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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 29. Juli 2009 um 9:20 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(KR/WL)
Heute unter anderem zu diesen Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Weil die Zentralbanken reichlich Geld in den Markt pumpen, können sich auch die Investmentbanken derzeit überaus preiswert refinanzieren. Beste Voraussetzungen dafür, gegen entsprechende Zinsen jene Anleihen zu finanzieren, die von den Staaten zur Krisenbekämpfung aufgenommen werden. Die Neigung der Investmentbanken, Geld für das Kreditgeschäft bereit zu stellen, ist ohnehin begrenzt. Denn die Margen, die sich in ihrem internationalen Wettgeschäft verdienen lassen, sind deutlich höher. Also boomt auch der Handel mit Anleihen, zum Beispiel denen der Schwellenländer, bei denen die Preise stärker schwanken als bei denen der Industriestaaten. Zusätzliche Chancen liegen im Aufkauf von Krediten anderer Banken, die oft auf Druck der Bankenaufsicht ihre Kreditportfolios zurückfahren müssen. Dann sind auch ertstklassig besicherte Darlehen renommierter Unternehmen zum Spottpreis zu haben, die dann mit hohen Gewinnaufschlägen weiterverkauft werden können. Selbst an den Pakethandel mit gesicherten Forderungen trauen sich die Investmentbanker wieder heran. Nach Informationen des „Spiegels“ soll das Investmenthaus Morgan Stanley ernsthaft erwägen, herabgestufte Collateralized Debt Obligations (CDO) neu zu verpacken und verbriefen zu lassen, um sie wieder in den Handel zu bringen. Der Markt sei schließlich da. Und auch die Deutsche Bank verzeichnet ein wachsendes Interesse ihrer Kunden an derivativen Produkten.
So wie es aussieht, machen die Investmentbanken also genau so weiter, wie vor der Finanzkrise. Mit dem Unterschied, dass ihr Spielkapital durch den mittelbaren Zugriff auf das über die Zentralbanken zur Verfügung gestellte Geld der Steuerzahler erheblich größer geworden ist. Und mit der Gewissheit, dass sie selbst längst so groß geworden sind, dass sich ihr Scheitern niemand mehr leisten kann.
Quelle: Tagesspiegel
Dazu auch:
Alles unmoralisch? Die Bank tut, was eine Bank tun muss (und was Kunden und Mitarbeiter erwarten): Sie rüstet sich gegen Risiken. Und die scheinen beträchtlich zu sein. Die Vorsorge wurde versechsfacht, weil die Bank Kreditausfälle, Insolvenzen und die Folgen der Arbeitslosigkeit fürchtet. Deshalb stürzte die Aktie ab. Ein Beigeschmack bleibt dennoch. Und das liegt nicht an der Bank, sondern an den Rahmenbedingungen, die ihr – und vor allem der US-Konkurrenz – derart lukrative Geschäfte wieder erlauben. Solange die Institute mitunter unkontrollierte Geschäfte machen und Risiken eingehen können, ohne größere Anteile ihres Eigenkapitals als Sicherheit vorhalten zu müssen, bleibt das Finanzsystem so anfällig, wie es vor der Krise war. Hier muss nachreguliert werden – dringend.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: Das die Aktie der Deutschen Bank um 11 Prozent gefallen ist, da die Eigenkapitalrendite “nur” bei 16 Prozent lag, schlägt kaum zu Buche, da die Aktie im Verlauf des Jahres um 60 Prozent gestiegen ist. Die Aussage Ackermanns hört sich gut an: “Wir haben unsere Kosten gesenkt, die Risiken in unserer Bilanz verringert sowie unsere Kapital- und Liquiditätsposition gestärkt”, aber zumindest bei der Kostensenkung kommen Zweifel auf. Da das Geldhaus im Investment Banking wieder hohe Gewinne erzielte, stiegen auch die leistungsabhängigen Vergütungen der Banker. Wegen Abfindungen und höheren Boni stiegen die Personalkosten im Jahresvergleich um 17 Prozent auf 3,1 Mrd. Euro. Auch die Absenkung der Bilanz hält die FTD nicht einer aktiven Politik der Bank zugute:
Die Deutsche Bank hätte fast gelernt
Handelsergebnis unter den Rivalen, da man Risiko und Bilanz heruntergefahren hat. Schön wär’s aber, die Bilanzverkürzung hat leider andere Gründe.
Quelle: FTD
„Die Erkenntnisse im Untersuchungsausschuss HRE über die Schwäche des Staates sind erschreckend. Wenn es gelingt, sie zu nutzen für eine Neudefinition der Finanzmarktpolitik, als Ausgangspunkt für den nötigen Kulturwandel im Verhältnis von Staat und Finanzbranche, dann hat sich jede Stunde dieses Ausschusses gelohnt.
Wir sehen einen Staat, der nicht in der Lage ist, einer quasi insolventen Bank die Bedingungen der Rettung zu diktieren, sondern sich fast blind auf die Rettungsvorschläge der Privatbanken verlassen muss.
