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Parteien und Verbände

Ex-MdB Kuhlwein zur SPD-Programmdebatte

Der frühere Bundestagsabgeordnete Eckart Kuhlwein hat sich als Vertreter der SPD Schleswig-Holsteins zu den Beck’schen Leitsätzen zum Grundsatzprogramm der SPD geäußert. Wir übernehmen den Text in “Andere interessante Beiträge“, weil dies andere Leser der NDS interessieren könnte.

Angela Merkel auf dem DGB-Kongress: Ehrliche Analyse, aber stures Festhalten an den alten Rezepten

Das muss man der Kanzlerin einräumen, ihre Rede auf dem DGB-Bundeskongress war ehrlicher in der Beschreibung der Realitäten in diesem Lande und zurückhaltender in der „Reformrhetorik“ als die „ex Cathedra“ -Verkündigungen des Bundespräsidenten. Das war schon ein mutiges Eingeständnis von Angela Merkel, „Menschenwürde“ und „Soziale Marktwirtschaft“ hätten „nur noch in Teilen etwas mit unserer Realität zu tun.“ Aus dieser Einsicht folgte aber nichts als das sture Festhalten an den alten Rezepten.
Die Rede war aber ein Musterbeispiel für die Unfähigkeit der Regierung, ihren eingeschlagenen Kurs selbstkritisch zu hinterfragen.

Die „Bundespräsidenten-Partei“ stellt auf dem DGB-Bundeskongress ihr Parteiprogramm vor

Guido Westerwelle wurde nicht eingeladen, weil er die Gewerkschaften als „Plage“ beschimpft hat. Horst Köhler, im Hauptamt Bundespräsident, hat aber mit seinem auf dem Gewerkschaftskongress vorgetragenen „Parteiprogramm“ den FDP-Vorsitzenden mehr als gut vertreten. Köhler entwickelt sich zur einzigen öffentlich wahrgenommenen liberalen Oppositionspartei gegenüber der Großen Koalition. Dass sein Traum einer schwarz-gelben Bundesregierung am demokratischen Wählervotum gescheitert ist, hindert ihn nicht daran, sein liberales Programm weiter gegen die Regierung und gegen die Mehrheit im Parlament zu vertreten.

Die Chefs von AWO, Diakonie und Rotem Kreuz und der Kommunalverbände plädieren in einem Brief an die Große Koalition für eine Senkung der „passiven Leistungen“ bei Hartz IV

Die Chefs dieser Verbände fordern – angeblich in „persönlichen Erklärungen“ -, „die gegenwärtigen Anspruchsgrundlagen und –voraussetzungen“ zu überprüfen. Diese verringerten nämlich den „Anreiz zur Arbeitsaufnahme“. Den Chefs der Wohlfahrtsverbände und Kommunen kann es da – angesichts der Arbeitsmarktlage – wohl kaum um eine „Arbeitsaufnahme“ auf dem regulären Arbeitsmarkt gehen, sondern eher darum, den Druck auf die Arbeitslosen zur Annahme von 1-Euro-Jobs gerade auch bei ihren Organisationen zu erhöhen. Schließlich verdienen sie an den ihnen erstatteten Verwaltungskosten für die 1-Euro-Jobber reichlich Geld und können unter dem Mantel der Wohlfahrt billigste Arbeitskräfte ausnutzen. Bei der Nächstenliebe sind sich eben auch die Chefs der Wohlfahrtsindustrie selbst am nächsten.

