Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Eurokrise; Tatort Markt; Ertragssteuerbelastung von Banken; Wirtschaftskrise: Der Staat zahlt die Zeche; Ergo-Vertreter sollen Wucher-Riester verkauft haben; Krankheit am Arbeitsplatz schadet dem Betrieb; Ganz unten; Die Lücke vor der Rente bleibt für viele; Beschluss des DGB-Bundesvorstandes zur Tarifeinheit; „Erste Erfahrungen mit Riester-Renten“; „Der Strommarkt hat versagt“; Verdoppelung der Produktion: VW folgt dem Ruf des Kreml; Die EHEC-Krise – ein Gespräch mit SWR-Journalist Klaus Weidmann; Klage gegen Stuttgart 21; Zöllner siegt vor Gericht; Wirtschaft zwischen sozialstaatlicher Demokratie und krimineller Ökonomie; Die Linke will Kooperationsverbot aufheben; Neuer INSM-Artikel in der Süddeutschen?; Potsdams Hochschulen befürchten Studienplatzabbau durch Sparziele; Horst Köhler über seinen Rücktritt Horst von Hohenstaufen (MB/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Eurokrise
  2. Tatort Markt
  3. Ertragssteuerbelastung von Banken
  4. Wirtschaftskrise: Der Staat zahlt die Zeche
  5. Ergo-Vertreter sollen Wucher-Riester verkauft haben
  6. Krankheit am Arbeitsplatz schadet dem Betrieb
  7. Ganz unten
  8. Die Lücke vor der Rente bleibt für viele
  9. Beschluss des DGB-Bundesvorstandes zur Tarifeinheit
  10. „Erste Erfahrungen mit Riester-Renten“
  11. „Der Strommarkt hat versagt“
  12. Verdoppelung der Produktion: VW folgt dem Ruf des Kreml
  13. Die EHEC-Krise – ein Gespräch mit SWR-Journalist Klaus Weidmann
  14. Klage gegen Stuttgart 21
  15. Zöllner siegt vor Gericht
  16. Wirtschaft zwischen sozialstaatlicher Demokratie und krimineller Ökonomie
  17. Die Linke will Kooperationsverbot aufheben
  18. Neuer INSM-Artikel in der Süddeutschen?
  19. Potsdams Hochschulen befürchten Studienplatzabbau durch Sparziele
  20. Horst Köhler über seinen Rücktritt Horst von Hohenstaufen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Eurokrise
    1. Mit Eurobonds aus der Krise
      Der Architektur des Euro fehlt ein wichtiger Grundpfeiler: eine Institution, welche die nationalen Anleihemärkte ihrer Mitgliedstaaten gegen den Druck der Finanzmärkte verteidigen könnte.
      Eine nationale Währung verleiht einer Regierung die Kontrolle über den Anleihemarkt. Der Bauplan des Euro habe jedoch das Machtverhältnis umgekehrt und die Zügel der nationalen Regierungen in die Hände des Marktes für Staatsanleihen gelegt, so Thomas Palley. Der Washingtoner Ökonom, ehemaliger Chefökonom der US-China Economic and Security Review Commission und Kongressberater.
      Die von Palley vorgeschlagene Architektur des öffentlichen Finanzwesens ruht auf drei Grundpfeilern:

      1. Mitgliedsländer wären weiterhin berechtigt, eigene Staatsanleihen aufzulegen, für die sie ausschließlich selbst haften…
      2. Die Mitgliedsländer des Euroraums würden eine Agentur für öffentliche Finanzen gründen, die nach eigenem Ermessen Anleihen mit gesamtschuldnerischer Haftung der Mitgliedsländer emittiert. Die EFA stünde unter der Aufsicht der Finanzminister aller Euroländer; das Stimmrecht würde in Abhängigkeit von den Bevölkerungszahlen ausgeübt. Der Erlös aus dem Verkauf dieser Anleihen ginge an die nationalen Regierungen…
      3. Die EFA erhält die Aufsicht über einen europäischen Krisenfonds, der zahlungsunfähigen Mitgliedsländern mit Notdarlehen unter die Arme greifen könnte. Finanziert würde der Fonds über den Verkauf von EFA-Anleihen. Die Gewährung von Mitteln aus dem Rettungsfonds wäre an wirtschaftliche Auflagen gebunden, welche die EFA verhängt. Damit wäre der Krisenfonds eine Art europäischer IWF.