Damit der Staat künftig seine ihm zugedachte Rolle gegenüber der Finanzwirtschaft wahrnehmen kann, die Rolle des Regelsetzers, des Aufsehers, müssen zunächst Kapazitäten aufgebaut werden, die dieses Ziel überhaupt ermöglichen. Wie sehr der Staat dies bislang vernachlässigt hat, zeigt sich an der Beaufsichtigung der KfW, die mit einer Bilanzsumme von 395 Milliarden Euro einer der größten Kapitalmarktakteure ist.
Laut Gesetz sind für die Aufsicht über die KfW nicht wie bei normalen Banken Bafin und Bundesbank, sondern ist das Finanzministerium zuständig. Doch tatsächlich waren dort mit dieser Tätigkeit nur ein Referent und ein Sachbearbeiter betraut, die zudem noch andere Aufgaben haben – böse gesprochen: einer zum Lesen des Geschäftsberichts, einer zum Abheften.
Weiterer Beleg ist die Tatsache, dass bei der Finanzaufsicht Bafin zahlreiche Stellen seit langem unbesetzt sind. Selbst in der Finanzkrise hielt es niemand für nötig, an diesem Zustand etwas zu ändern. Nur eine Handvoll mäßig bezahlter Mitarbeiter sind jeweils für die Beaufsichtigung selbst großer Banken zuständig. Dabei funktioniert Aufsicht natürlich nur, wenn die Aufseher auf Augenhöhe mit den Banken sind.“
Quelle: FR
Ergebnis aus Sicht der Opposition: Es gab Schwachstellen bei der Finanzaufsicht, BaFin und Bundesbank haben ihre Kontrollmöglichkeiten nicht ausgeschöpft.
Quelle: Handelsblatt
Kredite:
Das Geld kommt von anderen Banken, Versicherungen und der Bundesbank. Sie bewahrten die HRE, die durch akute Liquiditätsnöte ihrer irischen Staatsfinanzierungstochter Depfa in Bedrängnis kam, Ende September und Anfang Oktober gleich zwei Mal vor dem Zusammenbruch.
Zunächst ging es um 35 Milliarden Euro, eine Woche später mussten die Darlehen um 15 Milliarden Euro aufgestockt werden.
Die Kreditlinie läuft bis Ende 2009 und ist teilweise mit einer Garantie des Bundes versehen. Letztere läuft Ende März aus, soll aber verlängert werden.
Garantien:
Weil die Verhandlungen über die Ausgestaltung der 50-Milliarden-Hilfe sich hinzogen und die Kredite letztlich erst Mitte November zur Verfügung standen, erhielt die Bank zur Überbrückung Ende Oktober eine Sonderliquiditätshilfe in Höhe von 15 Milliarden Euro. Diese Überbrückungsgarantie ist mittlerweile ausgelaufen.
Um den Kapitalmarkt anzapfen zu können, haben die Münchner zudem aus dem Banken-Rettungsfonds der Bundesregierung (Soffin) weitere Bürgschaften erhalten, sogenannte Liquiditätsgarantien: 20 Milliarden Euro im November; im Dezember dann weitere zehn Milliarden. Mitte Januar wurde der Rahmen um zwölf Milliarden Euro aufgestockt, einen Monat später kamen weitere zehn Milliarden Euro hinzu.
Insgesamt summiert sich das auf 52 Milliarden Euro. Mitte Februar kursierten Gerüchte, wonach der Staat seine Garantiesumme noch einmal um 20 Milliarden Euro erhöhen müsse, um die HRE am Leben zu halten.
Eigenkapital:
Der Bund übernahm Ende März in einem ersten Schritt durch eine Kapitalerhöhung 8,7 Prozent der Anteile. Der Staat zahlte für 20 Millionen Aktien 60 Millionen Euro und verhinderte so, dass die Bank schließen muss.
Finanz- und Parlamentskreisen zufolge braucht die HRE mindestens jedoch zehn Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital. Das könnten Kapitalerhöhungen oder weitere stille Einlagen sein. Der Staat würde dann zwangsläufig Mehrheitseigentümer.
Zudem wird über langfristig laufende Garantien für Schuldtitel verhandelt.
Nach Ansicht des FDP-Abgeordneten Volker Wissing legte der Untersuchungsausschuss auch Mängel in der deutschen Finanzaufsicht offen: “Der Staat war hier ganz schwach aufgestellt”, sagte er.
Der Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick sagte, es sei ein “Mythos”, dass die Lehman-Pleite vom September 2008 an allem Schuld sei. So sieht es auch der Finanzexperte der Linken, Axel Troost: “Es war auch ohne Lehman von einer Pleite auszugehen.”
Quelle: Die Zeit
Auf die Frage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ob es im BMF “Drehbücher für einen Krisenplan” gegeben habe, entgegnete der Zeuge, so etwas habe er “zu keiner Sekunde in Erwägung gezogen”. Zum einen könne man die Lage ohnehin nicht korrekt simulieren und zum anderen müsse mit einer nachteiligen Reaktion der Märkte gerechnet werden, würde jemand “davon Wind bekommen”. Mirow wehrte sich gegen den Vorwurf, passiv gehandelt zu haben. Die Entwicklung der Märkte sei nun einmal nicht vorauszusehen.
