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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 7. Februar 2011 um 9:10 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Ägypten; Eurozone soll deutscher werden; Financial Crisis Inquiry Commission Releases Report; Schattenbanken; wie Irland ruiniert wurde; Breite Skepsis gegenüber Politik und Finanzwirtschaft; Deutschlands nachlassende Investitionsdynamik 1991 – 2010; Gesamtmetall-Chef: “Es muss möglich sein, Lohnerhöhungen nach hinten zu verschieben”; Rüstungsexportbericht 2009; Grundrechte nur gegen Bezugsschein; private Altersvorsorge soll stärker gefördert werden; Zugunglück bei Hordorf; Überwachungsstaat; Stuttgart 21; Käufer für Bankenskandal gesucht; neuer rot-grüner Thinktank geplant; Weltsozialforum in Dakar eröffnet; Märchen von Davos; die Narben des Krieges; der Blick nach draußen; Ursachen und Therapie der Finanzkrise; Spin oder: Die Industrialisierung der Meinungsproduktion; TV-Tipp: Volker Pispers: ‘… bis neulich 2010’. (WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ägypten
  2. Eurozone soll deutscher werden
  3. Financial Crisis Inquiry Commission Releases Report on the Causes of the Financial Crisis
  4. Gewächse im Verborgenen
  5. Wie Irland ruiniert wurde
  6. Umfrage: Breite Skepsis gegenüber Politik und Finanzwirtschaft
  7. Deutschlands nachlassende Investitionsdynamik 1991 – 2010
  8. Gesamtmetall-Chef: “Es muss möglich sein, Lohnerhöhungen nach hinten zu verschieben”
  9. Rüstungsexportbericht 2009
  10. Jutta Roitsch: Grundrechte nur gegen Bezugsschein
  11. Private Altersvorsorge soll stärker gefördert werden
  12. Zugunglück bei Hordorf: Bahn und Ministerium wussten seit Jahren von Gefahren der Strecke
  13. Überwachungsstaat
  14. Stuttgart 21
  15. Käufer für Bankenskandal gesucht
  16. Neuer rot-grüner Thinktank geplant – Kampfansage an Ypsilantis Institut Solidarische Moderne
  17. Weltsozialforum in Dakar eröffnet
  18. Märchen von Davos
  19. Die Narben des Krieges
  20. Der Blick nach draußen
  21. Ursachen und Therapie der Finanzkrise
  22. Tom Schimmeck: Spin oder: Die Industrialisierung der Meinungsproduktion
  23. TV-Tipp: Volker Pispers: ‘… bis neulich 2010’

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ägypten
    1. Mubarak family fortune could reach $70bn, say experts
      Präsident Hosni Mubaraks Familienvermögen könnte nach Berechnungen von Nahost-Experten mehr als 70 Milliarden Dollar (43,5 Milliarden britische Pfund) umfassen, wobei ein Großteil dieses Reichtums in britischen und schweizer Banken oder in Liegenschaften in London, New York, Los Angeles oder entlang teuerer Bauabschnitte am Arabischen Golf angelegt sein dürfte.
      Egyptian president has cash in British and Swiss banks plus UK and US property.
      Quelle: Guardian
    2. Die Suche nach einer Zukunft
      Die Säulen der Macht in Ägypten wanken: Die alte Parteispitze um Mubarak ist abgetreten. Regierung und Opposition sprechen miteinander. Der jahrzehntelange Ausnahmezustand könnte bald enden. Doch das Volk ruft weiter: Mubarak muss weg.
      Inzwischen aber dämmert der bunten Schar der Regimekritiker, dass sie ohne klaren Rücktritt wohl besser fährt. Würde Mubarak nämlich in der kommenden Woche sein Amt niederlegen, müsste laut Verfassung bereits innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden und nicht erst im September.
      Keine der über Jahrzehnte drangsalierten Oppositionsparteien wäre in der Lage, sich innerhalb von zwei Monaten neu zu formieren − außer der straff und flächendeckend organisierten Muslimbruderschaft. Eine Abdankung Mubaraks würde vor allem die Islamisten begünstigen, was bei den Facebook-Demonstranten, der säkularen Opposition und auch in der westlichen Welt niemand wünscht.
      Nach Informationen der New York Times kursieren bereits zwei konkrete Szenarien, um den 82-Jährigen zum Verlassen seines schwer bewachten Präsidentenpalastes in Kairo zu bewegen. Entweder zieht er sich auf seinen Landsitz in Sharm al-Sheikh zurück, wo er ohnehin die meiste Zeit des Jahres lebt. Oder er fliegt zu einer „längeren medizinischen Behandlung“ nach Deutschland.
      Quelle: FR
    3. Ägyptens Regime trifft die Opposition
      Vizepräsident Suleiman und Mitglieder der Muslimbruderschaft verhandeln über das Ende des seit 1981 geltenden Ausnahmezustands. Die Proteste gehen unterdessen weiter.
      Quelle: Die Zeit

      Anmerkung Orlando Pascheit: Freude kommt bei dieser Meldung nicht auf. Es scheint sich zu bestätigen, dass in solchen Umbruchzeiten die am besten organisierte Gruppe als Sieger den Platz verlässt und das sind die Muslimbrüder. Es mag ja für manchen Nahost-Experten geradezu sensationell sein, dass die ägyptische Regierung das erste Mal seit ihrem Verbot 1954 mit der Muslimbruderschaft offiziell verhandelte, aber wo bleiben die Vertreter der Demonstranten. Gut, da waren noch ein einige andere Oppositionelle, alles ältere Herren – wahrscheinlich genauso staatstragend wie die Muslimbrüder selbst. Denn diese wirkten in der Vergangenheit, auch wenn sie politisch nicht vertreten waren, gesellschaftlich durchaus stabilisierend. Und diese Funktion  ist von der ägyptischen Führung gewollt. Die Muslimbrüder treten nicht nur bei der Armenspeisung auf, diesen Eindruck hat man manchmal im Westen, sondern sie unterhalten Krankenhäuser, Schulen und Sozialstationen, sie besitzen Fabriken und Firmen und besetzen wichtige Posten in Armee und Gewerkschaften. Von den 18 Unternehmerfamilien, welche im Wesentlichen die ägyptische Wirtschaft kontrollieren, sollen angeblich acht den Muslimbrüdern angehören.
      Letztlich dürfte, wenn die Opposition von den Muslimbrüdern dominiert würde, die “Revolution” weitaus konservativer ausfallen, als mancher angesichts der Mehrheit der Demonstranten auf dem  Tahrir-Platz  hofft. Kurzum, die Muslimbruderschaft gehört zu einem guten Teil zu dem Problem, das beseitigt werden soll. Konservativ heißt natürlich auch mehr Islam in der Politik. So ist es z.B. dem geistigen Führer der Bruderschaft, Mohammed Mahdi Akef, im Zusammenhang mit seinem Rücktritt nicht gelungen, einen Reformer in den Führungskreis der Bewegung aufzunehmen. Und Akef war seinerzeit (2005) der Mann, der sich öffentlich vor den iranischen Staatspräsidenten Ahmadineschad stellte und den Holocaust als einen Mythos bezeichnete.
      Die Herren, die sich beim Vize-Präsident Omar Suleiman trafen, sehen nicht so aus, als ob sie die Forderungen der Revolution vertreten. Wenn Mamdouh Habashi  ein nationales Komitee fordert, das die Führung übernehmen soll und das mindestens ein Drittel der demonstrierenden Jugendgruppen repräsentieren soll, so ist die Muslimbruderschaft beim gestrigen Treffen solchen Plänen zuvorgekommen. – Immerhin scheinen die enttäuschten Demonstranten auf dem Tahrir- Platz zu reagieren  und gründeten gestern Abend die „Koalition der Jugend in Ägyptens Revolution“, um ihre Forderungen künftig selbst vorzutragen.