Außerordentlicher Parteitag der SPD: Ohne Fenster nach draußen

Im „Estrel Convention Center“ im Stadtteil Neukölln, dem Armenhaus Berlins, hat die SPD mit 95,07 % der Delegiertenstimmen Kurt Beck zum Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen abgetretenen Matthias Platzeck als dritten SPD-Vorsitzenden innerhalb von zwei Jahren gewählt.
Oh hätten sich die Delegierten, statt sich in einen Edel-Bunker zurückzuziehen, sich einmal in diesem Berliner Stadtteil umgesehen oder die nahe gelegene Rütli-Schule besucht, dann hätten sie einen realistischeren Blick auf die Größe der „Baustelle“ (Beck) werfen können, vor der die Sozialdemokratie steht! Aber der fensterlose Saal ließ keinen Blick nach draußen zu, das war geradezu symbolisch: Beck zog als letzter vorzeigbarer Kandidat alle ihm zur Verfügung stehenden Register, um die „Seele der Partei“ zu streicheln, aber die Wirklichkeit des Landes und der Politik der SPD in der Großen Koalition blieben außen vor. Von der „Kraft der Erneuerung“, dem Motto des Parteitags, war wenig zu spüren.

Mittelmaß und Irreführung bei Steinbrück und SPIEGEL

Den folgenden kurzen Text einer Vorabmeldung des SPIEGEL 19/2006 sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe ihn gelesen, weil ich dachte, ich fände irgend einen Hinweis zur Begründung der Behauptung in der Überschrift: „Steinbrück hält Sozialstaat für nicht zukunftsfähig.“ Nichts davon. Ansonsten an vielen Ecken bar jeder Logik: Was hat die Pflicht zur Arbeit mit dem Sozialstaat zu tun? Hindert der Sozialstaat die Menschen daran zu arbeiten? Es fehlt eher an Arbeitsplätzen, als am Willen zur Arbeit. Vielleicht haben die Redakteure von SpiegelOnline falsch zusammengefasst. Am Montag werden wir sehen. Heute schon mache ich auf unseren Tagebucheintrag vom 5.5. aufmerksam. Das war das Interview in der taz mit dem schwedischen Sozialwissenschaftler Palme. Der Vergleich der beiden Texte belegt einmal mehr: Wir leiden unter der Mittelmäßigkeit unsere Eliten.

Rudolf Hickel: Zum Tod von John Kenneth Galbraith am 30.4.2006

John Kenneth Galbraith, das Ökonomen-Genie aus den USA ist im Alter von 97 Jahren gestorben. Der durch den Börsenkrach von 1929 stark geprägte Ökonom, Sozialkritiker, Berater der Präsidenten Roosevelt und Kennedy sowie Diplomat schrieb über 33 Bücher und eine kaum zu überschauende Flut an Aufsätzen. In seinem berühmt gewordenen Buch „The affluent society “von 1958 warnte er be reits vor einer heute in Deutschland aktuellen Politik der Spaltung zwischen „öf fentlicher Armut und privaten Reichtum“. Auch die ökologischen Folgen des ent fesselten Wirtschaftswachstums kritisierte er bereits in den 1950er Jahren. Als echter Liberaler, der die Chancengleichheit unabhängig vom sozialen Status herstellen wollte, gilt er heute als profiliertester Kritiker des Neoliberalismus.

WSI-Tarifhandbuch 2006 – Abschied vom Flächentarifvertrag? Das deutsche Tarifsystem im Umbruch

Die Tarifbindung gehe seit Mitte der 90er Jahre zurück. Die Tariflandschaft und auch die Tarifverträge unterliegen einem starken Wandel. Differenzierung und Dezentralisierung sind die beiden Trends, die das Tarifsystem grundlegend verändern. “Diese Entwicklung stellt die Tarifpolitik der Gewerkschaften vor grundlegende Herausforderungen”, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung, Dr. Reinhard Bispinck, bei der Vorstellung des neuen WSI-Tarifhandbuchs 2006 in Berlin. “Gefordert ist eine neue Verknüpfung von Tarif- und Betriebspolitik, um die sich die Gewerkschaften in vielen Bereichen bemühen. Das Tarifsystem kann und muss aber auch gesetzlich stabilisiert werden”.