Die Einschätzung Mirows, die HRE-Krise sei vor dem 15. September 2008 “nicht absehbar” gewesen, teilte auch der zweite geladene Zeuge. Axel Wieandt, seit 13. Oktober 2008 Vorstandsvorsitzender der HRE, bezeichnete die unvorhersehbare Pleite von Lehman Brothers als “Auslöser” der Krise. Wieandt, der bis zu seiner Ernennung zum HRE-Vorstandsvorsitzenden bei der Deutschen Bank für die Konzernentwicklung zuständig war, äußerte sich vor dem Ausschuss trotz intensiver Nachfragen nicht zu einer eventuell schon vor der Lehman-Pleite vorhanden Schieflage der Bank. Bis zu seinem Wechsel zur HRE habe er sich nicht mit deren Liquiditätssituation befasst, sagte der Zeuge. Nach der im Oktober zwischen den zwei “Bankenrettungswochenden” nötig gewordenen Aufstockung des Rettungspakets von 35 auf 50 Milliarden Euro befragt, sagte er, dies gehe auf “Verwerfungen auf den Geldmärkten” zurück. Daher habe es einen höheren Liquiditätsbedarf gegeben. Keine Stellung nehmen wollte er zu der Aussage, der erhöhte Liquiditätsbedarf habe mit falschen Zahlen, die der ehemalige HRE- Vorstand Georg Funke genannt haben soll, zu tun. Ob die Herabstufung der HRE bei den Rating-Agenturen mit einer Bemerkung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der von der “Abwicklung” der HRE gesprochen hatte, in Verbindung zu bringen sei, wollte Wieandt nicht kommentieren. Bei seinen Gesprächen mit Rating-Agenturen habe die Aussage keine Rolle gespielt, sagte er. Auf Nachfrage stellte Wieandt klar, dass 80 Prozent der staatlichen Garantien für die HRE nach Irland gegangen seien, um die dort beheimatete HRE-Tochter Depfa zu retten. Das sei nicht zu verhindern gewesen, so der Vorstandsvorsitzende, da ohne die Depfa die gesamte HRE-Gruppe nicht hätte gerettet werden können.
Quelle: Deutscher Bundestag
Anmerkung WL: Und wieder wird die Lehman-Pleite als Ursache für das Zusammenbrechen des Kartenhauses gesehen. Dass auch die unbesicherten Verbindlichkeiten der HRE gegenüber deutschen Banken, Versicherern und Kommunen 51 Milliarden betrugen und die Bundesbank davon seit Ende August 2008 wusste bleibt unerwähnt.
Anmerkung WL: Sehr interessante vergleichende Daten.
In Berlin wurde am Montag eine erste Bilanz der neuen Vergütungsregeln für die knapp 150000 Kassenärzte und Psychotherapeuten in Deutschland gezogen. Im ersten Vierteljahr 2009 stiegen die Honorare im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einer Stichprobenanalyse zufolge um rund neun Prozent.
Quelle: FR
Dazu auch:
Interview mit Verbraucherschützer Etgeton: “Ärzte haben Bogen überspannt”
Verbraucherschützer Stefan Etgeton über Honorare für Ärzte und Tarifverhandlungen, den Vergleich von Äpfeln und Birnen sowie die Hoffnung, dass sich Ärzte mehr Zeit nehmen für Patienten.
Quelle: Frankfurter Rundschau
Präsentismus bezeichnet ein Verhalten, bei dem Beschäftigte krank zur Arbeit gehen. Folglich können aus dem Rückgang der Fehlzeiten keine Schlüsse auf den tatsächlichen Gesundheitszustand der Beschäftigten gezogen werden. Vielmehr kann Präsentismus die Unternehmen und die Sozialversicherungen langfristig teuer zu stehen kommen.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.
Ein Vierteljahrhundert nach dem Start in die 35-Stunden-Woche setzt Deutschlands mächtigste Gewerkschaft mit der geplanten Strategiedebatte das Thema Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Agenda. Zwar hält sich die IG Metall vorerst offen, inwieweit sie es schon in die nächste Metall-Tarifrunde im Frühjahr 2010 hineintragen will. Zunächst gehe es darum, die Instrumente näher zu definieren. „Aber wenn künftige Produktivitätsfortschritte nicht zulasten von Beschäftigung und Arbeitsqualität gehen sollen, müssen wir uns frühzeitig strategisch darauf vorbereiten“, betonte Hofmann.
Quelle: Handelsblatt
»Rein betriebswirtschaftlich« wäre es »durchaus angemessen«, ja eine »geradezu zwangsläufige Folge« der Krise, »in zahlreichen Branchen« ab 2010 »Lohnsenkungen« zu fordern. Allerdings sei es noch offen, wie sich die BDA-Mitgliedsverbände in dieser Frage positionieren werden.
