Hinweise des Tages
(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Morddrohungen wegen Hartz-IV-Beschlüssen
Matthias von Wulffen ist seit mehr als 20 Jahren am Bundessozialgericht und mittlerweile Präsident der Behörde. Noch nie habe er eine solche Flut von Klagen erlebt, wie jetzt gegen Hartz IV. Die Aufregung geht so weit, dass Richtern geraten wird, schon mal ihren Sarg zu bestellen. „Ob das richtig ist oder falsch, müssen die Politiker beurteilen. Aber die Fakten sind nun einmal unverändert: Wir haben unbestreitbar die demografische Entwicklung, dass es immer mehr ältere Menschen und immer weniger Kinder gibt. Allein die Aufgabe, mit weniger Einzahlern mehr Alte und Kranke zu finanzieren, ist riesig. Zusätzlich haben wir ein Bildungsdefizit in Deutschland, dem gegenüber aber einen Arbeitsmarkt, der immer größere Anforderungen stellt, also gut ausgebildete Arbeitskräfte voraussetzt.
Das ist schon erklärbar, weil es nach Jahrzehnten des Ausbaus der staatlichen Hilfen nun um eine Begrenzung der Leistungshöhe geht. Der notwendige Umbau der Sozialsysteme ist eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Das ist aber noch nicht allen klar. Die Zusammenführung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe durch Hartz IV zum Beispiel war ein radikaler Paradigmenwechsel, dessen Hintergrund nicht ausreichend vermittelt wurde. Die Menschen haben uns in den Gerichten gefragt: Wieso komme ich jetzt quasi in die Sozialhilfe, wo ich doch vorher Beiträge gezahlt habe? Früher haben sie Arbeitslosenhilfe bekommen, die sich am früheren Erwerbseinkommen orientiert hat. Es war ein Bezug da, die Leute dachten, sie haben ja mal etwas für diese staatliche Hilfe getan. Aber das ist ein Irrtum: Die Arbeitslosenhilfe war im Gegensatz zum Arbeitslosengeld schon damals genauso steuerfinanziert wie die Sozialhilfe. Hartz IV macht also nichts anderes, als beide steuerfinanzierten, bedürftigkeitsabhängigen Leistungen zusammenzuführen.“
Quelle: WELT OnlineAnmerkung MB und AM:
- Wenn der oberste Sozialrichter in dieser Form Reformen verteidigt, macht das nicht unbedingt den Eindruck einer unabhängigen Justiz. Die Wut der Betroffenen ist absolut zu verstehen, Morddrohungen natürlich nicht.
- Wenn der oberste Sozialrichter wirklich meint, mit dem angeblich notwendigen Umbau der Sozialsysteme könne er das angeblich bestehende demographische Problem lösen, dann zeigt dies, dass es zumindest das von ihm auch aufgegriffene Problem der guten Ausbildung und Bildung gibt. Wenn solche hochmögenden Personen nicht einmal wissen, dass mit dem Kapitaldeckungsverfahren überhaupt nichts an der Relation von arbeitenden Personen zu Rentnern geändert wird, dann ist das ein weiterer Beweis dafür, dass unsere Führungseliten von wichtigen wirtschaftlichen Zusammenhängen wenig Ahnung haben.
- Das gilt auch für seine Einlassungen zur Steuerfinanzierung der Arbeitslosenhilfe. Es ist richtig, dass in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit bei Fixierung des Beitragssatzes die steuerliche Finanzierung einspringen musste, um die gewachsene Zahl der Arbeitslosen mit der Arbeitslosenversicherung, also zunächst mit Arbeitslosengeld und dann mit Arbeitslosenhilfe über Wasser zu halten. Das war eine sehr berechtigte antizyklische Wirkung der Einrichtung der Arbeitslosenversicherung. Eigentlich müsste unser oberste Sozialrichter dieses wissen. Aber offenbar ist er voll geprägt von der herrschenden Ideologie und der von ihr betriebenen Propaganda.
- Atypische Arbeitsplätze: Oft Niedriglohn und schlechtere Beschäftigungsperspektiven
Auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die Ausweitung atypischer Beschäftigung kritisch zu bewerten. Denn wer längere Zeit wenig verdient, kommt oft ohne aufstockende Transfers nicht mehr aus – spätestens im Alter. Und die schwache Weiterbildungsbeteiligung der Atypischen verschärft die ohnehin vorhandene Qualifizierungsschwäche in der deutschen Wirtschaft.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft - IG Metall: Die McKinseys von der Gewerkschaft
Um Jobs zu retten, weicht die IG Metall immer wieder vom Flächentarifvertrag ab. Ehe dies geschieht, schickt sie ihre Wirtschaftsprüfer in die Firmen. Manche von den Chefs ausgemalte Krise erweist sich plötzlich als Bluff.
