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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 19. August 2009 um 9:19 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Die Verteidigungslinie von Jochen Sanio war klar. Während seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Beinahepleite der Skandalbank Hypo Real Estate wiederholte der Chef der deutschen Bankenaufsicht immer wieder sein zentrales Argument: Die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers sei nicht vorhersehbar gewesen, weder von seiner Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), noch von Axel Webers Bundesbank, die ebenfalls für Bankenaufsicht zuständig ist.
Bereits im März und dann noch einmal im August 2008 ließ die Bundesbank “in enger Abstimmung mit der Bafin” die Risikopositionen deutscher Geschäftsbanken (darunter der HRE) gegenüber US-Investmentbanken (darunter Lehman Brothers) abfragen. Auch die zum damaligen Zeitpunkt als gefährdet geltende schweizerische UBS war Bestandteil der Abfrage.
Der als “geheim” gestempelte turnusmäßige Risikobericht der Bundesbank zur HRE vom 23. September 2008 weist auch das Ergebnis der zweiten Umfrage vom 22. August 2008 aus: Demnach wies die HRE gegenüber den ausgewählten US-Banken und der UBS ein so genanntes Netto-Exposure von 6,74 Milliarden Euro aus. Das wäre die Summe, die die HRE theoretisch an Forderungen eingebüßt hätte, wenn alle abgefragten US-Banken und die UBS zahlungsunfähig geworden wären. Die wahren Kosten einer Bankenpleite liegen indes nicht im direkten Forderungsausfall, sondern im Vertrauensverlust beim Kreditgeschäft zwischen Banken, der der HRE schließlich auch zum Verhängnis wurde.
Quelle: manager-magazin
Siehe dazu auch die bei Spiegel Online dokumentierten schriftlichen Meldungen der BaFin an das BMF:
Von Januar bis 15. September 2008, dem Tag der Lehman-Pleite, gab es so weit bekannt acht schriftliche Meldungen der BaFin an das BMF. Die Schreiben liegen dem Untersuchungsausschuss vor. SPIEGEL ONLINE dokumentiert sie.
Quelle: Spiegel Online
Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen:
“Die Ernsthaftigkeit der Lage bei der Bank war uns nicht bewusst”, sagte Müller, der auch Aufsichtsratschef der Commerzbank ist. Die HRE habe keine verlässlichen Zahlen vorgelegt und habe auch später immer neue Erkenntnisse über einen noch höheren Finanzbedarf präsentiert. Die Verärgerung darüber sei groß gewesen.
Quelle: manager-magazin
Anmerkung WL: Entweder ist der frühere Chef des Bankenverbandes Müller absolut unfähig, wenn er bis in den September hinein nichts von der Lage einer angeblich „systemischen“ Bank wie der HRE gewusst haben will, oder diese Herrschaften schützen sich nur noch gegenseitig davor, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, indem sie sich auf Nichtwissen berufen. Es ist doch völlig weltfremd, davon auszugehen, dass der Chef des Bankenverbandes nichts von den im vorigen Beitrag erwähnten Risikoberichten der Bundesbank gehört haben sollte. Wie heißt es doch immer: „Das Kapital ist ein scheues Reh“. Der oberste Vertreter der Kapitalverwalter muss nach seinen Aussagen wohl eher ein blindes Huhn gewesen sein, das noch nicht einmal gackern konnte. Er müsste mindestens seinen Posten als Chef des Aufsichtsrats der Commerzbank sofort wegen erwiesener Unfähigkeit abgeben.
Denn sonderbarerweise war die Erkenntnis oder zumindest die Ahnung weit verbreitet, dass es zu einem Crash im Finanzsystem kommen müsse, gerade unter denen, die sich am Finanzmarkt tummelten. Aber sollten sie laut “Feuer” rufen und damit die Party, von der sie profitierten, vorschnell beenden? Natürlich nicht.
Noch entschiedener wird die Realität von jenen verdrängt, die in Hierarchien weiter oben angesiedelt sind oder gar regulatorische Entscheidungsbefugnis haben. Sie haben die riesige Spekulationswelle verniedlicht, die erkennbare Instabilität des weltweiten Finanzgebäudes geleugnet und die unglaublich hohe Profitabilität des Finanzsektors für ein Zeichen von Gesundheit, nicht von unhaltbaren Zuständen gehalten.
(…) Die Ökonomen, Aufseher und Banker (hatten und haben) ein Interesse daran…, die Wahrheit nicht zu erkennen, oder, wo sich das nicht vermeiden lässt, sie zu verschweigen oder wenigstens zu verniedlichen.
