Deutschlands Medien – Stichwortgeber und unkritisch bis zur Selbstaufgabe. Konkret: Sandra Maischberger mit Angela Merkel

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Sandra Maischberger finde ich sympathisch, das gebe ich zu. Umso fahler ist der Nachgeschmack nach der Sendung vom 19. Mai mit Angela Merkel und – getrennt davon – einigen anderen Gästen. Schon allein die Tatsache, dass die Moderatorin akzeptiert, die Bundeskanzlerin von den möglicherweise kritischen Fragen der anderen Gäste fernzuhalten und die beiden Runden trennt, ist eigentlich nicht auszuhalten. Das befördert die auch von RTL betriebene Personality-Show der Bundeskanzlerin, die offenbar der Vorbereitung der Bundestagswahl dient. Ansonsten betätigte sich Sandra Maischberger über weite Strecken leider als Stichwortgeberin und hakte nicht kritisch nach. Albrecht Müller.

Dazu einige Beispiele:

  1. Sandra Maischberger zitierte Schwarzenegger mit seiner Wertung von Angela Merkel, sie sei die mächtigste Frau der Welt. Mit dieser Vorgabe durfte die Bundeskanzlerin dann kokettieren und am Ende Schwarzenegger zustimmen.
  2. Dann zitierte die Moderatorin eine Spiegelumfrage aus dem Sonderheft des Spiegel zu 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland. Dort wurden im Kapitel III die Ergebnisse einer Umfrage wiedergegeben. Es war folgendes gefragt worden: „60 Jahre ,60 Köpfe: Wer war wirklich wichtig in den Jahrzehnten seit 1949? Welche Frauen und Männer haben das Land geprägt?“ Das Ergebnis war ganz im Sinne des Studiogastes Angela Merkel: erstens: Konrad Adenauer, zweitens: Helmut Kohl, drittens: Helmut Schmidt und dann erst viertens: Willy Brandt und vier Nummern später Angela Merkel. – Es wurde nichts zur Basis dieser Umfrage gesagt, es wurde nichts angemerkt zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass Helmut Kohl und Helmut Schmidt vor Willy Brandt liegen. Keine kritische Anmerkung dazu, dass dieses Ergebnis ein Ergebnis der Meinungsmache in den Medien gerade in den letzten Tagen und Wochen sein kann. Nichts an kritischen Verstand.
  3. Und dann kam ein Themenkomplex, bei dem sowohl die Stichwortgeberei als auch das Fehlen jeder kritischen Distanz offenbar wurden: Sandra Maischberger merkte an, dass Angela Merkel wie geschaffen die Frau dafür wäre, den epochalen Dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu gehen. Angela Merkel nahm das Stichwort sofort auf: Den Dritten Weg hätten wir doch schon, die soziale Marktwirtschaft. Wenn wir die soziale Marktwirtschaft überall auf der Welt gehabt hätten, dann wäre die Finanzkrise nicht eingetreten.

Das ist eine so geballte Ladung von Unwahrheiten und von Unsinn, dass man sich wundern muss darüber, das Sandra Maischberger dies einfach im Raume stehen ließ und nicht hinterfragte:

  • In Merkels Anmerkung, wenn alle die soziale Marktwirtschaft gehabt hätten, hätte es die Finanzkrise nicht gegeben, steckt die übliche Schutzbehauptung der Bundesregierung, sie und unser Land seien nicht die Mitverursacher der Krise. Diese sei von außen gekommen. In den NachDenkSeiten finden Sie viele Beweise dafür, dass dies nicht stimmt. Die Moderatorin ist offensichtlich unberührt von jeglichen Zweifeln in die Behauptung der Bundeskanzlerin.
  • Die soziale Marktwirtschaft nach dem Zuschnitt von Angela Merkel, der Union und auch der FDP ist alles andere als ein Dritter Weg. Das gilt auch für SPD und Grüne. Alle zusammen haben daran mitgewirkt, den sozialen Charakter unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung in den letzten 25 Jahren einzuengen, zu streichen, bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen. Sie haben mit ihrer Vernachlässigung der Makropolitik und der Binnennachfrage wesentlich dazu beigetragen, dass sich ein großer Bodensatz von Arbeitslosigkeit hält und damit der Druck auf die Löhne und der Druck in Richtung ungesicherter Arbeitsverhältnisse und Leiharbeit verschärft und auch deshalb die Einkommensverteilung massiv zu Gunsten der oberen Einkommen und zulasten der unteren Einkommen und der Transferbezieher verschoben worden ist.
  • Unter Angela Merkels Führung werden die typisch neoliberalen und anti-sozialen Elemente kräftig weiter gepflegt: die Versuche , die Binnennachfrage an zu stoßen, sind ausgesprochen mager ausgefallen. Es wird weiter dereguliert und privatisiert; ein gutes aktuelles Beispiel dafür findet sich in der Anlage. Angela Merkel und die CDU/CSU sind voll verankert in der Finanzwirtschaft; sie bekommt Hunderte von Milliarden als Rettungsschirm angedient; es gibt enge persönliche Beziehungen der Bundeskanzlerin zu Investmentbankern (Goldman Sachs Dibelius, Dirk Notheis von Morgan Stanley). Die Bundeskanzlerin stützt die Exportwirtschaft und vernachlässigt die für den Binnenmarkt arbeitenden kleineren Betriebe. Siehe dazu unsere gestrige Meldung zum Spitzenpersonal. Angela Merkel macht auch weiter in der gezielten Politik zur Verarmung des Staates. Sie hat sich nicht dagegen ausgesprochen, die Einkommens- und Unternehmenssteuern weiter zu senken. Usw.

