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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Interessenskollisionen und Eigeninteressen als „systemisches Risiko“
Datum: 31. Juli 2009 um 9:44 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Wie das Handelsblatt berichtet, befanden sich sowohl die Bundesbank als auch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin bei den Entscheidungen über die Rettung der Hypo Real Estate in einem „schweren Interessenkonflikt“ . Die Bundesbank selbst hatte nämlich noch im September 2008 (!) rund 2,3 Milliarden bei der HRE angelegt. Neben Bundesbankpräsident Weber und BaFin-Präsident Sanio hatten auch andere an den Gesprächen vom 26.09 bis 28.09.2009 zur Rettung der HRE Beteiligten [PDF – 1.9 MB], so etwa Martin Blessing von der Commerzbank, Josef Ackermann von der Deutschen Bank oder die Vertreter der HypoVereinsbank erhebliche Eigeninteressen. Wenn also die Vertreter dieser Institutionen nun vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss auftreten und wie Sanio das „Weltfinanzsystem am Abgrund“ sahen oder wie Commerz-Chef Blessing die Entscheidungen der Bundesregierung unterstützen, dann dürften sie vor allem die Eigeninteressen ihrer Häuser vertreten haben. Dass für sie die Pleite der HRE ein „systemisches Risiko“ darstellte, ist nur nahe liegend. Ihre Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss, sind deshalb nichts anderes als parteilich. Eine objektive Aufklärung ist von solchen Zeugen nicht zu erwarten. Wolfgang Lieb
Geradezu grob fahrlässig muss man die Anlage von 2,3 Millarden durch die Bundesbank (darunter offenbar auch Pensionsrückstellungen der BaFin selbst) bei der HRE bewerten – wohlgemerkt noch nach der Lehmann-Pleite und kurz bevor zur Rettung der HRE vom Bund Milliardenbeträge abgepresst wurden.
Entweder war die Bundesbank „nicht so schrecklich gut informiert, oder auf ihr Urteil ist wenig Verlass“ kommentiert Frank M. Drost gleichfalls im Handelsblatt. Schon in ihrem Prüfbericht vom 24. 06.2009 habe nämlich die Bundesbank zahlreiche Mängel bei der HRE aufgespießt und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation als „nicht gegeben“ angesehen und ein Liquiditätsrisiko erkannt. Wer, wenn nicht die (neben der BaFin) für die Bankenaufsicht verantwortlich Bundesbank hätte also das Risiko dieser Anlage erkennen müssen.
Noch problematischer ist allerdings die Interessenkollision, in die die Bundesbank mit dieser Anlage bei der HRE geraten ist: nämlich den Konflikt zwischen dem eigenen Interesse an der Rettung von Anlagen als Treuhänder ihrer Anleger und ihrer Funktion als neutrale, vom Staat per Gesetz beauftragte Bankenaufsicht.
Die Bundesbank bestreitet einen solchen Konflikt zwischen Ihrer (staatlichen) Aufsichtsfunktion und ihrer Rolle als Treuhänder von Anlagen, weil sie das Geld im Auftrag von Bund und Ländern angelegt und sich strikt nach deren Vorgaben gerichtet habe. Sie sei in den Anlageausschüssen, mit denen die Kapitaldeckung von Pensionsansprüchen im öffentlichen Dienst verwaltet wird, nicht stimmberechtigt, heißt es in der FAZ .
Dass die Bundesbank nicht stimmberechtigt ist, mag wohl zutreffen, aber heißt das auch, dass man als Treuhänder seinen Kunden nicht abraten kann, dass sie eine hochriskante Anlage betätigen? Wie hätte die Bundesbank dagestanden, wenn sie kaum eine Woche nach der Anlage ihren Auftraggebern hätte mitteilen müssen, dass das Geld leider weg ist, weil die HRE pleite ist? Eine dünnere Ausrede hätte dem Bundesbankpräsidenten kaum einfallen können.
