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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 16. Juli 2009 um 10:24 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(RS/WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Die Einleitung des Sozialberichts ist zwar eine durchgängige Beschönigung der Sozialpolitik der Bundesregierung. Im Bericht selbst gibt es jedoch eine Fülle wichtiger Daten und Tabellen, die hilfreich und nützlich sind.
Betrachtet man die mediale Rezeption „Jeder Dritte Euro für Soziales“, dann könnte man den Eindruck gewinnen, es sei der „der Staat“, der fast ein Drittel des Sozialprodukts (2008 = 720 Milliarden Euro) für soziale Wohltaten aufwende. Sind aber etwa die gesetzliche Rentenversicherung oder die gesetzliche Kranken- und die Pflegeversicherung soziale Wohltaten? Werden die Versicherungsbeiträge nicht (zum allergrößten Teil) nicht von den Beitragszahlern aufgebracht? Wäre der Betrag niedriger, wenn die Alterversorgung, die Kosten für Krankheit und Pflege privat (und womöglich mit gesetzlichem Zwang) aufgebracht würden?
Was ist daran „sozial“ wenn jemand knapp 20 Prozent seines Bruttoeinkommens in eine Altersversicherung einbezahlt hat und davon (mäßig verzinst) nach der Erwerbstätigenphase zehrt? Was ist daran „sozial“ wenn jemand über 15 Prozent seines Bruttoeinkommens in eine Krankenversicherung einbezahlt, um damit die Kosten im Krankheitsfall abzudecken? Was ist daran „sozial“, dass jemand (inzwischen nur noch) 2,8 Prozent seine Lohnes in eine Arbeitslosenversicherung einbezahlt, um dann wenigstens 1 Jahr aus diesen Beiträgen Arbeitslosengeld zu beziehen?
Die Leistung des „Staats“ besteht darin, dass er diese „Versicherungen“ gesetzlich erzwingt. Ich will gewiss nicht dagegen polemisieren, dass dies so geregelt ist, was ich allerdings kritisiere, das ist, dass so getan wird, als würde sozusagen ein Drittel des Sozialprodukts für „Soziales“ verschwendet und das noch dem „Abkassierer-Staat“ (Müller-Vogg in BILD) angekreidet wird.
Wenn überhaupt, könnte man ausschließlich auf die Zuschüsse des Staates zu den jeweiligen Versicherungssysteme abstellen, doch diese machen, wie etwa bei der Rente maximal 27 Prozent der Kosten aus.
Im Übrigen ist es entgegen der Horrormeldungen (Der deutsche Sozialstaat gerät aus den Fugen) keineswegs so, dass der Anteil dieser „sozialen“ Leistungen an der gesamten Wirtschaftsleistung zugenommen hat.
Auf Seite 256 des Sozialberichts finden Sie in einer Zeitreihe den Verlauf der Sozialleistungsquote, danach lag der Anteil der Sozialleistungen im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt 2008 (29,0%) noch unter dem Wert von 1992 und er ist seit 2003 kontinuierlich zurückgefahren worden. Dass der Anteil nach Schätzungen die nächsten Jahren ansteigen wird, hat mit der Wirtschaftskrise zu tun und nichts mit dem Moloch Sozialstaat zu tun.
Es ist halt immer so, dass der Anteil der „sozialen“ Kosten steigt, wenn die Wirtschaftsleistung absackt.
Siehe zum Sozialbericht auch:
Ergänzende Anmerkung Orlando Pascheit: Anmerkung: Wie auch in anderen Zeitungen (Frankfurter Rundschau: Rekordausgaben fürs Soziale) wird die stolze Summe von “32 Mrd. mehr” in den Vordergrund gerückt. Das suggeriert dann, der Sozialsaat ist zu teuer. Sieht man von den spektakulären absoluten Zahlen einmal ab, wird sich die Sozialquote, der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt, in 2009 auf 31,9 Prozent erhöhen. Das ist nun allerdings nicht mehr Rekord, denn auch 2002 war dieser Wert erreicht worden, übertroffen von 2003 mit 32,3 Prozent. Und damals hatten wir keinen Wachstumseinbruch von schätzungsweise -5,3 sondern ein Wachstum von 1, 4 Prozent (2002) und 1,0 Prozent (2003). Man könnte auch sagen, der Sozialabbau war so erfolgreich, dass Deutschland in einer schweren Rezession dieselbe Sozialquote erreichen konnte wie 2002.- Fast unter geht in dem Zahlenwust, dass der Arbeitgeberbeitrag an der Finanzierung der Sozialbeiträge seit 1991 von 39,8 auf etwa 32,8 Prozent im laufenden Jahr zurückgegangen ist . Proportional stiegen im selben Zeitraum die Zuschüsse des Staates, landeten also beim Steuerzahler. Frecherweise meint dann die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände bzw. deren Sprecher, es sei “richtig, die wachsenden Kosten des Sozialstaats nicht durch eine noch höhere Belastung der Arbeit zu finanzieren”.