Über alle diese kritischen Seiten der Politik Angela Merkels ist die Moderatorin Maischberger großzügig hinweggegangen. Ganz im Sinne dieser Linie werden wir vermutlich einen Wahlkampf und eine Wahlentscheidung erleben, bei der die tatsächliche Politik nicht ins Visier der Bürger und Bürgerinnen gerät, weil die Medien total an der Oberfläche bleiben und die öffentliche Debatte mehr und mehr zu einem Austausch von angelernten Formeln gerät. Angela Merkel ist eine Meisterin des Gebrauchs angelernter Formen. Sie behauptet eben einfach, sie sei für die soziale Marktwirtschaft und die soziale Marktwirtschaft sei der dritte Weg. Basta. Wie die Wirklichkeit ihre Politik aussieht, interessiert die Medien nicht.

Nach diesem so unkritischen Gespräch zwischen Maischberger und der Bundeskanzlerin muss man auch den Eindruck gewinnen, das hier ein Stück Frauensolidarität eine Rolle spielt. Wir kennen das ja schon vom guten Verhältnis zwischen Angela Merkel und Alice Schwarzer. Diese Frauensolidarität überspielt alle Zweifel. Am Ende werden wir alle die Folgen dieses Vorgangs zu tragen haben. Es geht weiter mit der gleichen Politik, die sich dritter Weg und soziale Marktwirtschaft nennt, tatsächlich aber die Fortsetzung der deutschen Variante des Neoliberalismus ist.

Anhang:
Ein gerade auf den Tisch gekommenes Beispiel für die Fortsetzung der Privatisierung und die Verfilzung von Politik und Wirtschaft, vor allem der Finanzwirtschaft:

Email von:
BUND Regionalverband, Wilhelmstr. 24a, 79098 Freiburg
Bund für Umwelt und Naturschutz
0761/30383, [email protected], www.bund-freiburg.de

An die Medien
Nicht nur am Oberrhein: Die Bundesregierung privatisiert 370 Kilometer Autobahn

Die Lkw-Maut sorgt für ein umweltfeindliches neues Gewinnmodell: Einige Unternehmen und Konzerne wollen über privatisierte Autobahnen Milliarden aus der Straßengebühr für Lastwagen verdienen. Sechs Projekte sind (für den Anfang!) in Planung. Ein erstes Projekt wurde im Mai 2009 am Oberrhein angegangen. Während die Privatisierung der Bahn bundesweit ein wichtiges und umstrittenes Thema ist, läuft die beginnende Autobahnprivatisierung noch ohne große öffentliche Debatten.

Die Privatisierung der Autobahn lohnt sich für die Betreiber nur, wenn möglichst viele PKW und LKW die Autobahn nutzen. Eine Verlagerung auf die Bahn ist nicht im Sinne der privaten Betreiber. Nachhaltigkeit, Ressourcen- und Klimaschutz wird durch die Privatisierung nicht erreicht.