Quelle: Junge Welt
Bereits geeinigt habe sich die Schaeffler-Führung mit dem Betriebsrat am Standort Schweinfurt. Das “Maßnahmepaket zur Senkung der Personalkosten” sei am Dienstag bei einer Betriebsversammlung vorgestellt werden. Es sieht Einsparungen in Höhe von 50 Millionen Euro vor. Die Summe soll nach Schaeffler-Angaben unter anderem mit dem verstärkten Einsatz von Altersteilzeit, Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich und Kurzarbeit erbracht werden. Auch setzt das Management auf Aufhebungsverträge, bei denen Beschäftigte auf eigenen Wunsch das Unternehmen verlassen.
Im Gegenzug will die Schaeffler-Führung bis zum 30. Juni 2010 auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Falls sich die Märkte bis dahin nicht erholt hätten, seien danach betriebsbedingte Kündigungen und die Ausgliederung von Beschäftigten in Transfergesellschaften möglich, heißt es in einer Schaeffler-Mitteilung vom Dienstag.
Schaeffler hatte sich bei der Conti-Übernahme verhoben und leidet inzwischen auch unter Auftragseinbrüchen wegen der Absatzkrise der Autoindustrie. Auf dem Unternehmen lasten nach der Conti-Übernahme Schulden von rund zwölf Milliarden Euro. Für das laufende Jahr rechnet die Schaeffler-Geschäftsführung mit einem Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro – nach 8,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Das Schaeffler-Management geht davon aus, das die Märkte erst im Jahr 2012/13 wieder das Niveau von 2008 erreichen werden.
Quelle: stern
Anmerkung WL: Die Opfer der Übernahmeschlachten und der Krise werden erkennbar. Den betrieblichen Gewerkschaftsvertretern bleibt nichts mehr anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen. Der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen ist noch nicht einmal auf ein Jahr befristet, dabei prognostiziert das Schaeffler-Management schon jetzt, dass es nicht mit einer Erholung der Märkte vor 2012/13 rechnet. Die Kündigungswelle ist also nur aufgeschoben, und daran ändern wohl leider auch die Opfer der Arbeitnehmer nichts.
Diejenigen, die früher den See kostenfrei nutzten, sind jetzt die Dummen. Anlieger müssen nun für jeden Steg zahlen, der ins Wasser ragt. Die Kommune wiederum wird für den öffentlichen Badestrand zur Kasse gebeten. Und an allen anderen Stellen ist das Baden offiziell ganz verboten.
Das ist nur ein abschreckendes Beispiel, die Zukunft könnte noch trüber aussehen: Allein in Brandenburg sollen in den nächsten Jahren 15.000 Hektar Seenlandschaft aus dem Bestand der Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH (BVVG), Nachfolgerin der Treuhand, verscherbelt werden.
Mehr als 6000 Hektar Gewässer hat die BVVG in der Vergangenheit bereits zu Geld gemacht zu welchem Preis, dazu könne man aber keine Angaben machen.
Um das zu verhindern, ruft der BUND Bürger auf, eine Petition an den Deutschen Bundestag zu unterstützen.
Mehr als 35.600 Menschen haben bislang unterschrieben, im Internet sowie auf Papier. Aus ökologischen Gründen, fordern die Unterzeichner, sollten die Brandenburger Seen als Allgemeingut der Öffentlichkeit erhalten werden.
Doch ob die Privatisierung tatsächlich noch gestoppt werden kann, ist ungewiss. Ein entsprechender Antrag der Grünen im Bundestag jedenfalls stieß in den zuständigen Ausschüssen auf Ablehnung.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: War da nicht was? Vertrag von Lissabon, stärkere Einbindung des EU-Parlaments? Ach so, noch nicht ratifiziert. Oder Bundesverfassungsgericht , stärkere Einbindung des Bundestags? Ach so, nicht zuständig. Keine Frage von Krieg und Frieden oder gar von Vertragserweiterungen. Frage Sie ihren Abgeordneten, ob er Einsicht in die Details der geplanten Vereinbarung mit den USA kennt. Natürlich nicht telefonisch. Die USA könnte sich ja fragen, ob Sie etwa gegen den Datenaustausch seien, das ist schon sehr verdächtig. Vielleicht noch kein Schwerverbrechen, denn sonst hätten die USA schon längst personenbezogene Informationen über Sie erhalten. Erinnern Sie sich noch? Kurz vor der Sommerpause hat Schwarz/Rot ein Gesetz zur Umsetzung des Abkommens mit den USA über die “Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität” beschlossen. – Na, dann schöne Ferien.
Ausgerechnet die INSM-Strategen, sonst Virtuosen auf der Klaviatur lautloser aber effizienter PR, haben ein heftiges Eigentor geschossen.
Denn keiner der im Werbeschreiben erwähnten Prominenten hat offenbar die Zustimmung gegeben, bei der Kampagne mitzumachen. Eine Sprecherin von Adidas sagt, sie sei von einer Werbeagentur wegen eines Interviews mit Konzernchef Herbert Hainer angesprochen werden, habe aber abgesagt. Auch die Deutsche Bank hat die Anfrage der “Deutschland-24/30”-Initiatoren nach Aussage eines Sprechers “aus Termingründen abgelehnt”.
Besonders erstaunt ist das Büro von Günter Grass.
