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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 28. Oktober 2011 um 8:49 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Heute u. a. zu folgenden Themen: Zum Euro-Gipfel; Wer, wenn nicht Deutschland; Ökonomenkritik; Warum die Empörten Recht haben; Empörte Ökonomen; Trotz Rentenerhöhung bleibt Altersarmut ein Problem; Nato will ohne Uno-Mandat in den Krieg; Alleinerziehende Hartz-Empfängerinnen oft in Ein-Euro-Jobs; Halbzeit-Bilanz: Schwarz-Gelb hat bei Demokratiereformen versagt; Aktuelle Stunde zum Grundsatzprogramm der Linkspartei; Der Kitt der Kanzlerin; 50 Jahre Almanya; If the Libyan war was about saving lives, it was a catastrophic failure; Schönfärberei bei Absolventen in Bachelor-/Masterstudiengängen; Steinbrück – Mediale Kandidatenkür; Zu guter Letzt: Steinbrück, Schmidt und Schachbrett-Gate: Komik statt Symbolik. (WL)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Es ist wie fast nach jedem „Gipfel“ zuvor, alle sind glücklich, alle sind zufrieden, der Durchbruch ist geschafft. In der deutschen Politik (mit Ausnahme der Linken) hört man nur Lob oder bestenfalls Verfahrenskritik (Sigmar Gabriel SPD) und die deutschen Medien stimmt ganz überwiegend in dieses Loblied ein, allenfalls hört man ein Grummeln, dass ja noch nicht alles geklärt sei. Merkel wird im öffentlich-rechtlichen ZDF geradezu als Heldin gefeiert. Wir haben bis auf die nachfolgenden Beiträge bislang keinen Artikel gefunden, der sie kritisch mit dem Gipfel auseinandersetzt, geschweige denn ins Detail der Sache geht.
Wir wollen uns nicht ständig wiederholen, was wir von den Beschlüssen halten, konnten Sie schon vor dem Gipfel lesen. Siehe: EFSF-Hebelung – Einladung an Spekulanten mit eingebauter Sollbruchstelle.
Oder Schulden streichen – gut gemeint, aber nicht ausreichend und Konsequenzen nicht durchdacht.
Siehe auch: Gustav Horn „Alternative zu „Hebelung“ oder Schuldenschnitt”.
Anmerkung WL: Armes Europa! Nun darf es nach der deutschen „Reform“-Pfeife tanzen, die da klingt: Löhne senken, Sozialleistungen kürzen, (Unternehmen-)Steuern senken, privatisieren, Arbeitsmarkt flexibilisieren (d.h. Niedriglohnsektor ausweiten) etc. Und wenn diese „Reformen“, dann bei allen durchgezogen sind, dann ist der sog. Tribünen-Effekt eingetreten: Die Deutschen sind auf der Zuschauertribüne aufgestanden, um besser zu sehen, müssen auch die Franzosen, die Italiener aufstehen, zum Schluss stehen alle auf und keiner sieht besser als zuvor – nur erhebliche unbequemer.
Oder: Wenn sich alle europäischen Länder durch Lohn- und Sozialdumping „wettbewerbsfähig“ gemacht haben, dann beginnt der Wettlauf von Neuem. Genauer müsste man sagen: Er hat schon begonnen, die Deutschen spielen mit den Anderen Hase und Igel: Wenn den Anderen schon die Zunge aus dem Hals hängt, rufen die Deutschen immer nur „ich bin schon längst da“.
Die neoliberale Spirale nach unten in Europa hat seit Brüssel dramatisch an Tempo zugenommen.
Siehe die Übertragung dieses Beitrags von Gerhard Kilper [PDF – 83.5 KB].
“Auch wenn die Rentenerhöhung 2012 höher ausfallen soll als letztes Jahr, wird die Erhöhung wohl wieder ein Opfer der Inflation werden und kann bei weitem die Einbußen nicht ausgleichen, die die Rentnerinnen und Rentner in den letzten Jahren verkraften mussten”, kommentierte Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, die heute von der Deutschen Rentenversicherung in Würzburg prognostizierten Zahlen zur Rentenentwicklung 2012. Demnach könnten die Renten 2012 in den alten Bundesländern um 2,3 Prozent steigen, in den neuen Bundesländern um 3,2 Prozent. Mascher wies auf die aktuelle Preissteigerungsrate von 2,6 Prozent bin: “Inflationsbereinigt wird also kaum etwas von der Erhöhung übrig bleiben. Das heißt auch, dass trotz dieser Erhöhung Altersarmut in Deutschland ein Problem bleiben wird.”
Die VdK-Präsidentin erneuerte deshalb ihre Forderung nach der Aussetzung des Riesterfaktors, der sich mit 0,65 Prozent Abzug nach wie vor bremsend auf die Rentenentwicklung auswirkt:
“Die Rentnerinnen und Rentner würden damit endlich ein wenig für ihre jahrelange Geduld bei Nullrunden und Mini-Erhöhungen entschädigt werden.”