    4. Die Sicherheitskonferenz und Ägypten
      Die Münchner Sicherheitskonferenz hat ihre Tagesordnung kurzfristig geändert. Der Nahe Osten bestimmt die Agenda. Ihr Vorsitzender, Wolfgang Ischinger, läßt sich zu den Unruhen in der arabischen Welt mit den Worten zitieren: »Das ist eine schwierige Gratwanderung für den Westen.« Bundesaußenminister Guido Westerwelle entfaltet hektische Aktivitäten, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will die deutsche Politik gegenüber Diktatoren überdenken, Rüstungsexporte nach Ägypten werden eingefroren.
      Was ist davon zu halten? Diejenigen, die die Diktatur Hosni Mubaraks und seiner Clique 30 Jahre unterstützt haben, lassen jetzt ihren Schützling fallen. Dabei hat Westerwelle noch vor kurzem gesagt, Mubarak sei ein »Mann mit enormer Erfahrung, großer Weisheit und die Zukunft fest im Blick«.
      Es ist der Gipfel der Heuchelei. Nun, da ihre Diktatorenfreunde in Schwierigkeiten stecken, versuchen sie, die Öffentlichkeit zu täuschen. Westerwelle und Co. unternehmen alles, um Mubarak zu retten bzw. seinen willfährigen Stellvertreter Omar Suleiman zu installieren. Der war 20 Jahre Geheimdienstchef in Ägypten und ist mithin direkt verantwortlich für Folter und politische Morde.
      Worum geht es ihnen, wenn sie Diktaturen unterstützen, ob in Äthiopien oder in Saudi-Arabien? Sie selbst sagen, es gehe um Stabilität. Stabilität wofür? Um einen entfesselten Kapitalismus, und Profite und Extraprofite, nach denen das Kapital ruft, durchzusetzen.
      Quelle: junge Welt
  2. Eurozone soll deutscher werden
    EU-GIPFEL Deutschland und Frankreich stellen einen Plan vor, dessen Verwirklichung eine gemeinsame Wirtschaftspolitik einleiten könnte – orientiert an deutschem Vorbild …
    Durch den Pakt sollen sich also de facto die anderen Länder der deutschen Politik anpassen. Für die Bundesregierung dürfte das die Gegenleistung dafür sein, dass sie einer Ausweitung des Eurorettungsfonds EFSF zustimmt. “Der Wettbewerbspakt tut so, als müssten nur alle Länder so wie Deutschland agieren, um aufzublühen”, kritisierte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Umgekehrt will Deutschland keinesfalls Anpassungen vornehmen, die auf eine Stärkung der Binnennachfrage und ein Zurückfahren der Exportüberschüsse hinauslaufen müssten. Und die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Steuerpolitik auf EU-Ebene zu vergemeinschaften steht nicht zur Debatte.
    Ob der Plan umgesetzt wird, soll auf einem weiteren EU-Sondergipfel entschieden werden.
    Quelle: taz
  3. Der “Financial Crisis Inquiry Commission Releases Report on the Causes of the Financial Crisis” aus den USA 
    Quelle 1: der Bericht [PDF – 106 KB]
    Quelle 2: die Pressemitteilung [PDF – 30 KB]

    Anmerkung V.B.: Auch wenn die Republikaner den Bericht so nicht mittragen, so wird doch die “Kontroverse” um das Finanzmarktgeschehen deutlich. Was haben wir in Deutschland für ein Parlament, das zu keiner solchen klaren  “Bestandsaufnahme” der Finanzkrise in der Lage ist?

  4. Gewächse im Verborgenen
    Die Forderung nach einer strengeren Regulierung der Finanzbranche ist keine Schlagzeile mehr wert. Außer sie kommt von Goldman Sachs. So geschehen beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos. Gary Cohn, die Nummer zwei bei der US-Investmentbank, sorgte für einen kleinen Eklat bei dem ansonsten so harmonischen Beisammensein von Regierungsvertretern, Wirtschaftspromis und Journalisten in den Schweizer Bergen. Weniger verblüffend: Cohn will mehr Regeln nicht für Banken wie Goldman, sondern für andere Finanzinstitutionen, vor allem für Hedgefonds. »In den kommenden Jahren wird der unregulierte Bereich exponentiell wachsen. Und das Risiko wird nicht verschwinden, sondern sich aus dem regulierten, transparenteren Bankensektor in den weniger regulierten, undurchsichtigeren Bereich bewegen«, warnte Cohn. Im Klartext lautete die Botschaft der Banker an die Gesetzgeber: Nehmt ihr uns die Möglichkeit weg, bei den riskanteren, renditeträchtigeren Geschäften mitzumischen, drohen diese Geschäfte in undurchsichtigere und unregulierte Bereiche abzuwandern. Und womöglich müssen die daraus entstehenden Gefahren dann wieder zulasten der Steuerzahler abgewendet werden.
    Nun warnen ausgerechnet diese Banker, andere seien viel gefährlicher – Schattenbanker, auf die niemand schaue. Die Finanzjongleure bei unregulierten Institutionen, etwa Beteiligungsgesellschaften oder Hedgefonds. Letztere fühlen sich wiederum von den Bankern angeschwärzt und reagieren prompt. »Reiner Eigennutz« spreche da, beschwerte sich ein Hedgefonds-Manager bei der Financial Times , über die Warnungen von Goldman-Sachs-Chef Kohn. Schließlich sei Goldman bis zur Finanzmarktreform nichts anderes gewesen als ein gigantischer Hedgefonds. Damit spielte er auf die Tatsache an, dass das Wall-Street-Haus bis zur Krise den Löwenanteil seiner Profite durch Spekulation mit Eigenkapital erwirtschaftete.
    Quelle: Die Zeit