Programmdebatte in der SPD. Sorge über den vorsorgenden Staat

Das Wort „Sorge“ hat laut Duden im Deutschen zwei Grundbedeutungen: Einerseits „Unruhe, Angst, quälender Gedanke“; andererseits „Bemühung um Abhilfe“. Ob die zu „Aktivierenden“ bei dem neuen Leitbegriff des SPD-Grundsatzprogramms in Angst ausbrechen oder auf quälende Gedanken kommen müssen oder ob sich die zukünftige Politik der SPD wirklich um Abhilfe bemühen will und kann, da ist Sorge angebracht.
Man will ja vom „nachsorgenden Staat“ abgehen. Hatten wir, bevor der neue Begriff „vorsorgender Staat“ erfunden wurde, etwa einen Nachsorgestaat? Hatten wir nicht vielmehr einen Sozialstaat, der soziale Sicherheit vor den elementaren Lebensrisiken gewährleisten sollte? Was für ein Menschenbild steckt dahinter, wenn der Staat seine Bürger „aktivieren“ soll? Sind diejenigen, die bisher solidarische Hilfe benötigten etwa zu „inaktiv“, z.B. zu wenig aktiv, um wieder in Arbeit und zu Lohn zu kommen? Ist der „vorsorgende Staat“ vielleicht ein Rückfall in den „fürsorglichen“ (also karitativen, vormodernen) Staat? Mit ziemlicher Sicherheit kann man jetzt schon sagen, dass der „vorsorgende Staat“ kein Schritt hin zur Begründung eines „sozialen Grundrechts“ ist, wie das dem skandinavischen Modell vom Wohlfahrtsstaat entspräche. Wolfgang Lieb.

Zur Programmdebatte der SPD siehe die Süddeutsche Zeitung, aber auch die Besorgnis in der Internet-Zeitung www.wahl-stimmen.de.

„DIE SPD VERABSCHIEDET SICH ENDLICH VON SCHRÖDERS STEUERPOLITIK“

„Modernität kostet Geld“ – schreibt die taz heute. Nun gut, wir freuen uns über jede Wende zur Vernunft. Wenn die SPD jetzt kapiert, was ihre Altvorderen schon vor 30 Jahren wussten – nur Reiche können sich einen armen Staat leisten – dann soll uns das Recht sein, auch wenn das Wort „Modernität“ bei der taz und vermutlich auch bei der SPD nicht mehr zu vermeiden ist. Dass Bildung und Chancengleichheit und eine gute Infrastruktur Geld kosten, ist klar und nichts Neues. Was das mit „Modernität“ zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht, macht aber nichts. Dass die SPD und mit ihr die Grünen und vor ihr die konservativen Parteien glaubten, das Ideal sei der „schlanke Staat“, entpuppt sich als teurer Denkfehler.

Dettling in der FR – am interessantesten ist, was nicht geschrieben steht.

Die SPD braucht ein neues Godesberg
Vor fast fünfzig Jahren betrieben beherzte Sozialdemokraten in Bad Godesberg eine grundlegende Renovierung ihrer Partei. Auch heute steht die SPD vor großen Problemen, in ihren eigenen Reihen und in der Gesellschaft. Jetzt muss sie sich bewegen. Von Warnfried Dettling

Das ist der Vorspann zu einem Beitrag in der Rubrik „Standpunkte“ der Frankfurter Rundschau vom 22.4.

Was uns der Autor oder die Frankfurter Rundschau leider nicht mitteilt: Dettling war 10 Jahre lang Leiter der Planungsgruppe und der Hauptabteilung Politik der CDU, er ist eng mit der Bertelsmann-Stiftung verbunden, zum Beispiel publiziert er im Verlag Bertelsmann-Stiftung, wird dabei vermutlich gefördert und ist Fellow der Bertelsmann Tochter für die politische Agitation CAP (Centrum für angewandte Politikforschung in München), und Dettling ist zum Beispiel von den Netzwerkern der SPD schon früh als eine Art Katalysator für die konservative Modernisierung der SPD benutzt worden.