      Defizit der ersten Krise
      Quelle: Böckler Impuls 10/2011 Seite 4 [PDF – 385 KB]

    2. EZB lehnt Schäuble-Vorstoß ab
      EZB-Chef Jean-Claude Trichet setzt sich weiter mit aller Kraft gegen eine Umschuldung Griechenlands zur Wehr. Damit geht er auf Kollisionskurs zum deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, der weiterhin für eine sanfte Umschuldung wirbt.
      Quelle: fr-online
    3. Versicherungsunternehmen haben ihre Bestände an Staatsanleihen in den PIGS-Staaten drastisch reduziert.
      Von März 2010 auf März 2011 in Griechenland von 5.8 auf 2,8 Milliarden, in Irland von 7,1 auf 3,9 Milliarden, in Italien von 27,8 auf 20 Milliarden, in Portugal von 4,5 auf 2,8 Milliarden, in Spanien sogar von 20,9 auf 9 Milliarden.
      Quelle: Bundesfinanzministerium [PDF – 262 KB]

      Anmerkung Jens Berger: Die Versicherungen haben Griechenland-Anleihen verkauft, die Banken ebenfalls. Stellt sich die Frage, wer ihnen die Papiere abgekauft hat? Ein heißer Kandidat wären da sicher die EZB und die Notenbanken der Mitgliedsländer. Seit Mai 2010 dürfen diese Institutionen nämlich bei einem „Marktversagen“ Anleihen am Markt kaufen.

    4. Ein Richtungswechsel für Europa
      Wir befinden uns mitten in einer Krise mit historischem Ausmaß, die selbst die Existenz des Euros bedroht. Die EU steht vor Entscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf ihre Zukunft und die der europäischen Wirtschaft haben werden. Die von EU-Kommission und Ministerrat eingebrachten Gesetzesvorschläge zur wirtschaftspolitischen Steuerung stellen in beispielloser Weise die Prinzipien unserer Wertegemeinschaft in Frage: Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und nachhaltige Entwicklung. Unter dem Deckmantel einer vermeintlich verantwortungsvollen Haushaltspolitik werden ideologische Entscheidungen gefällt, die nicht nur den sozialen Zusammenhalt Europas gefährden, sondern auch die ökologische Modernisierung unseres Wirtschaftsmodells. Eine ganze Generation von jungen Menschen droht diesen Entscheidungen zum Opfer zu fallen. In zahlreichen Mitgliedstaaten sind gerade sie von Arbeitslosigkeit hart betroffen. Sie fühlen sich immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt, statt die Möglichkeit zu haben, ihre Zukunft aktiv mitzugestalten.
      Wir sind der Überzeugung, dass tragfähige Staatshaushalte ein politisches Kernziel sein müssen. Denn sie sind ein Schlüsselinstrument, um Errungenschaften wie sozialen Zusammenhalt und Umweltschutz zu sichern. Die weltweite Finanzkrise und der anschließende Wirtschaftseinbruch haben die Staatshaushalte in Europa schwer belastet. Auch wenn der öffentliche Sektor einen Teil der Verantwortung trägt, so sind die Hauptursachen der Misere doch vor allem im Privatsektor zu finden: in der wachsenden Lohnungleichheit, in der exzessiven Verschuldung der privaten Hand und in den von einer verantwortungslosen Finanzwirtschaft verursachten Spekulationsblasen.
      Quelle: Richtungswechsel für Europa

      Anmerkung Jens Berger: Wir würden uns freuen, wenn auch unsere Leser den überparteilichen Aufruf unterzeichnen würden.

  2. Tatort Markt
    Ein wortgewaltiges Buch rechnet mit mächtigen Bankern ab. Hinter der Finanzkrise stecken Systemkriminalität und eine “Finanzmafia” aus Bankern und Banditen. Das schreibt kein durchgeknallter Kapitalismuskritiker, sondern der EU-Spitzenbeamte für Korruptionsbekämpfung. Freunde macht sich Wolfgang Hetzer vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) in Brüssel damit nicht unbedingt.
    Quelle: Kontext Wochenzeitung

    Anmerkung Jens Berger: Wolfgang Hetzers hervorragendes Buch „Finanzmafia“ wurde auch schon von Wolfgang Lieb auf den NachDenkSeiten besprochen.

