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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Der Kampf des Ritters zu Guttenberg gegen „Freibier“ für Opel und die seit Jahrzehnten offene Hand Bayerns für Subventionen vom Bund
Datum: 31. Mai 2009 um 17:18 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Das kritische Tagebuch, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Albrecht Müller
Zugegeben, die Entscheidung über den Versuch zur Rettung von Opel mithilfe eines 1,5 Milliarden-Überbrückungskredit und andere Hilfen ist nicht einfach gewesen. Warum Opel retten und nicht Arcandor? Sind Arbeitsplätze bei der Automobilindustrie wertvoller als Arbeitsplätze im mittelständischen Gewerbe, beim Handwerk und beim Außenhandel? Meines Erachtens Nein. Wie weit reicht die Kraft zur Rettung? Warum keine Staatsbeteiligung, wenn schon öffentliches Geld fließt? Das sind durchweg berechtigte Fragen. Aber diese Fragen und Zweifel rechtfertigen keineswegs die jetzt begonnene Profilierung des Bundeswirtschaftsministers Guttenberg. Er lässt sich mit Polemik gegen die „Freibier-für-alle-Mentalität“ in Bayern feiern (siehe im Anhang zwei Beiträge von Spiegel Online), war aber in Berlin nicht konsequent genug, zurückzutreten, als sich seine Forderung nach Insolvenz nicht durchsetzen ließ. Und zu Guttenberg lässt bei seiner Wertung außen vor, wie sehr gerade Unternehmen in Bayern von der von ihm gegeißelten Freibiermentalität profitiert haben und profitieren. Albrecht Müller
Die Bayern und verschiedene Kollegen aus der Unionsfraktion feiern ihren Baron wegen seines angeblich heldenhaften Kampfes gegen Subventionen. Sie sollten vorsichtig sein. Bayern ist spätestens seit Franz Josef Strauß eines der am höchsten subventionierten Bundesländer. Dorthin fließen Milliarden an Bundesmittel für Forschung und Technologie, für Rüstungsausgaben und die Flugzeugindustrie.
Auch der Rettungsschirm für die Finanzindustrie kommt hochgradig Banken und Versicherungen in Bayern zugute, und zwar in Beträgen, die die 1,6 Milliarden Überbrückungskredit für Opel/Magna als lächerlich erscheinen lassen:
18,2 Milliarden und 102 Milliarden sind so weit jenseits der Dimension der 1,6-Milliarden-Hilfe für Opel, dass die Bayern einschließlich des Franken zu Guttenberg möglichst schnell das „Maul halten sollten“. Man muss es so drastisch sagen, weil die erkennbare Doppelstrategie der Union – hier Merkel, Rüttgers, Koch und Althaus, die dem Opel-Rettungsplan zugestimmt haben, dort zu Guttenberg, die bayerische Staatsregierung und einige CDU/CSU-Mittelständler, die sich aus dem Staub machen – dem Rettungsversuch sachlich nicht dient. Es ist schlicht der Versuch, an allen Ecken Beifall zu ernten – ohne Rücksicht auf das, was sachlich geboten ist.
Man kann, siehe zu Anfang, sehr viel kritisches zu der gefundenen Lösung sagen. Dann hätte der Bundeswirtschaftsminister dies aber vor der Entscheidung massiv tun müssen. Das hat er nicht getan. Er hat gespielt.
Anhang:
Zwei Beiträge von Spiegel Online über den „heldenhaften“ Kampf des Karl-Theodor zu Guttenberg:
30. Mai 2009
GUTTENBERGS OPEL-KAMPF
Der Insolvenz-Minister schlägt zurück
Aus Straubing berichtet Sebastian Fischer
Ein Tag der Einigkeit sollte es werden, doch dann kam Karl-Theodor zu Guttenberg. Insolvenz statt Magna forderte der Minister beim Opel-Spitzentreffen im Kanzleramt – ob er dabei an Rücktritt dachte, lässt er offen und setzt stattdessen zur Offensive gegen seine Kritiker an. Die CSU-Basis bejubelt ihn.
Berlin/München – Ein klares Dementi hört sich anders an. “Nächte muss man nicht kommentieren”, sagt Karl-Theodor zu Guttenberg zu SPIEGEL ONLINE, als er an diesem Samstagnachmittag für die CSU in Niederbayern unterwegs ist.
Die Nacht, die er meint, ist die bisher dramatischste im Lauf der noch jungen Politikerkarriere des Bundeswirtschaftsministers.
Eine Nacht, in der er laut “Bild am Sonntag” das Wort “Rücktritt” in den Mund genommen hat.
Es geht um die nächtliche Opel-Rettung beim Gipfel im Kanzleramt, bei der Guttenberg rebellierte. Als einziger forderte er vehement, das Unternehmen lieber in die Insolvenz gehen zu lassen, als es an den Investor Magna zu verkaufen. Schon direkt nach Ende des Spitzentreffens machte er klar, dass er bis zuletzt gegen die beschlossene Lösung war. Er hatte seine erste große politische Schlacht verloren. Sofort gingen unter den Journalisten Gerüchte um, der CSU-Politiker habe angeblich mit dem Rückzug vom Amt gedroht.
