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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Gefahr für die Demokratie kommt nicht nur von den Glatzen aus MeckPo, mindestens so sehr aus Gütersloh.
Datum: 28. Dezember 2006 um 11:45 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
„Politiker sorgen sich um Demokratie in Ostdeutschland“ – so lautet die Überschrift über einem Bericht von SpiegelOnline über ein Tagesspiegel-Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt Wolfgang Böhmer. Er sieht in Ostdeutschland schwerwiegende Defizite in Bezug auf das Demokratieverständnis der Bürger. Es müsse deutlich gemacht werden, „dass Demokratie mühsamer ist als Diktatur“.
In dem Artikel wird dann noch mit Berufung auf eine Forsa-Umfrage die große Sorge über das Anwachsen rechtsextremer Tendenzen in Teilen Ostdeutschlands ausgedrückt. Ich will diese Entwicklung nicht verharmlosen. Aber die mindestens so große Bedrohung der Demokratie in unserem Land folgt daraus, dass die Macht und die politischen Entscheidungen in unserem Land nur noch von großen wirtschaftlichen Interessen und ihrer neoliberalen Ideologie bestimmt sind. Gütersloh, der Sitz der Bertelsmann Stiftung, ist Symbol dieser antidemokratischen Entwicklung. Albrecht Müller.
Wenn Sie bei uns die Rubrik Sachfragen/Krake Bertelsmann anklicken, dann bekommen Sie einen Eindruck von der Machtfülle, die allein bei Bertelsmann und seinen Unterorganisationen angesammelt ist. Bertelsmann ist jedoch nur Teil eines großen Netzwerkes, zu dem eine Reihe anderer Unternehmen, Stiftungen und so genannten Initiativen gehören. Beispielhaft sei auf die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft verwiesen, deren Gründung auf die „Einsicht“ der Metall- und Elektroarbeitgeber zurückgeht, dass der Wunsch der Mehrheit des Volkes nach sozialstaatlichen Regelungen und einer starken Rolle des Staates bei der Grundversorgung nicht dem Willen der Wirtschaft entspricht und dass deshalb mit viel Geld und der dann gegründeten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Propaganda gemacht werden solle, um das Volk im Interesse der Wirtschaft umzuerziehen. „Revolution von oben“ nannte das der „Stern“ in einer immerhin noch beachtlich kritischen Analyse.
Die bestimmenden Kreise der Wirtschaft (nicht die Wirtschaft in ihrer Breite) bestimmen, wo es langgeht. Mit Demokratie und demokratischer Willensbildung hat dies nicht mehr viel zu tun.
Ich hätte statt „Gütersloh“ auch „Schloss Bellevue“ nennen können, den Sitz des Bundespräsidenten. Wolfgang Lieb hat in einem NachDenkSeiten-Beitrag über die Weihnachtansprache des Bundespräsidenten herausgeschält, wie antidemokratisch das Denken und Handeln Horst Köhlers ist. Er messe „gute Politik“ nicht an der annäherungsweisen Umsetzung des politischen Willens des Parlaments oder gar der Wünsche und Vorstellungen der Mehrheit der und Bürgerinnen und Bürger, heißt es dort.
Diese totale Verlagerung der politischen Macht an die herrschenden Kreise und deren Ideologie bedroht unsere Demokratie sehr viel mehr als die Mühe demokratischer Willensbildung, auf die sich der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt bezog. Das ist ähnlich wie die gängige Behauptung, wir litten unter der föderalen Struktur unseres Landes, das Alibi, das sich die herrschenden Kreise aussuchen, wenn sie die Erfolglosigkeit und das Desaster ihrer politischen Linie verdrängen wollen. Sie verweisen dann auf das angebliche Umsetzungsproblem. Das mag von Bedeutung sein, aber es ist nicht unser Hauptproblem.
Unser Hauptproblem ist die konzeptionelle Schwäche und die einseitige Interessenausrichtung der herrschenden Politik. Die Inhalte der Politik sind das Desaster.
Zum Beispiel:
Unser Spitzenpersonal in Politik und Wirtschaft sollte sich endlich diesen massiven Defiziten ihrer Politik zuwenden statt allein die rechtsradikalen Folgen zu beklagen. Der Kampf gegen den Rechtsradikalismus verlangt zu aller erst eine radikale Änderung der geltenden politischen Linie. Die Reformen haben nichts gebracht. Das war schon im Sommer 2005 offenbar, als Schröder und Köhler den Weg zu Neuwahlen freimachten. Ihre damalige Entscheidung wirkte wie eine Konkursverschleppung. Die Verschleppung aber ändert nichts an der Tatsache des Konkurses. Die neoliberale Bewegung ist gescheitert.
P.S.: In anderen Ländern, namentlich in Südamerika, hat man dies schon erkannt.
Siehe:
Sehnsucht nach Alternativen
In den Wahlerfolgen der Linken zeigt sich: Die neoliberalen Konzepte für Lateinamerika sind gründlich gescheitert
Quelle: taz
und:
Millionen für die Armen
Die Linksregierungen Lateinamerikas haben einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel vollzogen – mit positiven Ergebnissen
Quelle: taz
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=1966