Quelle: SZ
Dazu auch:
Journalisten im Auftrag der INSM
Wenn Redaktionen Journalisten nicht vernünftig bezahlen, tun es andere.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eine von Arbeitgeberverbänden finanzierte Organisation, die Stimmung für neoliberale Ideen und Konzepte macht, hat drei Jounalisten angeheuert, um kritischen Journalismus zu simulieren. Unter dem Namen “Deutschland 24/30″ sollen sie einen Monat lang durchs Land fahren, wichtige Menschen wie Anne Will, die Bundeskanzlerin und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann treffen und Sachverhalte “durchaus auch kritisch” hinterfragen. Rekrutiert wurden offenbar gezielt Journalisten, die “der sozialen Marktwirtschaft gegenüber positiv eingestellt und einem unternehmernahen Auftraggeber gegenüber aufgeschlossen sind”. Die drei zu Propagandisten mutierten Kollegen haben durchaus namhafte Medien im Lebenslauf. Nach Informationen des Vereins “LobbyControl” sollen diverse Medien über die Protagonisten und die Aktion berichten; aus den einzelnen Reiseberichten solle schließlich eine Fernseh-Reportage produziert werden. Der Berufsverband freier Journalisten, “Freischreiber”, berichtet, dass das Honorar für jeden der drei Journalisten zwischen 6000 und 7000 Euro betragen soll.
Quelle: Stefan Niggemeier
Unser Leser G.K. schreibt uns dazu:
Die Art und Weise der “Skandal”-Berichterstattung durch den weit überwiegenden Teils unserer Medien ist maßgeblich davon geprägt, welchem politischen Spektrum die in einen “Skandal” verwickelte Person angehört: Dem Spektrum der “bürgerlichen Parteien” oder jenem des “rot-rot(-grünen) Lagers”. Skandale auf der politischen Rechten werden zumeist als “Fehler”, “Unachtsamkeiten” und dergleichen verharmlost. Bei ähnlich gelagerten Taten von Angehörigen der Parteien des vermeintlich linken Spektrums werden hingegen die politischen Kanonen in Stellung gebracht: Kampagnenartig werden gegen diese Politiker und deren Parteien massiv Polit-Kampfbegriffe unters Wahlvolk gestreut: “Lüge”, “Wortbruch”, “Verrat” und Ähnliches.
Ich möchte dies an 3 Beispielen dokumentieren:
Bezüglich der Spiegel-Berichterstattung hat Ulla Schmidt wahrscheinlich noch Glück im Unglück: Würde die dem rechten “Agenda”-Flügel der SPD zugehörende Politikerin dem linken SPD-Flügel oder gar der Linkspartei angehören, dann würde Ulla Schmidt aller Voraussicht nach medial geteert und gefedert. Es sei beispielhaft an die monatelange, von Hass geprägte Kampagne der Mainstream-Medien gegen Andrea Ypsilanti erinnert. Der Super-GAU für die Mainstream-Medien wäre ein erfolgreiches, von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiertes rot-grünes Regierungsbündnis unter Tolerierung der Linkspartei. Einem solchen Regierungsbündnis wollten die konservativ-neoliberalen Medien bereits im Vorfeld jeglichen Boden entziehen.
Wäre der dem linken SPD-Flügel zugerechnete Ralf Stegner (“roter Rambo” und ähnliche Titulierungen durch die Mainstream-Medien) der Urheber dieser Unwahrheit, dann wäre gegen Stegner von der konservativ-neoliberalen Medienschar postwendend eine Kampagne entfacht worden: “Lüge”, “Verrat” und so weiter und so fort. Und: Während es bei den “unabhängigen” und “überparteilichen” Medien sehr schnell still um die Unwahrheit des CDU-Ministerpräsidenten wurde, kann man mit beinahe 100%-iger Sicherheit davon ausgehen, dass einem sozialdemokratischen Politiker (erst recht einem Politiker der Linkspartei) im Rahmen einer Medien-Dauerkampagne das Fell über beide Ohren gezogen worden wäre.
Es ist doch erstaunlich: Bereits kurze Zeit nach dem Guttenberg-Wechsel ins Bundeswirtschaftsministerium sprang er auf der in Umfragen erhobenen Beliebtheitsskala in die Spitzengruppe der “beliebtesten” Politiker Deutschlands. Dies war nicht die Folge herausragender Politik (dafür war die Guttenberg-Amtszeit viel zu kurz), sondern das Resultat einer äußerst wohlwollenden Medienberichterstattung. Der Begriff “Hofberichterstattung” ist die treffende Charakterisierung dieses Vorgangs.
Die NachDenkSeiten am 31. Mai 2009 zu dem von den Medien gedeckten politischen Doppelspiel des CSU-Wirtschaftsministers:
“Der Kampf des Ritters zu Guttenberg gegen „Freibier“ für Opel und die seit Jahrzehnten offene Hand Bayerns für Subventionen vom Bund”.