Tatsächlich berichtet dann die “Bild am Sonntag” unter Berufung auf Teilnehmer des Treffens, dass Guttenberg in internen Beratungen der Union vor Mitternacht unmissverständlich klargemacht habe, dass er die Magna-Lösung “für nicht tragfähig” halte. Wegen der Risiken für den Steuerzahler werde er sie “nicht mittragen”. Der Investor Magna trage null Risiko, im Gegensatz zum Ausfallrisiko für den Steuerzahler. Guttenberg habe die Koalition “vor einem Weg in die Erpressbarkeit” gewarnt – und dabei sei dann auch das Wort Rücktritt gefallen. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ihren Minister von diesem Schritt abhalten können, schreibt die Zeitung.
Am Samstagnachmittag äußert sich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE kein Sprecher der Beteiligten zu dem Vorgang. Und Guttenberg selbst bleibt nebulös. Außer dem Kommentar zu den Nächten, über die man schweige, fällt auf einer CSU-Veranstaltung der Satz: “Man darf auch mal divergierende Meinungen vertreten und sich nicht sofort der Forderung ausgesetzt sehen: Treten Sie zurück?” Noch so ein Satz, der weder klares Dementi noch Bestätigung ist.
Dann erzählt er auf einer weiteren Veranstaltung in Straubing, manche hätten ihn gefragt, wenn man die Minderheitenposition vertrete – müsse man dann nicht zurücktreten? Seine Antwort: “Nein. Und erst recht deswegen nein. Wo kämen wir hin, wenn es in der Politik nicht mehr möglich wäre, mit Argumenten auch mal eine andere Meinung vertreten zu können!” Und: Es könne durchaus geboten sein, “dass meine gestrige Meinung auch in Folgeprozessen wichtig ist”. Gemeint: Da kommen noch andere Fälle, die Opel ähneln. …
Berlin sei ja auf märkischem Sand erbaut, sagt er. Und fügt an: “In den letzten Tagen habe ich gemerkt, dass es märkischer Treibsand ist. Da tut es richtig gut, mal wieder festen niederbayerischen Boden unter den Füßen zu haben.” Großer Applaus. Guttenberg wirbt für “in Deutschland stigmatisierte Instrumente” wie die Insolvenz, die Jobs und Marken retten könnten. Er wird gefeiert. 600 Leute sind in der Halle in Straubing und jubeln, nur die Hälfte passt eigentlich hinein.
Quelle: Spiegel Online
31. Mai 2009, 09:59 Uhr
MILLIARDENBÜRGSCHAFT FÜR OPEL
Unionspolitiker verbünden sich mit Rebell Guttenberg
“Freibier-für-alle-Mentalität”, “verheerender Zeitdruck”: Nach der Einigung auf ein Rettungskonzept für Opel warnen führende Unionspolitiker vor einer Milliardenbürgschaft – und geben Wirtschaftsminister Guttenberg Rückendeckung. Der CSU-Politiker erneuerte seine Kritik an dem Magna-Deal.
Frankfurt am Main/Berlin – Bis zuletzt hatte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg darauf beharrt, dass der sieche Autobauer Opel besser in die Insolvenz gegangen wäre – und sich damit selbst in den eigenen Reihen isoliert. Sogar an Rücktritt soll er laut “Bild am Sonntag” in der Nacht des Krisengipfels im Kanzleramt gedacht haben. Jetzt, nachdem sich die Bundesregierung und der US-Mutterkonzern General Motors (GM) für Magna und seinen russischen Partnern als Opel-Eigner entschieden haben, erntet der Minister viel Lob für seine Rebellion. Führende Unionspolitiker bemängeln das Opel-Rettungskonzept als kurzsichtig.
…
Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Michael Fuchs (CDU), sagte, mit der Opel-Rettung würden Steuergelder mit einer “Freibier-für-alle-Mentalität” ausgegeben. Er sei sehr damit einverstanden, dass Guttenberg aufmerksam mache, welche Gefahren das jetzt vereinbarte Vorgehen berge, sagte Fuchs. Wenn das jetzt zugesagte Geld nicht ausreiche, um Opel zu retten, “muss jedenfalls Feierabend sein mit den Rettungsversuchen”.
Auch die CSU steht Guttenberg bei: Der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion, Hans Michelbach, warnte vor erheblichen Gefahren für die mittelständischen Automobilzulieferer. “Magna wird in erster Linie an der Auslastung seiner eigenen Zulieferkapazitäten interessiert sein”, warnte Michelbach.
Der CDU-Finanzexperte Otto Bernhardt stellte sich ebenfalls hinter den Wirtschaftsminister und warnte vor Risiken. “Mit diesem Konzept steht noch nicht fest, dass es Opel in drei Jahren noch geben wird”, sagte Bernhardt der Deutschen Presse-Agentur dpa. Der Zeitdruck für eine Opel-Lösung sei “verheerend” gewesen.
Zudem bestehe die Gefahr, dass “Magna intensiven Einblick in Entwicklungen der Konkurrenten erhält und deren Innovationen auf dem internationalen Markt frühzeitig selbst verwertet”. Eine von Guttenberg angestrebte geordnete Planinsolvenz hätte eine saubere Lösung für Opel gebracht.
Guttenberg selbst erneuerte seine Kritik am Sonntag: “Der Staat läuft Gefahr, sich erpressbar zu machen, wenn er einmal großzügig hilft”, sagte der CSU-Politiker der “Welt am Sonntag”. “Bei der Bewertung der Risiken des vorliegenden Konzepts kam ich zu einer anderen Einschätzung als meine Kollegen”, bekräftigte Guttenberg. “Alle Seiten haben berechtigte Gründe für die jeweilige Einschätzung. Es liegt in der Natur der Sache, dass man erst hinterher weiß, welche die richtige war.”
Quelle: Spiegel Online
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