Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Besteuerungslücke bei Unternehmen von 100 Milliarden Euro
    Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung besteht eine Besteuerungslücke von 100 Milliarden Euro zwischen den in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nachgewiesenen Gewinnen und den steuerlich erfassten positiven Gewinnen. Darauf verweist die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/8013) auf eine Kleinen Anfrage der Linksfraktion (16/7831) zu den Möglichkeiten, aggressive Steuermodelle und Steuerplanungsmodelle einzudämmen. Die Steuermindereinnahmen aufgrund solcher Modelle könnten nicht geschätzt werden, so die Regierung, da kein “belastbares Zahlenmaterial” vorliege. Aktuell habe die Bundesregierung Kenntnis von Steuerplanungstechniken, die im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen von Unternehmen, der Vermeidung der Betriebsstättenbesteuerung, internationaler Steuerarbitrage und dem Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen stehen. Die Folge sei, dass es zu einer Nichtbesteuerung (“weiße Einkünfte”), zu zu niedriger Besteuerung, zu einem Steueraufschub oder zu Steueranrechnungen oder Steuererstattungen kommen könne.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  2. Wer ist hier eigentlich der Idiot?
    Offenbar wusste “Bild” jedoch gestern noch nicht, was sie heute weiß: Bei Hartz-IV-Empfängern mit Kindern wird das Kindergeld (154 Euro pro Kind) als Einkommen auf die Hartz-IV-Bezüge angerechnet. Statt den von “Bild” errechneten 1.501,30 Euro bekäme die Familie also nur 1.347,30 Euro Hartz IV. Folglich hätte die gestrige Überschrift also lauten müssen: Ohne Arbeit hätten wir 150 Euro weniger.
    Quelle: Bildblog

    Anmerkung: Angesichts des vorherigen Hinweises auf eine Besteuerungslücke bei Unternehmen von 100 Milliarden Euro erweist sich besonders deutlich, wie BILD mit seiner Kampagne gegen Hartz IV-Empfänger von den wirklichen Skandalen abzulenken versucht. Die Steuerminderer und Steuerhinterzieher werden hoch respektiert, diejenigen, die keinen ordentlich bezahlten Job bekommen, werden diskriminiert und als Schmarotzer verunglimpft.

  3. Wem gehört Deutschland?
    8,9 Billionen Euro beträgt das Volksvermögen, wie die Deutsche Bundesbank für den stern ermittelt hat. Die Zahl ergibt sich, wenn man alle Sach- und Finanzvermögen von Privatleuten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen zusammenrechnet (ohne Gebrauchsgüter wie Möbel oder Fernseher) und die Schulden davon abzieht.
    Deutschland ist ein reiches Land. Viele Menschen haben Anteil am Eigentum – wenn auch eher im Kleinen als im Großen. Zwei Drittel der Deutschen allerdings verfügen über kein oder nur ein sehr geringes Vermögen. Nach sechs Jahrzehnten insgesamt erfolgreichen Wirtschaftens, ohne Krieg, Hyperinflation und Währungsschnitt, steigt die Konzentration des Wohlstandes: Der beliebte Spruch “Die Armen werden immer ärmer” stimmt zwar nicht – “Die Reichen werden immer reicher” aber schon.
    Während laufende Einkommen – trotz der Ausreißer bei den Managergehältern – seit 25 Jahren vergleichsweise gleich verteilt sind, öffnet sich die Schere bei den Vermögen immer weiter. Nach Berechnungen des DIW besitzt das reichste Zehntel der Deutschen fast 60 Prozent des Volksvermögens. Und wer einmal hat, dem wird weiter gegeben: Gewinne und Zinsen werden wieder angelegt und lassen den Besitz stetig wachsen. Nach jüngsten Erhebungen der US-Bank Merrill Lynch gibt es in Deutschland 798.000 Dollar-Millionäre – ein Jahr zuvor waren es noch 31.000 weniger.
    Quelle: stern

    Anmerkung: Offenbar bekommen die Autoren des stern am Ende doch Angst vor der eigenen Courage, wenn sie das hohe Lied auf das Privateigentum singen. Was der triviale Spruch des marktradikalen Milton Friedman “Niemand gibt das Geld anderer Leute so sorgsam aus wie das eigene” mit der dramatisch ungleichen Primärverteilung von Sach- und Geldvermögen zu tun haben soll, bleibt das Geheimnis des stern.