Jutta Sundermann vom bundesweiten Attac Koordinierungskreis sagte: „Die Bundesregierung hat sich mit absurden Scheuklappen ausstaffiert: Nachdem sie Milliarden an Steuergeldern für Bankenrettung und Konjunkturpakete ausgab, sieht sie jetzt zu, wie skrupellose Banken als Krisengewinnler Schlagzeilen machen, während Unternehmen weiterhin ohne dringend benötigte Kredite dastehen. Immer mehr Menschen werden arbeitslos und benötigen staatliche Hilfen. Es ist an der Zeit, mit der Regulierung der Banken ernst zu machen, aber auch der gesellschaftlich gefährlichen Umverteilung von unten nach oben Einhalt zu gebieten. Ein Weg, sich der Herausforderung zu stellen, ist eine Vermögensabgabe zur Finanzierung der Krisenkosten. Statt dessen aber straft die SPD ihren Finanzminister ab, der die Sicherheit der Renten bezweifelte und liebäugeln Christdemokraten und Liberale gar mit Steuersenkungen!“
Quelle: attac
Anmerkung RS: Für die Welt heißen Sozialleistungen „Wohltaten“, obwohl die Leistungsempfänger dafür Versicherungsbeiträge zahlen. Auch die übliche Polemik von Dieter Hundt gegen Leistungsausweitungen darf nicht fehlen. Immerhin gesteht die Welt ein, dass die Entlastung der Arbeitgeber Belastungen für die Arbeitnehmer bedeutet.
So berichtet ZDF darüber:
Die Krise treibt die Sozialausgaben in die Höhe: Das Kabinett hat den Sozialbericht gebilligt, wonach die Sozialausgaben 2009 voraussichtlich um 33 Milliarden Euro steigen werden. Fast jeder dritte erwirtschaftete Euro fließt in den Sozialstaat.
Quelle: zdf.de
Die Essener Richter betonten in ihrer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung, die Prämie in Höhe von 2.500 Euro verschaffe dem Leistungsbezieher erhebliche Geldmittel für den privaten Konsum. Sie entspreche dem Mehrfachen einer monatlichen Regelleistung und beeinflusse die Lage ihres Empfängers so günstig, dass daneben Hartz-IV-Leistungen nicht gerechtfertig seien.
Quelle: SZ
Anmerkung WL: Wie heißt doch die Abwrackprämie regierungsoffiziell: Umweltprämie.
Hartz IV-Empfänger können also mit ihren alten Schätzchen, die Umwelt ruhig weiter verpesten.
Ergänzende Anmerkung Orlando Pascheit: Irgendwie logisch, dass auch das Bundesarbeitsministerium die Auffassung vertritt, Zahlungen aus der Abwrackprämie müssten mit den Leistungen nach dem Hartz-IV-Gesetz verrechnet werden. Olaf Scholz hat wahrscheinlich in neuester Tradition der Schröder SPD Hartz-IV-Empfänger als Wähler abgeschrieben.
Die Zahl der im Mai 2009 geleisteten Arbeitsstunden nahm im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat um 9,1% auf 590 Millionen ab. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es in einigen Bundesländern wegen des Feiertags Fronleichnam im Mai 2008 einen Arbeitstag weniger gab. Die Entgelte (Bruttolohn- und Bruttogehaltsumme) lagen bei 17,7 Milliarden Euro; das waren 6,3% weniger als im Mai 2008.
