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Medien und Medienanalyse

„Die Hartz-Reformen verpuffen

Große Teile der Hartz-Reformen verfehlen ihr Ziel, die Arbeitslosigkeit zu senken. Einzelne Teile wirken sogar kontraproduktiv. Das ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Evaluierung der Reformpakete Hartz I bis III durch eine Reihe von Forschungsinstituten im Auftrag der Bundesregierung.“ Meldet das Handelsblatt am 26.12.2005.
Grundlage dieses Urteils ist ein mehrere tausend Seiten umfassendes Gutachten verschiedener Forschungsinstitute. Wieder wurde eine Menge Geld ausgegeben, um etwas festzustellen, was wir schon lange wissen. Durch Erfahrung und durch Zeitung- beziehungsweise NachDenkSeiten-Lesen. Nur unsere führenden Köpfe wissen es nicht und wollen es offenbar nicht wissen. Dazu eine kleine Dokumentation.

Die Primitivität der öffentlichen Debatte ist offenbar noch steigerungsfähig

Herausragender Beleg für diese Entwicklung ist die Weihnachtansprache des Bundespräsidenten. Am Weihnachtsfeiertag kam uns auch ein Beitrag von Gert G. Wagner zu Familie, Elterngeld und Erziehung auf den Tisch. Wer sich dafür interessiert, auf welchem dürftigen Niveau sich die öffentliche Debatte zu wichtigen Themen vollzieht, sollte sowohl die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten als auch diesen Beitrag lesen. Auszüge:

Elterngeld – ein Kommentar in der Frankfurter Rundschau, aus dem ich nicht schlau werde

1975 waren Sozialdemokraten stolz darauf, dass sie die ungerechten Kindersteuerfreibeträge, mit denen dem Staat die Kinder gut verdienender mehr wert waren als jene der Normalverdiener, ersetzt haben durch ein gleiches Kindergeld für alle. Das nannte man damals Fortschritt. Ich wüsste nicht, warum sich diese Wertung geändert haben sollte. Und dennoch will die SPD-Führung in der jetzigen Koalition das Elterngeld durchsetzen, mit dem ein neues Kind mit 67% des letzten Gehaltes, maximal 1800 € im Monat, entgolten wird.

Die EU-Kommission – eine Versammlung von Ignoranten.

Man kann das beim besten Willen nicht anders sehen. Heute kam mir eine Presseerklärung der EU-Kommission zum Thema „Fernsehen ohne Grenzen“ auf den Tisch. Siehe unten. Da rühmt sich die EU-Kommissarin Reding der Verabschiedung neuer Regeln. In diesem Dokument wird sichtbar, dass auch diese Vertreterin Europas in der Kommission, was immerhin so etwas wie die europäische Regierung ist, keine Ahnung von der Problematik des Vielfernsehens und seiner Kommerzialisierung hat. Keine Ahnung von wissenschaftlich erhobenen Folgen: Verblödung und Erhöhung der Gewaltbereitschaft.

Die Realität der Folter und unser Glaube an die Worte von Condoleeza Rice

Die Frankfurter Rundschau hat heute die Folter und das Verschwinden von Menschen zum Thema des Tages gemacht. Im folgenden die Links zu zwei der Beiträge auf dieser Seite. Mit zur bundesrepublikanischen Realität gehört die unerhörte Reaktion unserer Offiziellen. Soviel wissen wir jetzt: Man kann auch als deutscher Staatsbürger von der Bildfläche verschwinden, ohne dass sich unsere Offiziellen darum kümmern. Im Gegenteil. Und sie lernen nichts daraus. Unten finden Sie auch einen Link zu einem Schreiben des neuen Generalsekretärs der SPD an interessierte Mitglieder.

Deutschlandradio Kultur – muss dieser Niedergang sein?

J. Kiehl macht uns auf einen typischen Beitrag aufmerksam:

Der heutige Deutschlandradio-Beitrag “Die deutsche Krankheit” von der DuMont-Berlin-Korrespondentin Monika Zimmermann ist schon ein Musterbeispiel fuer das, was Mueller als “Nachplapperei statt Analyse” geisselt. Besonders provozierend ist der klassenkaempferische Unterton des Beitrags. – Ich schicke Ihnen hier den Beitrag (aus dem Webangebot des Senders) und meinen “Hoererbrief” dazu, den ich eben an Deutschlandradio geschickt habe.