Quelle: TAZ - Traumberuf Lokführer?
Wer von Berlin nach Frankfurt am Main, nach Hamburg, Hamm oder zurückfährt, der könnte in einen Zug unterwegs sein, den Kretschmann führt. Es könnte Kretschmann sein, dem er sich anvertraut. Der übernimmt mit jeder Tour die Verantwortung für ein paar Hundert Leben. Dass die modernen Loks quasi von allein fahren, wie Kollege Wagner in der BILD schrieb, ist nämlich ein Gerücht – zumindest, was den Fernverkehr betrifft.
Quelle: ND - 10 Gründe: Warum die Privatisierung der Bahn nicht scheitern darf
Seit 14 Jahren wird an der Privatisierung der Bahn gearbeitet. Nun droht der Plan völlig zu scheitern. Erst kippt die Union als Reaktion auf das SPD-Votum für eine “Volksaktie Bahn” die Pläne des Bahn-Konzerns. Und dann erlaubt das Arbeitsgericht Chemnitz auch noch der GDL, ohne Beschränkungen zu streiken. WELT ONLINE nennt zehn Gründe, warum es dennoch keine Alternative zur Privatisierung gibt.
Quelle: WeltAnmerkung Jörg Reichert: Kurze Zusammenfassung der “Argumente” und ein paar sarkastische Anmerkungen:
- Entbürokratisierung/Modernisierung .. man denke nur an das einfache Preissystem und daran, wie pünktlich die Bahn AG inzwischen geworden ist.
- Privatwirtschaft kann besser Unternehmen führen… z.B. unrentable Strecken abbauen, Personal abbauen usw.
- Bund ist finanziell überfordert… am besten der Staat zieht sich ganz aus der Daseinsvorsorge zurück und wir organisieren alles nur noch privatwirtschaftlich.
- Staat/Steuerzahler soll Risiken bei Fehlinvestitionen nicht tragen… reicht ja, wenn diese auf die Belegschaft durch Arbeitsplatzabbau und auf die Kunden durch höhere Preise abgewälzt werden und der Staat letztlich für alles bürgt.
- Abkehr von Privatisierung ist zu kostspielig… also muss der Weg (wenn auch falsch) weitergegangen werden.
- Alle anderen Staaten haben auch ihre Bahn privatisiert… und richtig erfolgreich, wie man in Großbritannien sieht. Und warum klappt eigentlich die staatliche Bahn in der Schweiz so gut?
- Aufheben der Benachteiligung von Konkurrenten .. bei der Marktmacht, die die Bahn behält?
- Imagefrage (Deutschland muss sich kapitalfreundlich zeigen)… es könnten ja „Heuschrecken“ abgeschreckt werden.
- Profitinteressen widersprechen Staatsinteressen… ja so ein Beförderungsauftrag für die Allgemeinheit ist schon ganz schön lästig.
- Sorgen sind unbegründet (Schienennetz bleibt ja beim Staat)… und die Bahn behält die exklusiven Nutzungsrechte.
Der Umstand, dass die Bahn weit unter Wert verschleudert wird, wird erst gar nicht erwähnt.
- Transnet wehrt sich gegen Vorwürfe von frontal21
Frontal21 hatte in einer Sendung vom 16.10.2007 die Unabhängigkeit von Transnet in Frage gestellt (siehe Hinweis 6 v. 18.10.2007). Transnet wiederum wirft der Redaktion von frontal21 tendenziöse Berichterstattung und schlechte Recherche vor.
Quelle: TransnetSiehe dazu frontal 21:
Transnet reagiert – mit falschen Behauptungen
Die Behauptungen von Transnet sind falsch. Richtig ist vielmehr, dass wir mit dem Transnet-Vorstandsmitglied und Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft Transnet/GDBA Alexander Kirchner ein Interview geführt haben und ihn zu den kritischen Punkten befragt haben. Der Interviewausschnitt ist in den Beitrag eingeschnitten und ausgestrahlt worden, er findet sich auch in der Online-Version des Beitrages. Das ist der Transnet bekannt.
