Der Wachstums- und Stabilitätspakt der SPD
Mit dem Vorschlag, einen „Deutschlandfonds“ [PDF – 115 KB] im Umfang von 10 Milliarden Euro zu schaffen, ging die SPD in die Koalitionsgespräche mit CDU/CSU. Aus dem Fonds sollen kommunale Infrastrukturprojekte finanziert werden. Dafür soll das Vergaberecht befristet vereinfacht werden. Alle Investitionsvorhaben des Bundes sollen so weit möglich vorgezogen werden. Was der „Pakt“ sonst noch beinhaltet und warum er unzulänglich ist. Wolfgang Lieb
- Das Co2-Gebäudesanierungsprogramm soll erhöht werden.
- Ab 125.000 € Jahreseinkommen für Ledige und 250.000 € für Verheiratete soll der Spitzensteuersatz für einen „Solidarbeitrag Bildung“ von 45 auf 47,5% erhöht werden.
- Der Bund soll den Sonderbeitrag von 0,9% in der gesetzlichen Krankenversicherung, der allein von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gezahlt wird, übernehmen.
- Einmalig soll ein Kinderbonus in Höhe von 200 € je Kind an alle Kindergeldbezieher bezahlt werden.
- Leistungen für Kinder im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) sollen für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren um 35 Euro auf 246 Euro angehoben werden.
- Für „Angebote der Aktivierung“, also etwa Bewerbungstraining, Weiterbildung oder Umschulung sollen 1,2 Milliarden von der Bundesagentur zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.
- Für ein zusätzliches Sonderprogramm „Zukunft für junge Arbeitslose“ sollen Betriebe, die diese Jugendliche ausbilden, einen erhöhten Ausbildungsbonus im Umfang von 460 Millionen Euro erhalten.
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren berufliche Qualifikation mehr als 10 Jahre zurückliegt, sollen die Chance bekommen, ihre Qualifikation aufzufrischen. (Zusätzlich 200 Mio. Euro pro Jahr).
- Mit einem Qualifizierungszuschuss von 200 Mio. Euro aus dem Europäischen Sozialfonds sollen sich Kurzarbeiter weiterqualifizieren können.
- Um den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung im Abschwung bei 2,8 % zu halten, soll der Bund der Bundesagentur für Arbeit Kredite gewähren.
- Um zum Kauf von neuen Autos anzureizen, soll rasch Klarheit über die Neuregelung der Kfz-Steuer geschaffen und eine Abwrackprämie für 10 Jahre alte Wagen im Jahre 2009 von 2.500 Euro und 2010 von 1.000 Euro im Umfang von etwa 2 Milliarden Euro bezahlt werden.
- Über KfW-Kredite sollen in den Jahren 2009 und 2010 zusätzlich 500 Mio. Euro für die anwendungsorientierte Forschung im Bereich „Mobilität von morgen“ (z. B. Hybridantrieb, Brennstoffzelle, Speichertechnologien) zur Verfügung gestellt werden.
- Das bisher nur für die neuen Bundesländer geltende Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) soll für die Jahre 2009 und 2010 auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt werden. Künftig sollen davon nicht nur Betriebe bis 250 Beschäftigte profitieren, sondern Unternehmen bis 1.000 Beschäftigte. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf 450 Mio. Euro.
- Im Bereich Breitband soll endlich Planungssicherheit geschaffen werden, damit die Deutsche Telekom und andere Anbieter die angekündigten Milliardeninvestitionen vornehmen können.
- In einer „Deutschen Netzgesellschaft“ als Aktiengesellschaft (mit 25,1 % Bundesbeteiligung) sollen die Energienetze integriert und von 2009 bis 2017 Investitionen zur Netzmodernisierung in Höhe von mindestens 5 Milliarden Euro getätigt werden.
- Zur Finanzierung soll der Bund ein „Sondervermögen“ bilden und dazu die Nettokreditaufnahme entsprechend erhöhen. Dennoch will die SPD an der Schuldengrenze von 0,5 % des BIP für die strukturelle Neuverschuldung festhalten.
- Die G 8-Gruppe soll um die aufstrebenden Mächte Asiens, Afrikas und Lateinamerikas erweitert werden.
- Die SPD fordert eine stärkere wirtschaftpolitische Koordinierung auf europäischer Ebene durch die sog. Eurogruppe.
Kurze Kommentierung:
In geradezu ignoranter Weise hält die SPD-Führung an ihrem vorausgegangenen Tun fest und weicht keinen Millimeter von der Agenda-Politik ab. Dabei könnte eine Wiederherstellung der Arbeitslosenversicherung, die diesen Namen verdient, der Wiederaufbau der gesetzlichen Rentenversicherung oder die Aussetzung der zahlreichen (Reform-)Griffe ins Portemonnaie der kleineren und mittleren Einkommensbezieher viel mehr Vertrauen schaffen und den Binnenkonsum anreizen, als jetzt hektisch kleine Sonderprogramme aufzulegen. Dass die zahlreichen Unternehmenssteuersenkungen nicht zu Investitionen im Lande, sondern allenfalls zu Gewinnexplosionen geführt haben und jetzt in der Rezession völlig wirkungslos „verpuffen“, ist gleichfalls keiner Überlegung und schon gar nicht einer Korrektur wert.