Danke. Wir geben das weiter, weil man an dem Beitrag zeigen kann, welches schamlos niedrige Niveau die Agitatoren der Reformen inzwischen erreicht haben.

Quelle 1: DRadio-Beitrag “Die deutsche Krankheit” [PDF – 72 KB]
Quelle 2: “Hörerbrief” von J. Kiehl [PDF – 18 KB]

Otto Brenner Stiftung verlieh Preise für kritischen Journalismus

Die Gegenbewegung regt sich. Am 23 November hat die Stiftung den Otto Brenner Preis 2005 verliehen. Ausgezeichnet wurden Journalistinnen/en für kritische Beiträge und gute Recherchen. Es war eine hochinteressante Veranstaltung, weil hochinteressante journalistische Arbeiten ausgezeichnet wurden. Schade, dass die Kolleginnen und Kollegen von Phoenix zum Beispiel, die sonst Zeit für den letzten Schrott der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft haben, für dieses Ereignis keine Zeit hatten. Wir dokumentieren das Programmheft, in dem die Arbeiten der ausgezeichneten Journalistinnen/en vorgestellt und in Ausschnitten wiedergegeben werden.

„Der Big Bang steht noch bevor

OFFSHORING (I) Der Job-Export zerstört die Innovationskraft ganzer Volkswirtschaften“
Freitag 47, 25.11.05
Ein Hinweis mit einem längeren Kommentar: Der Beitrag von Wolfgang Müller im FREITAG ist ein gutes Beispiel dafür, zu welchen Fehlschlüssen es führen kann, pars pro toto zu nehmen (also vom Teil auf das Ganze zu schließen). (KR/AM)

Eine ganze Zeitungsseite, ohne inhaltlich etwas zu sagen.

Die Frankfurter Rundschau brachte gestern ein Interview mit Matthias Platzeck. Er behauptet in diesem Interview, unsere Gesellschaft sei nun mal im Umbruch. Aber er sagt weder, wohin die Reise geht, noch wie die Antwort des Vorsitzenden der SPD aussieht. Die Tiefe der inhaltlichen Festlegung wird durch Sätze beschrieben wie: „Der Sinn des Lebens liegt für mich im Miteinander.“ Oder, auf die Frage, wofür Platzeck stehe: „Für eine Politik, die wirtschaftliche Dynamik und gesellschaftlichen Zusammenhalt vereint.“ Mit Recht kommentieren die Interviewer diese Antwort mit: „Wieder wolkig.“
Das Interview ist lesenswert, weil es dokumentiert, welches unbeschriebene Blatt der SPD-Parteitag in Karlsruhe mit 99,4% der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt hat. Außerdem sagt Platzeck auch in diesem Interview, er finde Schröders Politik richtig, hätte sich nur gewünscht, dass alles schon 1999 angepackt worden wäre und nicht erst 2003.

Quelle: FR

Nicht einmal eine Schamfrist: Gerhard Schröder wird Berater eines Medienkonzerns.

In einem Beitrag von Albrecht Müller vom 22.11.05 heißt es:

Wundern brauchte man sich auch nicht, wenn er jetzt sprichwörtlich die „Dividende“ von denen einfährt, die von seiner „Reformpolitik“ profitiert haben.

Ich habe ihn vor dieser Aussage gewarnt, weil ich das zu abgeschmackt fand. Ich muss ihm Abbitte leisten. Schon am Tag als der Altkanzler aus dem Bundestag ausscheidet, verkündet er einen neuen Job. Schröder wird laut FAZ.NET Berater des höchst profitablen, in der Schweiz ansässigen Ringier-Verlages, der sein Geld mit Boulevard-Zeitungen und Yellow-Press macht und in Deutschland das Zeitgeistmagazin Cicero herausgibt. Jetzt werden also doch die „Dividende“ kassiert und es wir nicht der letzte Beratervertrag sein. Wie sagte Schröder doch in seiner Abschiedsrede vor der SPD: Er sei jetzt „solidarisch, aber frei“. Frei also, jede Menge Geld zu verdienen und man weiß jetzt auch, wem seine Solidarität (schon immer) gehörte.