Quelle: destatis
Einen zeitnahen Ausblick gibt folgender Artikel:
Anmerkung: Zu berücksichtigen ist, dass die negative Beschäftigungsentwicklung vieler kleiner Unternehmen nicht erfasst werden, da diese keine Einzelzahlen veröffentlichen.
Anmerkung J.W.: Mit solchen Forderungen wäre Kurt Beck für eine Politik “des Linksrucks” diffamiert worden. Seeheimer Kreis und Medien hätten eine “Hetzjagd” gegen Kurt Beck gestartet. Die meisten SPD-ler wären gleich in “Deckung” gegangen.
Traurig aber wahr.
Dazu:
Der Fuldaer Gesundheitsökonom Prof. Dr. Stefan Greß und die WSI-Forscherinnen Dr. Simone Leiber und Maral Manouguian arbeiten heraus, dass Deutschland mit seinem Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenvollversicherung in Europa mittlerweile eine Ausnahme darstellt. Die Niederlande, das letzte europäische Land mit einer ähnlichen Aufteilung des Krankenversicherungsmarktes, haben 2006 beide Versicherungssysteme integriert. Unter den entwickelten Industriestaaten verfügen nur noch die USA über vollkommen unterschiedliche Versicherungssysteme für die Krankenvollversicherung. Für die Abkehr von der “dualen” Struktur, die durch Zugangshürden aufrecht erhalten wird, gibt es nach Einschätzung der Forscher gute Gründe, weil sie Effizienz und Gerechtigkeit im Krankenversicherungssystem schwächen:
Die technisch einfachste Möglichkeit, die Defizite des aktuellen Systems zu beheben, bestünde den Wissenschaftlern zufolge darin, alle Bürger zur Mitgliedschaft in der GKV zu verpflichten und privaten Anbietern nur das Feld der Zusatzversicherungen zu überlassen. Dies sei jedoch politisch wenig realistisch. Und es würde Unternehmen hart treffen, die ausschließlich diese Versicherungssparte betreiben und in der Vergangenheit wenig in den Markt für Zusatzversicherungen investiert haben.
Für leichter umsetzbar halten Greß, Leiber und Manouguian ein Modell, in dem für alle Krankenversicherungen die gleichen Regeln gelten. So gäbe es keine systematischen Wettbewerbsvor- oder -nachteile für einen bestimmten Versicherungstyp. “Ein solches Modell wäre auch mit dem neu eingeführten Gesundheitsfonds kompatibel”, schreiben die Gesundheitsexperten.
Der Staat würde dann einen Mindestkatalog der von der Standardversicherung abzudeckenden medizinischen Leistungen vorgeben. Den Versicherungsträgern stünde es frei, ihren Mitgliedern weitere, extra zu bezahlende Leistungen anzubieten. Die Existenzberechtigung privater Krankenversicherer würde in diesem Modell nicht infrage gestellt, betonen die Wissenschaftler. Auch die Tatsache, dass private Kassen nach dem Kapitaldeckungs- und gesetzliche nach dem Umlageverfahren arbeiten, stehe den Vorschlägen nicht im Weg, wie Gesundheitsökonomen nachgewiesen hätten. Dies sei kein grundsätzliches Problem, sondern lediglich eine technische Frage. Um diesen Ansatz zu verwirklichen, wären einige grundlegende Korrekturen am Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherungen nötig:
Als erste Schritte, bis eine einheitliche Wettbewerbsordnung erreicht ist, sollten zumindest die beiden letzten Punkte verwirklicht werden, empfehlen die Wissenschaftler.
Quelle: WSI Mitteilungen
Siehe dazu:
Private: Kosten steigen schneller
Wirtschaftliche Effizienz ist keine Stärke privater Krankenversicherungen
Quelle: Böckler Impuls
Kritiker fürchten angesichts der guten Ergebnisse, dass die Wall-Street-Häuser wie in Zeiten vor der Finanzkrise wieder hohe Risiken eingehen.