Zur ebenfalls heute in Würzburg verkündeten Prognose, dass der Beitragssatz angesichts der Überschüsse der Rentenversicherung von bislang 19,9 auf 19,6 Prozent gesenkt werden soll, sagte die VdK-Präsidentin:
“Diese minimale Beitragssenkung wird sich so gut wie gar nicht im Geldbeutel der Versicherten bemerkbar machen, in der Summe könnten die größeren Rücklagen der Rentenversicherung bei Beibehaltung des jetzigen Beitragssatzes aber sehr sinnvoll zur Bekämpfung von Altersarmut eingesetzt werden.”
Diese Auffassung teilen auch 79 Prozent der Bundesbürger. Nach einer aktuellen Umfrage des Forsa-Instituts würde diese Mehrheit auf Beitragssenkungen verzichten, wenn mit den Überschüssen der Rentenkasse Maßnahmen gegen Altersarmut finanziert würden. Mascher:
“Die Bundesregierung hat immer noch kein Konzept der Absicherung von Geringverdienern fürs Alter vorgelegt. In dieser Hinsicht haben wir nach Angaben der OECD eines der schlechtesten Systeme der Welt. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, das Geld dafür wäre jetzt da.”
Quelle: Sozialverband VdK
Anmerkung WL: „Stärkste Rentenerhöhung seit Jahren“ so oder so ähnlich lief die Jubelmeldung gestern den ganzen Tag über die Nachrichtensender und diese Schlagzeile dürfte man heute auch in allen Zeitungen lesen. Wenn man die Berichterstattung verfolgt so drängt sich der Eindruck auf, als hätte der „Schwarm“-Journalismus sein Gehirn ausgeschaltet oder er leide unter einem kollektiven Gedächtnisverlust. Im Oktober 2011 hatten wir in Deutschland eine Inflationsrate von 2,5%, diese dürfte im kommenden Jahr nicht niedriger liegen. Real, also an Kaufkraft bringt die „stärkste Rentenerhöhung“ für einen West-Rentner rein gar nichts.
2011 hatten sich die Rentner mit einer bescheidenen Erhöhung von einem Prozent zufriedengeben müssen. 2010 hatte es als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise sogar noch eine Renten-Nullrunde gegeben. Siehe auch die Rentenanpassungen seit 2000.
Bei einer durchschnittlichen Rentenauszahlung von 740 Euro bedeutet die mögliche Rentenerhöhung gerade mal etwa 17 Euro im Monat im Westen und etwas über 23 Euro im Osten.
Daran, dass das Rentenniveau durch die „Reformen“ (Riestertreppe, Nachhaltigkeitsfaktor) erheblich gesenkt worden ist und noch weiter dramatisch bis auf 43 Prozent sinken wird, denkt wohl keiner der mehrheitlich nicht von der Rentenversicherung abhängigen Journalisten.
Quelle: ak-sozialpolitik [PDF – 228 KB]
Geradezu lächerlich ist auch die Begeisterung, dass aufgrund des Überschusses in der Rentenkasse von 4,4 Milliarden Euro (Warum mussten dann eigentlich die Renten gesenkt werden?) der Beitragssatz von 19,9 auf 19,6 Prozent gesenkt werden könne.
Der Präsident der Rentenversicherung, Herbert Rische, der eigentlich ein Interessenvertreter der Rentner sein müsste, feiert diese Senkung als einen „fairen Ausgleich zwischen den Generationen“.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen laut Rische damit um jeweils 1,4 Milliarden Euro entlastet werden, der Bund um 700 Millionen.
Rechnen Sie doch bitte nach, was für Sie eine Senkung des Beitragssatzes von 0,3 (!) Prozent monatlich mehr im Geldbeutel bringt. Und rechnen Sie diesen „Gewinn“ an wenigen Cent einmal dagegen, dass Ihre Rente in den nächsten Jahren (siehe die Grafik oben) geradezu abstürzen wird. Sie werden dann feststellen, wie sie mit solchen „Erfolgsmeldungen“ durch den Kakao gezogen werden.
Anmerkung WL: Albrecht Müller hat dazu schon vor einigen Tagen das Notwendige gesagt:
Die Nato zerstört, von handfesten Interessen und vom Geist rücksichtsloser Gewalt geleitet, die Menschen leiden.
Quelle 1: LobbyControl
Quelle 2: Pressekonferenz zur Halbzeit der schwarz-gelben Regierung von Mehr Demokratie, LobbyControl und attac [PDF – 104 KB]
Anmerkung WL: Sie sollten sich wirklich einmal selbst einen Eindruck über das Niveau dieser Debatte machen. Eine „Sternstunde“ des Parlamentarismus ist z.B. der Beitrag der gänzlich unbekannten Nadine Schön (CDU/CSU) oder schauen Sie den geistigen Höhenflug des MdB Georg Nüßlein (CDU/CSU) oder als ein weiteres Beispiel für die das intellektuelle Niveau im deutschen Parlament von Heinz-Peter Haustein (FDP).
Und vergleichen Sie das einfach mit der Verteidigungsrede des Abgeordneten Stefan Liebich (Die Linke).
Anmerkung WL: Solche ernüchternden Informationen erhält man in deutschen „Qualitätsmedien“ kaum.
Auf dem Cover von “Zug um Zug” spielen Helmut Schmidt und Peer Steinbrück falsch, weil das abgebildete Schachbrett um 90 Grad gedreht ist.
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