Quelle: NachDenkSeiten
Die mediale Hofberichterstattung bereits in der Frühphase Guttenbergs im Amt des Bundeswirtschaftsministeriums fand im übrigen vor dem Hintergrund einer recht dubiosen Guttenberg-“Eigenvermarktung” statt (wobei sich selbst für die Verbreitung dieser zweifelhaften Guttenberg-Eigenwerbung zahlreiche Medien-Papageien fanden). Das NDR-Medienmagazin Zapp dokumentierte diesen Vorgang kurz nach der Amtsübernahme Guttenbergs:
“Falschmeldungen zu Guttenberg”.
Quelle: NDR Zapp
Die neoliberale Grundhaltung des vom weit überwiegenden Teil unserer Medien als “Wahrer der Interessen der Steuerzahler” vermarkteten zu Guttenberg wurde bereits im Februar 2009 von Mario Müller in der Frankfurter Rundschau beschrieben:
“Märkte sind “erwiesenermaßen effizient”. Oder: “Viele haben sich in der Umverteilungsgerechtigkeit wohlig eingerichtet.”
Die erste Äußerung ist schlichtweg Unsinn. … Selbst ein Jurist wie Guttenberg sollte mitbekommen haben, dass vor allem Kapitalmärkte keineswegs so effizient sind, … sondern erwiesenermaßen immer wieder verrückt spielen, und es auch an anderen Märkten gelegentlich nicht mit rechten Dingen zugeht.
Bei der Umverteilung liegt der Freiherr dagegen völlig richtig. Die Bezieher von Unternehmensgewinnen, Zinsen und Dividenden konnten in den vergangenen Jahren ihren Anteil am Volkseinkommen zu Lasten der Lohnempfänger deutlich steigern. Wohlig eingerichtet haben sich nicht nur Vorstände und Aufsichtsräte der Bayerischen Landesbank sowie ihre Kollegen aus anderen Kreditinstituten oder Branchen, die sich üppige Gehälter und Abfindungen genehmigten. Auch Parlamentsabgeordnete nagen nicht gerade am Hungertuch. Eher schon Empfänger von Hartz IV. Sie dürften unter Gerechtigkeit etwas anderes verstehen als Guttenberg. (…)
Das offenkundige Scheitern der neoliberalen Ideologie warf selbst unter hartgesottenen Kapitalisten die Systemfrage auf. Zumindest wurden Marktversagen und ungleiche Einkommensverteilung als strukturelle Schwachstellen identifiziert, die es zu beheben gilt.
Doch mit dem Lernprozess scheint es schon wieder vorbei zu sein. Die gleichen Marktfundamentalisten, die eben noch die Notwendigkeit staatlicher Hilfen für Banken und Konjunktur betont hatten, ereifern sich nun über die Kosten, die die Rettungsversuche in Form zusätzlicher Staatskredite nach sich ziehen. … Und Guttenbergs CSU findet nichts dabei, wenn sie die Bayerische Landesbank mit Milliarden-Kapitalspritzen aus dem öffentlichen Haushalt stützt und gleichzeitig Steuersenkungen fordert. Man kann sich leicht ausrechnen, welche Ausgaben dafür gestrichen werden.
Klar, der neue Wirtschaftsminister soll der Steuersenkungspartei FDP möglichst viele Wähler abspenstig machen. Also gibt Guttenberg den Guido. Und schwadroniert von “Startchancen- und Leistungsgerechtigkeit”. Der wäre allerdings eher gedient, wenn die stark abgesenkte Steuerprogression für höhere Einkommen wieder angehoben würde. Einem christlich-sozialen Politiker stünde es zudem nicht schlecht zu Gesicht, sich gelegentlich mit dem Konzept der Bedarfsgerechtigkeit zu befassen.”
Quelle: FR
FAZIT zur Doppelbödigkeit des Großteils unserer Medien:
Die hiesige Medienlandschaft erfüllt immer weniger die Anforderungen, welche an einen funktionsfähigen Mediensektor innerhalb eines demokratischen Staates gestellt werden: Vielfalt, Unabhängigkeit und Fairness im Sinne einer möglichst umfassenden Gleichbehandlung der unterschiedlichen politischen Kräfte. Der nüchterne und zugleich beunruhigende Befund zum deutschen “Medienkomplex”: Dieser betreibt in wachsendem Maße einen dem Ziel des Machterhalts bzw. des Machterwerbs der konservativ-neoliberalen Kräfte dienenden Journalismus. In diesem Sinne gestaltet sich die Berichterstattung zu politischen “Skandalen” situationsabhängig als Verharmlosungs- oder als Kampagnenjournalismus.
Dazu auch Roger Strassburg: Als jemand, der einen vertraglichen Anspruch auf einen Dienstwagen habe, den ich ausdrücklich privat benutzen darf (der deshalb als geldwerter Vorteil versteuert wird), finde ich diese Debatte ziemlich befremdlich.
In meinem Fall ist der Dienstwagen und die private Nutzung (ohne privat gebrauchten Sprit, versteht sich) Teil meines Arbeitsentgelts ist. Diese Konstellation ist bei manchen Berufen in der Privatwirtschaft allgemein üblich, auch in anderen europäischen Ländern. Ich würde es eher seltsam finden, wenn die obersten Beamten eines Staates von der Größe Deutschlands nicht mindestens eine solche Regelung hätten – evtl. auch mit Chauffeuren.