Quelle: ZDF - Eine neue Gewerkschaft stellt die Verhältnisse auf den Kopf
REPORT MAINZ: „Es ist schon bemerkenswert, wie viel Energie aufgewendet wird um den Mindestlohn zu verhindern. Vor allem von ihm hier, dem Chef des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste, Florian Gerster. Immerhin Ex-Arbeitsminister in Rheinland-Pfalz unter Kurt Beck, Ex-Boss der Bundesagentur für Arbeit und noch SPD-Mitglied. Wie lange eigentlich noch?“
Quelle: SWR - Viele Europäer leben von Sozialleistungen – IAQ-Studie vergleicht Sicherungssysteme
Die west- und nordeuropäischen Wohlfahrtsstaaten versorgen mindestens ein Fünftel ihrer Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren über Sozialtransfers. Das zeigen Untersuchungen des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen in einem Vergleich der sozialen Sicherung in elf westeuropäischen Ländern. Wer nicht von Arbeit lebt oder leben kann, erhält die Hilfe je nach Land aber aus sehr unterschiedlichen Töpfen: In Deutschland und Belgien wird der relativ größte Teil der Leistungen wegen Arbeitslosigkeit gewährt, in den skandinavischen Ländern, aber auch in den Niederlanden, Großbritannien und Irland, wegen Invalidität und Krankheit, in Österreich fließt der größte Teil der Leistungen als (Früh-)Rente.
Quelle: IAQ - Bundesdruckerei – zurück zum Staat
Beamte von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück prüfen einen Rückkauf der Bundesdruckerei, die vor sieben Jahren privatisiert wurde. Als die Geschäfte schlechter liefen, geriet die überschuldete Bundesdruckerei an den Rand der Pleite. Die Zahl der Arbeitsplätze schrumpfte, nur zum Teil durch Firmenverkäufe, von über 4000 auf 1300. Jetzt will der heutige Eigentümer Authentos verkaufen. Vor allem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble drängt auf Kontrolle über die Bundesdruckerei. Ihn treibt die Sorge, dass Spitzentechnologie – etwa zur Personenerkennung – beim Weiterverkauf der Druckerei in die Hände ausländischer Staatsfonds fallen könnte.
Quelle: WiWoSiehe auch: Die verscherbelte Bundesdruckerei, von Hermann Zoller
- Kommunal wird´s besser
Immer mehr Gemeinden wollen Privatisierungen rückgängig machen. Interessanterweise sind es vor allem Kostengründe, die für eine Rekommunalisierung ins Feld geführt werden. Wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) feststellt, gibt es viele Beispiele, wo privat geführte Unternehmen wieder von Kommunen übernommen werden, weil es so deutlich preisgünstiger ist. Und dies liegt nicht nur an der Befreiung kommunaler Unternehmen von der Umsatzsteuerpflicht, über die sich marktliberale Fanatiker beklagen, die darin eine »Verzerrung des Wettbewerbs« sehen. Viel eher dürften die Kommunen dadurch sparen, daß sie die überzogenen Renditeerwartungen privater Investoren nicht länger erfüllen müssen – von den üppigen Honoraren, durch die eine boomende Beratungsbranche in den letzten Jahren profitiert hat, einmal ganz zu schweigen.
Quelle: Junge Welt - Gelassen zur Wahl
Macht die echte oder vermeintliche Linkswende der SPD rot-rote Bündnisse wahrscheinlich?
Quelle: TAZAnmerkung: Vor allem der letzte Absatz ist interessant: „Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid zufolge glauben 80 Prozent der Befragten, dass die Neuausrichtung der SPD reine Wahltaktik sei. Selbst unter den ausgewiesenen SPD-Wählern glauben nur 28 Prozent an eine Kurskorrektur aus Überzeugung.“
- US-Milliardär Buffett will mehr Steuern zahlen
Er ist der zweitreichste Amerikaner nach Bill Gates. Sein Vermögen wird auf rund 52 Milliarden US-Dollar geschätzt – und er ist unzufrieden mit dem US-Steuersystem. Denn ohne Tricks und Berater zahle er weniger Steuern als die meisten seiner Angestellten.
Quelle: Die WeltAnmerkung: Wunderbar ist Buffets Plädoyer gegen die Abschaffung der Erbschafssteuer: “Das wäre so, als würde man das Olympiateam für 2020 aussuchen, indem man die ältesten Söhne der Goldmedaillengewinner der Spiele von 2000 wählt.”