Leider hat sich in den beiden Jahren der Finanzkrise daran nichts geändert. Weder haben die Profiteure des Finanzsystems und ihre Regulatoren schuldbewusst den Rückzug angetreten. Noch hat die Politik trotz großer Regulierungsrhetorik Schritte eingeleitet, um den Finanzsektor zu verkleinern oder auch nur zu bändigen. Vielmehr gilt es als vornehmstes Ziel, die schwachen Banken wieder aufzupäppeln, damit sie endlich wieder Kredite vergeben.
Quelle: FTD
Anmerkung WL: Entscheidend dafür, dass die Wahrheit unter der Decke gehalten wurde, ja dass im Gegenteil das Finanzsystem von Bankern, Wissenschaftlern, Medien und der Politik als vorbildlich und effizient gelobt wurde ist, dass alle direkt oder indirekt davon bestens lebte. Der Finanzsektor hatte alle an seiner Leine. Das ist und bleibt das eigentliche „systemische“ Risiko.
Zuvor hatte bereits Bundesbank-Präsident Axel Weber vor weiteren Problemen durch Kreditausfälle infolge von mehr Pleiten bei Firmen und Privatleuten gewarnt. Die deutschen Banken und Sparkassen seien noch nicht über den Berg.
Quelle: FTD
Anmerkung WL: Es geht weiter mit dem Gerede von den „Standortnachteilen“. Das Unternehmenssteuerrecht wirke z.T. krisenverschärfend, hohe Abgaben und Bürokratiekosten sowie strenge Regulierungen belasteten die produzierende Wirtschaft. Gerade in Krisenzeiten stehe die Politik in der Pflicht, durchgreifende strukturelle Verbesserungen zur Stärkung der deutschen Industrie in die Wege zu leiten, deshalb etwa eine Erhöhung der Freigrenze bei der Zinsschranke (zur Erleichterung kreditfinanzierter Investitionen für „Heuschrecken“ WL) oder die Kürzung gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen etwa von Miet-, Pachtzinsen, Leasingraten (…)
Die Belastungen der Industrieunternehmen durch verschiedene energie- und umweltpolitische Instrumente gehörten auf den Prüfstand, deshalb etwa Prüfung einer Energiesteuerbefreiung für Unternehmen, die dem EU-Emissionshandel unterliegen, Beibehaltung der Steuerbefreiung von Energieerzeugnissen und Strom für bestimmte Zwecke, Prüfung einer möglichen Freistellung der energieintensiven Industrie von der Versteigerungspflicht bei den CO2-Zertifikaten, Beseitigung von Investitionshemmnissen beim Neubau von Kraftwerken.
Erleichterung für Kapitalbeteiligungen durch ein umfassendes Private Equity Gesetz, innovative Finanzierungsmodelle – insbesondere PPP durch privatwirtschaftliche Anreizmodelle,
Durch weitere „strukturelle Verbesserungen“ soll „Deutschland seine Spitzenstellung als Exportweltmeister auch langfristig halten und ausbauen können“, weiter also mit Kostenreduzierungen, moderaten Lohnsteigerungen, „die Tarifpartner sind aufgerufen, weiter ihren Beitrag zur preislichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu leisten“.
Bestimmte Steuervergünstigungen bei der Umsatz und Einkommenssteuer seien in Frage zu stellen. (Also Abschaffung von Ausnahmetatbeständen bei der Mehrwertsteuer.)
Abkoppelung der Pflegekosten von den Arbeitskosten. (Also Privatisierung der Pflegkosten.)
Mindestlöhne schränkten die notwendige Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ein, verteuerten die Arbeit und gefährdeten so Wettbewerbsfähigkeit und sie erschwerten gering Qualifizierten den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Zeitarbeit als Brücke in reguläre Beschäftigung. Flexibilisierung des Arbeitsmarktes müsse weiter vorangetrieben werden. Usw. usf.
Alles was hier niedergeschrieben wurde, folgt einer schlichten Unternehmenslogik. Mit den alten Parolen (die Steuern sind zu hoch und zu kompliziert, die Sozialleistungen zu üppig, die Pflege zu teuer, die Bürokratie lege alles lahm) werden Unternehmerdenken und Unternehmerpolitik auf die gesamte Volkswirtschaft, ja auf die gesamte Gesellschaft übertragen.