Aber selbst wenn man diese Denkblockaden einmal außer Acht lässt, ist der Wachstums- und Stabilitätspakt der SPD eine Enttäuschung.
Zwar sind einzelne Vorschläge durchaus sinnvoll und in ihrer Zielsetzung zu begrüßen (so etwa die Abschaffung des Sonderbeitrags bei der Krankenversicherung), sie wären jedoch jenseits eines „Wachstumspakts“ überfällig und sie dürften kaum konjunkturelle Impulse setzen.
Oder die Vorschläge sind, wie etwa das Investitionsprogramm, so kurz gegriffen, dass sie binnen Kurzem das nächste Konjunkturprogramm erforderlich machen werden.
Man vergleiche nur einmal den „Deutschlandfonds“ mit einem Volumen von 10 Milliarden mit den hunderten Milliarden, die zur Rettung der Banken garantiert oder als Kapitalhilfen eingesetzt werden. Und das nur, um einen Wirtschaftszweig zu retten und ohne jeden konjunkturbelebenden Effekt und ohne jedes Konzept für die künftige Strukturierung und Aufgabenstellung der Banken im Wirtschaftsprozess.
Die vorübergehende Anhebung des Spitzensteuersatzes um zweieinhalb Prozent ist geradezu lächerlich. Sie trifft nicht die wirklichen Gewinner der Finanzspekulationen, für deren kriminelle Machenschaften noch künftige Generationen haften müssen. Auch wenn einige Milliardäre (z.B. die Merckles) Milliarden verloren haben, so gibt es auf der anderen Seite noch genügend Gewinner, die ihre im Spekulationsgeschäft „gewonnenen“ Milliardenvermögen ins „Trockene“ gebracht haben. Warum macht man nicht einmal den Versuch, die Spekulationsgewinnler in Haftung zu nehmen, wenn man sie schon nicht in Haft nehmen kann. Die Gewinnmargen von 25% sind doch irgendwo geblieben.
Angesichts der Risiken für den Rettungsfallschirm für die Banken nun gerade bei einem viel zu klein dimensionierten Konjunkturprogramm über Verschuldungsbremsen in der Verfassung zu fabulieren, wirkt geradezu putzig – wenn es nicht so bedrohlich wäre. Heißt das doch im Effekt nichts anderes, als dass die für die ausgefallenen Kredite notwendigen Milliarden durch weitere Einsparungen bei staatlichen Leistungen erwirtschaftet werden müssen.
Mit den Hilfen für die Automobilindustrie wird nur denjenigen geholfen, die „to big to fail“ sind. Viele mindestens genauso wichtige Industriezweige, wie der Maschinenbau oder die Chemieindustrie, werden als Bittsteller folgen. Und der Mittelstand geht ohnehin weitgehend leer aus, wenn man einmal von der Bauindustrie absieht.
Ein kräftigeres Konjunkturprogramm, das auf staatliche Investitionen setzte, wäre zwar richtig, doch es steht letztlich nur auf einem Bein. Gerade angesichts des Einbruchs der Weltkonjunktur wäre es für ein so exportabhängiges Land wie Deutschland mindestens genauso wichtig, den privaten Binnenkonsum anzukurbeln. Das gelingt aber nur, wenn man diejenigen, die ihr Einkommen komplett konsumieren (müssen) und die nichts oder kaum sparen können, also die Nettoeinkommen bis etwa 2.600 Euro, entlastet oder ihnen vor allem ein höheres (Brutto-) Einkommen verschafft. Das ginge etwa über den Mindestlohn (Warum fehlt der eigentlich in dem Wachstums- und Stabilitätspakt?), und das ginge, indem man den Niedriglohnsektor bekämpft und das Lohndumping durch die Hartz-Gesetze beseitig. Das erforderte auch, dass die Politik wieder dazu verhilft, dass die Gewerkschaften wieder eine echte Verhandlungsmacht in der Tarifpolitik zurückgewinnen.
Die Hoffnung auf die „Eurogruppe“ für eine koordinierte europäische Wirtschaftspolitik muss eher als Bedrohung wirken. Wie sollen gerade diejenigen, die in Europa für eine totale Deregulierung der Finanzmärkte eingetreten sind, wie der Wirtschafts- und Währungskommissar Alumnia oder der Präsident der Europäischen Zentralbank Trichet, der mit seiner Zinspolitik im Abschwung die Rezession noch beschleunigt hat, eine Wirtschaftspolitik für Europa zustandebringen, die die Konjunktur wieder ankurbeln könnte.
Man muss nun befürchten, dass die SPD auch noch vor der CSU (und der FDP) einknickt und Steuersenkungen für alle und auf Dauer zustimmt. Damit wäre der weitere Ausstieg aus dem Sozialstaat und der sozialen Marktwirtschaft programmiert.