NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 28. Dezember 2006 um 8:01 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

  1. Der Höhenflug des Euros sorgt in Frankreich für großen Verdruss.
    Politiker kritisieren, die Europäischen Zentralbank fahre einen zu rigiden Kurs und würge die Wirtschaft ab. Der Ruf nach einer Kontrolle der Geldpolitiker wird lauter.
    Quelle: Spiegel Online
  2. Peter Nowak: Demographie als Politikersatz
    Die Deutschen sterben aus, zuvor ist ihr Wohlstand bedroht. Wer ist daran schuld? Natürlich eine Gesellschaft, die nicht für genügend Nachwuchs sorgt. Diese Klagen sind nicht neu und wurden oft genug widerlegt. Doch sie werden immer wieder erneuert.
    Quelle: Telepolis
  3. Gregor Gysi: Eine abgehängte Region kann sich Deutschland nicht leisten
    Wir haben hier geringere Löhne und längere Arbeitszeiten. Angeblich soll das ja wahnsinnig gegen Arbeitslosigkeit helfen. Aber es passiert nichts, sie ist und bleibt hier doppelt so hoch wie im Westen.
    Quelle: Berliner Zeitung
  4. Spenden bis zu einer Höhe von 20 Prozent des Einkommens oder Gewinns von der Steuer abgesetzt werden können.
    Auch das Stiftungswesen will Steinbrück ausbauen: Der Höchstbetrag für abzugsfähige Spenden an Stiftungen soll von 307.000 auf 750.000 Euro steigen. Dieser Betrag darf steuerlich zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden. Für Bund, Länder und Gemeinden bedeutet das allerdings Steuerausfälle von rund 440 Millionen Euro jährlich, die sie sich irgendwie teilen müssen – und die für öffentliche Aufgaben fehlen werden.
    Der Bundesverband Deutscher Stiftungen kommt aus dem Loben gar nicht mehr raus.
    Quelle: taz

    Anmerkung: Die Rollenverteilung der gesellschaftlichen Gruppen bei ihrem „Dienst an der Gemeinschaft“ ergibt sich dabei ziemlich naturwüchsig daraus, was eben der einzelne mit seinem bürgerschaftlichen Engagement zu leisten vermag. Diejenigen, die nicht so viel Geld und Vermögen haben, machen Sozialarbeit, also Altenpflege oder Übungsleiter im Sportverein, die Vermögenden vergeben Forschungsaufträge oder Stiftungslehrstühle oder sie stiften gleich ganze Denkfabriken und prägen damit den Gang der Wissenschaft oder den gesellschaftlichen Diskurs und bestimmen so die gesellschaftliche und die politische Weiterentwicklung.
    So hat sich eine private institutionelle Macht des Reichtums herausgebildet, die ihren Einfluss über das gesamte politische System ausdehnt und die Machtverteilung zwischen Parteien, Parlamenten und Exekutive unterwandert und gleichzeitig die öffentliche Meinung prägt.
    Diese „zivilgesellschaftliche“ Macht ist stützt sich ausschließlich auf Reichtum und Vermögen. Darauf, dass eben zum Beispiel der Bertelsmann-Konzern und seine Stiftung, die Volkswagen- oder Robert-Bosch-Stiftung mehr Geld hat als andere private und staatliche Institutionen, Expertisen und Gutachten erstellen zu lassen, Kongresse zu veranstalten, Forschungsaufträge zu erteilen, um die Mission ihrer Stifter zu verbreiten. Demokratisch legitimierte Macht im Staate wird so mehr und mehr durch Wirtschaftsmacht zurückgedrängt, ja sogar teilweise schon ersetzt.
    Dieser Weg in diese Art von Zivilgesellschaft befördert nicht nur die ohnehin bestehende extreme materielle Ungleichheit zwischen Arm und Reich, sondern dieser Weg schließt – anders als das im Modell des Mehrheitsprinzip in der Demokratie vorgesehen ist – vor allem die große Mehrheit der weniger wohlhabenden Bevölkerung mehr und mehr von der politischen Teilhabe und der Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Zukunft aus.