Quelle: FR
Dazu passt:
Zur Erinnerung:
Bilanz des Schreckens
Gigantisches Milliardenrisiko: Die Finanzkrise trifft die deutschen Banken weitaus stärker als bislang bekannt. Kredite und Wertpapiere in problematischen Geschäftsfeldern addieren sich auf 816 Milliarden Euro, wie aus einem Bafin-Papier hervorgeht, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung WL: Die einen Banken rufen noch nach dem Staat und nach Steuermittel und die anderen, die sich mittelbar oder unmittelbar durch den Staat haben retten lassen, fangen schon wieder zu zocken an.
Von den angekündigten politischen Maßnahmen zur Verhinderung des Casino-Betriebs ist nichts zu sehen.
Anmerkung: Zufall?
Die Steuerpläne der Partei von US-Präsident Barack Obama signalisieren zweierlei: Erstens scheint sich die neoliberale Epoche, die mit Ronald Reagan und Maggie Thatcher begann, allmählich in die Geschichtsbücher zu verabschieden. Zweitens dürfen wir jetzt tabulos über Steuererhöhungen streiten, ohne uns den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, altmodisches Denken der Linkspartei zu übernehmen oder – fast schlimmer – eine unselige Neiddebatte zu führen.
Quelle: FR
23 Cent je Steuer-Euro gehen schon bald allein für Zinsen drauf. Im Haushaltsjahr 2013 bleibt dem Finanzminister von einem Euro Steuergeld damit nur ein kläglicher Rest von 77 Cent. Die Kosten für die Staatsschuld fressen immer größere Teile der Steuermilliarden
Anmerkungen unseres Lesers G.K.:
Der “Wirtschaftswoche” -Artikel (diese ist sog. “Kooperationspartner” der INSM) steht stellvertretend für den Medienmainstream hierzulande: Dieser spielt die Kinderschreck und verfährt nach der Methode “Haltet den Dieb”. Die Mainstream-Medien suggerieren, der “gefräßige Staat” sei trotz einer den Bürgern aufgebürdeten gigantischen Steuer- und Abgabenlast nicht in der Lage, sparsam zu haushalten und die Staatsschulden einzudämmen. Um der Legendenbildung und dem Ruf nach weiteren Kürzungen innerhalb der sozialen Sicherungssysteme entgegenzuwirken, scheint es angebracht, auf einige Fakten hinzuweisen:
Bemerkenswert ist, dass die ökonomisch sowie sozial- und gesellschaftspolitisch erfolgreichen skandinavischen Staaten eine deutlich höhere Steuer- und Abgabenquote aufweisen:
(Quelle: Eurostat – siehe Punkt 2)
Beispiel (1)- Vermögens-, Erbschafts- und Grundsteuern:
Im OECD-Vergleich liegen für diese Steuerarten die staatlichen Einnahmen in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in Deutschland an zweitletzter Position:
(Quelle: Eurostat – siehe Punkt 2)
(*) Die kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Senkung der Erbschaftsteuer wird die ohnehin niedrigen staatlichen Einnahmen aus dieser Steuer nochmals weiter nach unten drücken.
Beispiel (2)- Spitzensteuersatz:
Viele erfolgreiche europäische Staaten weisen Spitzensteuersätze auf, die deutlich über dem deutschen Niveau liegen:
(Quelle: Eurostat – siehe Punkt 2)
Hierzulande beträgt der Spitzensteuersatz inkl. Solidarzuschlag 44,3% (einschließlich der sog. “Reichensteuer”, die nur für sehr hohe Einkommen greift und für die es zudem viele Ausnahmen gibt: 47,5%).
Sowohl bei den staatlichen Einnahmen aus Vermögens-, Erbschafts- und Grundsteuern als auch bei der Höhe des Spitzensteuersatzes liegt die Steuerbelastung der skandinavischen Staaten deutlich oberhalb es deutschen Niveaus.
“Außer in Belgien werden in keinem der dreißig OECD-Staaten Geringverdiener so hoch besteuert wie in Deutschland.”