  4. Generalstreik gegen Rentenklau
    Am morgigen Freitag will die konservative griechische Regierung mit ihrer knappen Mehrheit von zwei Parlamentssitzen – sie stellt 152 von 300 Abgeordneten – das Gesetzgebungsverfahren für ihre »Rentenreform« nach EU-Vorgaben einleiten. Am Mittwoch wurde zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten im Widerstand dagegen das öffentliche Leben lahmgelegt.
    Kern der griechischen Variante der überall in der EU stattfindenden »Reformierung« des Rentensystems ist eine schrittweise Erhöhung des Eintrittsalters bei gleichzeitiger Verringerung der Bezüge. Im ersten Schritt soll dabei das Mindesteintrittsalter für Männer nach 35jähriger versicherter Arbeitszeit von derzeit 58 auf 60 Jahre angehoben werden. Mütter mit minderjährigen Kindern, die bisher nach 20 Arbeitsjahren schon mit 50 in Rente gehen können, sollen in Zukunft fünf Jahre länger arbeiten müssen.
    Quelle: junge Welt
  5. Schutz gibt es nur für gesunde Reiche
    Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit sind wichtig, doch Geringverdiener können sich die Policen kaum leisten – und Kranke haben überhaupt keine Chance. Bis zur Rente mit 65 oder 67 Jahren zu arbeiten, schaffen immer weniger Menschen. Jahr für Jahr müssen 170.000 Erwerbstätige nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit ihre Berufstätigkeit vorzeitig aufgeben. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist daher ein Muss, vor allem für die nach 1961 Geborenen, die keine staatliche BU-Rente mehr erhalten. Laut einer Umfrage des Allensbach-Instituts besitzt jedoch nur jeder vierte Haushalt einen derartigen Schutz.
    Doch nicht jeder, der einen Vertrag abschließen will, kommt zum Zug – und dieses Problem hat sich verschärft. “Ab 30 Jahren wird es schwierig”, sagt Upgang. So wurden knapp fünf Prozent aller in 2005 eingereichten Anträge abgelehnt, wie die Ratingagentur Morgen & Morgen berichtet. 3,4 Prozent der Antragsteller mussten Zuschläge akzeptieren und 11,5 Prozent Ausschlussklauseln, sprich: Ist die Berufsunfähigkeit Folge bestimmter – ausgeschlossener – Krankheiten, zahlt die Versicherung nicht.
    Schwierigkeiten, einen Vertrag zu erhalten, haben vor allem Menschen mit psychischen Vorerkrankungen, Allergien oder Rückenproblemen – Krankheitsbilder, die bei deutschen Kindern und Jugendlichen deutlich auf dem Vormarsch sind.
    Noch bedenklicher als die geringe Zahl der Haushalte mit einer Versicherung halten Experten die jeweils versicherte Leistung. So lag die durchschnittlich versicherte BU-Rente nach einer Statistik von Morgen & Morgen 2006 bei knapp 530 Euro.
    Quelle: SZ
  6. Privatisierung der Bahn
    • Bahn-Teilprivatisierung schon im Juli möglich
      Die Kritik an der Bahn-Umstrukturierung wird lauter: Die SPD-Linken drohen mit einem Sonderparteitag, falls die Parteispitze das Holding-Modell unterstützt. Laut Zeitungsbericht soll die Bahn-Spitze die Teilprivatisierung im Juli endgültig beschließen.
      Quelle: Spiegel online
    • Bahn privatisiert sich
      Konzern-Chef Mehdorn und Bundesregierung planen Teilprivatisierung des Verkehrsunternehmens unter Umgehung des Bundestages.
      Auch verfassungsrechtlich wirft diese Art der selbstermächtigten Privatisierung einige Fragen auf. Im Artikel 87e des Grundgesetzes heißt es im Absatz 3 eindeutig: „Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes (…) Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen erfolgt auf Grund eines Gesetzes.“ Im Absatz 5 steht ergänzend: „Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes (zum Inhalt) haben.“
      Quelle: junge Welt