  3. Ertragssteuerbelastung von Banken
    Eine Informationsbitte des MdB Dr. Gerhard Schick
    Quelle: Bundesministerium der Finanzen [106 KB]
  4. Wirtschaftskrise: Der Staat zahlt die Zeche
    Auf 708 Milliarden bis 2,2 Billionen Euro summieren sich die wahren Kosten der Krise, ergibt eine Analyse von Sebastian Dullien und Christiane von Hardenberg im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Je nachdem, ob die deutsche Wirtschaft kräftig wächst – oder eben weniger kräftig.
    Die direkten Kosten, wie Vermögensverluste bei Unternehmen und Privatanlegern oder die Staatshilfen zur Bankenrettung, fallen mit insgesamt 95 Milliarden Euro gar nicht so sehr ins Gewicht. Den Löwenanteil machen entgangene Löhne und Gewinne sowie Steuer- und Abgabenausfälle aus – also die indirekten Kosten, die erst im Verlauf der Krise aufgrund der Verschlechterung der konjunkturellen Lage entstanden sind. Die Forscher veranschlagen sie mit 613 Milliarden bis 2,1 Billionen Euro.
    Staat. Auf die direkten Kosten für die Bankenrettungen entfallen lediglich 22 Milliarden Euro. Selbst im günstigsten Fall hat die Krise jedoch indirekte Kosten von insgesamt rund 248 Milliarden Euro verursacht. Im ungünstigsten Szenario steigt dieser Wert auf 777 Milliarden Euro. Bereits jetzt hat der Staat für die Krisenbekämpfung enorm hohe Schulden aufgenommen.
    Vermögenseigentümer. Von Anfang 2008 bis Ende 2009 belaufen sich die Vermögensverluste der Privathaushalte auf 166 Milliarden Euro. Wobei es „im Laufe der Finanzkrise zunächst zu einem weit größeren Wertverlust im Jahr 2008 kam, der dann zum Teil im Laufe des Jahres 2009 wieder wettgemacht wurde“, wie die Ökonomen schreiben. Dennoch haben 2009 in erster Linie der Staat und die Vermögenseigentümer die Lasten der Finanzkrise getragen.
    Lohn- und Transferempfänger. Zunächst hat die Krise diese Gruppe relativ unbeeinträchtigt gelassen. Ihre Verluste steigen erst ab 2010. Anders als es ohne Finanz- und Wirtschaftskrise zu erwarten gewesen wäre, sind die Tarif- und Effektivverdienste 2010 eher langsam gestiegen. Auch für die Jahre ab 2011 erwarten die Autoren eine tendenziell gedämpfte Lohnentwicklung. Weil der Staat wegen der Krise weniger Steuern und Abgaben einnimmt, wird er nach Einschätzung der beiden Volkswirte Sozialleistungen beschneiden.
    Kosten der Wirtschaftskrise
    Quelle: Böckler Impuls 10/2011 Seite 5 [PDF – 385 KB]
  5. Ergo-Vertreter sollen Wucher-Riester verkauft haben
    Sie nannten es Kaiser-Rente: Versicherungsvertreter der Hamburg-Mannheimer sollen Zehntausende überteuerte Riesterverträge verkauft haben. Der Mutterkonzern Ergo spricht von Einzelfällen – und schiebt die Schuld auf ein veraltetes Formular. […] Das Unternehmen habe rund 70.000 Kunden zu hohe Verwaltungskosten für Riesterverträge berechnet und daran ungerechtfertigt bis zu 160 Millionen Euro verdient, berichtet das “Handelsblatt” (“HB”). Die Geschäfte bestätigten der Zeitung zufolge ehemalige Generalvertreter an Eides statt. Diese Vertreter hätten selbst Tausende solcher Policen abgeschlossen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Ergo ist sicherlich nicht das einzige das Unternehmen, das „Wucher-Riester“ verkauft. Der Wucher ist bei der Riester-Rente vielmehr Programm.