    Anmerkung Orlando Pascheit: Und was sollen wir daraus schließen? Sollen wir die Banken weniger regulieren, damit sie nicht, wie in der im Artikel vorgestellten Banker-Studie angedroht, den “strikten Vorgaben” ausweichen, indem sie “verstärkt in Schwellenländer abwandern und ihre Zentrale zum Teil in solche ‘bankenfreundlichere’ Gegenden verlegen” und mittels komplexer Transaktionen die Lücken nutzen, “die sich zwischen den verschiedenen Regulierungsgebieten auftun” [PDF – 1.5 MB]?

  5. Wie Irland ruiniert wurde
    Die Regierung und die Banken in Dublin haben das Land ruiniert und in die Schuldenfalle geführt. Das zeugt von krimineller Energie. Die Verantwortlichen sind bekannt.
    Irland ist pleite, und die Regierung wird am 25. Februar abgewählt. Das steht fest. Aber es könnte ein juristisches Nachspiel geben. Die Regierung hat sich offenbar des betrügerischen Bankrotts schuldig gemacht. Die März-Ausgabe der US-Zeitschrift Vanity Fair berichtet, dass die Investmentbank Merrill Lynch bereits im März 2008 in einem Bericht vor dem Zusammenbruch der irischen Banken warnte, weil die den Bauunternehmen das Geld nachwarfen. Der Bericht wurde noch am selben Tag zurückgezogen: Die irischen Banken hatten gedroht, ihre Geschäftsbeziehungen mit Merrill Lynch abzubrechen. Der Autor des Berichts, Phil Ingram, musste nach der Übernahme der Investmentbank durch die Bank of America im September 2008 seinen Hut nehmen.
    In demselben Monat veröffentlichte Merril Lynch einen völlig anderen Bericht. “Alle irischen Banken sind profitabel und gut kapitalisiert”, hieß es darin. Für den siebenseitigen Bericht kassierte Merrill Lynch 7 Millionen Euro von der irischen Regierung – 1 Million pro Seite. Die Investmentbank hatte freilich selbst ein Interesse daran, die irischen Banken gesundzureden, war sie doch einer der Hauptzeichner der irischen Anleihen. Irlands Finanzminister Brian Lenihan, der den ersten Bericht mit Sicherheit kannte, ergriff die Gelegenheit und sprach eine Bankengarantie aus, kaum dass der aufgehübschte Bericht auf dem Tisch lag.
    Quelle: taz
  6. Umfrage: Breite Skepsis gegenüber Politik und Finanzwirtschaft
    Die meisten Bürger (54 %) (glauben) nicht, dass die Politik die Finanzkrise in den Griff bekommen wird. Fast zwei Drittel (64 %) sind der Meinung, der Politik fehle es an fachlicher Kompetenz, um die Strategien der Finanzunternehmen zu durchschauen. Dies sind Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage im Rahmen einer Gemeinschaftsstudie des Fachgebiets Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim und der ING-DiBa AG (Frankfurt).
    Die Entwicklungen in den EU-Staaten, auf den Finanzmärkten und die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Krise sind für die Bürgerinnen und Bürger kaum nachvollziehbar. Daher ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Überzeugung, dass die Finanzkrise nicht zu bändigen ist. Nur jeder Vierte traut der Politik zu, dauerhaft größeren Einfluss auf die Wirtschaft und die Banken zu gewinnen.
    Schonungslos äußern die befragten Bürger ihre tiefen Zweifel an der fachlichen Kompetenz des politischen Personals. Und fast drei Viertel der Bevölkerung (72 %) gehen davon aus, dass die Banken und Versicherungen nichts aus der Krise gelernt haben und „business as usual“ betreiben. 52 % sind sogar überzeugt, dass die Finanzbranche sich nicht um politische Vorgaben der Regierung kümmern will, sondern Mittel und Wege in der globalisierten Welt finden wird, weiterzumachen wie bisher…
    Drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass (die Politik) die Interessen des Finanzsektors mehr berücksichtigt als die der Steuerzahler (74 %) …
    Als Verursacher der Krise haben weit mehr als die Hälfte der befragten Bürger – neben der Finanzbranche – die Politik selbst im Blick. Sie habe die Finanzkrise mit verursacht, sagen 57 % der Befragten …
    Über alle Bevölkerungsgruppen hinweg lautet jedoch die Grundaussage der meisten Bürger: Die Finanzbranche hat aus der Krise nichts gelernt und wird Wege finden, politische Vorgaben zu umgehen. Sie macht weiter, als wäre nichts geschehen. Die Politik wird als fachlich weitgehend überfordert eingeschätzt, hat die Krise mit verursacht und bekommt sie nun aber wohl nicht in den Griff.
    Quelle: idw
  7. Deutschlands nachlassende Investitionsdynamik 1991 – 2010
    Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat an Prof. Dr. Jan Priewe von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und an Dr. Katja Rietzler von Rietzler Economics einen Forschungsauftrag vergeben, um herauszufinden, welche Ausgabentatsächlich das Wachstum und damit den Wohlstand in Deutschland erhöhen und wie diese gefördert werden können. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass nicht nur – im Sinne der VGR – investive Ausgaben (für Sachkapital und Bauten), sondern dass auch – im Sinne der VGR – konsumtive Ausgaben (für Bildung und Forschung) wachstumsförderlich sind. Insofern bedarf die VGR dringend einer Überarbeitung, damit sie den gestiegenen Anforderungen von Seiten der Politik und Gesellschaft besser gerecht wird.
    Zugleich weisen sie darauf hin, dass Deutschland in den letzten 20 Jahren durch eine massive (private und öffentliche) Investitionsschwäche gekennzeichnet war …
    Die Folge war eine auch im internationalen Vergleich ausgeprägte Wachstumsschwäche.
    Auf Basis wachstumstheoretischer Überlegungen identifizieren sie als Ursache, neben zu geringen Bildungsausgaben, vor allem Defizite auf der Nachfrageseite der Volkswirtschaft.
    Dabei betonen sie den in der deutschen Wirtschaftspolitik häufig unzureichend berücksichtigten Sachverhalt, dass der Konsum nicht per se irrelevant für das längerfristige Produktivitäts- und Wirtschaftswachstum ist, da Konsum und Investitionen eng miteinander zusammenhängen.
    Hierauf sollte zukünftig im Rahmen der Lohn-, Arbeitsmarkt-, Steuer- und Finanzpolitik stärker geachtet werden, will man reale Investitionen fördern und spekulative Finanzinvestitionen entmutigen.