Zu einem weiteren bemerkenswerten Befund der OECD-Studie heißt es bei Telepolis:
Ein besonderer Effekt des deutschen Steuer- und Abgabensystems besteht darin, dass die relative Abgabenlast ab einem bestimmten Grenzwert mit steigendem Einkommen sinkt – dieser Sondereffekt ist lediglich in drei OECD-Staaten festzustellen. …Eine deutsche Besonderheit stellt der Umstand dar, dass ab einem Einkommen von 63.000 Euro pro Jahr bei Alleinstehenden die relative Abgabenlast sinkt. Eigentlich müsste bei einem progressiven Steuersystem die Abgabenlast zwar steigen, zumal dieser Grenzwert weit unter dem Einkommen liegt, für das der Spitzensteuersatz anfallen würde, aber ein besondere Regelung macht es möglich, dass Besserverdiener entlastet werden. Verantwortlich dafür sind die Beitragsbemessungsgrenzen, ab denen die Sozialabgaben nicht mehr relativ zum Einkommen steigen.
Dies führt zur paradoxen Situation, dass ein Spitzenmanager prozentual weniger von seinem Bruttogehalt abführen muss als ein Geringverdiener. Außer Deutschland leisten sich nur Österreich und Spanien ein derart ungerechtes Steuer- und Abgabensystem. Die politische Floskel, nach der die Starken mehr schultern, lässt sich durch die OECD-Zahlen ad absurdum führen. Den Schwachen wird in Deutschland mehr aufgebürdet als den Starken – dass die Schwachen durch die hohen Abgaben noch weiter geschwächt werden, wird dabei billigend in Kauf genommen.
Die Personalausgaben für Staatsbeschäftigte in Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen demnach:
Auch bei diesem internationalen Vergleich rangieren die skandinavischen Staaten in der Spitzengruppe:
“Für Fernsehjournalisten ist das Ding unbezahlbar. Wann immer sie eine reißerische Reportage über Alterung und die Bürden derselben unter die Menschen bringen wollen, schicken sie schnell eine Kamera zum Büro des Bundes der Steuerzahler in Berlin, die dort ein paar Sekunden lang filmt, wie der Schuldenrechner der öffentlichen Hand in unglaublichem Tempo vor sich hin rennt und das ganze Volk früher oder später ins Verderben stürzt. (…) Die Schuldenrechnerei ist auch deswegen besonders dümmlich, weil man ja nur eine Uhr daneben stellen müsste, die die Einkommen zählt, die dem Staat in den letzten Jahren durch seine unverantwortliche Steuersenkungspolitik entgangen sind, und schon würde das Tempo der Uhr erheblich relativiert. Man könnte sich auch eine Uhr denken, die zählt wie viel Geld der Staat in die Vereinigung mit Ostdeutschland gesteckt hat und das zum größten Teil deswegen nicht über Steuereinnahmen finanziert wurde, weil die damals und heute herrschende Oberschicht sich mit Händen und Füßen und schlimmeren Instrumenten dagegen gewehrt hat, auch nur über höhere Steuern für die Solidarität mit Ostdeutschland nachzudenken.
Das Beste wäre aber, neben die Schuldenuhr eine Uhr zu stellen, die den Vermögenszuwachs in jeder Sekunde in Deutschland misst. Unsere Topmanager wissen doch sonst so genau, dass man die Höhe von Schulden immer bewerten muss vor dem Hintergrund der vorhandenen Vermögenswerte. Dann würden die staunenden Fernsehzuschauer oder die staunenden Touristen vor dem Büro des Steuerzahlerbundes in Berlin aber sehen, dass die Vermögensuhr viel schneller läuft als die Schuldenuhr und würden sich vielleicht fragen, wieso das bei ihnen persönlich eigentlich nicht der Fall ist.
Dann würden die Leute vielleicht auch fragen, was denn mit den Vermögen geschieht und warum die berühmten „Leistungsträger“, die den Staat über Jahre gedrängt haben, Steuern für sie zu senken, damit sie mehr leisten können, nun dem Staat das Geld in Form von Staatsanleihen zurückgeben. Viele von denjenigen, die vom Staat in den vergangenen Jahren so großzügig bedacht wurden, haben offenbar gar nicht gewusst, was sie mit dem Geld machen sollen, das da so unverhofft in ihre Taschen gespült wurde.”