Wenn man sich über Abfindungen in zweistellige Millionenhöhe für Manager, die das Vermögen ihrer Unternehmen vernichtet haben, oder über staatlich finanzierte Millionen-Boni für Investmentbanker, die das Geld ihrer Kunden verspekuliert haben und ihre Banken an den Rand des Ruins getrieben haben, empört, wird ihm der Vorwurf “Neiddebatte” sofort entgegengeschleudert. Das finde ich einfach zynisch.
Dennoch finde ich den ekelhaften Begriff “Neiddebatte” in diesem Fall für angebracht. Es ist ja bekannt, dass der Neid sich hervorragend instrumentalisieren lässt, um die Bevölkerung von dem abzulenken, was dringend öffentlich diskutiert werden müsste. Anstatt über das Gesundheitssystem zu reden, redet man jetzt über den gestohlenen Dienstwagen, den die Gesundheitsministerin – rechtmäßig – im Urlaub benutzte. Erst recht wird nicht mehr darüber diskutiert, wie Banker, die sich verzockt haben, auf Kosten der Steuerzahler und Sozial-Bedürftigen alimentiert werden. Eine uralte Methode der Herrschenden, wieder einmal erfolgreich eingesetzt. Armes, armes Deutschland!
Seit Beginn der Zeichnungsfrist am 14. Juni haben mehr als 36.000 Bürgerinnen und Bürger die Petition unterstützt. Damit das Anliegen letztendlich vor den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorgetragen werden kann, sind bis zum 7. August noch knapp 14.000 weitere UnterstützerInnen notwendig.
“Sowohl einzelne Regelungen in Landeshochschulgesetzen als auch viele Auswahlsatzungen an Hochschulen haben dafür gesorgt, dass eine weitere Barriere in das Bildungssystem eingezogen wurde. Dabei sind die Auswirkungen dieser Hürden seit Jahren bekannt. Bei jedem Übergang im Bildungssystem sinkt der Anteil von Frauen und Menschen aus sozial benachteiligten Elternhäusern. Bildungshürden sind allesamt diskriminierend.” erklärt Florian Keller, ebenfalls Mitglied des fzs-Vorstands.
Quelle: Petition: Hochschulwesen – Masterstudienplatz für Bachelorabsolventen vom 14.06.2009
Im Verbund Norddeutscher Universitäten haben sich die Universitäten Bremen, Greifswald, Hamburg, Kiel, Lübeck, Oldenburg und Rostock zusammengeschlossen. Qualitätssicherung von Studium und Lehre ist von Beginn an – also seit 1994 – zentrales Anliegen der sieben Universitäten. Weit vor der Etablierung von Akkreditierungsverfahren wurden in den Mitgliedsuniversitäten bereits spezifische Fachevaluationen durchgeführt und deren Ergebnisse publiziert. Damit steht dem Verbund Norddeutscher Universitäten eine profunde und in der Bundesrepublik einzigartige Erfahrungsbasis für die Weiterentwicklung von Qualität steigernden Verfahren in Studium und Lehre zur Verfügung.
Quelle 1: idw
Quelle 2: Evaluationsberichte Verbund Norddeutscher Universitäten
Ausgerechnet im Land des Exportweltmeisters, dessen Wirtschaft wie die von kaum einem anderen Land mit Volkswirtschaften auf allen Kontinenten verflochten ist und von Entwicklungen in anderen Staaten abhängt, gibt es keine großen geostrategischen Debatten.
Kein Wunder, dass deshalb etwa das Desinteresse am Bundeswehreinsatz in Afghanistan die Regel ist und allenfalls dann durchbrochen wird, wenn es bedauerlicherweise Opfer zu beklagen gibt. Wenig erstaunlich auch, dass es schon Anstoß erregt, wenn in dem sicherheitspolitischen Weißbuch der Bundesregierung die Formulierung steht, zu den deutschen Interessen gehöre auch der Schutz der internationalen Handelsrouten. Wohlstand muss sein, doch man möchte sich bitte nicht damit auseinandersetzen müssen, wie sehr er von internationalen Entwicklungen abhängig ist.
Die Weltwirtschaftskrise ist ein Weckruf. Anders als George Bush senior es sich nach dem ersten Irak-Krieg Anfang der neunziger Jahre träumen ließ, schält sich nun tatsächlich eine neue “Weltordnung” heraus. Die Schwellenländer – vom Westen bis vergangenes Jahr noch an den diplomatischen Katzentisch verbannt – reden plötzlich wirklich mit.
