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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 29. Januar 2009 um 9:30 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/AM/WL)
Heute unter anderem zu diesen Themen:

  • Datenaffäre bei der Deutschen Bahn – 173.000 Mitarbeiter überprüft
  • Kommentar zum Ifo-Index: Zur Hälfte Psychologie
  • IMK: In Konjunkturpaketen vorgesehene Steuersenkungen bringen Kommunen Milliardenausfälle
  • Hertie und die Heuschrecke
  • Brown schont Steueroasen
  • „Bad Bank“ sorgt für gute Kurse
  • Banken verteilen eifrig Parteispenden
  • IWF-Prognose – Banken verlieren 2200 Mrd. Dollar
  • IWF: Regierungen sollen Banken retten
  • ILO: Arbeitslosigkeit, Erwerbsarmut und prekäre Beschäftigung nehmen aufgrund der globalen ökonomischen Krise dramatisch zu
  • Bundesagentur für Arbeit verzeichnet Milliardenminus
  • Big Brother: Europa will an Deine Daten
  • ver.di: In weiteren Branchen soll Lohnuntergrenze gelten – Einheitliche Regelung notwendig
  • Hartz-Gewinner und Verlierer
  • Rentenformel überprüfen und Dämpfungsfaktoren streichen – statt Renten umverteilen
  • PPP: »Würzburg frustriert«
  • Krise der Pflegeheime
  • Wirtschaftswoche ein Propagandaorgan der arbeitgeberfinanzierten INSM
  • Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) wehrt sich gegen Vorwürfe der Hochschulrektorenkonferenz (HRK)
  • Studiengebühren sollen Unidefizit ausgleichen
  • Peter Licht – Lied vom Ende des Kapitalismus
  • Neues aus der Anstalt

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Datenaffäre bei der Deutschen Bahn – 173.000 Mitarbeiter überprüft
    Neue Dimension im Spitzelskandal bei der Deutsche Bahn: Rund 173.000 Mitarbeiter sind ohne ihr Wissen und Einverständnis vom Konzern überprüft worden.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Da hat der frühere Staatsanwalt und heute oberste Korruptionsbekämpfer der Bahn Schaupensteiner aber gründliche Arbeit geleistet. Von 240.000 Beschäftigten wurden 173.000 bis auf die Kontonummer überprüft und mit den Daten von 80.000 Auftragnehmern der Bahn abgeglichen. Dabei habe sich in 175 Fällen ein Tatverdacht ergeben. Eine private Detektei, die schon bei der Telekom einschlägige Spitzelerfahrung gesammelt hat, erhielt dafür 800.000 Euro.