    Gewinnabschöpfung zählt

    Quelle 1: Wiso Diskurs [PDF – 570 KB]
    Quelle 2: Böckler Impuls

  8. Gesamtmetall-Chef: “Es muss möglich sein, Lohnerhöhungen nach hinten zu verschieben”
    Kannegiesser: Bei aller Freude über die Erholung: Wir haben das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Bei der Produktion sind erst 70 Prozent und beim Auftragseingang 80 Prozent des Einbruchs wettgemacht. Wir müssen in diesem Jahr weiter wachsen, wenn wir diese Rückstände aufholen wollen. 2010 wird daher nicht als Rekordjahr, sondern als Jahr des Aufholens in die Geschichte eingehen. Wenn alles gut läuft, werden wir Ende 2011 voraussichtlich wieder dort stehen, wo die Metall- und Elektroindustrie vor 2008 einmal war. Unter dem Strich hätten wir dann durch die Wirtschaftskrise drei komplette Jahre verloren…
    Darüber dürfen wir aber nicht vergessen, dass viele Betriebe in der Branche bislang noch nicht von der Erholung profitiert haben: Noch immer gibt es mehr als 100.000 Beschäftigte in Kurzarbeit, und noch immer schreibt ein Drittel der Betriebe rote Zahlen oder eine schwarze Null. In solchen Fällen muss es auch möglich sein, die Lohnerhöhung wie vereinbart nach hinten zu verschieben, ohne dass sich Mitarbeiter übervorteilt fühlen. Denn in Zukunft werden wir mehr solcher flexibler Instrumente brauchen.
    Quelle: manager-magazin

    Anmerkung WL: Brüderle schwadroniert vom „Aufschwung XXL“ und davon, dass wir die Krise überwunden hätten. Wenn es dann an Lohnverhandlungen geht wird wieder schwarz gemalt. Gerade so, wie es für die jeweilige Propaganda passt. Dass inzwischen Lohnerhöhungen schon seit zwei Jahrzehnten nach hinten verschoben wurden, will Kannegiesser natürlich nicht wahrhaben. Zu Kannegiessers Plädoyer für die Leiharbeit, siehe Leiharbeit kompakt. Und zu Kannegiessers Forderung nach mehr Flexibilität, siehe:

    Kaum mehr reguläre Jobs
    (Eine Umfrage der IG Metall unter Betriebsräten hat gezeigt: Fast jede zweite neue Stelle wurde mit LeiharbeiterInnen besetzt.)
    Quelle: Aktionstag 24. Februar: Arbeit – sicher und fair!

    Unser Leser K.G. bemerkt: Zeitarbeitsfirmen holen nicht nur Menschen aus der Arbeitslosigkeit, sie befördern sie auch wieder dahin.

  9. Rüstungsexportbericht 2009
    Die Bundesrepublik Deutschland ist der drittgrößte Exporteur von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern weltweit.
    Der nun vorliegende Bericht belegt erneut, dass die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung maßgeblich durch außenwirtschaftliche und nationale industriepolitische Interessen geleitet wird und globale friedens- und entwicklungspolitische Notwendigkeiten dabei in den Hintergrund treten. So wurden beispielsweise Waffen und Rüstungsgüter im Wert von knapp 1 Mrd. Euro allein 2009 an nahezu alle Länder des Nahen und Mittleren Ostensgenehmigt, eine der politisch instabilsten und hoch gerüstetsten Regionen der Welt. In die Entwicklungsländer und die ärmsten Entwicklungsländer wurden von 2001 bis 2009 Ausfuhren von insgesamt gut 4,5 Mrd. Euro genehmigt, in 2009 waren es allein 0,5 Mrd. Euro.
    Der Deutsche Bundestag wird jedoch über Rüstungsexportgenehmigungen erst nachträglich und nur sehr eingeschränkt informiert. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2009 wurde erst Ende 2010 veröffentlicht.
    Quelle: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE [PDF – 66 KB]
  10. Jutta Roitsch: Grundrechte nur gegen Bezugsschein
    Merkel, die sogenannte Mutti der Nation, und ihre Arbeitsministerin, „Supermutti“ Ursula von der Leyen, zeigen keinerlei Respekt gegenüber armen Eltern und ihren Kindern. Und so ist das präsentierte Gesetz arrogant, bevormundend und entmutigend für die betroffenen Hilfebedürftigen, die unter den Generalverdacht des Missbrauchs und der Unverantwortlichkeit gestellt werden …
    Während die Verfassungsrichter die Kinder in Armutsverhältnissen nicht nur als Grundrechtsträger anerkannt, sondern ihnen auch einen Anspruch auf soziale und kulturelle Teilhabe zugesprochen haben, nimmt der Gesetzgeber den Kindern diesen Anspruch und überträgt ihn vormundschaftlich auf eine Behörde. Ihre Grundrechte werden so lediglich auf Bezugsschein gewährt …
    Über 1000 neue BA-Mitarbeiter sollen nun eingestellt werden, um Bildungschancen unter den ärmsten Kindern zu verteilen. Das ist nicht nur unverhältnismäßig teuer, sondern zugleich vom Grundsatz her falsch.
    Das verbal groß aufgezäumte Bildungspaket, mit dem sich von der Leyen und die schwarz-gelbe Regierung schmücken, ist im Grunde eine Luftnummer: So werden künftig die von der großen Koalition beschlossenen 100 Euro zum Schulstart nur noch zweigeteilt – einmal 70, einmal 30 Euro – ausgezahlt, weil die „verantwortungslosen“ Hartz-IV-Eltern doch tatsächlich alles auf einmal beim Schulstart ausgegeben hätten …
    Nur wenn die Versetzung gefährdet ist und die Schulen ihren „blauen Brief“ verschickt haben, dürfen die Eltern einen Antrag auf Nachhilfe beim behördlichen Vormund einreichen, der diesen dann prüft und darüber entscheidet …
    Bildungsforscher schätzen, dass bisher nur 15 bis 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler ein solches schulgemeinschaftliches Essen angeboten bekommen, vor allem in Gesamtschulen.
    Ob und wie viele Kinder aus Hartz-IVFamilien darunter sind, weiß niemand.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik [PDF – 778 KB]
  11. Private Altersvorsorge soll stärker gefördert werden
    Die Union plant, noch in diesem Jahr neue Anreize für die private Altersvorsorge zu schaffen. Wie bei der Riester-Rente soll es nach Informationen des SPIEGEL künftig auch für Berufsunfähigkeitsversicherungen staatliche Förderungen geben. Zudem werden die Regelungen bei der Eigenheimrente, dem sogenannten Wohn-Riester, praxisnäher gestaltet.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Der Irrsinn geht also weiter: Statt die gesetzlichen Altervorsorgesysteme wieder besser auszustatten, sollen nun nach der Riester-Rente auch noch andere Altersvorsorgesysteme staatlich subventioniert werden und der Versicherungswirtschaft zusätzliche Kundschaft zugeführt werden.