Stärkung der Binnennachfrage, Abbau der Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz: Fehlanzeige, nichts von einer aktiven Beschäftigungspolitik. Krise, Rezession, Konjunktur – solche Begriffe tauchen in dem Papier nicht auf. Statt dessen weiter mit Lohn-, Umwelt- und Steuerdumping zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.
Das Papier legt alle Ladenhüter wieder auf, die vor der Krise auf der Agenda waren, gerade so als hätte diese Politik nicht geradewegs in die Katastrophe geführt. Die wirtschaftspolitischen Wendehälse haben sich schon wieder zurückgewendet. Die alten Forderungen werden wieder aufgewärmt.
Nun will ja niemand für dieses „Industriepolitische Gesamtkonzept“ verantwortlich sein, schon gar nicht Wirtschaftsminister zu Guttenberg. Es sei ein reines Beamtenpapier und kein politisches Papier. Aber kaum ein Beamter schreibt etwas auf, von dem er nicht erwartet, dass es der politischen Leitung, also dem Minister missfällt. Das Papier atmet nicht nur den Geist des Wirtschaftsministeriums, sondern es entspricht den Erwartungen des Ministers.
Das Konzept ist die Blaupause für die künftige Wirtschaftspolitik einer schwarz-gelben Regierung, da mache man sich nichts vor. Auch wenn man es vor den Wahlen schnell wieder unter die Decke kehren möchte.
Leider hat die Süddeutsche Zeitung, die das Papier natürlich in vielen Punkten „gar nicht so schlecht“ findet, nicht ganz unrecht, wenn sie schreibt: Einiges davon hat die große Koalition bereits umgesetzt, einige Kernaussagen stimmen sogar vollständig mit dem SPD-Repertoire überein.
Siehe zu Guttenberg auch:
Guttenberg, der „Junge Führer“ – die Atlantik-Brücke und ihr Young-Leaders-Programm
Quelle: zeitgeist
Anmerkung Orlando Pascheit: Es gibt wohl keinen lächerlicheren Indikator als den ZEW-Konjunkturbarometer, der sich auf die Stimmung von 350 Börsianern stützt, die im letzten halben Jahr im Gegensatz zur Realwirtschaft eine schöne Börsenrally erleben durften und natürlich auf mehr hoffen. Man fragt sich, warum die Medien diese Selbstbespiegelung der Börse mitmachen – dass die Börsianer gerne wissen möchten, was die Kollegen denken, ist verständlich, stärkt doch aber den verbreiteten Herdentrieb dieser Berufsgruppe.
Siehe die Tabelle in Bundestags-Drucksache [PDF – 579 KB] 16/12182 S. 19
(Der Hinweis stammt von LobbyControl)
Anmerkung WL: So sind sie halt, die rechten „Seeheimer“ in der SPD: Reine Lobbyisten eben, die ihr Abgeordnetenmandat nur als Sprungbrett nutzen.
Anmerkung Roger Strassburg: Gabor Steingart ist offenbar wieder in den USA. Jedenfalls hat er jetzt wieder die Möglichkeit, über die USA zu schwadronieren, wie er es letzes Jahr getan hat. Im folgenden Artikel hat er sich der Denkweise der Republikaner angeschlossen und erzählt fleißig weiter, wie Obamas Gesundheitsreform zu Engpässen und Rationierung von Gesundheitsversorgung führen werde. Dazu erzählt er, dass es keine Mehrheit mehr für die Reformen gebe, obwohl nach wie vor etwa 70 Prozent der Bevölkerung diese befürworten. Die Wut auf der Straße, von der Steingart berichtet, ist in der Tat die von Gegnern organisierte Störung vieler Bürgerversammlungen und nicht der Volksaufstand, den Steingart suggeriert. Gabor-typisch – die Tatsachen so beschreiben, wie sie in sein Weltbild passen.
Das heißt nicht, dass wesentliche Punkte des Reformvorhabens nicht gefährdet sind. Leider gibt es bei den Demokraten – und Obama selbst – zu viel Nachsicht für die Republikaner. Offenbar haben Obama und einige Demokraten nicht kapiert, dass es auf diesem Feld keine Schnittmenge mit den Republikanern gibt. Die Republikaner wollen keine Gesundheitsreform, sie wollen erst recht keine staatliche Krankenversicherung, und am allerwenigsten wollen sie, dass Obama erfolgreich ist. Ein Kompromiss mit den Republikanern kann nur dann zustande kommen, wenn Obama dabei alles aufgibt, was die Reform erfolgreich machen könnte. Obama und die sogenannten “moderaten” Demokraten sollten endlich ihr Harmoniestreben aufgeben. Mit seinem Versuch, die Republikaner mit ins Boot zu holen, spielt Obama tatsächlich in die Hände seiner Gegner.