Quelle: FAZ

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik legt ein Sondermemorandum zum Koalitionsvertrag vor

Einmal mehr haben die Medien von dem wohlfahrtstheoretisch, keynesianisch orientierten wirtschaftspolitischen Alternativmodell der Wirtschaftswissenschaftler, die sich in der „Memorandum-Gruppe“ zusammengeschlossen haben, kaum Kenntnis genommen. Das ist nicht nur ein weiteres Beispiel für die einseitig ausgerichtete Berichterstattung sondern auch ein Beleg für die mangelnde Breite, ja Borniertheit der ökonomischen Diskussion in Deutschland. Die Gutachten des Memorandums werden stets mit dem Hinweis geblockt, sie hielten nur an überholten ökonomischen Lehren fest und böten immer nur das Gleiche. Selbst wenn das richtig wäre: Sind die Rezepte der Mainstreamökonomie nicht schon längst von der Realität widerlegt und bieten sie nicht viel eher immer nur das Gleiche oder allenfalls eine Erhöhung der Dosis der immer gleichen Rezepte?

Quelle: memo – Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik [PDF – 160 KB]

Franz Walters Tipps für die Große Koalition in der FR sind fragwürdig

Von Franz Walter konnten wir in letzter Zeit immer mal wieder weiterführende Essays lesen. Von dem heute in der Frankfurter Rundschau abgedruckten Beitrag lässt sich das nicht sagen. Ich muss vielem widersprechen und habe dazu Texteile von Franz Walter kommentiert, jeweils mit „AM:“ gekennzeichnet und kursiv geschrieben.

Was ist Glaubwürdigkeit? Sagen, was man tut und tun, was man sagt!

Ich wollte eigentlich zur Verabschiedung Gerhard Schröders als amtierender Kanzler auf dem Bundesparteitag der SPD nichts schreiben. Ich gönne ihm als mir langjährig bekannten Menschen den Jubel und die Rührung zu seinem Abschied. Obwohl ich politisch mit ihm in vielen Dingen überhaupt nicht übereinstimme, will ich gerne respektieren, dass jemand, der das Amt des Bundeskanzlers sieben Jahre ausgeübt hat, bis zur Unmenschlichkeit gefordert, ja überfordert wurde. Allein sein Nein zum Irakkrieg und die Anfeindungen, die er aushalten musste, gehören zu seinen historischen Verdiensten.
Ich will diesmal auch gar nicht seine Abschiedsrede inhaltlich kritisieren, sondern nur sagen was mir dabei klar geworden ist. Ich meine nämlich endlich wirklich erkannt zu haben, worin das viel zitierte „Vermittlungsproblem“ der Regierung Schröder lag: Es ist das Auseinanderklaffen von Reden und politischem Handeln.

Nachtrag Wortlaut der Franziska-Augstein-Rede

Wir werden darauf aufmerksam gemacht, dass der „Tagesspiegel“ den entsprechenden Auszug von Franziska Augsteins Rede im Wortlaut schon gedruckt hat.

Man kann von dem Chefredakteur des „Spiegel“ halten, was man will. Die Berufsbeschreibung des Chefredakteurs und die des Heiligen decken sich nicht. Ein objektiver Befund ist aber, dass unter der Ägide des jetzigen „Spiegel“-Chefredakteurs das Blatt seinen Platz als Leitmedium verloren hat. (…) Der Akzent auf Wirtschaftsthemen, die Vernachlässigung politischer Entwicklungen und Probleme zugunsten der Personalisierung, die Verlagerung auf die so genannten weichen Themen: All dies kennzeichnet heutzutage den „Spiegel“ und hat das Magazin zu einem geschwätzigen Blatt unter anderen gemacht. Der Fisch stinkt vom Kopf. Sie kennen das Sprichwort. Wenn das Blatt, das bisher Standards setzte, diese Standards freiwillig aufgibt, haben andere Zeitungen und Magazine keinen Grund, sich mehr um Ernsthaftigkeit, Ausführlichkeit und Problemdurchdringung zu bemühen. Der Aufwand an Zeit und Geld lohnt sich nicht: Die Konkurrenz ist ja weggefallen. (…)

Lesen dazu auch unseren Beitrag von 11:38 Uhr.