  12. Zugunglück bei Hordorf: Bahn und Ministerium wussten seit Jahren von Gefahren der Strecke
    Zehn Menschen kamen bei dem Hordorfer Zugunglück ums Leben. Nach Informationen des SPIEGEL waren der Deutschen Bahn und dem Verkehrsministerium die Gefahren der Unfallstrecke von Magdeburg nach Halberstadt bekannt – schon seit 1997.
    Bereits nach einem ähnlichen Unglück im Juni 1996 in Nordthüringen war das Bundesverkehrsministerium zu dem Schluss gekommen, die Bahnstrecken im Osten dringend mit punktförmiger Zugbeeinflussung (PZB) auszurüsten. Mit dieser Technik werden Züge, die Haltesignale überfahren, automatisch gestoppt. Solche Vorkehrungen fehlten an der Unglückstelle zwischen Magdeburg und Halberstadt.
    Zwar hatte sich die Bahn im Oktober 2000 verpflichtet, 1500 Kilometer Haupt- und 10.000 Kilometer Nebenstrecke mit dem System auszurüsten. “Verschiedene Bahnbetriebsunfälle, die unter Umständen hätten vermieden werden können”, hätten beim Verkehrsministerium “Fragestellungen ausgelöst” heißt es in einer Vorlage für den Bahnvorstand vom 18. Oktober 2001.
    Laut Ministerium sei es “nicht zu vertreten, auf Dauer in beiden Teilen Deutschlands einen unterschiedlichen Ausrüstungsstandard der Zugbeeinflussung beizubehalten”, schrieben die Manager an den damaligen DB-Chef Hartmut Mehdorn und seine Vorstandkollegen. Das PZB-Lückenschließungsprogramm, das die Bahn daraufhin beschloss, versandete jedoch.
    Die Kosten für die Ausrüstung der 52 Kilometer langen Strecke Halberstadt-Magdeburg hätten 533.000 Euro betragen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Aber zwischen 4 bis 7 Milliarden für das gigantomanische Projekt Stuttgart 21 damit ein paar Minuten Fahrzeit gewonnen werden könnten, ist offenbar vorhanden.

  13. Überwachungsstaat
    1. Aus dem Inneren eines Überwachungsstaates
      Ein junger Mann erfährt durch eine Panne bei seinem Mobilfunkbetreiber, dass er von Verfassungsschutz und BKA abgehört wird. In einer Zeitung, der Polizisten die Abhörprotokolle verkauft haben, liest er ein Gespräch seiner Freundin im Wortlaut. Die Schlagzeile, seine Verhaftung als angeblicher Gründer der terroristischen Vereinigung „Militante Gruppe“ stehe unmittelbar bevor, lässt ihn wochenlang bei jedem Geräusch hochschrecken.
      Nach sieben Jahren vergeblicher Bemühung um Aufklärung, nach Hausdurchsuchung und Verhaftung zieht das Bundesverfassungsgericht eine Grenze. Der „Terrorist“ erhält Akteneinsicht, das Verfahren wird eingestellt. Obwohl die Geheimdienste sich der Aufklärung verweigern, lässt sich die Geisteshaltung der Ermittler anhand ihrer eigenen Aufzeichnungen nachvollziehen.
      Quelle: wdr4 Dok5
    2. Spektakuläres Geheimdiensturteil: Dauerüberwachung durch Verfassungsschutz für rechtswidrig erklärt
      Das Kölner Verwaltungsgericht hat am Donnerstag die jahrzehntelange Überwachung des Bremer Menschenrechtlers und Publizisten Rolf Gössner durch den Bundesverfassungsschutz für rechtswidrig erklärt.
      Quelle: Hintergrund
    3. Angriff auf die Meinungsfreiheit
      Der Einsatz verdeckter Ermittler in politischen Gruppen ist – jenseits aller ungeklärten juristischen Fragen – vor allem eines: unverhältnismäßig. So sieht es der Heidelberger Strafrechtsprofessor Thomas Hillenkamp, und die sich häufenden Beispiele geben ihm recht: Ein LKA-Mann horcht auf hinterhältige Weise seine vorgeblichen Kommilitonen aus, ein Brite im Einsatz deutscher Behörden unterwandert nicht nur Globalisierungskritiker, er wird dort auch kriminell und mit Zielpersonen sexuell aktiv. Dass die Behörden die Fälle einräumen, macht sie nicht besser.
      Wenn es um Staatsfeinde und Terroristen geht, wähnen sich Strafverfolger von jeher im Ermittlungsnotstand, in dem dann auch ganz miese Methoden erlaubt sind. Setzen sie diese gegen harmlose Studenten und politisch Aktive ein, ermitteln sie letztlich nur gegen Menschen, die ihre Meinung sagen. Im Notstand befindet sich dann der Rechtsstaat.
      Quelle: FR

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: Berücksichtigt man darüber hinaus noch die antidemokratischen Entwicklungen im Mediensektor und den wachsenden Einfluß kapitalkräftiger und politisch einflussreicher Lobbyisten, dann läßt dies durchaus die Schlussfolgerung zu: Deutschland befindet sich auf dem Marsch in die Demokratur.