  6. Krankheit am Arbeitsplatz schadet dem Betrieb
    Auskurieren lohnt sich auch für das Unternehmen: Kranke Beschäftigte senken Leistungsbereitschaft und steigern Unfall- und Fehlerquoten.
    Quelle: Hamburger Abendblatt

    Anmerkung unseres Lesers D.H.: Als würde aus einer Studie hervorgehen, dass in Marmelade meistens Zucker ist. Als hätten wir das vorher nicht gewusst. Über eine mögliche Verbreitung bei manchen ansteckenden Krankheiten wie der gemeinen Erkältung steht nicht mal ein Wort im Artikel.

    passend dazu: Ungerechte Löhne begünstigen Herzerkrankungen
    Ungerechte Löhne sind schlecht für das Herz. Das ist das Ergebnis der kürzlich veröffentlichten Studie einer Forschergruppe um den Bonner Ökonomen Armin Falk und den Düsseldorfer Soziologen Johannes Siegrist. „Menschen, die ihre Bezahlung als unfair empfinden, geraten schnell unter Stress“, sagt Falk. „Außerdem leiden sie eher unter Herzkrankheiten, Bluthochdruck und Depressionen.“ Falk hatte mit Hilfe eines Experiments untersucht, wie sich das Gefühl von Ungerechtigkeit auf die Gesundheit auswirkt. Außerdem hatte er Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

  7. Ganz unten
    Zu Tausenden waten sie durch die Meiler dieses Landes. Leiharbeitnehmer werden natürlich auch in der Atombranche eingesetzt – man muß als Unternehmen schließlich wettbewerbsfähig bleiben. Und damit man es doppelt bleibt, damit man für seine Stammbelegschaft nicht schon vor dem Rentenalter Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder sogar eine aufwändige Krebsbehandlung abstottern muß, schickt man Externe ins Interne, Fremdpersonal in sensiblere Bereiche der Anlage. Dem Outsourcing von Personalkosten folgte das Outsourcing der Folgen. Wenn man schon das Risiko nicht beseitigen kann, so doch wenigstens die Folgeerscheinungen – pragmatisch sei der Unternehmer, geldreich und krud’…
    Quelle: Ad Sinistram
  8. Die Lücke vor der Rente bleibt für viele
    Heute sind mehr Ältere sozialversicherungspflichtig beschäftigt als je zuvor. Doch nur eine Minderheit erreicht bruchlos die Regelaltersgrenze.
    Gut sieben Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigtesind älter als 50 Jahre. Über eine Million mehr als noch 2005.
    Drei Faktoren erklären die Zunahme, wie Martin Brussig vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg- Essen erläutert: das Nachrücken der geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge, die gestiegene Erwerbsbeteiligung von Frauen und dass Arbeitnehmer heute tatsächlich später aus dem Beruf ausscheiden als noch vor einigen Jahren…
    Dennoch gelingt nur einer Minderheit ein glatter Übergang in die Rente. Besonders für Geringqualifizierte sind die Hürden am Ende des Erwerbslebens hoch. Brussigs Auswertungen zeigen etwa, dass die versicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten der Geringqualifizierten deutlich weniger gestiegen sind als bei Beschäftigten mit Hochschulabschluss…
    Die Beschäftigungschancen unterscheiden sich auch zwischen den Wirtschaftszweigen.
    Entwicklung der Beschäftigungsquote
    Quelle: Böckler Impuls 10/2011 [PDF – 385 KB]
  9. Beschluss des DGB-Bundesvorstandes zur Tarifeinheit
    In seiner heutigen (7. Juni) Sitzung hat der DGB-Bundesvorstand folgenden Beschluss zur Tarifeinheit gefasst:
    „Das politische Ziel der Tarifeinheit ist und bleibt richtig, um die Tarifpolitik zu stärken und die Tarifautonomie sicherzustellen.
    Der DGB sieht allerdings unter den gegebenen Bedingungen keine Möglichkeit, die Initiative von BDA und DGB weiterzuverfolgen.
    Quelle: DGB