      Anmerkung AM: Der Beitrag in der jungen Welt zeigt, wie rücksichtslos die politische Führung und auch die Bahnführung mit den Gesetzen und der Verfassung umgehen, wenn es um die Durchsetzung privater Interessen geht. Wenn man die Bahn als gesamte Einheit nicht verscherbeln kann, da nimmt man eben die attraktiven Teile und verkauft diese unter Umgehung von Bundestag und Bundesrat.
      Sachlich spricht nichts dafür, die Bahn in Teilen oder ganz an die Börse zu bringen. Wenn Sie dessen unsicher sind, dann lesen Sie diese Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Königshofen [PDF – 108 KB]. Sie zu lesen macht sogar Vergnügen.
      Da sachlich nichts für eine Teilprivatisierung oder Privatisierung spricht, bleibt nur Dummheit oder politische Korruption als Erklärung. Ich halte Letzteres für zutreffend und habe mich entsprechend schon des Öfteren geäußert. Siehe zum Beispiel in dieser Rede zur Korruption insgesamt.
      Gegen die Annahme, hier sei nur Dummheit im Spiel, spricht auch die Cleverness, mit der sich Verkehrsminister Tiefensee über den Tarifkonflikt der Lokführer in scheinbarer Distanz zu Bahnchef Mehdorn begeben hat. Das hat verdeckt, dass die beiden Kumpane der Verschleuderung öffentlichen Eigentums sind. Das Foto im obigen Artikel sagt alles.

      Und hier noch ein Artikel aus der jungen Welt vom 14.2.2008, ganz auf der Linie dessen, was wir in den NachDenkSeiten am 12.2. geschrieben haben: „Jetzt erst merken die Vertreter des Volksaktienmodell zur Bahnprivatisierung, dass dies ein Papiertiger ist. Erstaunlich.“

    • SPD-»Linke« vorgeführt
      Man sollte das Großkapital und seine Politiker niemals unterschätzen. Das dürfte eine der wichtigsten Lehren aus dem neuen Vorstoß zur Bahn-Privatisierung sein. Schließlich schien es einige Zeit, als ob die Verhökerung von Teilen eines Kernbereichs der staatlichen Daseinsvorsorge an renditehungrige Investoren am Widerstand quer durch alle Parteien und auch der Bundesländer scheitern würde.
      Doch Totgesagte leben länger, und hinter den Kulissen bereiteten die vom Parteitag abgewatschten SPD-Minister zusammen mit der Bahn-Spitze ein echtes Gaunerstück vor. Ihr in einer eigentums- und verfassungsrechtlichen Grauzone angesiedeltes »Holding-Modell« eröffnet die Möglichkeit, Anteile der Verkehrssparten der Bahn AG auch ohne Beteiligung des Gesetzgebers, also des Bundestages, an private Investoren zu verkaufen. Der Parteitagsbeschluß der SPD liefe ins Leere, da es sich um eine quasi rein privatrechtliche Transaktion handeln würde, die jeglicher politischen Einflussnahme entzogen wäre. Jetzt rächt sich, dass sich die SPD-»Linke« auf dem Parteitag einen »Kompromiss« aufschwatzen ließ, der genau dieses Schlupfloch überhaupt erst eröffnete.
      Quelle: Junge Welt
  7. Neues aus dem Casino:
    • Bayerische Landesbank macht Milliardenminus
      Die Kreditkrise erreicht die Bayerische Landesbank: Wegen fauler Hypotheken verbucht sie Belastungen in Milliardenhöhe – derzeit rechnet die Bank mit einem Minus von mehr als 1,3 Milliarden Euro.
      Quelle: Spiegel Online
    • „Wir sind Aufpasser, wir sehen nichts“
      Die öffentlich-rechtliche Bank IKB hat sich verzockt und steht am Rande der Pleite. Schuld daran ist eine hochbezahlte Expertenclique. Am heutigen Mittwoch berät der Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über eine erneute Milliardenspritze für die Mittelstandbank IKB. Diesmal soll ein Loch von zwei Milliarden Euro gestopft werden – es ist womöglich nicht das letzte.
      Quelle: Focus-online