  14. Stuttgart 21
    1. Ein Trailer zum Untersuchungsausschuss über die Vorgänge am 30. September 2010
      Quelle: Fluegel.tv
    2. “Die Entscheidung fiel im Staatsministerium“, eine Podiumsdiskussion zum Untersuchungsausschuss
      Quelle: Fluegel.tv
    3. Landesweiter Aktionstag gegen S 21
      Zu dem Aktionstag unter dem Motto “Stuttgart 21 bremst aus” hatten das Kampagnennetzwerk Campact und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) aufgerufen. Sie sprachen landesweit von 4.500 Teilnehmern. Campact-Sprecher Christoph Bautz sagte, mit dem Aktionstag habe sich der Protest kurz vor der Landtagswahl auf ganz Baden-Württemberg ausgeweitet. Aktionen fanden in rund 40 Städten statt, unter anderem in Freiburg, Heidelberg, Stuttgart, Tübingen und Ulm. “Eine neue Landesregierung muss konsequent in den Nahverkehr investieren, statt stur an einem überkommenen Prestigeprojekt aus dem letzten Jahrhundert festzuhalten”, forderte Bautz.
      Quelle: SWR
  15. Käufer für Bankenskandal gesucht
    Die Landesbank-Pleite brachte Wowereit ins Amt. Jetzt will er letzte Risiken entsorgen …
    Doch nun will das Land das Warten beenden – und das Thema endgültig aus der öffentlichen Diskussion bekommen. Wowereits Senat will die Skandalfonds verkaufen. Die Bedingung: Der Käufer soll auch alle Risiken übernehmen. Im Portfolio sind 38.000 Wohnungen quer durch die Republik, außerdem zum Beispiel 19 Seniorenpflegeheime, 14 Einkaufszentren, Tankstellen und ein Spaßbad.
    In internen Unterlagen für den Senat ist detailliert aufgeschlüsselt, wie das Geschäft funktionieren soll. Käufer ist danach ein Konsortium unter Führung der Londoner Fondsfirma Altyon, die erst im Jahr 2009 gegründet wurde und Privatanleger mit Renditen von mindestens 12 Prozent pro Jahr ködert. Beteiligt sind zudem Altyon-Manager sowie weitere Immobilienfirmen. Wenn das Konsortium während der Fondslaufzeit pleitegeht, soll die Al Hilal Bank aus Dubai einspringen. Das Institut wurde erst vor drei Jahren gegründet und hat ein Eigenkapital von nur 390 Millionen Euro. Wenn auch diese Bank nicht zahlen kann, müsste wieder das Land Berlin haften.
    Bemerkenswert ist zudem, dass das Land zwar alle Risiken, aber nur 94,9 Prozent der Immobilienanteile verkaufen will. Dies “erfolgt ausschließlich zur Vermeidung von Grunderwerbssteuern”, heißt es in einem vertraulichen Papier aus der Senatsverwaltung für Finanzen. Der rot-rote Senat, der bei seinen Einnahmen auf die Steuerehrlichkeit der Bürger angewiesen ist, bietet dem Käufer also eine ungewöhnliche Konstruktion an, damit dieser 160 Millionen Euro Steuern sparen kann.
    Zudem zeigt das Papier, dass der Käufer nur für die 20.000 Wohnungen, die innerhalb Berlins liegen, auf eine Sozialcharta verpflichtet wird. An den Wohnungen außerhalb Berlins darf der Käufer Luxusmodernisierungen ohne Einwilligung der Mieter vornehmen, er kann Mietern über 60 Jahren kündigen und Einbauten der Mieter aus den Wohnungen entfernen.
    Quelle: taz
  16. Neuer rot-grüner Thinktank geplant – Kampfansage an Ypsilantis Institut Solidarische Moderne
    Im Frühjahr soll es so weit sein. Dann will Nahles gemeinsam mit den Grünen in Berlin einen neuen Thinktank präsentieren: Gemeinsam sollen Politiker, Wissenschaftler, Gewerkschafter, Vertreter von Umweltverbänden, Wirtschaft, Kirchen und anderen Organisationen ausloten, was vorgedacht werden muss, damit beide Parteien vorbereitet sind für eine Übernahme der Regierung 2013 im Bund. Die Linkspartei ist an den Gesprächen nicht beteiligt.
    Koordiniert werden soll das Netzwerk vom früheren Juso-Chef Benjamin Mikfeld.
    Mit dem neuen Strategieinstitut – andere Beteiligte sprechen bescheidener von einem „Koordinierungsbüro“ – wollen die beiden Parteien einen Vorteil wettmachen, den das konservative Lager aus ihrer Sicht hat. Denn dort spielen sich verschiedene Thinktanks „wechselseitig die Bälle zu“, wie Mikfeld erläutert. „Die konservative Seite ist besser aufgestellt. Wir müssen Waffengleichheit schaffen.“
    Mit ihren Plänen signalisieren SPD und Grüne, dass sie von der vor einem Jahr gegründeten rot-rot-grünen Denkfabrik, dem Institut Solidarische Moderne, nicht mehr viel erwarten. Hier wirken an der Spitze unter anderem die frühere hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti, der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold und Linken-Bundesvize Katja Kipping. Das Ypsilanti-Institut habe einen „Geburtsfehler“, heißt es jetzt im Willy- Brandt-Haus. Es sei darauf verzichtet worden, die „Spitzen der Parteien“ einzubeziehen und mitzunehmen.
    Quelle: Tagesspiegel
  17. Weltsozialforum in Dakar eröffnet
    Dakar. In der senegalesischen Hauptstadt ist am Sonntag mit einem Marsch Tausender Globalisierungsgegner das Weltsozialforum eröffnet worden. Die Demonstranten trugen Transparente mit Aufschriften wie »Eine andere Welt ist möglich« oder »Die Erde ist mein Leben«. Nach Angaben der Veranstalter nehmen 50000 Menschen aus 123 Ländern an der Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos teil. Am heutigen Montag beginnt das eigentliche Programm des Treffens mit einem Afrika-Tag. In Hunderten Workshops und Diskussionsforen werden Themen wie Migration, Frauen, Klima- und Ernährungskrise, Unterentwicklung, kleinbäuerliche Landwirtschaft, Gesundheit und soziale Sicherheit beraten. Zu den bekanntesten Teilnehmern des Weltsozialforums gehören der bolivianische Präsident Evo Morales, der ehemalige brasilianische Präsident »Lula« da Silva sowie der Präsident des Gastgeberlandes, Abdou Laye Wade.
    Quelle: junge Welt
  18. Märchen von Davos
    Wenn sich die (vermeintliche) Crème de la Crème von Wirtschaftsbossen, globaler Politelite und Mainstreamintellektuellen im schweizerischen Luxusurlaubsort Davos trifft geht es gewohnt selbstlos zu. Diesmal stand nichts weniger als die »Verbesserung des Zustands der Welt« auf der Agenda des Weltwirtschaftsforums (WEF). Gemeint war ihre Welt, die jener »gemeinnützigen Organisation« WEF, mit den obligatorischen Luxuspartys der Milliarden-Dollar-Multis von Google über Deutsche Bank bis PricewaterhouseCoopers. Dabei wurde zugleich Lateinamerika als einer der neuen Stars des kommenden Booms ausgemacht. Der Kontinent vom Rio Grande bis nach Feuerland mit seinen 500 Millionen Einwohnern sei ganz auf der Bühne der neuen Weltordnung angekommen, lobte Martin Sorrell, Chef des weltweit zweitgrößten Marketingkonzerns WPP, im »Lateinamerika-Panel« den neuen »Motor« der globalen Wirtschaft«.
    Kritische Stimmen gehen in dieser Flut toller Prognosen leicht unter. Ein in Davos wenig beachteter Bericht der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) warnt hingegen vor einem »Rückfall in die Primärgüterproduktion«. Grund der raschen Erholung von der »großen Rezession« sei nicht gestiegene Leistungsfähigkeit von Industrie und Dienstleistungen. Das momentane Wachstum beruhe vor allem auf den »Exporteinnahmen verkaufter Rohstoffe in die Schwellenländer Asiens«. Zahlen der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) belegen die strukturelle Vertiefung der Abhängigkeit. Im Dezember 2010 stiegen die entsprechenden Einnahmen um 29 Prozent auf ein historisches Hoch von umgerechnet 853 Milliarden US-Dollar. Chile, das unter den Vertretern der »freien Marktwirtschaft« als Musterland gilt, bestreitet 75 Prozent seiner Exporteinnahmen mit Kupfer. Will Lateinamerika, das eine noch größere soziale Ungleichheit aufweist als Afrika, nicht weiter Rohstofflieferant für die Entwicklung anderer sein, so müssen neue Rezepte her. Dem Märchen von Davos sollte kein Gehör geschenkt werden.
    Quelle: junge Welt
  19. Die Narben des Krieges
    Die Versehrten aus Afghanistan tauchen in der Öffentlichkeit nicht auf. Hier zeigen sich fünf von ihnen und erzählen ihre Geschichte.
    Quelle: Die Zeit
  20. Der Blick nach draußen
    1. Abgeordnete schützen Ministerpräsidenten vor Justiz
      Silvio Berlusconi kann einen Etappensieg in seinem Abwehrkampf sowohl gegen die Mailänder Justiz als auch gegen die Opposition verbuchen. Mit 315 gegen 298 Stimmen schmetterte das Abgeordnetenhaus am Donnerstag den Antrag der Staatsanwälte ab, das Büro eines Berlusconi-Mitarbeiters durchsuchen zu dürfen, in dem die Fahnder Belege dafür vermuteten, dass der Ministerpräsident einen wahren Prostitutionsring für seine Partys beschäftigte. Berlusconi aber geht der Opposition gegenüber gestärkt aus der Abstimmung hervor: Mittlerweile kann er in seinen Reihen wieder 315 der 630 Abgeordneten zählen, und das Parlamentarier-Shopping geht weiter. Die Wiedererlangung einer, wenn auch hauchdünnen absoluten Mehrheit ist damit in greifbare Nähe gerückt. Weiterhin hätte unter italienischen Bedingungen Berlusconi damit zwar nicht genügend Kraft, um wirksam regieren zu können; für ihn aber ist gegenwärtig wichtiger, dass die Opposition nicht in der Lage ist, ihn aus dem Amt zu drängen.
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: Was werfen wir dem Regime Mubarak u.a. vor, Korruption und Vetternwirtschaft?