Dazu auch:
Dieter Wermuth: Einkommensverteilung in den USA : wie in der dritten Welt
Warum wird die Einkommensverteilung seit einigen Jahren in den reicheren Ländern immer ungleichmäßiger? Und warum wird das im großen Ganzen einfach so hingenommen? Die linken Parteien, die die Situation korrigieren könnten, verlieren in Europa ständig an Boden und haben sich offenbar damit abgefunden, dass sich mit dem Thema heutzutage kein Blumentopf mehr gewinnen lässt. Hinweise aus den USA, weshalb dies so ist, liefert der New Yorker Soziologe Dalton Conley in seinem neusten Buch, das ich gerade lese.
Quelle: Zeit herdentrieb
Dazu:
Brazil Conspired with U.S. to Overthrow Allende
Declassified U.S. Documents Show Richard Nixon and Brazilian President Emilio Médici Discussed Coordinated Intervention in Chile, Cuba, and other Latin American nations “to prevent new Allendes and Castros”.
Quelle: National Security Archive
Anmerkung Orlando Pascheit: Gleichzeitig sanken im vergangenen Monat die Exporte, und die Industrieproduktion wuchs langsamer als erwartet. Auch darf man nicht übersehen, dass zwischen dem Börsenboom und dem bekannten riesigen Konjunkturpaket ein Zusammenhang besteht. Die Regierung befürchtet, dass ein Teil des frischen Geldes nicht in die Realwirtschaft, sondern in die wieder boomenden Aktien- und Immobilienmärkte geflossen ist und sich hier neue Blasen bilden.
Die Missstände im Retailmarkt für Finanzdienstleistungen wurzeln vor allem darin, dass das gesamte Geschäft über provisionsfinanzierte Vermittlung läuft und eine kunden- und produktgerechte Beratung dabei auf der Strecke bleibt. Eine Honorarberatung ist dazu der Gegenentwurf und verfolgt das Ziel, die Berater ausschließlich auf die Interessen der Beratenen zu verpflichten – wie es bei Rechtsanwälten oder Steuerberatern auch der Fall ist.
Leider ist es so, dass die Anbieter- und Vermittlerbranche es über Jahrzehnte geschafft hat, den Eindruck zu vermitteln, die Beratung bei Finanzdienstleistungen sei kostenlos zu bekommen. Von daher haben wir die paradoxe Situation, dass das Gros der Kreditnehmer und Anleger bislang nicht bereit ist, für eine gute Beratung ein Honorar zu zahlen – aber hintenherum über die Provisionen einen ungleich höheren Preis für eine mehr oder weniger schlechte Beratung (oder schlichte Überredung) zahlt.
Eine Folge davon wiederum ist, dass es nur wenige Honorarberater gibt und diese sich dann auf die betuchteren Kunden konzentrieren.
Wenn angesichts dieser unbefriedigenden Situation von staatlicher Seite etwas zur Stärkung und Verbreitung der Honorarberatung unternommen wird, dann ist das grundsätzlich zu begrüßen – und keineswegs eine Handreichung für die Versicherungen, wie MB meint.
Die Herausforderung ist dann, dass tatsächliche die reine („echte“) Honorarberatung gestärkt wird und nicht hybride Formen, bei denen Vermittler zwischen Honorar und Provision wechseln
können.
Seit längerer Zeit vertrete ich eine Reihe dieser Beamten. Diese werden zwar durch das verhältnismäßig strenge Beamtenrecht vor Eingriffen in ihren Status geschützt. Die Telekom versucht jedoch, diesen Schutz durch verschiedene Maßnahmen immer weiter auszuhöhlen. Im vergangenen Jahr gab es z.B. eine bundesweite Aktion, bei der Beamte unterschiedlichster Aufgabenbereiche und Fachrichtungen zu einer Tochtergesellschaft der Telekom AG, nämlich der VCS GmbH zugewiesen wurden. Die VCS GmbH betreibt ebenfalls Call-Center. Die Beamten wurden und werden (mitunter völlig ausbildungs- laufbahn- und fachfremd) teilweise bis heute in diesen Call-Centern eingesetzt.