      Anmerkung AM : Ein gar nicht so schlechter Bericht, mit Ausnahme des Hinweises auf den Bund der Steuerzahler.
      Etwas geht allerdings auch bei diesem Bericht unter: dass die im Bundesbesitz befindliche KfW, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, nur eine Beteiligung von 38% hält, andere Anteile gehören anderen Banken. Sie sollten auch in Haftung genommen werden.

      Wenn Sie sich noch etwas genauer über den Aufsichtsrat und das Problem insgesamt informieren wollen, dann zum Beispiel hier in den NachDenkSeiten vom 2. August 2007 „Nachtrag IKB: Die Honoratioren der Wirtschaft sitzen im Aufsichtsrat und Beraterkreis. Was haben sie da getan?“

      oder in unserem Tagebucheintrag vom 17. August 2007 „Die Blase – das Werk von Kriminellen, kriminellen Vereinigungen und Hehlern“

    • Nach IKB-Pleite: Entlassene Manager erhalten Erfolgsprämien
      Die wegen gewaltiger Fehlspekulationen entlassenen Vorstände der IKB Deutsche Industriebank werden nicht für die Verluste haften müssen, berichtet die deutsche Wochenzeitung “Zeit”. Noch bis zum Ende des Jahres erhalten die Manager ihr Gehalt von der Bank, berichtete die Zeitung aus dem Umfeld des Aufsichtsrates. Die Vorstände haben laut “Zeit” für das im März beendete Geschäftsjahr 2006/2007 neben ihren Fixgehältern sogar hohe Erfolgs-Prämien erhalten.
      Quelle: Die Presse
    • Robert von Heusinger: Kein Steuergeld für zockende Banken
      Irgendwann müssen es die Herren des Geldes doch am eigenen Leib erfahren, wie sich eine Pleite anfühlt. Erst zocken und verdienen sie wie die Blöden – und wenn es schiefgeht, darf der brave Michel den Zahlemann spielen.
      Quelle: FR
    • Finanzmarktorientierung – ein Investitions- und Wachstumshemmnis?
      Es zeigt sich, dass die aktuelle Finanzkrise nicht zuletzt das Ergebnis grundlegender makroökonomischer Fehlentwicklungen darstellt. Diese liegen in den USA insbesondere in einer gefährlichen einseitigen Abhängigkeit der wirtschaftlichen Dynamik vom (zunehmend kreditfinanzierten) privaten Konsum und in Deutschland in einer übertriebenen Auslandsorientierung von Güterproduktion und Finanzanlagen.
      Angesichts dieser strukturellen Schieflage wird es zukünftig darauf ankommen, über ein
      notwendiges kurzfristiges Krisenmanagement hinausgehende Strategien für eine stabilere gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu konzipieren. Diese sollte sich insbesondere durch stetige Beiträge der privaten Investitionen zum Wachstum auszeichnen.
      Quelle: IMK Report [PDF – 324 KB]
    • „Ich habe Sie betrogen“
      In vielen Filialen deutscher Banken herrschen Zustände wie in einer Drückerkolonne. Jetzt packen Bankberater aus: Wie sie Kunden belügen, weil sie dem Vertriebsdruck, den Drohungen und Demütigungen ihrer Vorgesetzten nicht mehr gewachsen sind. Sie sind Opfer und Täter zugleich. Der Report über ein Tabuthema.
      Quelle: Handelsblatt