    2. USA: Arbeitsmarktaufschwung an den Familienvätern vorbei
      Das Wetter, statistische Ungereimtheiten, zugrunde liegende Stärke. Wenn man die abgehobenen Analysen mancher Ökonomen zum US-Arbeitsmarkt liest, könnte man richtiggehend wütend werden. Ja, der für den Januar vermeldete Anstieg der nichtagrarischen Beschäftigung um lediglich 36.000 Stellen spiegelt vermutlich nicht den “wahren” Zustand des US-Arbeitsmarkts wider, und ja, manche Indizien weisen tatsächlich auf eine spürbare Besserung über die kommenden Monate hin.
      Aber holen wir etwas aus, um die zunehmende Euphorie um die amerikanische Wirtschaft einzuordnen: In den USA gilt als beschäftigt, wer in der Erhebungswoche mindestens eine bezahlte Stunde gearbeitet hat, wer in der eigenen Firma werkelt oder wer mindestens 15 Stunden unbezahlt im Familienbetrieb aushilft. Bei temporärer Abwesenheit von der Arbeit wegen Urlaubs, Krankheit, schlechten Wetters, Streiks et cetera gilt man ebenfalls als beschäftigt, aber das sei ebenso nebenbei bemerkt wie der Umstand, dass in der Umfrage unter den privaten Haushalten jeder Beschäftigte nur einmal gezählt wird, auch wenn er zwei Stellen hat. Wichtig ist, dass die statistischen Anforderungen an die Diagnose eines Beschäftigungsverhältnisses nicht sonderlich hoch sind, um es gelinde zu formulieren. Nun, und nach dieser Definition haben derzeit gerade mal 81,2 Prozent der Männer im Alter zwischen 25 und 54 Jahren eine Beschäftigung. Das ist jenes Alter, in dem Väter ihre Kinder zu versorgen haben. Zur Einordnung dieses “wahren” US-Arbeitsmarktdramas hilft ein Blick auf die Grafik.
      Derweil sind die Anleger seit der fantastischen Rede von Helikopter-Ben Ende August dermaßen aus dem Häuschen, dass sie die Rohstoffpreise seither um 28 Prozent (Angebot-Nachfrage-Bedingungen, he?), die Aktienkurse (das Vermögen der Reichen) um 25 Prozent und die Renditen auf zehnjährige Staatsanleihen von 2,5 auf 3,6 Prozent nach oben getrieben haben. Die Zinsen sind damit übrigens wieder höher als das nominale US-BIP-Wachstum von annualisierten 3,4 Prozent im vierten Quartal. Jubel, Trubel und Heiterkeit also an den Märkten, zumal Barack Obama jetzt für niedrigere Firmensteuersätze plädiert, während die realen Stundenlöhne einfacher Beschäftigter auf dem Niveau der frühen 70er verharren. Fragt sich nur, wann die Menschen in New York oder Los Angeles auf die Straßen gehen, um Gerechtigkeit einzufordern.
      Quelle: FTD

      Anmerkung Orlando Pascheit: Wie schön, dass “das Kapital” sich regelmäßig euphemistischer Analysen von US-Statistiken annimmt. Allerdings würde ich mir auch einmal ein wenig Wut hinsichtlich der beschönigenden Interpretationen der deutschen Arbeitsmarktzahlen wünschen.