  2. Kommentar zum Ifo-Index: Zur Hälfte Psychologie
    Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie. Das wusste schon Ludwig Erhardt. Die Erwartungen der Unternehmer beeinflussen maßgeblich das Wirtschaftsgeschehen. Steigt der Optimismus, wird mehr investiert, schwächt sich der Pessimismus ab, wird weniger entlassen.
    Deshalb sind und waren die Konjunkturpakete der Bundesregierung und aller anderen Regierungen sowie die drastischen Zinssenkungen der Notenbanken gerechtfertigt. Die jüngsten Frühindikatoren der Wirtschaft bezeugen das. Sie stabilisieren sich nach dem beispiellosen Absturz.
    Damit stellen sie zugleich dem Gequatsche mancher Großökonomen, bei den staatlichen Interventionen handele es sich bestenfalls um ein Strohfeuer, ein sehr schlechtes Zeugnis aus. Ohne die Stabilisierung der Erwartungen würde die Rezession noch schlimmer, als sie schon wird. Von Robert von Heusinger.
    Quelle: FR
  3. IMK: In Konjunkturpaketen vorgesehene Steuersenkungen bringen Kommunen Milliardenausfälle
    Sie sind das Herzstück des Konjunkturpakets: Mehr Investitionen in Städten und Gemeinden. Doch die ebenfalls beschlossenen Steuersenkungen bescheren den Kommunen gleichzeitig Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe.
    Für die konjunkturelle Belebung bringen Steuer- und Abgabensenkungen wenig, betonen die Forscher des IMK. Ein wesentlicher Teil des dafür aufgewendeten Geldes fließe nicht in den Konsum, sondern bleibe auf den Sparkonten. Doch nicht nur das: Die Steuersenkungen werden auch die Finanzkraft der Kommunen erheblich schwächen, hat der IMK-Steuerexperte Dr. Achim Truger errechnet.
    Nach den Berechnungen des IMK könnten die Kommunen in diesem Jahr maximal 6,3 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionsmitteln erhalten – von Bund, Ländern und von der Investitionsbank KfW. 2010 könnten es noch einmal 5,8 Milliarden sein. Doch gleichzeitig verursachen die in den beiden Konjunkturpaketen vorgesehenen Steuersenkungen massive Steuerausfälle bei Städten und Gemeinden. Denn die haben beispielsweise einen festen Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer, das nun geringer ausfallen wird. Außerdem sind die Gemeinden in den meisten Bundesländern mit einem festen Prozentsatz an den Steuereinnahmen der Länder beteiligt, die von den Konjunkturpaketen ebenfalls negativ betroffen sind. Auch die großzügigeren Abschreibungsregeln für Unternehmen und die Wiedereinführung der Pendlerpauschale schlagen in den Kommunalhaushalten negativ zu Buche.
    Insgesamt beziffert das IMK die kommunalen Mindereinnahmen auf 1,9 Milliarden Euro in diesem Jahr und sogar 3,4 Milliarden Euro 2010. Damit würden den Gemeinden heuer 30 Prozent der zusätzlichen Investitionsmittel gleich wieder entzogen, im kommenden Jahr wären es knapp 60 Prozent. Rechnet man noch die Folgen der höheren steuerlichen Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung hinzu, die ab 2010 gelten soll, verlören die Gemeinden im kommenden Jahr sogar fast 80 Prozent der zusätzlichen Investitionsmilliarden. Dabei sei es unerlässlich, dass der Investitions-Impuls möglichst ungeschmälert in den Rathäusern ankommt.
    Quelle: Hamburg Links
  4. Hertie und die Heuschrecke
    Der Warenhauskette Hertie droht noch im Frühjahr die komplette Schließung. Hertie-Insolvenzverwalter Biner Bähr sagte in Essen, das Aus für die vor allem in kleinen und mittelgroßen Städten vertretene Warenhauskette sei unvermeidbar, wenn sich der Hertie-Gesellschafter und Eigentümer der meisten Warenhäuser, der britische Finanzinvestor Dawnay Day, nicht zu drastischen Mietsenkungen bereiterkläre. „Dawnay Day hat als Gesellschafter Hertie Mieten aufgebürdet, die nicht zu finanzieren sind“, sagte Bähr. „Das ist von keinem Kaufhaus der Welt zu erwirtschaften.“ Ohne eine drastische Senkung der Mieten habe das Unternehmen keine Zukunftsaussichten. Wenn sich Dawnay Day nicht bis Ende Februar bewege, werde er deshalb das Kaufhaus schließen müssen. Noch im März werde dann der Ausverkauf beginnen. Spätestens im April würden dann die Tore geschlossen. Dawnay Day habe sich trotz zahlreicher Gespräche in den vergangenen sechs Monaten aber noch nicht bewegt.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung AM: Ein gutes Beispiel dafür, mit welchen Methoden die so genannten Investoren (die keine sind, weil sie den übernommenen Firmen hohe Schulden oder sonstige erdrückenden Verpflichtungen aufdrücken) arbeiten. In diesem Fall eine viermal überhöhte Mietbelastung, bei anderen übernommenen Firmen hohe Zinsen für die Schulden oder teure Wartungsverträge mit den neuen Eigentümern oder ihren Helfern und Strohmännern.
    – Das ist das, was Gerhard Schröder euphorisch die Auflösung der Deutschland AG nannte und worunter Hunderttausende von Arbeitnehmern in Deutschland leiden müssen. Abgesehen davon, dass auf diese Weise inzwischen schon messbar Wertschöpfung ins Ausland abfließt. Und das Ganze wird von uns auch noch dadurch steuerlich gefördert, dass der beim Verkauf an diese Sorte von Heuschrecken realisierte Gewinn steuerfrei bleibt, wie auch weitere Gewinne beim Wiederverkauf.

