähigen für die nicht mehr Arbeitsfähigen und die noch nicht Arbeitsfähigen Aufkommen. Der Betrieb einer Privatvorsorge kostet aber mehr als das heutige Umlageverfahren der gesetzlichen Rente. Für dieses Verfahren werden kaum mehr als 1% der Beiträge zur Verwaltung gebraucht. Bei der Riester-Rente sind es schon 10%. Die müssen erst mal verdient werden. Man müsste das Umlageverfahren und die gesetzliche Rente erfinden, wenn es sie nicht gäbe. Wenn die gesetzliche Rente gekürzt wird und immer unsicherer wird, dann hängt das wesentlich mit politischen Entscheidungen zusammen, die absichtlich oder unabsichtlich zu Gunsten der Privatvorsorge und damit der Versicherungswirtschaft getroffen worden sind – so zum Beispiel die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Diese Entscheidung ist getroffen worden, obwohl heute sechzigjährige und fünfzigjährige in Rente geschickt werden, weil es keine Arbeit gibt. Der helle Wahnsinn. Und nur erklärbar damit, dass sich junge Leute heute ausrechnen und fürchten sollen, sie müssen einen Abschlag von über 3% hinnehmen, wenn sie mit 65 in Rente gehen wollen. Das ist eine Verunsicherung zu Gunsten der privaten Versicherungswirtschaft.
Im übrigen: Man muss den Zusammenhang dieses Beitrags in der Bild-Zeitung sehen. Bild hatte schon seit vergangenen September zusammen mit der Allianz AG Reklame für die Privatvorsorge gemacht, dafür Werbegelder kassiert und selbst im redaktionellen Teil gegen die gesetzliche Rente Propaganda gemacht. Stichwort „Schrumpftrente“.
Bitte nehmen Sie diesen Vorgang zum Anlass, auf die Methoden und die Verfilzung der Bild-Zeitung aufmerksam zu machen.