- Böckler Impuls Oktober 2007 zum Thema Finanzinvestoren
u.a. mit diesen Beiträgen:- Wissenschaftler empfehlen bessere Regeln für die Private-Equity-Branche, um die Beschäftigten der gekauften Firmen und den Finanzmarkt zu schützen.
- Der Bund will mit einem Gesetz Wagniskapital fördern. Doch Finanzinvestoren sind die falsche Zielgruppe, um Gründer mit Kapital zu versorgen.
- Hedge-Fonds agieren meist von Steueroasen aus, wo sie keine Finanzaufsicht kontrolliert. Dennoch gibt es Ansatzpunkte für eine Regulierung – und zwar bei den Kreditgebern.
- Hohe Kreditfinanzierung bei großer Risikostreuung – so sieht das Geschäftsmodell vieler Private-Equity-Firmen aus. Auch wenn ein Teil der gekauften Firmen Pleite geht, kann der Fonds Gewinne machen. Der Staat könnte gegensteuern – indem er allzu hohe Verschuldung teurer macht.
- Aggressive Anleger drängen auf hohe Ausschüttungen, selbst wenn sich Unternehmen darüber völlig verschulden. Ein Gutachten skizziert, wie Regulierung dies eindämmen kann: durch qualifizierte Stimmrechte und Grenzen für den Rückkauf von Aktien.
- Amerikas Unternehmensvorstände klagen über den zunehmenden Druck von Analysten und Großanlegern wie etwa den dort mächtigen Pensionsfonds. Um kurzfristig die Erwartungen der Kapitalmärkte zu erfüllen, nehmen Konzernlenker sogar langfristig Wertverluste in Kauf, so eine Studie.
- Eine Studie analysiert, wie Investmentfonds, Analysten und Rating-Agenturen die harte Konkurrenz des Finanzmarkts in die Unternehmen übertragen – und so deren Strategie bestimmen.
- Weckruf für den Staatsgerichtshof
Der Jubel über das jüngste Urteil zu den Studiengebühren ist berechtigt – in Hessen verstoßen sie gegen die Landesverfassung. Das Urteil sagt nicht nur etwas über die bekannte und sehr spezielle Form Kochscher Rechtstreue. Die kleinen Verwaltungsrichter in Gießen haben nämlich etwas getan, was der große hessische Staatsgerichtshof längst hätte tun müssen. Bei den obersten Richtern Hessens liegt bereits seit längerem die Klage vor, dass Studiengebühren mit der Verfassung nicht vereinbar sind. Sogar die Landesanwältin hat in einer Stellungnahme bekräftigt: Campusmaut und hessische Verfassung – das geht nicht. Und die Landesanwältin ist diejenige im Land, die über die Vereinbarkeit von Gesetzen mit der Verfassung wacht.
Warum auch immer der Gerichtshof die Entscheidung über die Studiengebühren erst nach der Wahl fällt – die Verzögerung ist ein Skandal.
Quelle: TAZ - Daten auf Weltreise
Bürgerrechtler kritisieren Gesetzentwurf zur Verbrechensbekämpfung. Kommt auch die CIA an deutsche Verbindungsdaten?
Quelle: TAZ - Kartellamt wirft Stromkonzernen Preisabsprachen vor
Schwere Anschuldigungen des Kartellamts gegen die vier großen deutschen Energieversorger: Sie sollen in Geheimzirkeln Preismanipulationen und Absprachen beraten haben. Indizien und Belege dafür hat die Behörde nach Informationen des SPIEGEL in einem 30-seitigen Schriftsatz zusammengefasst.
Quelle: SPIEGEL - INSM-Aufruf: “Nein zum Reform-Rückschritt!”
Wolfgang Clement, früherer Minister für Wirtschaft und Arbeit im Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder, beteiligt sich an einem heute verbreiteten Aufruf der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM): Clement, unter dessen Ägide als Minister jene Reformen auf den Weg gebracht worden sind, die nach dem Urteil vieler Wissenschaftler heute zu wirken beginnen, wendet sich gemeinsam mit prominenten Ökonomen wie Hans-Werner Sinn (ifo-Institut), Michael Hüther (IW Köln) und Klaus F. Zimmermann (IZA) und anderen Politikern mit folgendem Wortlaut an die Berliner Politik:Deutschlands Wirtschaft wächst wieder. Besonders erfreulich ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: 40 Millionen Menschen haben einen Job – das ist der höchste Stand seit der Wiedervereinigung. Dieser Aufschwung ist auf die Anstrengungen von Unternehmen und Arbeitnehmern zurückzuführen. Ohne die Reformen der vergangenen Jahre hätten diese aber nicht erfolgreich sein können.