  5. Brown schont Steueroasen
    Gordon Brown präsentiert sich als Ausputzer des globalen Wirtschaftssystems. Doch dass Großbritannien die meisten Steueroasen Europas hat – dagegen unternimmt der Premier auffällig wenig: Kritiker werfen ihm vor, in Wahrheit immer noch Interessen der Finanzindustrie zu vertreten.
    Quelle: SPIEGEL
  6. „Bad Bank“ sorgt für gute Kurse
    Hoffnungen auf eine Entlastung der Banken von unverkäuflichen Wertpapieren haben die Aktienmärkte in den USA und in Europa am Mittwoch ins Plus
    getrieben. Die Idee einer amerikanischen „Bad Bank“ – also einem Institut, in dem alle faulen Wertpapiere gebündelt werden, um die übrigen Banken zu entlasten – sorgte auch in Deutschland für deutliche Kursgewinne bei den Finanzwerten.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung AM: Und dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Banken-Rettungsschirm und/oder die Gründung einer üblen Bank dazu führt, dass mit Steuergeldern die Kurse der Aktienbesitzer hochgehalten werden beziehungsweise hochgetrieben werden. Siehe dazu unser gestriger Eintrag “Unser Land wird betrügerisch geplündert. 4. Fall und anderes”. Die Steuerzahler bezahlen die Spekulationsgewinne der auf der Börse Aktiven. Bitte beachten Sie dabei, dass der DAX immer noch mehr als doppelt so hoch ist wie auf dem tiefsten Punkt des Jahres 2003. Siehe dazu die Analyse vom 7. Januar 2009: “Den Kapitalmarkt effizienter organisieren – Konversion ist angesagt (Teil I)”, Ziffer 3.

  7. Großspenden der Großbanken – “Peanuts” für die Union
    Trotz Finanzkrise haben die deutschen Parteien im vergangenen Jahr die meisten Großspenden aus der Bankenbranche erhalten. Dies geht aus den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben der Parteien an den Bundestag hervor, die nun erstmals für das gesamte Jahr vorliegen.
    Allein die Deutsche Bank überwies im letzten Quartal insgesamt 500.000 Euro an CDU, SPD und FDP: Jeweils 200.000 Euro gingen an die CDU und die FDP, 100.000 Euro gingen an die SPD. Zu den Förderern gehörten auch die Commerzbank, der Finanz- und Versicherungskonzern Allianz sowie die Privatbanken Sal. Oppenheim und Berenberg.
    Union liegt weit vorn, FDP auf Platz zwei
    […]
    Mit Abstand die meisten Großspenden aus der Wirtschaft und von Privatleuten bekamen die Unionsparteien. Nach den Bundestags-Zahlen erhielten CDU und CSU insgesamt mehr als 3,5 Millionen Euro. Es folgen die FDP mit mehr als 930.000 Euro, die SPD mit mehr als 650.000 Euro und die Grünen mit 60.000 Euro. Die ebenfalls im Bundestag vertretene Linke bekam demnach keine Großspenden…
    Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag, Dagmar Enkelmann, erklärte zu den Zahlen: “So sieht Dankbarkeit aus.” Nachdem der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD und FDP zulasten des Steuerzahlers großzügige Hilfe für die Banken beschlossen habe, hätten diese sich umgehend revanchiert. “Man darf gespannt sein, wie sich die deutsche Automobilindustrie für das Konjunkturpaket II bedanken wird.”
    Quelle: N-TV

    Anmerkung AM: Komisch, eigentlich sind die Banken ja bankrott. Sie sind aber in diesem Zustand nicht nur fähig, Dividenden, Boni und andere Vergütungen zu zahlen, sie zahlen auch noch Spenden an Parteien. Woher kommt das Geld? Von uns Steuerzahlern. Wir alle spenden auf dem Umweg über die Bankenrettung vor allem für die so genannte bürgerliche Mehrheit. Wir sollten uns also nie mehr über die Parteienfinanzierung durch den Staat aufregen, wie sie stattfindet, wenn pro Wählerstimme ein Betrag an alle Parteien gezahlt wird. Das ist wenigstens noch einigermaßen fair.