Stellen Sie sich vor der Staat, also wir alle, besäßen zwei Garagen. Diese zwei Garagen, wurden mit unseren Steuergeldern gebaut, gepflegt, repariert und brächten lohnende Mieteinahmen. Jetzt bietet sich ein privater Unternehmer an, eine zusätzliche Garage zu bauen und alle drei Garagen 30 Jahre lang zu reparieren. Er will (und bekommt!) allerdings nicht die Miete für die eine, neue Garage sondern für alle drei Garagen(…)

Ersetzen Sie jetzt einfach den Begriff Garage durch Autobahnspur, und den Begriff Miete durch LKW-Maut(…)

Einige Fragen zur Autobahnprivatisierung:

  • Warum darf der Staat von uns allen bezahlte Autobahnen einfach auf Zeit „verschenken“?
  • Glauben Sie, dass zukünftig die Transporte von Menschen und Gütern von der Autobahn auf die Schienen verlegt werden, wenn viele Menschen und Güter auf der Autobahn viel Profit bringen?
  • Haben Sie schon einmal die Qualität der staatlichen schweizer Autobahnen, mit der zweifelhaften „Qualität“ der privaten italienischen Autobahnen verglichen?
  • Warum haben die Verantwortlichen nichts aus den Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise (Privatisierung / Deregulierung) und aus den Cross Border Leasing Pleiten gelernt?
  • Wer kennt eigentlich den genauen Inhalt der Privatisierungsverträge? Genau dieses Unwissen über die Vertragsdetails hat die Cross Border Leasing Pleiten mit verursacht.

Im Mai 2009 fand die offizielle Übergabe der Konzession zum Betreibermodell Autobahn A5 Malsch-Offenburg statt.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte im Februar den Zuschlag an die „Via Solutions Südwest GmbH & Co. KG” erteilt. Die Konzession beinhaltet den 6-spurigen Ausbau der A5 im Abschnitt Baden-Baden / Offenburg sowie den Betrieb und die Instandhaltung der A5 zwischen Malsch und Offenburg über einen Zeitraum von 30 Jahren.

Die Teilprivatisierung öffentlicher Aufgaben bedeutet, dass die SteuerzahlerInnen langfristig nicht nur die Baukosten und Zinsen zahlen müssen, sondern über die LKW-Maut, auch die Gewinne des privaten Konsortiums. Aus den Fehlern der Finanz- und Wirtschaftskrise (Privatisierung / Deregulierung) wurde nichts gelernt. Die finanziellen Risiken tragen wie immer die SteuerzahlerInnen. “Laut Medienberichten werden 400 Millionen Euro mit Bankdarlehen finanziert. 200 Millionen kommen demnach von der Europäischen Investmentbank (EIB, Luxemburg). Eigentümer der EIB sind die Mitgliedstaaten der EU. Weitere 200 Millionen Euro steuert laut Vinci ein Bankenkonsortium bei, dem die spanischen Banken Banco Bilbao Vizcaya Argentaria und Santander, die belgische Bank KBC und die niederländische Bank NIBC angehören. Bei den Bankdarlehen handele es sich um solche »ohne Rückgriff auf die Gesellschafter«, teilte Vinci mit. Das heißt, dass Via Solutions Südwest nicht für die Kredite haften muss. Eigenes Geld und eigene Kredite werden den Angaben zufolge nur in Höhe von 110 Millionen Euro in den A5-Ausbau investiert.”
(Quelle: Baden-Online)

Bei Erarbeitung der vom Bundesrechnungshof
sehr kritisch bewerteten Privatisierung der Autobahn hatten die Beamten im Verkehrsministerium „professionelle Hilfe“. Lobbyisten der Bauindustrie “halfen” den Beamten bei „fachspezifischen Fragen” zu PPP weiter, wie die Bundesregierung 2006 zugeben musste. Externe Lobbyisten der Bauindustrie in den Ministerien und als Volksvertreter getarnte Industrielobbyisten… So wird der Staat zu Beute für privaten Gewinninteressen und die Umwelt leidet.

Nur wenn möglichst viel energiefressender und klimabelastender Verkehr über die privatisierten Autobahnen läuft, lohnt sich dass PPP Model für die Betreiber, sagt auch der Bundesrechnungshof. Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung sind, Lobby sei Dank, im Zeitalter schwindender Energiereserven und des Klimawandels dann kein Thema mehr.

Axel Mayer,  BUND-Geschäftsführer

Der Bundesrechnungshof hat sich in einer kaum bekannten Studie zu “Öffentlich private Partnerschaften (ÖPP) im Bundesfernstraßenbau” am 5.01.2009 sehr kritisch geäußert.

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