Gerade auf dem Arbeitsmarkt hat sich viel verändert. Die Veränderungen waren zum Teil mit schmerzhaften Einschnitten für den Einzelnen verbunden. Insgesamt haben sie aber geholfen, die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit über zehn Jahren zu senken. Diesen Weg müssen wir weitergehen.
Wer das Reformrad jetzt zurückdreht, gefährdet die Chancen von Erwerbslosen, eine neue Stelle zu finden: Das ist unsozial und schadet unserer Wirtschaft. Eine Rücknahme der erfolgreichen Reformen, wie sie jetzt in Teilen der Politik diskutiert wird, lehnen wir deshalb entschieden ab. Wir fordern stattdessen eine kontinuierliche Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, damit noch mehr Beschäftigung und Wachstum in Deutschland entstehen können.An diesem Aufruf der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) beteiligen sich die Professoren Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Klaus F. Zimmermann, Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA Bonn) sowie die Politiker Florian Gerster, Staatsminister a.D. (SPD), Dr. Heinrich L. Kolb, Rentenpolitischer Sprecher der FDP, Wolfgang Clement, früherer Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (SPD), Rainer Brüderle, Wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP.
Quelle 1: Initiative Neue Soziale MarktwirtschaftAnmerkungen Martin Betzwieser: Die aufgelisteten (Ex-) Politiker und Pseudowissenschaftler profitieren alle persönlich auf ihre eigene Art von den Reformen und deren Folgen, ob es im Einzelfall die Individualisierung und Kommerzialisierung der Rentenversicherung, die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge oder die explosionsartige Zunahme von Leiharbeit ist.
In loser Folge sind da (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Bundesminister a.D. Wolfgang Clement ist im Aufsichtsrat der Dussmann-Gruppe. Dussmann verdankt sein Firmenimperium in weiten Teilen der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und beschäftigt laut eigenen Angaben weltweit 50.500 Dienstleister/innen. Ein Großteil davon arbeitet als Reinigungskräfte, Köch/innen und Beschäftigte im Wachschutz, deren Stundenlöhne schon per Tarifvertrag zu den Billiglöhnen zählen. Dussmann ist bekannt für besonders niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Vorstand einer Tochtergesellschaft von ADDECO, einem Marktführer der Leiharbeit.
Quelle 2: IndymediaClement berät als Senior Advisor den Bankenriesen Citigroup. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat der Zeitarbeitsfirma DIS und er ist Vorsitzender des neuen ‚‚Adecco Institute’’ zur Erforschung der Arbeit. Adecco ist „Weltmarktführer für Personaldienstleistungen“, Das Unternehmen handelt mit Arbeitnehmern, vor allem mittels Zeitarbeit, Outcourcing und Personalvermittlung.
Der Stern nannte Clement „Mr. Zeitarbeit“.
Quelle 3: NachDenkSeitenDer stellvertretende Partei und Fraktionsvorsitzende der F.D.P. Rainer Brüderle ist freier Mitarbeiter des Privatisierungsberaters Rudolf Scharping (genau der).
Quelle 4: NachDenkSeitenDer Basar-Ökonom Hans Werner Sinn will die Riester-Rente zur Pflicht machen und ist im Aufsichtsrat der Hypo-Vereinsbank.
Quelle 5: Hypo-VereinsbankDer F.D.P.-Bundestagsabgeordnete Heinrich Kolb propagiert regelmäßig die private Altervorsorge. Er war einer der Abgeordneten, die gegen die Anzeigepflicht von Nebentätigkeiten klagte – aus gutem Grund: Er ist als Beirat in der Finanzbranche tätig.
Quelle 6: LobbyControl-Datenbank NebeneinkünfteDas Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) wird über Umwege von der Deutschen Post AG finanziert. Im Beirat (Policy-Fellows) finden wir vorsichtig geschätzt die halbe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, auch den Mitunterzeichner Florian Gerster den neuen Präsident des Arbeitgeberverbandes Postdienste, über dessen Versagen als Präsident der Bundesagentur für Arbeit muss hier nicht viel Text produziert werden muss.
