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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Leiharbeit: kompakt
Datum: 13. Januar 2010 um 8:45 Uhr
Rubrik: Agenda 2010, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Soziale Gerechtigkeit
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Nach der Aufdeckung von Lohndumping durch die Drogeriekette Schlecker, die Teile der Stammbelegschaft durch Leiharbeiter ersetzte, die nur die Hälfte des üblichen Gehalts bekommen, ist Leiharbeit zu einem öffentlichen Thema geworden. Selbst Arbeitsministerin von der Leyen will „genauer hinschauen“. Sie tut so, als hätte sie dieser arbeitsmarktpolitische Skandal völlig überrascht. Dabei sind die Probleme schon längst bekannt. Wir dokumentieren aus aktuellem Anlass einige einschlägige Studien und Artikel. Wolfgang Lieb
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Die rot-grünen “Reformen” in Sachen Leiharbeit wurden auch von der damaligen schwarz-gelben Opposition freundlich abgenickt. Die nun vom selbsternannten “Arbeiterführer” Rüttgers oder von der Sprechblasenproduzentin von der Leyen herausposaunte “Kritik” an Schlecker ist daher heuchlerisch und wohl vor allem dem nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf geschuldet. Denn es ist keinesfalls eine neue Erkenntnis, daß Leiharbeitnehmern je nach Beruf nur 49 bis 73% des Lohns der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dem selben Beruf gezahlt wird (Sozio-oekonomisches Panel 2006).
Zudem übt der zunehmende Einsatz von Leiharbeitern im wachsenden Maße Druck auch auf die Löhne und Gehälter der festangestellten Arbeitnehmer aus.
Ergänzende Anmerkung WL: Aus der Stellungnahme des DGB zum geplanten Leiharbeitsbericht der Bundesregierung (30.01.2009):
So haben allein die drei großen Verleiher im Jahre 2007 zusammen einen Gewinn von 1,43 Mrd. Euro erzielt. Nach Schätzungen sind davon 18 %, also rund 260 Mio. Euro, am deutschen Markt erlöst worden. Davon verdiente Adecco 735 Mio. Euro (+20 % gegenüber dem Vorjahr), Randstad 385 Mio. Euro (+7 %) und Manpower 310 Mio. Euro (+22 %)2. Diese hohen Gewinne werden mit nur geringen Investitionen und einem geringen Eigenkapital erzielt…
Seit der Liberalisierung der Leiharbeit mit dem ersten Hartz-Gesetz wuchs die Leiharbeit jährlich um 10 % bis 25 %. Zum Stichtag Juni 2008 sind 790.000 Menschen als Leiharbeiter beschäftigt. Allerdings ist die Fluktuation sehr hoch, so dass pro Jahr rund 1,1 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ein Leiharbeitsverhältnis ein- und auch wieder austreten…
Es ist absehbar, dass der Markt für Geringqualifzierte bald überwiegend von der Leiharbeit bestimmt wird. Dies wird die dauerhafte Eingliederung von Geringqualifizierten in den Arbeitsmarkt weiter erschweren. Schon heute sind 40 % der „Hilfsarbeiter ohne Tätigkeitsangabe“ als Leiharbeiter beschäftigt. Dies ist regional sogar noch stärker ausgeprägt. Eine Studie für Hamburg ergibt z. B. eine Leiharbeitsquote für Hilfsarbeiter von 59 %…
Zwar weisen die in der Leiharbeit beschäftigten Arbeitskräfte eine im Schnitt niedrigere Qualifikation auf, doch die Mehrzahl von ihnen hat auch hier einen Berufsabschluss. Lediglich ein gutes Drittel der Leiharbeitskräfte (34,2 %) hat keine Berufsausbildung, aber 62,5 % haben einen Berufsabschluss und immerhin 3,3 % einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss…
Verdrängungsprozesse lassen sich vor allem im verarbeitenden Gewerbe feststellen. Dort hat es in den letzten Jahren den höchsten Zuwachs an Leiharbeit gegeben. Der Anteil der Leiharbeiter beträgt in diesen Branchen inzwischen 4,5 % aller Beschäftigten, in der Metall- und Elektroindustrie sogar 6 %. In niedrig bezahlten Dienstleistungsberufen hingegen, wie z. B. im Bewachungsgewerbe und dem Reinigungsgewerbe, spielt Leiharbeit nur eine geringe Rolle.
Leiharbeit ist offensichtlich dort am attraktivsten, wo die Lohnabstände zum Entleihbetrieb groß sind. Während nach Auswertung des WSI Betriebspanel im produzierenden Gewerbe inzwischen 68 % der Betriebe Leiharbeit einsetzen, sind es im Handel nur 23 % und bei sonstigen Dienstleistungen 32 %. Im produzierenden Gewerbe hat Deutschland damit schon zur Spitzengruppe in Europa aufgeschlossen.
Quelle: DGB siehe Link
Unternehmen nutzen Leiharbeit aus
In Deutschland gibt es rund eine halbe Millionen Leiharbeiter – rund ein Drittel weniger als noch 2008, zu Beginn der weltweiten Wirtschaftskrise. Leiharbeiter gehören zu den ersten, die in der Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben. Sie sind überwiegend männlich, jung und gering qualifiziert. Ein Viertel ist jünger als 25 Jahre, rund jeder Dritte hat lediglich einen Hauptschulabschluss oder Mittlere Reife ohne Berufsausbildung.
Die IG Metall geht davon aus, dass der kommende Aufschwung die Zahl der Leiharbeiter wieder drastisch erhöhen wird. Die Krise hätte gezeigt, wie einfach Leiharbeiter entlassen werden können, argumentiert die Gewerkschaft. Das sei ein starker Anreiz, auch bei steigendem Umsatz verstärkt auf Leiharbeiter zu setzen.
Leiharbeit ist längst viel mehr als nur ein Instrument zur Überbrückung von kurzfristigen Personalengpässen. Eine Studie des Sozialwissenschaftlers Klaus Dörre von der Universität Jena zeigt, dass die Leiharbeit zunehmend “strategisch” eingesetzt wird. Strategisch bedeutet: Die Personalkosten sollen sinken, um die Rendite abzusichern. die IG Metall erwartet, dass es mittelfristig bis zu 2,5 Millionen Leiharbeiter in Deutschland geben könnte. Das wären ungefähr neun Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Quelle: Stern
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