Die Telekom verkauft schrittweise auch diese VCS-Call-Center. Hauptinteressent und Hauptkäufer ist Arvato. Was mit den Beamten geschieht, wenn die einzelnen Call-Center an Arvato gehen, ist mir nicht bekannt. Ich habe insoweit keine Mandate und keine sonstigen Informationen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass im Hintergrund der gezielte Versuch eine Rolle spielt, das Beamtenrecht dahingehend auszuhöhlen, dass hier schrittweise die rechtliche Möglichkeit geschaffen werden soll, Beamte in privatwirtschaftlichen Organisationsformen einzusetzen, um öffentliche Aufgaben mit dem vorhandenen Personal auf private Träger verlagern zu können. Dazu passt die Bemerkung von Herrn Pascheit “Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, wo Arvato sein zukünftiges Hauptgeschäft sieht, in der Teilauslagerung des Öffentlichen Dienstes“.
Einen handfesten Beweis habe ich nicht, aber nach meinem Eindruck sind die unter dem Dach der Telekom AG verbliebenen Beamten die Versuchsmäuse für eine rechtliche Absicherung dieses Privatisierungsinteresses. D.h. über die Zuweisung zu den Call-Centern werden die rechtlichen Instrumente erprobt, um Privatisierung des öffentlichen Dienstes insgesamt voranzutreiben.
Siehe dazu auch:
Wie die Bertelsmann-Tochter für die Telekom Arbeitsplätze vernichtet
Quelle: ver.di Publik
Die Leidtragenden sind die neuen Arbeitslosen und vor allem das spätestens im Herbst massiv anwachsende Heer der ALG II-Bezieher, die übrigens mehrheitlich aus dem sog. bürgerlichen Mittelstand kommen. Gerade für diese Menschen ist auch in Zukunft kein Geld für Bildung da.
Die Rechnung erhalten die dann noch arbeitenden Menschen. Nach der Wahl werden die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung massiv erhöht, egal von welcher Regierung.
Und E.H schreibt: Die Mitteilung, dass “Kurzarbeit die Betriebe rd. 5 Mrd. € kostet”, lässt mir keine Ruhe (NDS vom 18.08.). Diese Behauptung kann doch nur dann stimmen, wenn man von einem Status quo ausgeht, also von der Festschreibung der Auftragslage, wie sie vor der Krise vorlag.
Der Auftragseingang ist aber massiv zurückgegangen; aus diesem Grund wurde schließlich Kurzarbeit eingeführt. Wieso bildet man nicht die Wirklichkeit ab und erfindet dafür lieber eine neue Welt?
In Wirklichkeit hat sich doch das wirtschaftliche Umfeld geändert – und das muss in einem mathematischen Modell berücksichtigt werden, wenn das Ergebnis stimmen soll.
Die Unternehmer haben keine – künstlich berechneten – Zusatzkosten, sondern zusätzliche Aufwendungen, die durch den Auftragsschwund hervorgerufen werden, und diese Aufwendungen sind ganz einfach durch die langsame Anpassung der Fixkosten bedingt. Die Unternehmen haben aus der Kurzarbeit überhaupt keine (neuen) Kosten zu verzeichnen. Nur mikroökonomisch Beschränkte können so etwas ausrechnen.
Demgegenüber haben – wie Sie zu Recht bemerken – die Arbeitnehmer geringere Einnahmen zu verkraften. Eigentlich hätte ein Mikroökonom schreiben können, dass nach seiner Berechnung die Unternehmer etwa 3 Mrd. weniger Löhne auszahlen müssen – bedingt durch die Kurzarbeit.
Somit hätte – nach dieser Logik – die Kurzarbeit die Betriebe um rd. 3 Mrd. € entlastet. Was nun? 5 Mrd. € Kosten oder 3 Mrd. € Einsparung (womöglich Gewinn). Schön, dass die Wirklichkeit viel komplexer ist.
(…) Knapp 3/4 der Praxiseinnahmen stammen von Kassenpatienten – von wegen, Ärzte verdienen dabei nichts (…) Das heißt, dass der “Kassenseite” auch 3/4 des Überschusses eine Praxis zugeordnet werden muss. (…)
Diese Schlussfolgerung stimmt so nicht, da der Überschuss, die gleiche Therapie vorausgesetzt, bei Privatpatienten wegen der höheren Verrechnungssätze erheblich größer ist als bei Kassenpatienten. Schon das Ausstellen eines Privatrezeptes wird Ärzten meines Wissens besser vergütet als das eines Kassenrezeptes.
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