  8. IWF-Prognose – Banken verlieren 2200 Mrd. Dollar
    Der Internationale Währungsfonds hat seine Konjunkturprognose noch einmal nach unten korrigiert – und ein Schreckensszenario für die Geldhäuser weltweit entworfen.
    Der Internationale Währungsfonds (IWF) beziffert die erwarteten Verluste durch Kredite und entsprechende Vermögenswerte, die im Zusammenhang mit dem Einbruch auf dem US-Immobilienmarkt stehen, auf 2200 Mrd. $. Im Oktober lag die Schätzung noch bei 1400 Mrd. $. Die Banken werden voraussichtlich noch mehr Kapital benötigen, da weitere Verluste zu erwarten seien, heißt es im ebenfalls aktualisierten Bericht zur globalen Stabilität der Finanzmärkte des Weltwährungsfonds. Der IWF empfiehlt, die faulen Kredite aus dem Bankensystem herauszunehmen.
    Quelle: FTD

    Dazu siehe auch eine weitere Meldung zum Thema und den Kommentar eines 23-jährigen Lesers der NachDenkSeiten und Volkswirts aus Mannheim:

    IWF: Regierungen sollen Banken retten
    IWF-Chef Strauss-Kahn fordert neue Rettungsrunde für die Banken. „Es ist derzeit effizienter, einen Euro in den Bankensektor zu stecken, als ihn für Brücken oder Schulen auszugeben.“
    Der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, hat die Regierungen Deutschlands und anderer Länder aufgefordert, die Probleme im Finanzsektor entschlossener anzugehen. „Es wird keine wirtschaftliche Erholung geben, solange die Banken immer neue Verluste anhäufen. Die Regierungen müssen die Banken sanieren“, sagte Strauss-Kahn der ZEIT.
    Das sei seine „Botschaft für die Bundeskanzlerin“, sagte Strauss-Kahn, der kommenden Donnerstag mit Angela Merkel zusammentrifft. In Deutschlandaber auch in anderen Staaten wird derzeit über neue Rettungspakete für den Finanzsektor diskutiert…
    Auch die Verstaatlichung von Banken dürfe nicht ausgeschlossen werden. „In manchen Fällen kann die vorübergehende staatliche Übernahme von Banken nötig werden“, sagte er. Er glaube, dass eine „Bad Bank“, also ein Institut, das den Banken faule Wertpapiere abkauft, „eine sinnvolle Sache“ sei.
    Strauss-Kahn bemängelte den Umgang Deutschlands und Europas mit der Krise. „Die Europäer waren bislang zu zögerlich im Kampf gegen die Krise, das galt auch für Deutschland. Ich hätte mir gewünscht, dass das europäische Konjunkturprogramm größer ausfällt.“ Die Zentralbanken hätten „gut auf die Krise reagiert“. Es wäre aber nicht verkehrt, „wenn die EZB etwas mehr Gas geben würde“, sagte Strauss-Kahn.
    (Das Interview wird am Donnerstag veröffentlicht)
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung K.Sch.: Mal abgesehen von dem logischen Unsinn, den Konstrukteuren der Krise durch Rettungsmaßnahmen ihre destabilisierenden Praktiken weiterhin zu ermöglichen, lässt sich auch mit Blick auf ein paar Statistiken und konjunkturdynamischen Überlegungen die Aussage als ziemlich bodenlos darstellen.
    Gesamtwirtschaftlich betrachtet sind Löhne und Gehälter mit 56.4% Anteil am BIP und die Staatsnachfrage mit 18.2% Anteil am BIP (1) (welche sich wiederum zu 80% (2) aus Lohn- und Verbrauchssteuern zusammensetzt) mit zusammen 75% also die eindeutigen und maßgeblichen Nachfrageposten. Durch sie sind nachhaltiges Wirtschaftswachstum erst möglich: Sie sind die Grundvariable ALLER wirtschaftspolitischen Modelle – die Konsumnachfrage.
    Eine nicht vorhandene oder unzureichende Unterstützung dieser Nachfrage, so wie es also die Bundesregierung derzeit plant, hat ganz einfache Auswirkungen:
    Die Unternehmen haben einen Nachfrageeinbruch, drosseln ihre Produktion, entlassen Mitarbeiter oder es gibt zumindest Lohnkürzungen, die Staatseinnahmen sinken und damit die Staatsnachfrage und Staatstätigkeit in vorrangig sozialen Bereichen, die Unternehmen treffen wieder auf gesunkene Nachfrage – und wir sind da, wo wir nicht hinwollen: In der größten rezessiven Abwärtsspirale seit 1930.
    Diese Konjunkturdynamik kann durchbrochen oder zumindest abgeschwächt werden, indem man auf den wichtigsten Faktor einer Marktwirtschaft einwirkt und unterstützt, ganz simpel eigentlich:
    Die Löhne/Gehälter und die Staatsnachfrage.
    Man muss sich nochmals klarmachen, dass es sich hierbei nicht um ein vergleichsweise schnödes Konjunkturprogramm von 50 Milliarden Euro handeln würde – Selbst wenn nur die Hälfte der Bankenrettung für solche Maßnahmen eingesetzt würden reden wir hier von hunderten von Milliarden.