Dieses Eigeninteresse an der (staatlichen) Rettung der HRE hatten aber nicht nur die Bundesbank und (zur Verteidigung ihres Versagens) auch die BaFin, sondern auch die meisten anderen Beteiligten, die an dem Krisenwochenende in Frankfurt, die Bundesregierung mit der Drohung erpressten, „der Tod des deutschen Bankensystems“ (Protokoll der BaFin [PDF – 1.9 MB]) stehe bevor.
Wie man einer in der „Zeit“ veröffentlichten Aufstellung der Bundesbank entnehmen konnte, hatte nämlich die Deutsche Bank rund 1 Milliarde Kredite und die Commerzbank rund 1,4 Milliarden Kredite und an die HRE vergeben . Der Commerzbank sitzt aus der Übernahme der Dresdner Bank zusätzlich ja nach wie vor die Allianz im Nacken und dieser Versicherer hatte rund 5,6 Milliarden bei der HRE liegen. Blessing und Ackermann hatten also gleichfalls Eigeninteressen an der Rettung und waren keinesfalls nur kompetente Ratgeber der Kanzlerin oder des Finanzministers, als die sie sich gerne darstellen wollen. Noch viel mehr trifft dies auf die Vertreter der HypoVereinsbank in der Frankfurter Runde zu, gegenüber deren „Mutter“, die Unicredit, die HRE mit rund 3 Milliarden verschuldet war. Gerade die HypoVereinsbank musste ein besonderes Interesse an der Risikoübernahme des Staates haben. Die Gründung der HRE ging ja vor allem auf die Auslagerung schlechter Risiken gerade aus der HypoVereinsbank zurück, damit diese Bank fünf Jahre zuvor risikofrei an die italienische Bank UniCreditGroup verkauft werden konnte. Die HypoVereinsbank hätte bis einen Tag vor der Rettung durch den Steuerzahler am 28. September für Ansprüche (Risiken) der HRE gehaftet.
Da saßen sie nun alle in einem Boot und bangten in der Frankfurter Krisenrunde um ihre eigenen Verluste und um die anderer Banken. Vor allem mussten die Banker ihre vorausgegangenen Geschäfte und die Bankenaufsicht ihre Versäumnisse (oder ihre Unfähigkeit) bei der Kontrolle der Banken vertuschen. Wer wundert sich da noch über die Horrorszenarien, die da von Bankern und Bankenaufsicht an die Wand gemalt wurden, um den Bund und damit den Steuerzahler ins Boot zu ziehen, damit die HRE vor dem Untergang gerettet werden konnte. Wenn aber nur Leute mit den gleichen Interessen kollaborieren, kann es nur zu einer Lösung zu Lasten Dritter, der Masse der Steuerzahler kommen.
Das „systemische Risiko“ entpuppt sich mehr und mehr als ein System mit dem die Banker und die Bankenaufsicht den Staat erpressten und ihr systematisches Versagen auf den Steuerzahler abwälzen konnten.
„Weltuntergang des Finanzsystems“, „Weltfinanzsystem am Abgrund“ (Sanio), „Untergangsstimmung“ (Weber), „Tod des deutschen Bankensystems“ (Ackermann) das war die Drohkulisse und die Banker tun heute so, als hätten sie – falls das Horrorszenario real war – damit nichts zu tun. Sie spielen sich sogar noch als Retter der Nation und als Wahrer der Interessen der Steuerzahler auf.
Der Staat darf nun schon für über 100 Milliarden allein für die HRE gerade stehen und Deutschland regt sich nicht etwa über die Banker und die Bankenaufsicht auf, sondern über eine läppische Dienstwagenaffäre.
Ein erschreckendes Beispiel dafür, wie die Bevölkerung hinters Licht geführt wird und mit welchen plumpen Tricks die Medien dabei mitspielen die Menschen vor den wirklichen Skandalen abzulenken.
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