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist unfassbar, man mag es kaum glauben. Da wird auf höchster politischer Ebene der Kampf gegen Steuerflucht proklamiert, internationale Konflikte werden riskiert, und auf der ganz konkreten Ebene, in unseren Behörden werden Beamte aus niedrigen Beweggründen an ihrer Arbeit gehindert- und nicht nur das, sie werden schikaniert und diffamiert, so dass der Menschenrechtsbeauftragte der hessischen Landesärztekammer sich wundert. Menschenrechte! Wir dachten doch immer, das ist etwas, was zu China , Russland oder zu Guantanamo diskutiert wird. Der verantwortliche Minister muss, ob nun persönlich involviert oder nicht, zurücktreten – wenn ein auch nur ein Hauch der Recherche der FR zutrifft.
Dazu auch:
Es geht zu wie auf dem Basar:
Dazu passt:
Privatbahnen rufen den Staat
Die Folgen der Finanzkrise schlagen offenbar auf den Wettbewerb im Schienenpersonnennahverkehr SPNV durch: Die Betreiber der Privatbahnen verlangen von den öffentlichen Auftraggebern finanzielle Hilfen etwa bei der Fahrzeugbeschaffung, da sie sonst bei den Strecken-Ausschreibungen keine Chance gegen den mächtigen Konkurrenten Deutsche Bahn hätten. Doch die Bahn wehrt ab: Die Konkurrenten nutzten lediglich die aktuelle Diskussion über Staatshilfen aus.
Quelle: FR
Im Bundestag gibt es Fälle von 62 Nebenjobs – endet da Ihr Verständnis?
62? Der Anschein spricht dafür, dass das nicht mehr in Ordnung ist. Da muss man sich schon fragen, wann der Abgeordnete noch sein Mandat wahrnimmt.
Was darf ein Politiker nebenher machen – wo beginnt der Graubereich?
Für hoch problematisch halte ich es, wenn Abgeordnete sich gleichzeitig als Lobbyisten bezahlen lassen. Dass so etwas noch legal ist, halte ich für eine große Gesetzeslücke im Kampf gegen Korruption. Ich nenne das Beispiel des CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok, der gleichzeitig als Lobbyist für Bertelsmann arbeitet – so etwas geht einfach nicht. Schließlich wird der Abgeordnete vom Steuerzahler zur Sicherung seiner Unabhängigkeit alimentiert. Die große Mehrheit der Abgeordneten sollte den schwarzen Schafen in ihren Reihen einen Riegel vorschieben. Dafür braucht keine konkrete Beeinflussung nachgewiesen zu werden. Bei der Korruptionsbekämpfung ist bereits der böse Schein zu unterbinden.
Quelle: Merkur
Und in ähnlicher Absicht wird für die Studierenden Dauerprüfungsdruck und für die Lehrenden Dauerrechtfertigungsdruck an den Universitäten installiert. Ebenso wird versucht, akademische Bildung auf Ausbildung zu reduzieren, also auf das, wovon man meint, dass es auf dem Arbeitsmarkt verwertbar ist. Insgesamt führen die Reformen der sozialen Sicherungssysteme wie die der Bildungssysteme aktuell zu Autonomieverlusten: Sie führen zu rigideren Regulierungen, zu verringerten individuellen Handlungsspielräumen und zu erhöhter Unsicherheit.
Gerade aus ökonomischen Gründen ist Bildung in einer Qualität erforderlich, die sich doch nie strikt auf ökonomische Verwertung festlegen lässt. Und je anspruchsvoller die Ökonomie, je komplexer ihre Aufgaben, umso mehr gilt dies. Das Dilemma zwischen Regulierung und Innovation ist unauflösbar.
Die Realisierung von Autonomiegewinnen, diesseits und jenseits der Arbeit, ist eine Sache der Praxis.
Quelle: FAZ
Anmerkung WL: Die Frage ist nur, wer setzt sich praktisch für die Realisierung von Autonomiegewinnen ein?
Anmerkung WL: Auch dieses Interview macht deutlich, dass die Hochschulrektorenkonferenz den Kontakt zur eigenen Basis verloren hat.
Anmerkung D.R: Fast unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit bringt die das mediale Rechtskartell das eigentliche Sturmgeschütz gegen die SPD in Stellung, den Pro-Atom-Star Wolfgang Clement. So auch in der Münchner Runde mit dem reißerisch-beschönigenden Titel “Es geht wieder aufwärts – Aber für wen?”. Gäste: der Lobbyist W.Clement, der gescheiterte bayerische Ministerpräsident Beckstein, der vor der Krise völlig ahnungslose “Chefvolkswirt” der Deutschen Bank Norbert Walter. Auf verlorenem Minderheitsposten die Ex-Chefredakteurin der taz Bascha Mika.