Chinas Aufholjagd gegenüber den USA wird sich deshalb drastisch beschleunigen. Und so bitter dies für den Westen ist: Dabei hilft derzeit gerade die autoritäre, nichtdemokratische Staatsstruktur. Denn sie schafft in der Krise den Freiraum, innen- und außenpolitisch schnell zu handeln und die Politik allein nach ökonomischen Notwendigkeiten auszurichten.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung WL: Dieser Beitrag gibt einen Einblick in die Weltsicht des Bundesnachrichtendienstes BND. Es ist das Denken in Kategorien der Kanonenbootpolitik zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Es geht nicht um die vielgepriesene internationale Arbeitsteilung, um Freihandelspolitik oder um internationalen Wettbewerb als Mittel, den globalen Wohlstand zu vermehren – jetzt, wo es zu einer Krise der neoliberalen Kolonialisierung der Welt gekommen ist, geht es wieder um „Geostrategie“ (Aufstieg und Fall von Imperien), also um die Erreichung nationaler Ziele oder um die Sicherung von Ressourcen mit machtpolitischen oder militärischen Mitteln. Und wie schon zu Kiesingers Zeiten vor über 40 Jahren kommt die Hauptbedrohung aus China, China, China.
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist angesichts der Dürftigkeit aktueller Strategien immer wieder erschreckend daran erinnert zu werden, was in der Vergangenheit zu asymetrischen Kriegen, ob sie nun Volksaufstand, Partisanenkrieg, Guerillakrieg oder subversive Kriege (Aron) genannt werden, bereits gesagt und geschrieben wurde. Mittlerweile hat man den Eindruck, dass es mit der Ausbildung an den Militärakademien nicht zum besten steht. Anders kann man sich nicht erklären, warum der General Hans-Lothar Domröse, als er Chef des Stabes der ISAF (nicht Kommando) in Afghanistan wurde, letztes Jahr in der SZ zu der späten Erkenntnis kam: “Die Annahme, dass man die Aufständischen auf konventionelle Weise leicht schlagen könne, war falsch.” und auf die Nachfrage, dass das keine neue Erkenntnis sei, meinte: “Vielleicht waren wir, die internationale Gemeinschaft, zunächst ein bisschen naiv.” Auch der neueste Schlager, der „comprehensive approach“, also die Verknüpfung von militärischem und zivilem Einsatz, ist ein alter Hut, er wurde von Feldmarschall Gerald Templer, dem Tiger von Malaysia , in den 50ern auf den Punkt gebracht: “The answer lies not in pouring more troops into the jungle, but in the hearts and minds of the people.” – Wer nun meint, es ginge nur um das Militär, lese nach bei Clausewitz: “Daß die Politik an den Krieg Forderungen erhebt, die er nicht leisten kann, wäre gegen die Voraussetzung, daß sie das Instrument kenne, welches sie gebrauchen will, also gegen eine natürliche, ganz unerlässliche Voraussetzung.”
Anmerkung Orlando Pascheit: Letztlich hat die taz eine Sportlehrerin aus Riga mit den Worten zitiert. “Ich sehe hier keine Zukunft für meine Kinder. Ich glaube nicht mehr an dieses Land. Es produziert nichts, was der Rest der Welt haben will”. Das trifft das Problem eher als die laufenden Hinweise auf die Finanzkrise bzw. Auslandsverschuldung. Viele Papiere, die vor Osterweiterung von Seiten der EU und auch der osteuropäischen Länder produziert wurden, sind Schrott. Die europäische Integration sollte das Vehikel für den Modernisierungs- bzw. Aufholprozess Osteuropas bilden. Die Regierungen setzten vor allem auf die außenwirtschaftliche Öffnung gegenüber dem Europäischen Binnenmarkt. Die Strategie, über ausländische Kapitaleinfuhr und über Exporte in das westliche Ausland einen Aufholprozess zu initiieren, war in den Strategiepapieren sämtlicher Regierungen der osteuropäischen Beitrittsländer deutlich ausformuliert. Wir haben billige Arbeitskräfte und ihr bringt das Kapital, das hört sich in der Theorie gut an, aber scheitert in der Praxis. Das ausländische Engagement in vielen osteuropäischen Volkswirtschaften fiel viel zu schwach aus, um diesen Ländern eine wettbewerbsfähige industrielle Kompetenz zu sichern. Umgekehrt war es doch eher so, dass die Kompetenz, die anfänglich bestand, bei Öffnung der Märkte wegkonkurriert wurde. Die entscheidende Frage ist in der Tat: Was produziert Osteuropa, was der Rest der Welt haben will? – Südkorea war von der Schuldenkrise der 80er extrem betroffen, konnte sich aber über den Export rasch von seinen Schulden befreien. Allerdings hatte sich Südkorea zuvor u.a. über unter Freihändlern verpönte Schutzmaßnahmen eine eigene industrielle Kompetenz zugelegt.
Vielleicht wäre dies ja einen Hinweis auf Ihren Seiten wert, damit möglichst viele Ihrer Leser diese Option für sich nutzen können, um eventuell daran mitzuwirken, dass dieses Interview ein wenig fairer und ausgewogener gestaltet wird, als es bei der ZDF-Variante von Herrn Frey der Fall war. Auch wäre es natürlich sehr interessant zu sehen, welche der Fragen, für die am Ende am meisten abgestimmt wurde, auch tatsächlich von den Herren Deppendorf und Becker am Sonntag gestellt werden.
Ein NDS-Leser hat uns einen Vorschlag zugeschickt, wie die LINKE sich gegen die Asymmetrie der Berichterstattung über ihre Politiker wehren könnte:
Quelle: The permanent Campaign
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=4098