Quelle 7: IZAEin Kommentar, den ich heute in anderem Zusammenhang las, ist hier sehr zutreffend: „Man nennt diese Anschlusskarrieren auch indirekte Korruption.“
- Anmerkung zu Ursula Weidenfeld vom Tagesspiegel und ihr Verhältnis zur INSM
Die stellvertretende Chefredakteurin des Tagesspiegel, Ursula Weidenfeld, fällt immer öfter durch stramm neoliberal geprägte Beiträge auf (z.B. “Es ist ja nur zu seinem Besten” oder „Rolle rückwärts“). Die Artikel lesen sich, als ob sie von der INSM verfasst seien. Wir behaupten nicht, dass dies so ist; Stil und Inhalt stimmen allerdings auffallend überein. Hinzu kommt, dass die gemeinsamen Aktivitäten auf den Webseiten der INSM gut dokumentiert sind. Die Suche nach „Ursula Weidenfeld“ führt zu 23 Treffern!
Wir schlagen vor, sie zur Botschafterin dieser Lobbyorganisation der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie zu ernennen.
Quelle 1: Tagesspiegel
Quelle 2: Tagespiegel
Quelle 3: INSMAnmerkung Orlando Pascheit: Leider beschäftigt Ursula Weidenfeld viel zu sehr die Brutalität von “Reformen”, so dass sie gar nicht zur Frage vordringt, ob Reformen auch richtig sind. Vielmehr entsteht der verheerende Eindruck, dass ein immanentes Kennzeichen rationalen Handelns seine Brutalität sei und dadurch ein Vermittlungsproblem entstünde.
Die Ausflüge in die Verhaltensökonomie hinterlassen einen schalen Geschmack. “Statt die völlige Umgestaltung von Politikfeldern anzukündigen, ist es klüger, Kontinuität als vorteilhaft zu kennzeichnen und nötige Veränderungen mit einer Fortentwicklung des Status quo zu begründen. … Andererseits aber würde sie an einmal vereinbarten Reformen festhalten und lernen, über Details hinwegzusehen. Nur durch Stetigkeit lässt sich jenes Vertrauen erwerben, das Reformpolitiker als Startkapital dringend benötigen.” Abgesehen davon, dass dies eine Empfehlung zur Täuschung des Wahlvolkes ist, wird die Tugend der Stetigkeit auf eine veräußerlichende Weise so überhöht, dass von einer Korrektur einer falschen “Reform” wegen des Anscheins von Unstetigkeit abzuraten ist. Fehlt nur noch der Name Beck.
Es ist eine Schande, die Worte Ludwig Erhards zur sozialen Marktwirtschaft zur Werbung um die emotionale Zustimmung der Menschen zu degradieren. Er hat einfach die Grundlage verantwortlicher Politik formuliert: „Alle müssen am Erfolg teilhaben. Es ist der soziale Sinn der Marktwirtschaft, dass jeder wirtschaftliche Erfolg dem Wohle des ganzen Volkes nutzbar gemacht wird.“
Wirtschafts- und Sozialpolitiker sind in ganz anderer Weise dabei, den “Status quo zu desavouieren”, als die Autorin meint. So sitzt Wolfgang Clement in den Aufsichtsräten verschiedener Zeitarbeitsfirmen (siehe den vorhergehenden Hinweis), nachdem er als Bundesminister noch den gesetzlichen Rahmen für Leiharbeit liberalisiert hatte. Oder der ehemalige Arbeitsminister Walter Riester, der über Vortragsreisen bei Veranstaltungen der Banken und Versicherungswirtschaft sein Produkt propagiert und dafür mindestens 180.000 € pro Jahr kassiert (Nebentätigkeit als Abgeordneter) usw.
Anmerkung AM: Der Artikel von Frau Weidenfeld dient vor allem der Festigung des Glaubens, die Reformen hätten uns das (bisschen) wirtschaftliche Belebung gebracht. Der Ausflug in die Verhaltensökonomie soll Kompetenz signalisieren. Das ist alles.
- Mecom reizt Berliner Redakteure
Der britische Zeitungsverleger David Montgomery zeigt in der Kraftprobe mit den Journalisten der “Berliner Zeitung” wenig Bereitschaft zum Einlenken. “Wir werden Journalisten dazu bringen, zu erkennen, dass sie Geld verdienen müssen”, sagte der Chef und Gründer der Mecom-Gruppe.
Quelle: FTD - Montgomery erwägt Gebot für Süddeutsche Zeitung
Der britische Medienkonzern Mecom erwägt eine Übernahme der Süddeutschen Zeitung. Das Unternehmen von David Montgomery will offenbar mit Finanzinvestoren Kräfte bündeln, um für die Mehrheit der Anteile zu bieten.
Quelle: FTD