    dazu: DGB steigt aus Initiative zur Tarifeinheit aus
    Genau ein Jahr ist es her, da unterbreiteten DGB und BDA ihren gemeinsam Vorschlag, die Tarifeinheit gesetzlich zu regeln. Gestern nun beschloss der DGB-Bundesvorstand, aus der Initiative auszusteigen…
    Deren Ziel war es, den Grundsatz „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag“, den das BAG letztes Jahr gekippt hatte (Beschl. v. 23.6.2010 – 10 AS 2/10 und 10 AS 3/10, AuA-Urteilsticker v. 23.6.2010) im Tarifvertragsgesetz zu verankern. Bei konkurrierenden Gewerkschaften innerhalb eines Unternehmens fänden dann nur noch die Tarifverträge der Gewerkschaft Anwendung, die die meisten Mitglieder im Betrieb hat. Die DGB-Gewerkschaften wollten dadurch verhindern, dass Splittergewerkschaften ihnen weiterhin das Wasser abgraben. So geschehen z. B. bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die mit ihren Erfolgen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft des DGB ziemlich alt aussehen ließ. Doch es regte sich Widerstand in den eigenen Reihen, genauer gesagt an der Basis von ver.di, der zweitgrößten DGB-Gewerkschaft. Dort hegt man die Befürchtung, die Regierung – erst einmal auf den Plan gerufen – höre bei der Beschränkung der Tariffreiheit vielleicht nicht dort auf, wo es die Gewerkschaften gerne hätten, sondern schieße möglicherweise über das Ziel hinaus.
    Arbeitgeberpräsident Hundt bekräftigte dagegen erneut, wie wichtig eine gesetzliche Regelung sei.
    Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht

    Anmerkung WL: Hintergrund dürfte der Widerstand einer der größten DGB-Mitgliedsgewerkschaften, nämlich von ver.di, sein. ver.di hat erkannt, dass diese Gewerkschaft in solchen Betrieben, wo sie eher schwach vertreten ist (also etwa im Medienbereich, wo der Deutsche Journalistenverband mehr Mitglieder hat) die Streik- und damit Durchsetzungsfähigkeit geschwächt wird. Siehe dazu auch das Rechtsgutachten von Wolfgang Däubler zur Schaffung einer neuen Form von „Tarifeinheit“.

  10. Mathias W. Birkwald, MdB zur Antwort der Bundesregierung auf „Erste Erfahrungen mit Riester-Renten“
    Nur 13 Prozent der Leute riestern. Die übergroße Mehrheit bleibt also in der politisch aufgerissenen Versorgungslücke stecken.
    Die private Riester-Rente soll die Versorgungslücke schließen, die durch die politisch festgelegte Absenkung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente erst entstanden ist. Für März 2011 beziffert die Bundesregierung die Anzahl der Riesterverträge auf 14,6 Millionen. Diese absolute Zahl hat jedoch nur dann Aussagekraft, wenn erstens die Gesamtzahl der potenziellen Riester-Sparerinnen und -Sparer bekannt ist. Hierzu verweigert die Bundesregierung jedoch die Aussage. In wissenschaftlichen Studien (vgl. Kornelia Hagen: Riester-Rente: Politik ohne Marktbeobachtung, in: DIW Wochenbericht 8/2010, S. 9) wird diese Gesamtzahl auf ungefähr 36 Millionen geschätzt. Zweitens sagt die Vertragszahl nichts über die Anzahl der Personen aus, die Riestern, da einzelne Personen mehrere Verträge haben. Und drittens ist zu bedenken, dass nur diejenigen eine theoretische Chance haben, die Versorgungslücke zu schließen, die eine volle
    Zulagenförderung erhalten. Das traf 2009 gerade auf 4,7 Millionen Personen oder dreizehn Prozent der potenziellen Riester-Sparerinnen und -sparer zu. Und selbst diese kleine Gruppe hat noch nicht einmal was von den staatlichen Zulagen. Denn laut Öko-Test (Heft 6/2011) „fressen die Vertragskosten (fast) die gesamten Zulagen
    auf“.
    Quelle: Pressemitteilung Mathias W. Birkwald (dort auch die Antwort der Bundesregierung) [PDF -365 KB]
  11. „Der Strommarkt hat versagt“
    Der Energie-Experte der Verbraucherzentralen Holger Krawinkel erklärt, wie die Stromkonzerne zu den enormen Gewinnen kommen und wo der Strommarkt versagt hat. Er plädiert zugleich für einen starken Staat, damit die Energiewende gelingen kann.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  12. Verdoppelung der Produktion: VW folgt dem Ruf des Kreml
    Die Wolfsburger wollen künftig deutlich mehr Autos in Russland bauen. Zwar ist der Markt dort attraktiv – die Entscheidung für eine Ausweitung der Produktion trifft Volkswagen aber nicht ganz freiwillig. Die Regierung in Moskau hatte jüngst das “Dekret 166” erlassen, das von ausländischen Herstellern verlangt, ab 2015 mindestens 300.000 ihrer Autos in Russland selbst zu bauen. Andernfalls müssen die Firmen Einfuhr-Zölle für Autoteile bezahlen.
    Zahlreiche Autobauer haben bereits Milliarden-Investitionen in dem Land angekündigt, um die Vorgaben der Regierung zu erfüllen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Russland scheint allmählich von den Entwicklungsstrategien Chinas zu lernen. So hatte China den Verkauf von Airbus-Flugzeugen an die Bedingung geknüpft, dass Airbus eine Produktionsstätte im Lande eröffnen würde. Wenn Russland jetzt noch den Bau solcher Produktionsstätten an die Vermittlung technischen Know-hows knüpfen würde, wären sie ganz auf der chinesischen Linie. Leider ist es so, dass so große Märkte wie Russland oder China dem Auslandskapital solche Bedingungen diktieren kann. Für kleinere Länder gilt dann strikt das WTO Regime. Soweit so gut bzw. so schlecht, denn der Aufbau von Produktionsstätten in Russland wird auf lange Sicht Konsequenzen für die osteuropäischen Volkswirtschaften haben. Genauso wie sich Südeuropa der Konkurrenz der osteuropäischen Standorte stellen musste, ist zu erwarten, dass es sich für die europäische Automobilindustrie mittelfristig nicht mehr lohnt, in der Slowakei, Tschechien oder Ungarn zu investieren, wenn man gleich im größten Markt, dem russischen, produzieren muss. Was wird dann aus dem Wirtschaftswunder Slowakei – übrigens ein Land der Europäischen Währungsunion (Eurozone)?

