Furcht vor einem Politikwechsel
Die Medienkampagne in Hessen und der Fall Ypsilanti(s)
Erste vorläufige Deutungen von Jutta Roitsch.
Die Medienkampagne in Hessen und der Fall Ypsilanti(s)
Erste vorläufige Deutungen von Jutta Roitsch.
Der NDS-Leser T. Weber von www.demokratie-ist-wichtig.de macht zur Analyse vom 19. Januar „Die SPD-Führung steht vor dem strategischen Nichts“ eine wichtige Anmerkung, die wir schon aus Gründen der Fairness zustimmend zur Kenntnis geben. Er ergänzt die Feststellung, die SPD sei wesentlich fremdbestimmt:
Ganz Ähnliches gilt für die CDU, und speziell für Frau Merkel. Der Kurs von Friede Springer (siehe die aktuellen Äußerungen zum Nahost-Krieg), der Kurs von Liz Mohn (eigentlich alles, was Bertelsmann seit Jahren vertritt), der Kurs etwa der Initiative D21 (“Wir brauchen Breitband für alle”), all dies wird ungeprüft nachgebetet. – So recht Sie also haben, wenn Sie die SPD als neoliberales Marionettentheater portraitieren: Vergessen Sie bitte die CDU nicht!
Ich ergänze seine Hinweise mit einigen weiteren Stichworten und füge dann am Ende als Anlage auch noch eine Ergänzung zum Beitrag vom 19. Januar über die SPD-Strategie und die Medien an. Albrecht Müller.
Das könnte einem egal sein, wenn unser Land nicht dringend einer politischen Alternative bedürfte. Wenn gerade in einer so kritischen Situation wie der Finanzkrise Sanktionen gegenüber den Hauptverantwortlichen wie gestern in Hessen ausbleiben, weil es keine erkennbare Alternative gibt, dann geht uns das alle an. Deshalb ist es nicht nur eine Angelegenheit der SPD-Führung, über das Scheitern ihrer bisherigen Strategie Rechenschaft abzulegen. Wir hocken nolens volens mit im Boot. Eine ehrliche Analyse ist die erste Voraussetzung für eine Korrektur. Albrecht Müller
Die CDU hat mit 37,2% (+ 0,4%) ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1966 kaum verbessert. Schwarz und Gelb sind zusammengerückt. In der tiefsten Krise des Wirtschaftsliberalismus haben die Wirtschaftsliberalen mit + 6,8% den größten Stimmenanteil (auf insgesamt 16,2%) hinzugewonnen. Die SPD und ihre Wählerschaft sind „mittendurch zerrissen“ (Schäfer-Gümbel) und mit minus 13% auf einen historischen Tiefstwert von 23,7% gesunken.
Die Große Koalition hat in Hessen verloren und im Bundesrat keine Mehrheit mehr; die FDP wird die CDU und damit auch die Bundesregierung weiter nach rechts drängen. Der schwarz-gelbe Bundespräsident Köhler hat in der Bundesversammlung eine sichere Mehrheit für seine Wiederwahl. Mit dem Wiedereinzug der Linken in den Landtag hat sich das Fünfparteiensystem etabliert. Immer weniger Wahlberechtigte gehen zur Wahl, weil sie keine Hoffnung auf einen Wechsel des politischen Kurses mehr haben. Die Kampagne der Konservativen gegen die Glaubwürdigkeit der SPD im Hinblick auf deren Abgrenzung zur Linken geht weiter. Solange die Bundes-SPD in diesem strategischen Dilemma verharrt, wird sie weiter verlieren. Das sind die ernüchternden Ergebnisse. Wolfgang Lieb
Falls Sie Hessinnen und Hessen kennen, die noch an die Bedeutung des „Wortbruchs“ für Ihre Wahlentscheidung glauben, sollten Sie ihnen vielleicht geben oder mailen, was Urban Priol dazu meint. Vielleicht können Sie damit noch jemanden überzeugen, wählen zu gehen und Koch nicht den Gefallen der Enthaltung zu tun. Urban Priol ist zwar kein Politiker, sondern nur ein kluger Mann. Übrigens: Am 27.1. 23.15 Uhr zusammen mit Georg Schramm wieder auf Sendung. Albrecht Müller.
Vor wenigen Tagen hat Kanzlerkandidat Steinmeier einen „Wachstums- und Stabilitätspakt“ der SPD verkündet und in die Koalitionsgespräche eingebracht. Auf welchem Niveau die Koalitionsrunde über dieses Konzept diskutierte, hat die Süddeutsche Zeitung plastisch beschrieben.