    • Fast 40 Prozent der Deutschen misstrauen ihrer Bank
      Riskante Kreditgeschäfte kratzen am Image der Sparkassen und Banken: 39 Prozent der Deutschen gaben in einer Forsa-Umfrage an, dass sie ihrer Bank misstrauen. Vor allem bei Besserverdienern haben die Institute an Vertrauen verloren.
      Quelle: Spiegel -online
  8. Herbert Schui: Der Fall Nokia: Nationale Subventionen und EU-Regionalförderung erhöhen die Mobilität der Unternehmen und den Wettbewerb um niedrige Löhne
    Die tiefere Ursache für den Nokia-Konflikt ist die verfehlte Industriepolitik Deutschlands und der Europäischen Union. Der Fehler ist: Die EU-Strukturförderung führt nicht zu mehr Beschäftigung und Produktion in der EU insgesamt. Vielmehr fördert sie eine andere Verteilung der bestehenden Produktionsstätten und der gegebenen Beschäftigung. Das lässt sich auch nicht verhindern, wenn gemäß der EU-Verordnung Betriebsverlagerungen nicht subventioniert werden dürfen oder wenn bei Investitionen über 50 Millionen Euro negative Folgen für andere EU-Länder gesondert geprüft werden müssen.
    Auch wenn die europäische Regionalförderung keine direkten Ansiedlungsprämien für Unternehmen erlaubt: Die Regionalförderung ist ein Grund für die Verlagerung von Nokia nach Rumänien. Denn im Rahmen ihrer Regionalförderung hat die EU tatsächlich das Nokia Village in Rumänien mit 30 Millionen Euro gefördert. Die Förderpolitik begeht einen grundlegenden Fehler: Sie nimmt an, dass eine bessere regionale Infrastruktur, mehr qualifizierter Arbeitskräfte (zusammengenommen also niedrigere Kosten) die so genannte Standortqualität eines Landes verbessern. Das trifft sicherlich zu, aber damit ist mehr Wachstum, mehr Beschäftigung in der EU insgesamt nicht erreicht. Wachstum setzt mehr Aufträge für die Unternehmen, mehr Nachfrage voraus. Dies lässt sich erreichen durch niedrige Zinsen, durch eine angemessene Wechselkurspolitik, durch eine andere Verteilung des Volkseinkommens zugunsten der Masseneinkommen. Ohne diese Wachstumspolitik läuft alles darauf hinaus, dass die Produktion insgesamt unverändert bleibt, aber dorthin verlagert wird, wo die niedrigeren Kosten sind, d.h. dorthin, wo es viel Regionalförderung und nationalstaatlichen Subventionen gibt und wo die Löhne und Gewinnsteuern am niedrigsten sind. Ob sie es will oder nicht: Regionalförderung begünstigt nur die Mobilität der Unternehmen. Sie begünstigt den Wettbewerb um die niedrigsten Löhne und Steuern und um die höchsten Subventionen.
    Quelle: Financial Times

    Dazu:

    Kater nach dem Nokia-Karneval
    Vor allem Politiker sollten Lehren aus der Nokia-Debatte ziehen. Ein eiskalt kalkulierender Konzern lässt sich nicht mit ritualisierten Parolen und Reden voller nationaler Untertöne von seiner Entscheidung abbringen. Auch die Arbeiter müssen künftig gewarnt sein: Wenn Jürgen Rüttgers vor dem Werkstor mit einem Hubschrauber auftaucht, ist es für die Rettung von Arbeitsplätzen viel zu spät.
    Quelle: FR