  13. Die EHEC-Krise – ein Gespräch mit SWR-Journalist Klaus Weidmann
    Quelle: SWR-Landesschau
  14. Klage gegen Stuttgart 21
    Ein Bündnis von Privatbahnen macht Mobil gegen Stuttgart 21: Es befürchtet Wettbewerbsnachteile durch das Tunnelprojekt und will daher den Weiterbetrieb einiger oberirdischer Gleise notfalls auch juristisch durchsetzen. Das könnte das Aus für S21 bedeuten.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  15. Zöllner siegt vor Gericht
    Ein junger Zollsekretär vereitelt am Frankfurter Flughafen die Ausfuhr von Atomwaffenzünder in den Iran. Doch statt einer Belobigung wird Stefan R. von seinem Dienstherrn entlassen – wegen Kompetenzüberschreitung. […]
    Die Entlassung eines Frankfurter Zollbeamten, der die Lieferung von Atomwaffenzündern in den Iran verhindert hatte, ist hinfällig. Das entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Mittwoch.
    Auslöser für einen inzwischen seit Jahren andauernden Gerichtsstreit um den Beamtenstatus von Stefan R. war ein Vorfall im Jahre 2002. Der frisch gebackene Zollsekretär hatte damals den Anruf einer Kronberger Firma entgegengenommen, die festgestellt hatte, dass von ihr gefertigte Hochfrequenzschalter nicht – wie vom Kunden angegeben – für medizinische, sondern für militärische Zwecke eingesetzt werden sollten. Stefan R. schaltete das Zollkriminalamt (ZKA) und das Bundeskriminalamt (BKA) ein; ein Spezialkommando beschlagnahmte die Schalter wenig später. Was eigentlich Anlass für eine Belobigung und damit der künftigen Karriere dienlich gewesen wäre, hatte für den jungen Zöllner überraschenderweise ganz andere Folgen: Er wurde entlassen, weil er nach der Meinung seiner Vorgesetzten mit seinen Anrufen bei ZKA und BKA seine Kompetenzen überschritten hatte. „Mangelnde Bewährung“ lautete die offizielle Begründung. Seit 2005 ist der inzwischen 32-Jährige arbeitslos und lebt heute von Hartz IV, sagte er am Mittwoch in Kassel vor Gericht.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  16. Wirtschaft zwischen sozialstaatlicher Demokratie und krimineller Ökonomie
    Am Samstag, den 14. Mai 2011 fand in Frankfurt am Main eine öffentliche ganztätige Konferenz mit dem Titel „Wirtschaft zwischen sozialstaatlicher Demokratie und krimineller Ökonomie“ statt. Unter den Referenten waren der Korruptions- und Mafiaexperte Jürgen Roth und der ehemalige Frankfurter Steuerfahnder Rudolf Schmenger [PDF – 82.7 KB].
    Autor Jürgen Roth wird derzeit von Akteuren des organisierten Verbrechens, deren Fälle er in seinen Publikationen schildert, mit Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen konfrontiert und hat dadurch erhebliche berufliche und finanzielle Konsequenzen zu tragen.
    Der ehemalige Frankfurter Steuerfahnder und heutige Lehrbeauftragte und freiberufliche Steuerberater Rudolf Schmenger sowie diverse Kolleginnen und Kollegen hatten sich bei ihren Fahndungen und Betriebsprüfungen u.A. mit mehreren Banken angelegt, sorgten damit für Steuermehreinnahmen in Millionenhöhe und wurden dafür – Leistung muss sich ja wieder lohnen – systematisch aus dem Amt gemobbt. Die Krönung war die Untersuchung durch einen Psychiater, der die Steuerfahnder per Auftragsgutachten als psychisch kranke Querulanten und auf Dauer dienstuntauglich einstufte. Im Verlauf dieser Prozesse wurde Rudolf Schmenger schwer krank, kämpfte erfolgreich gegen die Beurteilung des Psychiaters und kämpft weiterhin um seine berufliche Rehabilitation.
    Die ehemalige Staatsanwältin Margit Lichtenhagen (Anklage gegen Klaus Zumwinkel) war ebenfalls als Gast angekündigt, konnte aber leider nicht anreisen, da sie sich kurz vorher den Arm gebrochen hatte.
    Neben einer Videodokumentation zum Kongress, der noch bearbeitet wird, wurden auch Audio-Mitschnitte der beiden Referate von Jürgen Roth und Rudolf Schmenger gemacht. Der veranstaltende Verein Business Crime Control e.V. stellt den Nachdenkseiten die Mitschnitte im mp3-Format zur Verfügung.

