Wahlprogramm der Union – verlogen und weiter so wie bei Rot-Grün. Nur etwas schneller.
Das Wahlprogramm der Union spiegelt auf meisterhafte Weise die Verlogenheit und auch die gedankliche Mittelmäßigkeit der herrschenden Lehre wieder. Wir kommentieren in Stichworten.
- Schon auf der ersten Seite springen einem die Lügen und Denkfehler ins Gesicht. Von Richtungsentscheidung ist die Rede. Dabei geht es mit etwas Verschärfung so weiter wie bei Rot-Grün. Wie bei der jetzt regierenden Formation werden Globalisierung und „Wissensgesellschaft“ zu den Herausforderungen unserer Zeit hochstilisiert. Die Globalisierung ist kein neues Phänomen; die Wissensgesellschaft ist ein Phantom. In der Rubrik „Veröffentlichungen der Herausgeber“ stelle ich zu Ihrer Information das entsprechende Kapitel aus meinem Buch „Die Reformlüge” ein.
- Dann ist vom schweren Erbe von Rot-Grün die Rede. Das klingt wie bei Schröder, der immer wieder wahrheitswidrig betont, vor seiner Regierungsübernahme habe es einen Reformstau gegeben, der schuld sei an unserm Elend. „Sieben Jahre Rot-Grün haben Deutschland in eine tiefe Krise gestürzt”, heißt es im Programm Entwurf von CDU und CSU. Um dies zu belegen wird behauptet, das durchschnittliche Wachstum habe sich gegenüber den Jahren zwischen 1990 und 1998 fast halbiert. Der Trick bei dieser Rechnung ist, dass die Union den kurzen Boom im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung mit Zuwachsraten von 5 und 5,7% bei diesem Vergleich hinein rechnet. Rechnet man seit 1992 und vergleicht die jeweiligen sieben Jahre, dann kommt man auf ungefähr die gleiche Wachstumszahl: 1,33% p.a. in Kohls Stagnationsphase und 1,23% in Schröders Stagnationsphase. Dieser Unterschied ist minimal.
- „Eine derart lange Phase der Stagnation hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben.“ Diese Feststellung im CDU/CSU-Papier ist eben glatt gelogen. Unsere Volkswirtschaft stagniert seit 1992. Das ist eine schlimme Stagnation von immerhin 14 Jahren mit einem durchschnittlichen Wachstum von nur 1,3%. Die Verantwortung für diese Stagnation verbindet beide politischen Lager. Von Richtungsentscheidung kann also in dieser wichtigen Sachfrage leider keine Rede sein. Der Unterschied ist alleine der, dass die Union noch unreflektierter auf angebotsökonomische Theorien setzt und die Binnennachfrage noch weiter vernachlässigt, als dies Rot-Grün bisher schon getan hat.
- Die Union betrachtet die Lohnnebenkosten – wie der jetzige Bundeskanzler – als wichtigen Hebel zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Deshalb will sie die Arbeitslosenversicherungsbeiträge um 2% absenken, von 6,5% auf 4,5%. Im Gegenzug soll die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf dann 18% erhöht werden. Der Glaube, die Lohnnebenkosten seien entscheidend, verbindet die Union wiederum mit Rot und mit Grün. Bei einem Lohnkostenanteil von durchschnittlich 21% spüren die Unternehmen von einer 2%igen Absenkung in ihren Kalkulationen nahezu nichts. In den Kalkulationen schlägt sich das nicht einmal in der Größenordnung eines Prozentes nieder. Näheres dazu siehe auch bei Denkfehler Nr. 22 in „Die Reformlüge“ und in der Suchfunktion der NachDenkSeiten.
- Die Gegenfinanzierung mit der Mehrwertsteuererhöhung offenbart die Inkompetenz der Union. Unsere Volkswirtschaft ist international extrem wettbewerbsfähig, unser Export braucht keine weitere Förderung. Im Gegenteil, die Binnennachfrage muss gestärkt werden. Diese wird aber durch die Mehrwertsteuererhöhung tendenziell geschwächt, der Export wird weiter entlastet, weil die Mehrwertsteuer beim Export von Gütern erstattet wird. (Siehe dazu die Eintragung im Kritischen Tagebuch der NachDenkSeiten vom 8.5.2005) Die Entscheidung der Union läuft also auf eine weitere Subventionierung des Exportes und eine zusätzliche Belastung der binnenmarktorientierten Wirtschaft, des Einzelhandels, des Handwerks und der sonstigen Gewerbebetriebe hinaus. Dass dieser Vorschlag möglich ist, ohne dass die Handwerks- und Einzelhandelsverbände auf der Matte stehen, zeigt die ideologische Verbundenheit dieser Verbände mit der Union. Sie ist offenbar stärker als die Interessenwahrnehmung zugunsten der Mitglieder.
- Zur ökonomisch falschen Ausrichtung des Programms siehe auch eine Analyse des Nationalökonomen und Consulstant der japanischen UFJ Bank in Deutschland, Dieter Wermuth, in „Andere interessante Beiträge“.
- Die Union will den Eingangsteuersatz und auch den Spitzensteuersatz weiter senken. Sie will damit die niedrigsten Steuersätze in der Geschichte der Bundesrepublik erreichen. Dahinter steckt der schon bisher als falsch erwiesene Glaube, niedrige Steuern seien ein Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Schweden z.B. beweist das Gegenteil.
- Sie will die Privatfinanzierung des Straßenbaus forcieren. Auch das ist nichts Neues, es ist die Fortsetzung des falschen und vom Bundesrechnungshof schon als besonders teuer gerügten Weges.
- Die Union will den „verhängnisvollen Marsch in den Schuldenstaat“ stoppen. Besonders glaubwürdig ist sie für diese Absichtserklärung nicht. Schließlich war sie verantwortlich für die Politik, als mit einer arbeitsplatzvernichtenden Vereinigungspolitik zugleich die Schulden des Gesamtstaates extrem in die Höhe getrieben wurden. Dazu folgende Abbildung aus „Die Reformlüge“:
Abbildung 12: Jährlicher Anstieg der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte (in Milliarden Euro) in den Jahren um die Wiedervereinigung
Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Hrsg.): Staatsfinanzen konsolidieren – Steuersystem reformieren, Jahresgutachten 2003/04, Berlin 2003, S. 573
- Die Union will den Arbeitsmarkt noch flexibler machen, sie sieht neue Chancen für Arbeit durch einen flexiblen Kündigungsschutz. Diese Ansicht geht vorbei an der Erfahrung, dass es an Flexibilität überhaupt nicht mangelt.