  9. Leck in der Gießkanne
    Eine Erhöhung des Kindergeldes wäre falsch. Wir brauchen dringend die vorschulische Betreuung und Erziehung in Kinderkrippen und Kindertagesstätten und die Angebote von Kindergärten und Grundschulen auch am Nachmittag, weil sie die notwendigerweise ungenügenden Förderimpulse der Eltern ergänzen. Die SPD sollte aufwachen und sich dieses Zukunftsthema nicht entgehen lassen.
    Quelle: Tagesspiegel
  10. Herr Clement erklärt die Welt der Energiepolitik und des Lobbyismus
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Vielleicht verstehen Sie nach diesem Video besser, warum ich geschrieben habe: „Clement hat schon immer gegen die SPD gearbeitet, es hat nur keiner wahrhaben wollen.“

  11. Tanjev Schultz: Im pädagogischen Mastbetrieb
    Zehn-Stunden-Tage für Pubertierende bleiben eine Zumutung: Wer die Schulzeit verkürzt, muss die Lehrpläne entrümpeln. Sonst wird Schule zur Qual. Es war grundfalsch, das G 8 einzuführen, ohne ein echtes Ganztagskonzept mitzuliefern.
    Quelle: SZ
  12. Michigan stoppt Vergabe von Studentenkrediten
    Der US-Bundesstaat Michigan muss wegen der Krise auf den Finanzmärkten die Vergabe einiger Studentenkredite stoppen. Ab Freitagabend könne die für die Kreditvergabe zuständige Behörde vorläufig keine Darlehen mit variablen Zinssätzen mehr vergeben. Grund für den vorläufigen Stopp sei, dass aufgrund der “nie da gewesen Turbulenzen auf den Kapitalmärkten” kein ausreichendes Kapital mehr zur Verfügung stehe. Durch die Finanzkrise rutschte bereits der führende US-Studentenkreditverleiher Sallie Mae in die roten Zahlen.
    Quelle: Berliner Zeitung
  13. Ein Blick über die Grenzen:
    • Die Lügenstatistik der Bush-Regierung
      935 Mal sollen Mitglieder der Bush-Regierung gelogen haben, um den US-Waffengang gegen den Irak zu legitimieren – das behauptet eine Studie des “Center for Public Integrity”. Die Rolle des Baron Münchhausen weist sie dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte selbst zu.
      Quelle: FTD
    • ROBERT B. REICH: Totally Spent
      The only way to keep the economy going over the long run is to increase the wages of the bottom two-thirds of Americans.
      Quelle: The New York Times

      Roger Strassburg fasst den Beitrag zusammen:

      Reich schreibt, dass die amerikanische Wirtschaft in eine Rezession abrutscht und dass die normalen Gegenmaßnahmen diesmal nicht funktionieren werden, da dies kein normaler Abschwung ist.
      Er sieht das Problem darin, dass amerikanische Verbraucher seit drei Jahrzehnten über ihre Verhältnisse gelebt haben und nicht mehr die Mittel haben, dies fortzusetzen. Wenn Amerikanern nicht zugemutet werden soll, ihren Lebensstandard zu senken, und Unternehmen nicht dazu gezwungen werden sollen, sich auf eine kleinere Wirtschaft einzustellen, muss den mittleren und unteren Einkommensschichten mehr Kaufkraft gegeben werden, und zwar nicht nur vorübergehend.
      Reich hält die aktuelle Debatte für weitgehend irrelevant, denn Unternehmen würden trotz Steuererleichterungen nicht investieren, solange die Nachfrage für Produkte und Dienstleistungen durch die Bank sinkt. Kurzfristige Konjunktureprogramme würden auch nichts bringen, weil die privaten Konsumenten wissen, dass die Hilfe nur temporär ist. Sie würden das Geld eher im Portemonnaie behalten als es ausgeben.

      Auch weitere Zinssenkungen würden die Kreditmärkte zwar auflockern. Doch Kreditgeber und -nehmer seien angesichts des Platzens der Immobilienblase vorsichtiger geworden.

