Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 20. Juni 2011 um 8:08 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Heute unter anderem zu folgenden Themen: Eurokrise; Memorandum 2011; Mitschuld an Finanzkrise: US-Börsenaufsicht will Rating-Riesen verklagen; Hartz-IV-Empfänger erreichen häufig nur unsichere Jobs; Krankenversicherung – Die Privaten werden immer teurer; Gesetzliche Krankenversicherung erwirtschaftet Milliardenüberschuss; PKV Basistarife – Behinderte begrenzt versicherbar; Sicherheitsrisiko – Viele Lokführer übermüdet und schlecht ausgebildet; Teller statt Tank; Man unterstützt sich im Wahlkreis; Was verborgen bleibt; Großbritannien: Gewerkschaften drohen mit Jahrhundert-Streik; Mal eben ausgespäht; Verordnete Tristesse; Gegen alles, was links ist; Gabriels schwere Geburt; Ein Viertel aller Studierenden verlässt Uni ohne Abschluss; Pseudowissenschaften – Der akademische Geist; Die Twitter-Krieger von Jerusalem (MB/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung Orlando Pascheit: Natürlich ist dies eher eine psychologische bzw. moralische Argumentation, die darauf hinausläuft, dass wenn man schon sparen muss, auch die Reichen ihren Beitrag leisten müssen. So selbstverständlich diese Haltung unter Aspekten der Gerechtigkeit, nicht nur in Griechenland, sein sollte, ökonomisch gewinnt man in Griechenland dadurch wenig. Ulrike Herrmann hat letztlich darauf hingewiesen, dass die Wohlhabenden Griechenlands knapp 6 Milliarden Euro pro Jahr in die Staatskasse einbringen könnten, was aber gegenüber einer Verschuldung von 340 Milliarden relativ wenig ist. – Ökonomisch ist die Reduktion des Staatshaushalts um 10 Prozent schlichtweg Irrsinn und ein Volksverhetzer ist, wer den Griechen unterstellt, sie würden nicht genügend sparen.
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon bemerkenswert, dass Peter Bofinger, ein Eurobefürworter der ersten Stunde, einräumt, er habe unterschätzt, „welches Maß an politischer Kooperation für das Funktionieren der Währungsunion offenbar notwendig“ sei. Er setzt sich damit von der “Grundsteintheorie” ab und nähert sich der sog. Krönungstheorie, Positionen, die seit dem ersten Plan einer gemeinsamen Währung von Pierre Werner in den frühen 70ern gegeneinanderstehen. Die “Grundsteintheorie” oder „Motortheorie“ postuliert, dass die frühe Einführung einer Gemeinschaftswährung zu einer Stärkung der politischen Integration führe. Diese entwickle eine enorme Schubkraft im wirtschaftspolitischen Abstimmungsprozess und zöge eine weitere Flexibilisierung der Märkte nach sich, die dazu beitrage, die nationalen Entwicklungsunterschiede ohne Beschäftigungseinbußen in den peripheren Gebieten des neuen Währungsraumes abzubauen. Die Krönungstheorie hingegen geht davon aus, dass eine tiefere politische und ökonomische Integration Europas Voraussetzung einer Währungsunion sei. Nur eine einheitliche Wirtschafts- und Fiskalpolitik könne eine gemeinsame Geldpolitik gewährleisten. Andernfalls würden die schwächeren Volkswirtschaften einem zu harten Anpassungsdruck ausgesetzt, dessen Kosten Transferzahlungen nach sich zögen und so die politische Zustimmung zur gemeinsamen Währung und letztlich die Stabilität des neuen Geldes selbst aufweiche. In der Konsequenz wäre selbst dann nur eine kleine Währungsunion sich sehr ähnlicher Volkswirtschaften denkbar, denn auch eine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik ist in einem Währungsraum mit einem großen Entwicklungsgefälle nicht vorstellbar – ohne einen substantiellen Finanzausgleich. Beispiel: Deutsche Währungsunion.