    3. Honduras: Berlin ringt um Anerkennung der Putschisten
      Trotz eindeutiger Position der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und der Mehrheit der lateinamerikanischen Regierungen drängt die deutsche Bundesregierung auf eine Anerkennung der De-facto-Regierung in Honduras. Zudem hat Berlin 47 Millionen Euro Entwicklungshilfe für das mittelamerikanische Land bewilligt, das sich seit einem Putsch gegen die letzte demokratisch gewählte Regierung und Präsident Manuel Zelaya Ende Juni 2009 in einer tiefen und anhaltenden Krise befindet.
      Die aktuelle Regierung unter Führung des konservativen Unternehmers Porfirio Lobo gehört dem Lager der Putschisten an und ist in international nicht anerkannten Wahlen Ende 2009 inthronisiert worden.
      Quelle: amerika21

      Anmerkung WL: Und wenn es dann zu einem demokratischen Aufstand kommen sollte, kann man dann wie in Nordafrika wieder mit der üblichen Doppelmoral wieder das hohe Lied der Demokratie singen.

    4. Deepwater Horizon: Die Tiefseestörung
      Es riecht nicht nach Tankstelle, die Strände sind sauber. Das Öl, das ins Meer sprudelte, als „Deepwater Horizon“ explodierte – an der Küste Floridas können die Menschen es nicht mehr sehen. Oder sie wollen nicht. Jetzt, Monate nach der Katastrophe, beklagt die Sozialmedizinerin, Enid Siskin – wie andere Wissenschaftler auch – die Kurzsichtigkeit der Menschen, die denken würden, das Ölproblem sei gelöst, weil sie das Öl nicht mehr sehen würden. Vor allem um die Oilpicker sorgt sich die Wissenschaftlerin. „Ich denke, viele der Arbeiter werden erkranken“, sagt sie. Vor allem die flüchtigen Stoffe seien giftig, die könnten in die Haut eindringen und Krebs erregen. Noch gebe es keine Auswertungen, aber es gebe aus Alaska viele Berichte von Menschen, die nach dem Exxon-Valdez-Desaster 1989 unter ähnlichen Bedingungen arbeiteten. Die hätten später über Entzündungen der Mundschleimhaut, Haut-, Augen- und Lungenbeschwerden geklagt. Und das Öl sei ja nicht weg, nur weil ein Strand wieder blendend weiß daliege. „Das Zeug wird in der Nahrungskette in den nächsten 20 Jahren auftauchen“, sagt Siskin. „Es sind 780 Millionen Liter!“ Und ein Großteil davon könnte noch auf dem Meeresgrund liegen. Es werde sein Gift nach und nach freigeben. „Fische und Krabben fressen diese Moleküle, weil sie sie für Futter halten“, sagt Siskin, dann würden erst vielleicht bestimmte Fischsorten nicht mehr gefangen. Dann würde man immer weniger Schildkröten sehen, dann immer weniger Meeressäugetiere. Und dann einen direkten Zusammenhang zu der BP-Ölkatastrophe herzustellen, werde sehr schwer werden.
      Quelle: Tagesspiegel

      Anmerkung: Nur zur Erinnerung.

  21. Ursachen und Therapie der Finanzkrise
    Quelle: Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie

    Anmerkung WL: Ich stimme mit vielen expliziten und impliziten Annahmen und Aussagen nicht überein, aber hier findet man eine ungemein fleißig zusammengetragene Dokumentation von Dokumenten und Hinweisen zur Finanzkrise. Wer entsprechende Quellen sucht sollte diese Zusammenstellung einmal durchscrollen.

  22. Tom Schimmeck: Spin oder: Die Industrialisierung der Meinungsproduktion
    “Wir verpacken sie wie Seife, vermarkten sie wie Seife und verkaufen sie wie Seife”, sagt Politprofi Brad Fich, Herausgeber des Washingtoner Medienhandbuchs, über seine Kundschaft. In den USA ist die Zunft der Verpackungskünstler – der PR-Spezialisten, Politstrategen, Medienberater und “Spin Doctors” – inzwischen zu einer Multimilliarden-Branche gewachsen. Washingtons Meinungsfriseure spielen längst eine Schlüsselrolle bei der Steuerung der öffentlichen Meinung. Sie sind weltweit gefragt, auch bei Diktatoren und anderen Image-Problemfällen. Politiker, Verbände und Firmen mieten zur Durchsetzung ihrer Ziele heute Profis, die ihnen weit mehr bieten als klassische Reklame: Sie erfinden packende Geschichten, kreieren Medienereignisse, platzieren passende Experten im Fernsehen. Sie gründen sogar Organisationen, die unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlichen Engagements die Trommel ihrer Geldgeber rühren. Auf dass der optimale “Spin” entstehe, die Drehung der öffentlichen Debatte in die gewünschte und meist teuer bezahlte Richtung.
    Quelle: SWR2 [PDF – 263 KB]

    Dazu passt:

    Carsten Maschmeyer “Meiner Familie und mir wurde monatelang aufgelauert”
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Wie von Albrecht Müller in “Alle Menschen sind gleich, wer über viel Geld für PR verfügt, ist gleicher” vorausgesagt: Maschmeyer nun auch in der SZ. Die Strategie seines neuen Medienberaters scheint zu klappen.

  23. TV-Tipp: Volker Pispers: ‘… bis neulich 2010’
     Das Immerneue im Ewiggleichen: Während uns der Medienzirkus mit seinen Sprechblasenjongleuren vorgaukelt, es passiere ständig etwas, tut sich bei den grundlegenden Problemen so gut wie nichts. Volker Pispers’ Programm spiegelt diesen Zustand der Republik eins zu eins wieder: Kunstvoll verwebt der Kabarettist seine frühen Texte, die sich als erstaunlich prophetisch erwiesen, mit tagesaktuellen Bezügen. Pispers ist dabei wie eh und je der freundliche und scheinbar harmlos daherredende Conférencier, der – eben noch lächelnd- plötzlich hundsgemein werden kann. Unverblümt pendelt er zwischen bitterböse und charmant-witzig, wenn er die Absurditäten der Welt zu Ende denkt.
    Quelle: 3sat, Montag, 07.02., 20:15 – 21:00 Uhr


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