So stellt man sich im Bayerischen Rundfunk/Fernsehen den Auftrag zu weltanschaulich-politischer Ausgewogenheit vor! Clements Botschaft an den ohnmächtigen Souverän: in den nächsten Jahren werde es nichts zu verteilen geben, durch die Reformpolitik seit 1998 seien zwei Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen worden, was nun großen volkswirtschaftlichen Schaden verhindert habe, die Arbeitnehmer müssten sich nun erst recht der Flexibiltät verschreiben, die Globalisierung verlange es nun einmal. Assistiert wurde der große Wirtschaftsweise Clement fleißig von Herrn Walter und Beckstein, so dass die kluge Bascha Mika kaum zu Wort kam.
Ergänzung WL: Ein weiteres Beispiel für die Asymmetrie zu Lasten von SPD und Linker
Dazu passt:
ver.di legt sich mit Kirche an
Die deutsche Gewerkschaft ortet Billiglöhne beim Arbeitgeber Kirche und droht mit Streik. Die Diakonien sperren sich gegen Tarifverträge.
Quelle: Kurier.at
Am Tag des Putsches sollte eine rechtlich unverbindliche Volksbefragung zeigen, ob die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung Unterstützung finden würde. Dafür waren zuvor knapp eine halbe Million Stimmen gesammelt worden. Eine Verfassungsänderung sollte vor allem die Wiederwahl des Präsidenten ermöglichen und damit eine dauerhafte politische Wende in Honduras garantieren, denn im Januar 2010 wäre die Amtsperiode Zelayas offiziell beendet gewesen. Schon in der Woche vor der angekündigten Volksbefragung gab es ernstzunehmende Anzeichen für einen Umsturzversuch des Militärs. Wenige Tage vor dem Putsch trat der gesamte Führungsstab der honduranischen Streitkräfte nach Auseinandersetzungen mit Zelaya geschlossen zurück, nachdem dieser den Oberbefehlshaber der Streitkräfte abgesetzt hatte. Dieser hatte sich geweigert, die für die Volksbefragung vorgesehenen Stimmzettel herauszugeben. Am Vortag des Putsches ließ der Kongress unter Vorsitz von Roberto Micheletti dann als letzte Gegenmaßnahme eine Untersuchung vor dem Obersten Gericht einleiten, ob der Aufruf zur Volksbefragung verfassungskonform sei. Das Gericht entschied, dass die Volksbefragung ein Verfassungsbruch sei. Die Militärs, die den amtierenden Präsidenten in den Morgenstunden festnahmen, waren also mit einem offiziellen Haftbefehl ausgestattet.
Sobald die Militärs Zelaya aus dem Bett geholt und nach Costa Rica verfrachtet hatten, begannen erbitterte Straßenkämpfe vor dem Präsidentenpalast. Schon einen Tag nach dem Putsch wurde von den Gewerkschaften, allen voran von der Lehrergewerkschaft und dem Bloque Popular, der Generalstreik ausgerufen. 60 Gruppen und Bewegungen schlossen sich zur Nationalen Widerstandskoordination zusammen. Bekannte Oppositionelle sowie die Angehörigen von Zelayas Kabinett sind wohlweislich untergetaucht, gegen 600 Personen liegen Haftbefehle vor. Mindestens drei Personen, ein Abgeordneter, ein Angehöriger der Telekommunikationsbehörde und ein Demonstrant, wurden bisher vom Militär ermordet. Verschiedene Personen, wie etwa der bekannte Karikaturist Allan McDonald sowie zahlreiche Journalisten, wurden zeitweise entführt oder gelten noch als verschwunden. Juan Almendarez, im Jahr 2005 Präsidentschaftskandidat der linken Partei der Demokratischen Union, sagt, die Macht sei nach dem Putsch zwar an den vormaligen Kongressvorsitzenden Roberto Micheletti abgegeben worden, doch würden sämtliche staatlichen Einrichtungen de facto von Angehörigen des Heeres geleitet. Roberto Micheletti ist gewiss keine charismatische Führungskraft, selbst parteiintern konnte er sich bei den Liberalen keine Basis von Anhängern schaffen. Er dient bei diesem Putsch offenbar nur als vorgeblich demokratisches Aushängeschild einer Militärdiktatur, die zugunsten der traditionellen rechten Oligarchie die Macht an sich reißt.