  5. Sonja Grusch: Kritik an der Armutsbekämpfung mittels „Mikrokrediten“, wie sie der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus propagiert.
    Mikrokredite haben in der Regel sehr hohe Zinsen, die Grameen-Bank verlangt beispielsweise 20 bis 40 Prozent pro Jahr. Diese Werte sind zwar niedriger, als bei lokalen, privaten Geldverleihern, aber höher als größere Kredite z.B. bei den staatlichen Banken. Begründet werden die hohen Zinsen mit dem enormen administrativen Aufwand für die Kundenbetreuung.
    Quelle 1: junge Welt
    Quelle 2: junge Welt
  6. Peter Nonnenmacher: Mega-Bescherung für Londoner Investment-Banker
    Über Nacht um ein Vermögen reicher: Londons Investment-Banker feiern diesen Dezember mit ihren Jahres-Gratifikationen die größte Bescherung aller Zeiten.
    Quelle: FR
  7. Monitor: Der Staat als Hacker: Großangriff auf die PC-Daten der Bürger
    In Nordrhein-Westfalen wurde im Dezember ein Gesetz verabschiedet wurde, mit dem künftig unsere intimsten Daten ausgespäht werden können. Arztrechnung, Kontostand, Liebesbriefe – alle Daten auf unseren Computern kann der Staat übers Internet mitlesen. Und wir merken diesen Online-Lauschangriff nicht einmal. Verantwortlich für das neue Gesetz, pikanterweise, ist ein FDP-Minister.
    Quelle: Monitor
  8. Monitor: Bezahlte Lobbyisten in Bundesministerien: Wie die Regierung die Öffentlichkeit täuscht.
    In fast allen Bundesministerien fand das Magazin Monitor Leiharbeiter aus den wichtigsten deutschen Unternehmen. Sie sitzen Tür an Tür mit Beamten, schreiben sogar an Gesetzen mit und werden von der Wirtschaft bezahlt. Fragt sich, wer davon profitiert. FDP und Grüne starteten nach unserem Bericht Anfragen an die Bundesregierung und jetzt sind die Antworten da. Aber nicht vollständig und auch nicht richtig.
    Quelle: Monitor
  9. Forsa-Umfrage: 82 Prozent aller Deutschen glauben, dass die Politik “auf die Interessen des Volkes keine Rücksicht” nimmt.
    Nur noch fünf Prozent der Deutschen vertreten die Meinung, dass man mit Wahlen “in starkem Maße” die Politik mitbestimmen kann. 48 Prozent glauben, dass der Bürger mit Wahlentscheidungen “etwas” Einfluss ausüben kann. 47 Prozent hingegen sind der Überzeugung, dass sie die Politik durch Wahlen “gar nicht” mitbestimmen können.
    Quelle: Stern
  10. Lorenz Jarass: Unternehmenssteuerreform: ein Beschäftigungsprogramm für Steuerberater
    Die Beschlüsse der Bundesregierung vom 2.11.2006 zur Unternehmenssteuerreform führen nicht zum angestrebten und behaupteten Steuerausfall von 5 Mrd. pro Jahr, sondern vielmehr zu jährlich über 10 Mrd. dauerhaftem Steuerausfall. Das verschlingt die Hälfte des Mehrertrags der Mehrwertsteuererhöhung ab 2007, die bekanntlich vor allem Arbeitnehmer, Rentner und die kleinen Gewerbetreibenden vor Ort wie Handwerker und Gastwirte belastet.
    Quelle: Lorenz Jarass [PDF – 84 KB]
  11. Kurt Beck sieht die Grenzen der Zumutbarkeit erreicht, will aber die Reformen fortsetzen
    Wenn die “bisher beschlossenen Reformpläne” der Großen Koalition auf den Weg gebracht seien, sei “die Grenze der Zumutbarkeit” erreicht. “Ich glaube, dass wir in der Republik erkennen müssen, dass wir den Bogen in der sozialen Frage arg gespannt haben.” „Was wir jetzt auf dem Weg haben, müssen wir machen. Dazu gehören die Gesundheitsreform, die Rente mit 67, die Pflegeversicherungsreform, die noch ansteht, die Unternehmensteuerreform und die Föderalismusreform. Dazu gehören auch die Arbeitsmarktreformen, da wird noch manches hinzugefügt werden müssen“.
    Quelle: Berliner Morgenpost

    Anmerkung: Selbst der Spiegel meint dazu: Das Interview des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten ist, bei genauerem Hinsehen, kein Angriff gegen die Große Koalition. Es ist eher der Versuch, für die SPD das Thema des sozialen Ausgleichs zurückzuerobern. „Wenn das umgesetzt ist, was wir auf den Weg gebracht haben, ist die Grenze der Zumutbarkeit erreicht.“ Damit hielt sich Beck fast peinlich genau an den Fahrplan der Regierung in Berlin. Andere Bemerkungen Becks seien eher rhetorische Verbeugungen vor den verunsicherten Bürgern und der eigenen Klientel.
    So ist er eben unser Kurt Beck, er ist nicht zu fassen.

    Quelle: Spiegel Online

  12. Verschlimmbesserung: Bafög-Novelle bringt Studentinnen mit Kinder einen Kinderbetreuungszuschlag von 113 (!) Euro im Monat und schafft den Teilerlass der Darlehenschuld ab.
    Quelle: SZ

    Anmerkung: Die Besserverdienenden bekommen Elterngeld, für Studierende mit Kindern verschlechtert sich die Situation. Nicht allein, dass sie mit dem Wechsel vom Erziehungs- zum Elterngeld insgesamt zwischen 3.000 bis 3.600 Euro verlieren, jetzt wird ihnen für ein „Linsengericht von – sage und schreibe – 113 Euro der Teilerlass der Bafög-Darlehenschuld genommen. War da nicht vor kurzem das Jammern zu hören, dass gerade Akademikerinnen zu wenig Kinder kriegen?


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=1965