    S. auch die aktuelle Buchbesprechung von Jens Berger: „Inside Steuerfahndung“
  17. Die Linke will Kooperationsverbot aufheben
    Die Fraktion Die Linke spricht sich für ein Ende des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern aus. In einem Antrag (17/6094), der am Freitag erstmals im Plenum behandelt wird, fordert sie die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen. Die Finanzausstattung der Länder und Kommunen im Bildungsbereich müsse zudem deutlich verbessert werden. Nach Willen der Fraktion soll die gemeinsame Finanzierung wichtiger Bildungsaufgaben durch eine „deutliche Aufstockung der Bildungsausgaben des Bundes“ ermöglicht werden. Des Weiteren seien Bundesgesetze über Hochschulzulassung, Hochschulabschlüsse und Weiterbildung auf den Weg zu bringen.
    ”Gleiche Bildungsteilhabe für alle Menschen und die Sicherung einer hohen Qualität der unterschiedlichen Bildungsbereiche“ seien die Aufgabe der gesamten Gesellschaft, schreiben die Abgeordneten. Bund, Länder und Kommunen ständen gemeinsam in der Verantwortung.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: Über eine Aufhebung des Kooperationsverbotes in der Bildung wurde auch schon vor dem letzten Bildungsgipfel im Juni letzten Jahres diskutiert. Auch SPD, die Grünen und sogar aus den Reihen der Union wurden Forderungen nach einer Abschaffung dieses Verbotes laut. Nur die FDP sprach sich dagegen aus und die Länder beharren auf ihrer „Bildungshoheit“. Geschehen ist bisher nichts.
    Siehe dazu auch schon Vom kooperativen Föderalismus zum Wettbewerbsföderalismus – künftig herrscht zwischen den Ländern das Recht des Stärkeren.