      Das eigentliche Problem sei seit Jahrzehnten gewachsen. Der durchschnittliche (Median) Stundenlohn sei kaum höher als vor 35 Jahren (inflationsbereinigt). Der Löwenanteil der Verdienste in den USA ist seitdem an die reichsten fünf Prozent gegangen.

      Doch Reiche geben prozentual weniger von ihrem Geld aus als die meisten Menschen, eben weil sie reich sind. Sie suchen stattdessen rund um die Welt nach Investitionen mit hohen Renditen.

      Seit den siebziger Jahren arbeiten laut Reich mehr Frauen als vorher, weniger deshalb, weil ihnen mehr Möglichkeiten offenstanden, sondern um das Familieneinkommen aufzustocken. Viele Männer und Frauen stocken ihr Einkommen auch dadurch auf, indem sie mehr Stunden arbeiten. Doch beide Möglichkeiten sind begrenzt und konnten nicht alles auffangen. Dann fingen die Menschen an, Kredite aufzunehmen. Die schnell steigenden Hauspreise wurden genutzt, um durch Umfinanzierung aus ihren Häusern bares Geld zu machen. Aber mit dem Platzen der Blase wurde diese Geldquelle geschlossen.

      Jetzt breite sich die Ungleichheit rapide aus.

      Die einzige Möglichkeit, die Wirtschaft am Laufen zu halten, sieht Reich in Lohnsteigerungen für die unteren zwei Drittel der Bevölkerung.

      Reich schlägt eine Erhöhung der negativen Einkommensteuer, finanziert durch höhere Steuern für Besserverdiener, als Lösung vor. Ebenfalls hält er stärkere Gewerkschaften, insbesondere im lokalen Dienstleistungssektor, für notwendig.

      Auf längere Sicht hält er bessere Bildung für den Schlüssel zu mehr Gleichheit. Dies erfordere gute Vorschulen, weniger Schüler pro Klasse und bessere Vergütung der Lehrkräfte.

      Reich hält diese Maßnahmen für notwendig, um Amerikanern genügend Kaufkraft zu geben, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, und steigende Ungleichheit aufzuhalten, damit Amerika nicht auseinanderbricht.

  14. Themen im „Freitag 07“
    • Michael Krätke beleuchtet die Vorläufer der derzeitigen Finanzkrise – die Malaise des europäischen Währungssystems 1992/93, den Mexiko-Schock von 1995/96 oder den Crash vor zehn Jahren in den Tigerstaaten Südostasiens, eine Finanz- und Währungskrise mit globalen Ausläufern. Krätkes Analyse der damaligen Ursachen und Folgen zeigt Parallelen zu den unruhigen Finanzmärkten dieser Tage auf.
      Quelle: Freitag
    • Die Grünen zwischen CDU und Linkspartei: im Dokument der Woche analysiert Ludger Volmer, ehemaliger Grünen-Vorsitzender und von 1998 bis 2002 Staatsminister im Auswärtigen Amt, die Situation der Grünen. Nach der Wahl in Hessen und Niedersachsen hat auch bei den Grünen eine neue Debatte über Bündnisoptionen eingesetzt, da das sich abzeichnende Fünf-Parteien-System dem rot-grünen Automatismus ein Ende setzen und zu einer Zerreißprobe innerhalb der grünen Partei führen könnte.
      Quelle: Freitag
    • Im Beitrag von Wolfgang Storz geht es um Struktur und Absichten der allseits beliebten Suchmaschine Google, die sich in Orwell’sche Gefilde begibt. Der Datensammelwut ist keine Grenze gesetzt, der Weg zum gläsernen User vorgezeichnet. Die Firmenpolitik in puncto Struktur und Objektivität bleibt undurchsichtig, das Ziel dagegen eindeutig: Profit auf Kosten der User.
      Quelle: Freitag

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