Dass die von Steinmeier aus dem Hut gezauberten Vorschläge zur Bekämpfung der Rezession aber nicht wirklich ernst gemeint waren, sondern vor allem darauf abzielten, möglichen SPD-Wählern ein bisschen roten Sand in die Augen zu streuen, zeigte sich im Verlauf dieser Woche. Die SPD räumte ohne den geringsten Widerstand eine sozialdemokratische Position nach der anderen wieder ab. Wolfgang Lieb
Der Gewerkschaftsrat der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat bereits am 5. Dezember 2008 einen beachtenswerten Beschluss gefasst. Er analysiert aus gewerkschaftlicher Sicht die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise und zieht den Schluss: “ver.di tritt gemeinsam mit anderen Gewerkschaften, sozialen Kräften und Bewegungen für einen grundlegenden Politikwechsel ein – in Deutschland und im Weltmaßstab. Der Neoliberalismus muss auch in der politischen Praxis und den Strukturen der Staaten, der EU und der internationalen Institutionen überwunden werden.” Damit nimmt sich ver.di viel vor. Die Probleme, um die es geht, und die Veränderungen, die dringend notwendig sind, verlangen in der Tat nach einer breit aufgestellten Aktion. Hermann Zoller
Der ehemalige MdB Peter Conradi, der sich schon beim Hamburger Parteitag der SPD im Oktober 2007 gegen die Privatisierung der Bahn geschlagen hatte, hat einen entsprechenden Antrag für den Wahlprogrammparteitag der SPD im Juli 2009 formuliert. Wir unterstützen diesen Vorstoß und bitten unsere Leser mit SPD-Kontakten um Mitwirkung. Außer dem Antrag in Anlage A finden Sie in Anlage C auch den Text des Begleitschreibens, mit dem Peter Conradi SPD-Mitglieder um Unterstützung bittet. In Anlage B notiere ich ein paar Verbesserungsvorschläge zum Antrag. Peter Conradi hält diese zum Teil für nutzbar, zum Teil nicht, weil es ihm um ein breites Bündnis für einen Vorstoß zur Erhaltung einer öffentlichen und verkehrspolitisch aktiven Bahn ankommt. Das ist eine berechtigte Erwägung. Albrecht Müller.
Mit dem Vorschlag, einen „Deutschlandfonds“ [PDF – 115 KB] im Umfang von 10 Milliarden Euro zu schaffen, ging die SPD in die Koalitionsgespräche mit CDU/CSU. Aus dem Fonds sollen kommunale Infrastrukturprojekte finanziert werden. Dafür soll das Vergaberecht befristet vereinfacht werden. Alle Investitionsvorhaben des Bundes sollen so weit möglich vorgezogen werden. Was der „Pakt“ sonst noch beinhaltet und warum er unzulänglich ist. Wolfgang Lieb
Müntefering rührte beim Landesparteitag der hessischen SPD vom Wochenende keine Hand für ein bisschen Respekt vor der Arbeit von Ypsilanti. Er trat nach und wurde dafür nicht gerügt. Ypsilanti kündigte an, die Verantwortung für das Wahlergebnis im Januar zu übernehmen. Das war sozusagen das Ende eines Versuchs. Die Aufklärung durch Aufbau einer Gegenöffentlichkeit hat in diesem konkreten Fall versagt. Die NachDenkSeiten wie auch andere kleinere Medien haben dies nun über ein Jahr lang versucht. Die Hauptmedien und die von ihnen beförderten politischen Interessen waren stärker. Albrecht Müller
Bedacht wurden die CDU mit 5,2 Millionen €, die FDP mit gut 2 Mio., die SPD mit 1,4 Mio., die CSU mit knapp 1 Mio. und Die Grünen mit 0,6 Mio. Euro. Die Partei Die Linke ging leer aus. Das ergab eine gerade veröffentlichte Zusammenstellung der Bundestagsfraktion Die Linke auf der Basis der offiziellen Unterrichtung des Bundestagspräsidenten an den Bundestag. Siehe hier [PDF – 64 KB]. – In den untersuchten Zeitraum fällt die Entscheidung über die Riester- und Rürup-Rente. Sie wurde zum 1.1.2002 eingeführt; 2005 und auch in den folgenden Jahren wurden Korrekturen beschlossen, die die Nutzung der staatlichen Förderung erleichterten und erweiterten, was sich in der Zahl der Vertragsabschlüsse niederschlug. Und übrigens offensichtlich auch im Anstieg der Spenden in den relevanten Jahren.
Einige ergänzende Anmerkungen zu dieser bemerkenswerten Spendenliste sind noch zu machen: Albrecht Müller
Hier eine Glosse von Joke Frerichs zu den Konsumgutscheinen. Albrecht Müller
Clement ist aus der SPD ausgetreten. Gestern hatte die Bundesschiedskommission den Parteiausschluss auf Landesebene revidiert und es mit einer Rüge für sein parteischädigendes Verhalten bewenden lassen. Die gesamte SPD-Führungsriege hatte sich für seinen Verbleib stark gemacht. Der Parteivorsitzende Müntefering fühlte sich sogar bemüßigt auf das juristische Verfahren Einfluss zu nehmen, indem er persönlich vor den Parteijuristen auftrat. Jetzt wird er von Clement düpiert.
Noch einen Tag vor seinem Austritt hatte Clement noch kleinere Brötchen gebacken, indem er durch seinen Rechtsbeistand Otto Schily erklären ließ: „Ich werde aber bei der Wortwahl künftiger Äußerungen darauf achten, dass solche Missverständnisse nicht mehr entstehen“. Wolfgang Lieb
Auf den Tag genau vor 36 Jahren, am 19. November 1972, hat die SPD mit 45,8 % ihr bisher bestes Wahlergebnis erreicht. Ich war damals verantwortlich für Willy Brandts Wahlkampf und bin natürlich stolz auf dieses Ergebnis. Weil ich ohne ein gutes Ergebnis der SPD auch im Jahr 2009 keine Chance für eine Mehrheit links von Merkel sehe, bedaure ich die trüben Aussichten von heute. Bei Umfragen kommt die SPD heute gerade mal knapp über die Hälfte des Stimmenanteils von 1972. Das liegt nicht an den Umständen. Es liegt vor allem an der falschen Strategie und an den falschen programmatischen Vorstellungen der heute Verantwortlichen. Albrecht Müller
Wesentliche Inhalte eines in der Pariser Tageszeitung Le Monde vom 14.November 2008 erschienenen Artikels von Liêm Hoang-Ngoc (Ökonom an Universität Paris-I) und Philippe Marlière (Politologe am University College London). Originaltitel: „La social-démocratie en crise d’identité“. Übertragen von Gerhard Kilper