Quelle: jungle World
Anmerkung Orlando Pascheit: Was ist die Verfehlung von Manuel Zelaya? Er hat illegale Siedlungen auf staatlichem Ackerland legalisiert, er hat den Zinssatz von Kreditkarten begrenzt, er hat er hat die Steuerflucht bekämpft und hat in den urbanen Zentren die Erhöhung des Mindestlohns um 60 Prozent durchgesetzt. Damit sollte die massive Preissteigerung für Grundnahrungsmittel zumindest teilweise ausgeglichen werden. Er hat damit die Mächtigen im Land gegen sich aufgebracht. Die immer wieder ins Spiel gebrachte Befragung zur Verlängerung seiner Amtszeit hatte nicht den Charakter eines verbindlichen Referendums, sondern wäre nicht bindend für Gesetze gewesen. Auf welcher Grundlage rechtfertigt das Haftbefehle? Stellen wir uns einmal hierzulande vor, ein Gesetz wird, wie das schon öfter vorkam, vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, und daraufhin wird Angela Merkel von schwer bewaffneten Soldaten aus dem Bett geholt, in ein Flugzeug gesteckt und abgeschoben. Das fände dann FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer als “ziemlich tolpatschigen Versuch der Lösung einer Verfassungskrise”.- Die FDP würde in einer schwarz-gelben Koalition den Außenminister stellen.
Allerdings ist das, was gewisse Kreise in der FDP treiben, nur für unser Land bedeutsam. In Honduras ist das Versagen der katholischen Kirche viel gravierender. Leider hat sich Kardinal Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga von den Putschisten vereinnahmen lassen. Am 4. Juli wurden sämtliche Medien für eine Erklärung des Kardinals gleichgeschaltet, in der er erklärte, dass die Bischofskonferenz zu dem Schluss gekommen, dass die staatlichen Institutionen nach demokratischem Recht und im Einklang mit der Verfassung gehandelt hätten. Er warnte Zelaya davor, nach Honduras zurückzukehren. Er sei dann für ein eventuelles “Blutbad” verantwortlich. Die aktuelle Situation biete auch eine Chance, ein neues Honduras zu bauen. Nun ist Kardinal Maradiaga in der katholischen Kirche nicht irgendwer. Er ist zur Zeit Präsident der Caritas und galt während des Konklave 2005 als möglicher Kandidat für den päpstliche Stuhl. Siehe Wikipedia
Dazu auch:
Kein Tag ohne Todesdrohung
Im Machtkampf in Honduras stellt sich die katholische Kirche gegen die internationale Meinung, die EU und Obama. Im Gespräch mit der F.A.Z. wehrt sich der Erzbischof von Tegucigalpa, Kardinal Rodríguez, gegen eine „mit viel Geld ausgestattete Kampagne“, die vom venezolanischen Präsidenten Chávez gesteuert werde
Quelle: FAZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Also die UNO, die EU, die USA und der ganze Rest der Welt sind von Hugo Chávez gesteuert: Ein Kardinal als Verschwörungstheoretiker. Als besonders glaubwürdig erweist sich der gute Kardinal nicht, wenn er beschwört: “Hier in Zentralamerika ist die Erinnerung an die siebziger und achtziger Jahre noch sehr lebendig: Bürgerkriege, Guerilla -Kämpfe, hunderttausende Tote. Honduras wurde Gott sei Dank von direkten Kämpfen verschont, aber wir haben viele Flüchtlinge aus den Nachbarländern aufgenommen, vor allem aus Nicaragua und Guatemala. Diese Zeiten dürfen nicht wiederkommen.” Über diese Flüchtlinge, auch „Contras“ genannt, führten die USA mit logistischer Unterstützung der honduranischen Regierung einen unerklärten Krieg gegen Nicaragua.- Die Kirche ist immer noch auf dem rechten Auge blind.
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