  18. Neuer INSM-Artikel in der Süddeutschen?
    In der Süddeutschen Zeitung von heute (31.05.2011) befindet sich im Wirtschaftsteil auf der Seite 26 unten (Forum) ein Artikel mit dem Titel »Mehr Gerechtigkeit unter den Generationen – Die Ergänzung der gesetzlichen Pflegeversicherung durch eine Kapitaldeckung weist in die richtige Richtung« von Christine Arentz und Ines Läufer. Darin stellen die Autorinnen fest: Umlagefinanzierte Sozialversicherungen seien vom demographischen Wandel besonders betroffen und verleiteten Politiker Geschenke zu Lasten der nächsten Generation zu machen. Kapitalgedeckte Systeme seien statt dessen generationengerecht, und alle Bürger könnten von effizienten Leistungswettbewerb profitieren.
    Quelle: Wirtschaftskampagnen

    Anmerkung MB: Diesen Beitrag hatten wir bereits in den Hinweisen des Tages vom 01.06.2011 verlinkt, bringen ihn aber nochmal zum besseren Verständnis der nun folgenden Fortsetzung:

    Kein Lobbyismus!
    Eine Rückfrage bei der Süddeutschen Zeitung hat ergeben, daß der Artikel »Mehr Gerechtigkeit unter den Generationen – Die Ergänzung der gesetzlichen Pflegeversicherung durch eine Kapitaldeckung weist in die richtige Richtung« vom 31.05.2011 kein Beitrag sei, der durch die INSM vermittelt worden sei. Die zuständige Redakteurin zeigte sich zugleich jedoch irritiert bezüglich des Problems, welches hier bestehen könne: Sie erklärte, daß sie nicht nachvollziehen könne, wo mein Problem liege. Das wirtschaftswissenschaftliche Institut der Universität Köln sei ein rennomiertes Institut, aus dem heraus es schon öfters Kommentare gegeben habe. Auch würden andere Kommentatoren zu Wort kommen, wie zum Beispiel Rudolf Hickel, der ja schließlich den Gewerkschaften nahestehen würde.
    Quelle: Wirtschaftskampagnen

    Anmerkung MB: Der zitierte Professor Johann Eekhoff arbeitet nicht nur eng mit der Arbeitgeberlobby Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zusammen sondern war auch 15 Jahre lang Mitglied im Kronberger Kreis bei der Stiftung Marktwirtschaft (ebenfalls der Ober-Sachverständige Wolfgang Franz und der Regierungsberater Otmar Issing) und Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft ist der Versicherungslobbyistund INSM-Aktivist Bernd Raffelhüschen (sogar das Foto ist fast identisch und nur spiegelverkehrt). Und dann schauen Sie sich in diesem Zusammenhang noch bitte den Veranstaltungshinweis auf diese Tagung an: „Die Pflegeversicherung als Pflegefall – Alternde Gesellschaft, Leistungsausweitung und knappe Kassen

  19. Potsdams Hochschulen befürchten Studienplatzabbau durch Sparziele / Uni-Präsident für Gebührenmodell
    Vor dem Hintergrund der anstehenden Sparklausur im Landeshaushalt hat sich der geschäftsführende Präsident der größten brandenburgischen Hochschule für neue Wege der Studienfinanzierung ausgesprochen. Der derzeitige Präsident der Universität Potsdam, Thomas Grünewald, sagte, dass aufgrund der hohen Sparziele das „ideologische Dogma“ der kostenfreien Bildung überdacht werden müsse. Grünewald empfiehlt daher die Prüfung sogenannter Studienkonten. „Wieso sollten die Hochschulen nicht fehlendes Geld einnehmen, wenn es Menschen gibt, die bereit sind für qualitative Ausbildung etwas zu bezahlen“, sagte der Uni-Präsident gegenüber den PNN. Hintergrund ist ein für die kommenden Jahre prognostiziertes milliardenschweres Haushaltsdefizit im Land Brandenburg. Fehlende Steuereinnahmen und das Ende des Solidarpaktes haben zur Folge, dass voraussichtlich auch im bislang prioritären Wissenschafts- und Hochschulbereich der Etat gekürzt werden muss – im Gespräch sind 27 Millionen Euro.
    Quelle: Potsdamer Neueste Nachrichten
  20. Horst Köhler über seinen Rücktritt Horst von Hohenstaufen
    Ein Jahr nach seinem Rücktritt beschwert sich Horst Köhler über die harsche Kritik, die damals an seiner Person geübt wurde. Doch das Problem waren nicht diese Attacken, das Problem war Horst Köhler selbst, der die Kritik als Majestätsbeleidigung empfand.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung