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Heute u. a. zu folgenden Themen: Zum Euro-Gipfel; Wer, wenn nicht Deutschland; Ökonomenkritik; Warum die Empörten Recht haben; Empörte Ökonomen; Trotz Rentenerhöhung bleibt Altersarmut ein Problem; Nato will ohne Uno-Mandat in den Krieg; Alleinerziehende Hartz-Empfängerinnen oft in Ein-Euro-Jobs; Halbzeit-Bilanz: Schwarz-Gelb hat bei Demokratiereformen versagt; Aktuelle Stunde zum Grundsatzprogramm der Linkspartei; Der Kitt der Kanzlerin; 50 Jahre Almanya; If the Libyan war was about saving lives, it was a catastrophic failure; Schönfärberei bei Absolventen in Bachelor-/Masterstudiengängen; Steinbrück – Mediale Kandidatenkür; Zu guter Letzt: Steinbrück, Schmidt und Schachbrett-Gate: Komik statt Symbolik. (WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Zum Euro-Gipfel
  2. Wer, wenn nicht Deutschland
  3. Ökonomenkritik
  4. Pierre Larrouturou: Warum die Empörten Recht haben
  5. Empörte Ökonomen
  6. Sozialverband VdK: Trotz Rentenerhöhung bleibt Altersarmut ein Problem
  7. Nato will ohne Uno-Mandat in den Krieg
  8. Alleinerziehende Hartz-Empfängerinnen oft in Ein-Euro-Jobs
  9. Halbzeit-Bilanz: Schwarz-Gelb hat bei Demokratiereformen versagt
  10. Aktuelle Stunde zum Grundsatzprogramm der Linkspartei
  11. Der Kitt der Kanzlerin
  12. 50 Jahre Almanya
  13. If the Libyan war was about saving lives, it was a catastrophic failure
  14. Schönfärberei bei Absolventen in Bachelor-/Masterstudiengängen
  15. Steinbrück – Mediale Kandidatenkür
  16. Zu guter Letzt: Steinbrück, Schmidt und Schachbrett-Gate: Komik statt Symbolik

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Zum Euro-Gipfel
    1. Die Ergebnisse des Euro-Gipfels
      Die Agenturmeldungen finden Sie hier.

      Anmerkung WL: Es ist wie fast nach jedem „Gipfel“ zuvor, alle sind glücklich, alle sind zufrieden, der Durchbruch ist geschafft. In der deutschen Politik (mit Ausnahme der Linken) hört man nur Lob oder bestenfalls Verfahrenskritik (Sigmar Gabriel SPD) und die deutschen Medien stimmt ganz überwiegend in dieses Loblied ein, allenfalls hört man ein Grummeln, dass ja noch nicht alles geklärt sei. Merkel wird im öffentlich-rechtlichen ZDF geradezu als Heldin gefeiert. Wir haben bis auf die nachfolgenden Beiträge bislang keinen Artikel gefunden, der sie kritisch mit dem Gipfel auseinandersetzt, geschweige denn ins Detail der Sache geht.
      Wir wollen uns nicht ständig wiederholen, was wir von den Beschlüssen halten, konnten Sie schon vor dem Gipfel lesen. Siehe: EFSF-Hebelung – Einladung an Spekulanten mit eingebauter Sollbruchstelle.
      Oder Schulden streichen – gut gemeint, aber nicht ausreichend und Konsequenzen nicht durchdacht.
      Siehe auch: Gustav Horn „Alternative zu „Hebelung“ oder Schuldenschnitt”.

    2. Zu lasch, zu spät, zu harmlos
      Europa will seinen Banken die Daumenschrauben anlegen – europaweit brauchen sie mehr als 100 Milliarden Euro, um die zu erwartenden Vorgaben des Brüsseler Gipfels zu erfüllen. Das könnte auch für deutsche Banken bedeuten, dass sie vom Staat gestützt werden müssen. Geschehen soll das auf die gleiche Weise wie bei der letzten Bankenrettung im Jahr 2008: Man setzt zunächst darauf, dass die Institute viel Zeit bekommen, um sich das benötigte Geld am Markt zu besorgen und will danach bei Bedarf die Banken mit stillen Einlagen stützen – ohne im Gegenzug z.B. auf ihre Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen. Wie es besser geht, zeigt das Beispiel USA: Hier mussten die Institute 2008 harte Durchgriffsrechte der Aufsicht auf ihre Geschäfte akzeptieren. Am Ende lohnte sich das Modell für den Staat sogar – doch davon will man in Deutschland auch dieses Mal nichts wissen.
      Quelle: Monitor
    3. Mogelpackung: Der Hebel des Euro-Rettungsfonds
      Im Mai 2010 schuf man ihn als vorübergehende Maßnahme, dann wurde er zur Dauerlösung und zudem immer größer. Jetzt soll der Euro-Rettungsschirm mit einem Volumen von 440 Milliarden Euro auch noch „gehebelt“ werden, um ein Volumen von bis zu einer Billionen Euro zu erreichen. Eine Geldvermehrung der besonderen Art – aber mit besonderen Risiken. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Steuergelder für die Eurorettung fließen, steigt noch einmal beträchtlich. Gleichzeitig ändert auch der so vergrößerte Rettungsschirm nichts an den Ursachen der Eurokrise. Und schließlich sind Experten sicher, dass selbst der Hebel nicht ausreicht, um die Eurokrise wirklich zu beenden.
      Quelle: Monitor
    4. Eurokrise: Der Cont-Down des Versagens
      Insolvenzverschleppung Griechenland: Banken und Versicherungen hatten zwei Jahre Zeit, sich ihrer Griechenland Risiken zu entledigen. Der nun beschlossene Schuldenschnitt trifft in Deutschland vor allem den Steuerzahler. Die Brüsseler Beschlüsse beflügelten heute die Börsen. Die Bankwerte von Deutscher Bank und Commerzbank machten satte Kurssprünge.
      Quelle: Monitor
    5. So nicht !
      Die Anleger fordern Garantien für ihre Kredite, die Regierungen weigern sich zunächst, geben dann nach und sehen sich anschließend mit dem Zweifel konfrontiert, ob sie sich diese Garantien überhaupt leisten können. Damit gerät die Vertrauenskrise zu einem Dauer-Zirkel, der sich kurzfristig wohl nur durchbrechen ließe, wenn die Europäische Zentralbank als Garantin einspränge. Denn nur sie kann theoretisch unbegrenzte Summen aufwenden – mit all den Gefahren, die damit verbunden wären. Die Weigerung insbesondere Deutschlands, der EZB diese Rolle zuzuweisen, speist sich aus dem Optimismus, die Krise auch ohne diese ’nukleare Option’ beenden zu können.
      Daher sollen nun schärferes Sparen, ein Schuldenerlass für Griechenland, höhere Kapitalreserven für Banken und eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF den Finanzmärkten das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit Europas wieder einflößen. Ob dies klappt, ist zweifelhaft. Jede dieser Maßnahmen ist dazu angetan, das Misstrauen weiter zu befeuern.
      Denn mit dem Schuldenschnitt revidiert die Politik ihren alten Standpunkt, dass die radikalen Sparprogramme funktionieren. Mit der Rekapitalisierung der Banken widerspricht sie ihrer Versicherung, das Bankensystem sei stark genug. Mit der Ermächtigung des EFSF zur Stützung von Banken widerruft sie ihre Behauptung, diese Rekapitalisierung reiche aus, um die Banken krisenfest zu machen. Mit der Vergrößerung des EFSF kassiert sie ihr Urteil, bei der Krise handele es sich lediglich um das Problem einiger kleiner, unsolide haushaltender Staaten. Mit der Hebelung des EFSF auf immer neue Milliardensummen widerlegt sie ihre Behauptung, die Euro-Zone sei letztlich nicht in Gefahr.
      Quelle: FR
    6. Merkel schafft die Krise ab
      Wie verlässlich die »freiwillige« Bankenbeteiligung tatsächlich ist, ist jedoch nicht klar. Denn noch existiert kein formelles Verfahren, das solche Vergleiche mit Gläubigern für alle Institute verbindlich macht. Letztlich muss jede einzelne Bank dem Verzicht in Verhandlungen zustimmen. Für Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sind die Geldhäuser die Gewinner von Merkels »Rettungsaktion«: »Der 50prozentige Verzicht richtet sich nach dem ursprünglichen Wert der griechischen Staatsanleihen, nicht nach dem heutigen«, hieß es in einer Erklärung. Hätten die Banken ihre diese Papiere heute auf dem Markt verkauft, hätten sie lediglich ca. 40 Prozent des ursprünglichen Wertes erhalten. Nun würden ihnen 50 Prozent garantiert, für die die Steuerzahler aufkommen.
      Um den sogenannten Schuldenschnitt schultern zu können, sollen die Institute ihr Eigenkapital aufstocken. Mitte 2012 müssen sie ihre Kernkapitalquote auf mindestens neun Prozent erhöhen. Dafür sollen etwa 106 Mil­liarden Euro nötig sein, deutsche Banken müssen allerdings lediglich 5,2 Milliarden Euro beschaffen. Gelingt dieses nicht, springt in letzter Instanz der sogenannte Rettungsfonds EFSF ein.
      Die 17 Euro-Länder verständigten sich darüber, dem EFSF die Möglichkeit zu geben, über eine Billion Euro für angeschlagene Staaten und Geldinstitute zu mobilisieren. Aus den zur Zeit verfügbaren etwa 275 Milliarden des EFSF soll durch die Mobilisierung privaten Kapitals diese deutlich höhere Absicherungssumme werden. Doch dieser Mechanismus kann nur funktionieren, wenn die privaten Anleger mitspielen, die die riesige Summe aufbringen sollen. Um zu investieren, müssen sie bereit sein, gegen eine Risikoabsicherung durch den EFSF ihr Geld in unsichere Anleihen der krisengeschüttelten Länder aus dem Euro-Raum zu stecken.
      Quelle: junge Welt
  2. Wer, wenn nicht Deutschland
    Allerdings ist es ein grundlegend verändertes Europa, mit dem die Welt es von nun an zu tun hat. Das Machtgefüge in der Europäischen Union hat sich nachhaltig verschoben. Frankreich, das die europäische Einigung lange dominierte, ist auf Platz zwei hinter Deutschland abgerutscht. Das Tempo und die Methoden der Krisenbewältigung wurden und werden von Berlin vorgegeben. Weil sie die Modernisierung ihrer Wirtschaft und ihrer sozialen Systeme verschlafen haben, wurden die Franzosen von der Krise selber in Bedrängnis gebracht. Einem Frankreich aber, das um seine internationale Bonität fürchten muss, bleibt nichts übrig, als dem Kurs derer zu folgen, welche die wirtschaftliche Kraft und das finanzielle Potential haben, um den Euro aus der Gefahrenzone herauszuziehen…
    Die Krise hat aber nicht nur Deutschland in eine Lage katapultiert, in der es sich noch zurechtfinden muss. Sie hat die EU auch in Zonen unterschiedlichen Gewichts und Einflusses aufgeteilt. Damit läuft Europa Gefahr auseinanderzudriften. Der größte Riss, der sich durch die EU zieht, ist jener zwischen den Ländern, die den Euro haben, und denen, die ihn nicht haben. Letztere – und das sind überwiegend die neuen Mitglieder aus Osteuropa – spielen nur noch am Rande eine Rolle. Sie sind Zaungäste der europäischen Entwicklung geworden.
    Diktatur der Geldgeber
    Aber auch unter den Euro-Ländern hat sich eine Hierarchie gebildet. Denen, die wie die Griechen oder Portugiesen schon am Tropf des Rettungsfonds hängen, bleibt nichts anderes übrig, als sich dem Diktat der Geldgeber zu beugen. Anderen, die noch auf eigenen Beinen stehen, aber bald Hilfe brauchen könnten, geht es nicht nennenswert besser. So musste Italien dem demütigenden Verlangen nachgeben, seinen Euro-Partnern verpflichtend mitzuteilen, wann und wie es sein Haus in Ordnung zu bringen gedenkt.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Armes Europa! Nun darf es nach der deutschen „Reform“-Pfeife tanzen, die da klingt: Löhne senken, Sozialleistungen kürzen, (Unternehmen-)Steuern senken, privatisieren, Arbeitsmarkt flexibilisieren (d.h. Niedriglohnsektor ausweiten) etc. Und wenn diese „Reformen“, dann bei allen durchgezogen sind, dann ist der sog. Tribünen-Effekt eingetreten: Die Deutschen sind auf der Zuschauertribüne aufgestanden, um besser zu sehen, müssen auch die Franzosen, die Italiener aufstehen, zum Schluss stehen alle auf und keiner sieht besser als zuvor – nur erhebliche unbequemer.
    Oder: Wenn sich alle europäischen Länder durch Lohn- und Sozialdumping „wettbewerbsfähig“ gemacht haben, dann beginnt der Wettlauf von Neuem. Genauer müsste man sagen: Er hat schon begonnen, die Deutschen spielen mit den Anderen Hase und Igel: Wenn den Anderen schon die Zunge aus dem Hals hängt, rufen die Deutschen immer nur „ich bin schon längst da“.
    Die neoliberale Spirale nach unten in Europa hat seit Brüssel dramatisch an Tempo zugenommen.

  3. Ökonomenkritik
    Spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise ist die Ökonomenzunft in Verruf geraten. Die Liste der Vorwürfe ist lang. Realitätsferne Annahmen, falsche Prognosen, Modellfixiertheit und ein naiver Marktglaube sind nur einige davon.[…]
    Gefährlich wird es aber dann, wenn Ökonomen die universelle Gültigkeit der Marktgesetze postulieren, sie also auch dort anwenden, wo sie gar nicht mehr gelten oder schon längst außer Kraft gesetzt sind. Bestes Beispiel ist die Finanzkrise. Diese hätte es nach der neoklassischen Doktrin eigentlich gar nicht geben dürfen. […]
    Auch in der Finanzmarkttheorie mangelt es den Ökonomen an einer evolutorischen Perspektive. Sie übersahen so schlichtweg, welche Gefahren von einem sich aufblähenden Finanzsektor ausgehen können, dass Banken „too big to fail“ wurden. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, warum heute die Bilanzsumme von Großbanken größer sein muss als die Wirtschaftsleistung ganzer Industriestaaten. Und wie es dazu kommen konnte, dass die Finanzmärkte inzwischen mehr Macht haben als demokratisch gewählte Regierungen. Ihre Marktfixierung verstellt den Ökonomen aber auch den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus.
    Quelle: Spiegelfechter
  4. Pierre Larrouturou: Warum die Empörten Recht haben
    Am 19.Oktober 2011 bekräftigte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Frankfurt/M zu Recht, die Krise müsse an ihrer Wurzel und nicht nur an ihren Symptomen bekämpft werden. Die wirklichen Wurzeln der gegenwärtigen Krise aber sind 30 Jahre Massenarbeitslosigkeit und der Rückgang der Lohnquote am Volkseinkommen (Erich Preiser sah in diesem, von ihm „Heteronomes Sparen“ genannten makroökonomischen Sachverhalt die wichtigste Ursache der Weltwirtschaftskrise 1929; siehe Preisers „Grundzüge der Konjunkturtheorie“, Tübingen 1933).
    Durch zu niedrige Löhne und durch Arbeitslosigkeit ist die Verschuldung unserer Gesellschaften immer weiter gestiegen, Niedriglöhne und Arbeitslosigkeit sind nicht die Folge, sondern eine der wichtigsten Ursachen der Krise.
    Um aus der Schulden-Abhängigkeit heraus zu kommen, müssen Märkte reguliert und Spitzeneinkommen mit hohen Sätzen besteuert werden, vor allem aber muss die Arbeitslosigkeit bekämpft werden: nur wenn möglichst alle Arbeit (und Mitbestimmungsmöglichkeiten im Arbeitsbereich) haben, kann die Krise auf Dauer beendet werden (weil sie an ihrer Wurzel bekämpft wird).
    Quelle: Le Monde

    Siehe die Übertragung dieses Beitrags von Gerhard Kilper [PDF – 83.5 KB].

  5. Empörte Ökonomen
    Eine Streitschrift von Philippe Askenazy, André Orléan, Henri Sterdyniak u. Thomas Coutro
    Deutsche Übersetzung von Gerhard Rinnberger.
    Europäische Politiker haben aus der Krise, die durch die Exzesse der Finanzindustrie verursacht wurde, nichts gelernt. Zur Reduzierung der Defizite die durch die Bankenrettung und die Rezession verursacht sind, werden Anpassungsprogramme verfolgt, die wirtschaftliche Instabilität und soziale Ungleichheit erhöhen. Diese Politik im Interesse der Banken und des Finanzkapitals gefährden die Zukunft des europäischen Projekts.
    Entsetzt über diese Entwickung enstand das „Manifest empörter Ökonomen“. Es prangert zehn Fehlbehauptungen der aktuellen Debatte an und unterbreitet 22 Vorschläge für eine alternative Strategie.
    Quelle 1: Labournet [PDF – 123 KB]
    Quelle 2: FTD
  6. Sozialverband VdK: Trotz Rentenerhöhung bleibt Altersarmut ein Problem
    VdK-Präsidentin Ulrike Mascher spricht sich gegen Beitragssenkung aus

    “Auch wenn die Rentenerhöhung 2012 höher ausfallen soll als letztes Jahr, wird die Erhöhung wohl wieder ein Opfer der Inflation werden und kann bei weitem die Einbußen nicht ausgleichen, die die Rentnerinnen und Rentner in den letzten Jahren verkraften mussten”, kommentierte Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, die heute von der Deutschen Rentenversicherung in Würzburg prognostizierten Zahlen zur Rentenentwicklung 2012. Demnach könnten die Renten 2012 in den alten Bundesländern um 2,3 Prozent steigen, in den neuen Bundesländern um 3,2 Prozent. Mascher wies auf die aktuelle Preissteigerungsrate von 2,6 Prozent bin: “Inflationsbereinigt wird also kaum etwas von der Erhöhung übrig bleiben. Das heißt auch, dass trotz dieser Erhöhung Altersarmut in Deutschland ein Problem bleiben wird.”

    Die VdK-Präsidentin erneuerte deshalb ihre Forderung nach der Aussetzung des Riesterfaktors, der sich mit 0,65 Prozent Abzug nach wie vor bremsend auf die Rentenentwicklung auswirkt:

    “Die Rentnerinnen und Rentner würden damit endlich ein wenig für ihre jahrelange Geduld bei Nullrunden und Mini-Erhöhungen entschädigt werden.”

    Zur ebenfalls heute in Würzburg verkündeten Prognose, dass der Beitragssatz angesichts der Überschüsse der Rentenversicherung von bislang 19,9 auf 19,6 Prozent gesenkt werden soll, sagte die VdK-Präsidentin:

    “Diese minimale Beitragssenkung wird sich so gut wie gar nicht im Geldbeutel der Versicherten bemerkbar machen, in der Summe könnten die größeren Rücklagen der Rentenversicherung bei Beibehaltung des jetzigen Beitragssatzes aber sehr sinnvoll zur Bekämpfung von Altersarmut eingesetzt werden.”

    Diese Auffassung teilen auch 79 Prozent der Bundesbürger. Nach einer aktuellen Umfrage des Forsa-Instituts würde diese Mehrheit auf Beitragssenkungen verzichten, wenn mit den Überschüssen der Rentenkasse Maßnahmen gegen Altersarmut finanziert würden. Mascher:

    “Die Bundesregierung hat immer noch kein Konzept der Absicherung von Geringverdienern fürs Alter vorgelegt. In dieser Hinsicht haben wir nach Angaben der OECD eines der schlechtesten Systeme der Welt. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, das Geld dafür wäre jetzt da.”

    Quelle: Sozialverband VdK

    Anmerkung WL: „Stärkste Rentenerhöhung seit Jahren“ so oder so ähnlich lief die Jubelmeldung gestern den ganzen Tag über die Nachrichtensender und diese Schlagzeile dürfte man heute auch in allen Zeitungen lesen. Wenn man die Berichterstattung verfolgt so drängt sich der Eindruck auf, als hätte der „Schwarm“-Journalismus sein Gehirn ausgeschaltet oder er leide unter einem kollektiven Gedächtnisverlust. Im Oktober 2011 hatten wir in Deutschland eine Inflationsrate von 2,5%, diese dürfte im kommenden Jahr nicht niedriger liegen. Real, also an Kaufkraft bringt die „stärkste Rentenerhöhung“ für einen West-Rentner rein gar nichts.
    2011 hatten sich die Rentner mit einer bescheidenen Erhöhung von einem Prozent zufriedengeben müssen. 2010 hatte es als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise sogar noch eine Renten-Nullrunde gegeben. Siehe auch die Rentenanpassungen seit 2000.
    Bei einer durchschnittlichen Rentenauszahlung von 740 Euro bedeutet die mögliche Rentenerhöhung gerade mal etwa 17 Euro im Monat im Westen und etwas über 23 Euro im Osten.
    Daran, dass das Rentenniveau durch die „Reformen“ (Riestertreppe, Nachhaltigkeitsfaktor) erheblich gesenkt worden ist und noch weiter dramatisch bis auf 43 Prozent sinken wird, denkt wohl keiner der mehrheitlich nicht von der Rentenversicherung abhängigen Journalisten.
    Sicherungsniveau vor Steuern
    Quelle: ak-sozialpolitik [PDF – 228 KB]

    Geradezu lächerlich ist auch die Begeisterung, dass aufgrund des Überschusses in der Rentenkasse von 4,4 Milliarden Euro (Warum mussten dann eigentlich die Renten gesenkt werden?) der Beitragssatz von 19,9 auf 19,6 Prozent gesenkt werden könne.
    Der Präsident der Rentenversicherung, Herbert Rische, der eigentlich ein Interessenvertreter der Rentner sein müsste, feiert diese Senkung als einen „fairen Ausgleich zwischen den Generationen“.
    Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen laut Rische damit um jeweils 1,4 Milliarden Euro entlastet werden, der Bund um 700 Millionen.
    Rechnen Sie doch bitte nach, was für Sie eine Senkung des Beitragssatzes von 0,3 (!) Prozent monatlich mehr im Geldbeutel bringt. Und rechnen Sie diesen „Gewinn“ an wenigen Cent einmal dagegen, dass Ihre Rente in den nächsten Jahren (siehe die Grafik oben) geradezu abstürzen wird. Sie werden dann feststellen, wie sie mit solchen „Erfolgsmeldungen“ durch den Kakao gezogen werden.

  7. Nato will ohne Uno-Mandat in den Krieg
    Den Militäreinsatz in Libyen kann die Allianz als gelungen verbuchen – allerdings hing er nicht von einem Mandat des Uno-Sicherheitsrats ab. Nato-Generalsekretär Rasmussen sieht darin dennoch ein Modell für die Zukunft der Nato. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen macht künftige Auslandseinsätze der Militärallianz nach dem Modell der Libyen-Operation nicht von einem Mandat des Uno-Sicherheitsrats abhängig. Ein solches Mandat sei zwar wünschenswert, sagte Rasmussen am Donnerstag. Aber auch klare moralische Prinzipien könnten einen Einsatz legitimieren. Rasmussen sprach auf einer Tagung der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), einem Thinktank, der die Bundesregierung berät. Als Beispiel nannte der Generalsekretär den Kosovo-Krieg, in den die Nato 1999 ohne Votum der Uno zog.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Albrecht Müller hat dazu schon vor einigen Tagen das Notwendige gesagt:
    Die Nato zerstört, von handfesten Interessen und vom Geist rücksichtsloser Gewalt geleitet, die Menschen leiden.

  8. Alleinerziehende ALG-II-Empfängerinnen mit kleinen Kindern
    Oft in Ein-Euro-Jobs, selten in betrieblichen Maßnahmen
    Alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerinnen nehmen deutlich seltener an betrieblichen Trainings-maßnahmen teil als alleinstehende Hartz-IV-Empfängerinnen ohne Kinder. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Erst wenn das jüngste Kind der Alleinerziehenden mindestens fünfzehn Jahre alt ist, verschwindet der Unterschied in der Teilnahmewahrscheinlichkeit. In abgeschwächter Form gilt das auch für die Förderung durch Einstiegsgeld oder Eingliederungszuschüsse. Dabei sind solche Fördermaßnahmen besonders erfolgversprechend, wenn es darum geht, Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln.
    Quelle: IAB [PDF – 332 KB]
  9. Halbzeit-Bilanz: Schwarz-Gelb hat bei Demokratiereformen versagt
    • Verpasste Chancen bei Lobby-Transparenz, Nebeneinkünften und Parteienfinanzierung.
    • Direktdemokratische Flaute
    • Erfüllungsgehilfe der Banken statt Vertretung der Bürgerinnen und Bürger

    Quelle 1: LobbyControl
    Quelle 2: Pressekonferenz zur Halbzeit der schwarz-gelben Regierung von Mehr Demokratie, LobbyControl und attac [PDF – 104 KB]

  10. Aktuelle Stunde zum Grundsatzprogramm der Linkspartei
    Heute fand auf Antrag der Regierungskoalition eine aktuelle Stunde im deutschen Bundestag statt, in der das neue Grundsatzprogramm der Linkspartei kritisch erörtert werden sollte.
    Während es unvorstellbar wäre, vor dem Parlament im Grundsatz über die Programme der Union, der SPD, der FDP oder der Grünen zu debattieren, nahm niemand Anstoß daran, die Leitlinien der Linkspartei auf den parlamentarischen Prüfstand zu stellen.
    DIE LINKE hat angemessen auf diesen Affront reagiert: Statt sich beleidigt zu geben, erschien die Fraktion fast vollständig im Plenum und quittierte jedes Zitat aus dem Programm mit herzlichem Applaus und Rufen der Zustimmung.
    Quelle: der Freitag Community

    Anmerkung WL: Sie sollten sich wirklich einmal selbst einen Eindruck über das Niveau dieser Debatte machen. Eine „Sternstunde“ des Parlamentarismus ist z.B. der Beitrag der gänzlich unbekannten Nadine Schön (CDU/CSU) oder schauen Sie den geistigen Höhenflug des MdB Georg Nüßlein (CDU/CSU) oder als ein weiteres Beispiel für die das intellektuelle Niveau im deutschen Parlament von Heinz-Peter Haustein (FDP).
    Und vergleichen Sie das einfach mit der Verteidigungsrede des Abgeordneten Stefan Liebich (Die Linke).

  11. Der Kitt der Kanzlerin
    Es gibt in ihren Regierungsparteien eine Kontroverse, was in der Europapolitik noch richtig ist und was schon falsch. Die Kanzlerin hält sich in dieser Debatte alle Optionen offen. Sie lebt von einer Struktur des Parlamentarismus, der bis heute an den beschriebenen westdeutschen Traditionen anzuknüpfen versucht. Sie entwickelt dabei ein ausbeuterisches Verhältnis zur deutschen Nachkriegsgeschichte und zu deren Werteentscheidungen namens Westintegration und Soziale Marktwirtschaft. Sie sind der einzige Kitt, der ihren Regierungsladen einstweilen noch ideologisch zusammenhält. Ansonsten müsste sie nämlich im gleichen Moment als Kanzlerin ihre Entlassungsurkunde entgegennehmen. Sie kann sich nur noch auf eins verlassen: dass sich im Regierungslager noch niemand offen gegen die Westintegration und die Soziale Marktwirtschaft stellen wird.
    Quelle: Wiesaussieht
  12. 50 Jahre Almanya
    Vom Gastarbeiter, der nie ein Gast war.
    Vor 50 Jahren, am 30. Oktober 1961, begann die Geschichte vieler unserer türkischen Kolleginnen und Kollegen, die von Familie und Heimat Abschied nahmen, um in einem fremden Land zu arbeiten und Geld zu verdienen. An diesem Tag vereinbarte die Bundesrepublik Deutschland mit der Türkei das sogenannte „Anwerbeabkommen“. Damit sollten gezielt – und nach der ursprünglichen Konzeption auch befristet – Arbeitskräfte für die prosperierende deutsche Wirtschaft gewonnen werden. 50 Jahre danach fällt die Bilanz dieser deutsch-türkischen Geschichte zwiespältig aus. Es gibt große Integrationserfolge, aber es gibt auch noch viel zu tun.
    Quelle: DGB Gegenblende
  13. If the Libyan war was about saving lives, it was a catastrophic failure
    Nato claimed it would protect civilians in Libya, but delivered far more killing. It’s a warning to the Arab world and Africa.
    What is now known, however, is that while the death toll in Libya when Nato intervened was perhaps around 1,000-2,000 (judging by UN estimates), eight months later it is probably more than ten times that figure. Estimates of the numbers of dead over the last eight months – as Nato leaders vetoed ceasefires and negotiations – range from 10,000 up to 50,000. The National Transitional Council puts the losses at 30,000 dead and 50,000 wounded.
    Of those, uncounted thousands will be civilians, including those killed by Nato bombing and Nato-backed forces on the ground. These figures dwarf the death tolls in this year’s other most bloody Arab uprisings, in Syria and Yemen. Nato has not protected civilians in Libya – it has multiplied the number of their deaths, while losing not a single soldier of its own.
    Quelle: the guardian

    Anmerkung WL: Solche ernüchternden Informationen erhält man in deutschen „Qualitätsmedien“ kaum.

  14. fzs kritisiert Schönfärberei des BMBF und des HIS zur Absolvent*innensituation in den Bachelor-/Masterstudiengängen
    In der gestern veröffentlichen Studie und Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Hochschul-Informations-System GmbH wird betont, dass es für Bachelorabsolvent*innen keine Probleme gibt, einen Masterplatz zu bekommen oder auf dem Arbeitsmarkt einen Job zu finden.
    “Diese Schönfärberei ist blanker Hohn für alle, die gar keinen Masterplatz oder aber nicht ihren Wunschplatz bekommen haben. Immerhin betrifft das laut einer Studie des BMBF mehr als 10.000 aller Bachelorabsolvent*innen. Die Zahlen der Studien beziehen sich auf 2009. 2 Jahre später zeigt sich, dass deutlich mehr Studierende keinen Masterplatz bekommen. Diese Zahlen werden auch noch extrem in die Höhe gehen, denn die überbuchten und vollständigen Bachelorstudiengänge kommen erst noch. Daher muss das Studienangebot massiv ausgebaut werden. Gerade die Vielfalt von Zugangsbeschränkungen beschönigt die Masterbewerber*innenzahlen. Personen, denen der Zugang zum Master verwehrt wird, werden bisher von den Statistiken nicht erfasst.”
    Für viele Bachelorabsolvent*innen ist der Gang auf den Arbeitsmarkt auch kein einfacher Weg. “Wenn laut der Studie 72 % der Universitätsabsolvent*innen ein Masterstudium beginnen anstatt zu arbeiten, ist der Bachelorabschluss offensichtlich nicht berufsqualifizierend. Es muss am Master als Regelabschluss festgehalten werden. Die dauerhafte Schönfärberei behindert echten Fortschritt in der Studienreform.“
    Quelle 1: fzs
    Quelle 2: HIS-Studie, Studien- und Berufsperspektiven von Bachelorstudierenden in Deutschland [PDF – ]
  15. Steinbrück – Mediale Kandidatenkür
    Gewiefter Polit-Stratege trifft auf elder Statesman und freundliche Berichterstattung: Warum Peer Steinbrück seine Inszenierung als Kanzlerkandidat gerade so leicht fällt.
    Quelle: Zapp
  16. Zu guter Letzt:
    Steinbrück, Schmidt und Schachbrett-Gate: Komik statt Symbolik
    Im Kanzlerschaftsmentorenprogramm Schmidt-Steinbrück, das per “Spiegel” und “Jauch” geballt über das Land hereinbrach, präsentieren sich die beiden Genossen als Schachstrategen der Politk. Doof nur, dass ihr Buch mit einem Titelbild versehen ist, auf dem sie vor einem falsch aufgestellten Brett sitzen.
    Quelle: stern

    Auf dem Cover von “Zug um Zug” spielen Helmut Schmidt und Peer Steinbrück falsch, weil das abgebildete Schachbrett um 90 Grad gedreht ist.
    Zug um Zug

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