Bofingers Vorschlag einer Auflage von Eurobonds ist nicht neu und hat in der Tat den Charme, die Spekulation gegen die Anleihen einzelner Staaten zu unterbinden. Der Preis von deutscher Seite wäre, dass Deutschland für Eurobonds wahrscheinlich höhere Zinsen zahlen müsste als für deutsche Anleihen allein. Soweit so gut. Die weiteren Vorschläge Bofingers laufen allerdings auf eine Verschärfung des Maastricht- Regimes hinaus, nämlich auf die Möglichkeit eines Hinauswurfs aus dem Euro, nur dass letzten Endes das europäische Parlament über Verschuldung und Sparbemühungen einzelner Mitgliedstaaten urteilen würde. Nun ist die Genehmigung eines Haushalts durchaus eine der wichtigsten Aufgaben eines Parlaments, aber des Europäischen Parlaments? Das europäische Parlament ist in seinen Befugnissen nicht im geringsten mit den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU zu vergleichen. Voraussetzung eines Parlaments mit solchen Befugnissen ist die politische Union Europas, das heißt die Wahl europäischer Parteien in ein europäisches Parlament, welches dann eine europäische Regierung stellt.
Bei der von Bofinger angedachten Überschreitung einer Staatsverschuldung von 80 Prozent als Kriterium für das Eingreifen des Parlaments, wären heute nicht nur Griechenland, Irland und Portugal, sondern auch Italien und Belgien einer verschärften Kontrolle unterworfen. Statt sich zu überlegen, wie die Not leidenden Volkswirtschaften realwirtschaftlich wieder auf die Beine kommen, entpuppt sich Bofinger leider als ein weiterer Kontrollfreak von Sparbemühungen. Ähnlich hat sich der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean- Claude Trichet, letztlich bei der Verleihung des Karlspreises geäußert, nur dass hier ein europäisches Finanzministerium das Recht bekommen sollte, direkt in einem Mitgliedstaat einzugreifen („Durchgriff auf die Wirtschaftspolitik der Länder“), wenn dieser seine Haushalts- und Wirtschaftsprobleme nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen könne. Trichet und Bofinger wollen Institutionen stärken und negieren in der Praxis eine echte Koordinierung der Wirtschaftspolitik, in dem sie diese auf die Vergabe von Sanktionen beschränken. – Im Übrigen ist das Loblied Trichets auf die Erfolge der Eurozone nur schwer nachvollziehbar: „Die Wirtschafts- und Währungsunion hat Wachstum gebracht“. Nach Angaben der Kommission ist die ursprüngliche Währungsunion von 2001 bis 2010 auf ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 1, 1 Prozent gekommen. Die jährliche Zunahme der Beschäftigten um 0,6 Prozent kann ebenso gut den statistischen Tricksereien der Mitgliedsländer zugeschrieben werden, wie wir sie bei uns beobachten können. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit ist jedenfalls mit 8,6 Prozent genauso hoch wie in den 80ern, bevor sie durch die Vorbereitung auf die Währungsunion in den 90ern noch höher getrieben wurde. 2011 wird die Arbeitslosenrate wahrscheinlich bei 10 Prozent liegen. Und ob die niedrige Inflationsrate wirklich der Währungsunion zu verdanken ist, ist angesichts der globalen moderaten Preissteigerungen im letzten Jahrzehnt zu bezweifeln. Auch ohne Euro-Krise, die Trichet leugnet, ein Erfog der Währungsunion sieht anders aus.
Quelle 2: www.france-allemagne.fr [PDF – 400 KB]
besser lesbar:
Quelle 3: Handelblatt
Anmerkung Orlando Pascheit: Man kann manches an den USA kritisieren, in der juristische Aufarbeitung der Finanzkrise sind sie uns weit voraus.
dazu passend: Pennys zählen – so wie Poormum es tut
Die britische Regierung streicht und kürzt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Machen die Bürger das mit?
Quelle: ZEIT
Anmerkung Orlando Pascheit: Eine Reportage kann natürlich so konzipiert sein, dass sie einfach den Augenschein und die geführten Gespräche wiedergibt und dazu die Einlassungen der verantwortlichen Behörde setzt. Aber interessieren würde schon, ob es tatsächlich stimmt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entsprechend geschulten Asylanten den Dienst in der Bundeswehr anbietet.
Anmerkung Jens Berger: Herr Steinbrück steht also für ein „reines Steuererhöhungsprojekt“ nicht zur Verfügung? Warum überrascht das NachDenkSeiten-Leser nicht?
Anmerkung Jens Berger: Damit reiht sich Israel in eine Reihe mit China, Nigeria, Weißrussland und dem Sudan ein – alle diese Länder haben mehr oder weniger offizielle „Staatsblogger“, deren Job es ist, die öffentliche Meinung im Netz zu manipulieren. In den meisten westlichen Staaten übernehmen Think-Tanks diesen Job.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=9837