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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Wie Wallstreet und Washington die USA verraten haben – Eine wichtige Dokumentation. (Teil XII Finanzkrise)
Datum: 17. März 2009 um 14:48 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Finanzkrise, Lobbyismus und politische Korruption
Verantwortlich: Albrecht Müller
Rund 5 Mrd. Dollar gaben die Finanz-Lobbyisten in den USA zwischen 1998 und 2008 aus, um jene Regeln zu Fall zu bringen, die das jetzige Desaster verhindert hätten. Die Ergebnisse dieser Dokumentation von wallstreetwatch lassen sich auf uns übertragen. Wenn man nämlich nicht in Rechnung stellt, dass auch bei uns massiv Lobbyarbeit betrieben wird, dann lassen sich viele Entscheidungen gar nicht erklären. Albrecht Müller
Wallstreetwatch hat einen 231 Seiten langen Bericht mit dem Titel „Sold Out. How Wall Street and Washington Betrayed America“ vorgelegt. Dieser ist leider nur auf Englisch verfügbar. (Wenn es unter unseren Lesern des Englischen Kundige gibt, die ein bisschen Zeit und Lust zum Lesen dieses Berichtes haben, dann würden wir unseren Lesern gerne eine Zusammenfassung zur Verfügung stellen. Diese müsste nicht lang sein. Bitte eine Mail schicken, bevor Sie mit der Arbeit beginnen und die Antwort abwarten. Wir wollen Ihnen Doppelarbeit selbstverständlich ersparen)
Unter dem angegebenen Link findet sich sowohl der gesamte Text als auch einzelne wichtige Teile – so eine Einführung, dann eine Zusammenfassung „Executive Summary“ und dann eine Übersicht über die Zuwendungen von Wall Street für Wahlkampagnen und Lobbyausgaben.
In diesem Teil, im Gesamtbericht Seite 99-108, ist nicht nur aufgelistet, wie viele Dollars die Finanzindustrie insgesamt für die Wahlkämpfe der beiden Parteien (1,738 Milliarden $) und für Lobbyarbeit (3,44 Milliarden $) ausgegeben hat, man erfährt dort auch welche Summen die einzelnen Banken und Bankentypen wie auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bezahlt haben.
Diese Dokumentation erklärt, warum die Politik und die politischen Entscheidungen über weite Strecken von der Finanzindustrie bestimmt werden. Wir haben deshalb schon des Öfteren davon gesprochen, das sich die Politik in den Fängen der Finanzindustrie befindet. Das ist bei uns nicht wesentlich anders als in den USA. Und auch bei uns wird viel Einfluss von amerikanischen Teilen der Finanzindustrie auf die deutsche Politik ausgeübt. Siehe Beitrag vom 2. Oktober 2008 mit dem Titel „Wichtig für unser Land: Die politische und mediale Vorherrschaft des Finanzsektors muss gebrochen werden“. Oder „Viele Privatisierungen kann man nur verstehen, wenn man fragt: Wer verdient daran? Dieser Verdacht wird ständig bestätigt.“. Oder „Über das Zusammenspiel von Medien, Finanzwirtschaft und Politik – auch bei HRE sichtbar (Teil V zur Finanzkrise). “.
Eine Dokumentation mit die jetzt für die USA vorliegende bräuchten wir auch für unser Land. Auch bei uns sind eine Fülle von politischen Entscheidungen nicht zu verstehen, wenn man den Einfluss der Finanzindustrie auf Politik und Wirtschaft, auf Medien und Wissenschaft nicht in Rechnung stellt. Man begreift zum Beispiel nicht, warum die Bundeskanzlerin und die Union gegen die Absicht des Bundesverkehrsministers, die Teilprivatisierung der Bahn weiter zu verschieben, sofort interveniert; man begreift nicht, warum die FDP den Manager des Hedgefonds, Mr. Flowers, für eine Anhörung des Deutschen Bundestags nominiert hat; man versteht überhaupt nicht, wie lautlos 480 Mrd. € für einen Rettungsschirm der Banken bereitgestellt wurden und dass der Vollzug an eine kleine Gruppe von Personen übertragen worden ist, deren Unabhängigkeit keinesfalls garantiert ist; man versteht ohne Kenntnis des massiven Einflusses der Finanzindustrie nicht, warum die Bundeskanzlerin den Berater von Goldman Sachs Otmar Issing zum Vorsitzenden der Expertenkommission machte, die die neuen Vorschläge zur Neuordnung der Weltfinanzmärkte ausarbeiten sollte; usw.
in den NachDenkSeiten finden sie an vielen Stellen Belege für diese Zusammenhänge. Es wäre zu umfangreich, die Links und Artikelüberschriften nacheinander aufzulisten. Scrollen Sie einfach ein bisschen ins Jahr 2008 und 2007 oder noch weiter zurück, wenn Sie die Zeit dafür haben.
Vergleich mit Wahlkampfkosten
Zum Schluss noch der Hinweis auf eine Zahlenrelation, die erkennen lässt, welches große Gewicht die gezahlten Millionen und überhaupt die hohen Verdienste im Finanzsektor haben können, um politische Entscheidungen zu beeinflussen. Das Fazit vorweg: Aus den Verdiensten der Finanzwirtschaft und der dort tätigen Manager lassen sich die Kosten der Parteien für ihre Wahlkämpfe gleich mehrmals bezahlen.
Die Parteien geben ihre Wahlkampf-Kosten insgesamt vermutlich nicht sehr korrekt an. Es gibt Anhaltspunkte. Im Anhang sind zwei Quellen genannt. Danach haben die Union und die SPD jeweils ungefähr 25 Millionen € für den letzten regulären Wahlkampf im Jahr 2002 ausgegeben, im Jahr 2005 lagen die Kosten angeblich etwas darunter.
Da in diesen 25 Millionen der Kosten unserer großen Parteien die Ausgaben der Untergliederungen noch nicht enthalten sind und es mit Sicherheit Dunkelziffern gibt, erhöhen wir für unseren Vergleich den Betrag großzügig auf das Vierfache. Wir unterstellen, CDU und CSU beziehungsweise die SPD hätten jeweils 100 Millionen € ausgegeben.
Diesen Betrag vergleichen wir mit den Boni und sonstigen Vergütungen, mit Gehältern und Prämien, die laut einer Meldung des britischen Guardian, berichtet in SpiegelOnline vom 18. 10. 2008, von den Investmentbanken der Wall Street mitten in der Krise ausgezahlt worden sind: 70 Milliarden $, das sind rund 50 Milliarden Euro. Die Investmentbanker der Wall Street (also nicht die Investmentbanken, sondern nur die Manager) hätten den Wahlkampf einer deutschen Volkspartei 700mal bezahlen können.
Die Manager der Investmentbank Goldman Sachs, für die Angela Merkels Berater Dibelius arbeitet, erhielten 11,4 Milliarden $. Sie können mit diesem Geld den Wahlkampf der CDU/CSU etwa 80 mal bezahlen.
Die Manager der Citigroup, für die Clement arbeitete, erhielten 25,9 Milliarden $. Damit könnte man den Wahlkampf der SPD rund 185 mal bezahlen.
Es kommt hier nicht auf das Detail an. Es kommt darauf an, die Dimension zu begreifen. Wenn man das begriffen hat, dann versteht man auch die Hintergründe vieler absolut unverständlicher politischen Entscheidungen.
Anhang
A. Wahlkampfkosten
23.08.2005 – aktualisiert: 05.09.2007 20:11 Uhr
Der kurze Bundestagswahlkampf 2005 kostet die Parteien voraussichtlich rund 60 Millionen Euro
Stuttgart – Der kurze Bundestagswahlkampf 2005 kostet die Parteien voraussichtlich rund 60 Millionen Euro – und damit nicht wesentlich weniger als der “normale” Wahlkampf 2002. Damals lagen die Kosten bei gut 68 Millionen Euro.
Die CDU gibt diesmal voraussichtlich etwa 18 Millionen Euro aus, die CSU rund 5 Millionen. Die SPD lässt sich das Werben um Wählerstimmen etwa 25 Millionen Euro kosten. Die Grünen investieren rund 3,8 Millionen Euro, die FDP gibt 3,5 Millionen Euro aus und die Linkspartei 4 Millionen Euro.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten
B. Wahlkampfkosten
Karl-Rudolf Korte
Die SPD veranschlagte ihre Wahlkampfkosten im Jahr 2002 auf etwa 26 Millionen Euro. Die Unionsparteien investierten rund 24,5 Millionen Euro in ihre Wahlkampagne. Die kleineren Parteien folgen mit deutlichem Abstand. Die PDS ließ sich den Wahlkampf 5,8 Millionen Euro kosten, die FDP fünf Millionen Euro und die Grünen 3,5 Millionen Euro. Die Ausgaben der Untergliederungen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Quelle: Bundeszentrale Politische Bildung
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3828