    Im Gegensatz dazu die Forderung von Strauss-Kahn:
    Öffentliche, durch Steuern oder Kreditaufnahme (mit neuen Zinsen) finanzierte Staatsgelder sollen zur Rettung des Vermögens der Banken, Großaktionäre (und natürlich auch Kleinanlegern), Versicherungen und weiteren Finanzinstitutionen eingesetzt werden.
    Die geretteten Institutionen werden weiter auf folgenden drei Hauptfeldern agieren:
    Die fortwährende Spekulation mit Derivaten bzw. anderen Finanzmarktinstrumenten, Investitionen in neue Privatisierungsobjekte und, meiner Ansicht nach, die bedeutendste: Die Akquisition von Unternehmen mit Problemen in der Realwirtschaft. Sowohl in Deutschland als auch in Nordamerika gibt es berechtigte Hinweise darauf, dass sich Finanzakteure wie Investmentbanken, Hedgefonds und andere Großanleger darauf vorbereiten, erst durch das „Short-Selling“ und Aktienverkäufe die Aktienkurse von strauchelnden Unternehmen aus verschiedenen Branchen zu drücken und sich dann Mehrheitsanteile an den jeweiligen Unternehmen zu sichern. Dass das die gängige Praxis im Zusammenspiel zwischen den Abteilungen M&A und Financial Markets ist, war schon in der Vergangenheit kein Geheimnis.
    Weitere, massive Entlassungen und Druck auf die Tarifabschlüsse im Namen „der Rettung der Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit“ sind die Folge.
    Dass die dadurch weiter wachsenden bzw. „geretteten“ Vermögen in viel geringerem Ausmaß in Konsum, Investition oder realwirtschaftlich produktive Tätigkeiten investiert werden, ist hierbei nicht nur Randnotiz, denn die Gewinnverwendung einer AG sieht normalerweise folgendermaßen aus:
    Im internationalen Vergleich werden für gewöhnlich weit über die Hälfte des Jahresgewinns für Ausschüttung an Anteilseigner und Bildung von Gewinnrücklagen verwendet.
    Da Finanzinstitutionen in Deutschland und in Europa generell einen sehr geringen Investitionsbedarf haben und auch die dadurch vorrangig betroffenen höheren Einkommensklassen eine um fast 40% höhere Sparquote haben (Einkommen geteilt durch Ersparnis), Geld also nicht produktiv genutzt wird, sind die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt verschwindend gering, was an Statistiken der letzten Jahrzehnte belegt werden kann.
    Davon abgesehen das Beispiel der Hypo Real Estate:
    Allein die Hypo Real Estate liegt zu 73% in den Händen von fünf Großaktionären, der Rest ist Streubesitz. Diese sitzen in den USA (zwei) auf den Caymaninseln und den Bermudas (die anderen drei) (3).
    Um es ganz klar auszudrücken: Die fast 100 (!) Milliarden (4) für die HRE dienen im Prinzip nur einem Zweck: Das Kapital der Kapitaleigner von Unternehmen zu retten, die in weit größerem Stil als Klaus Kleinfeld den Regelungen des deutschen Rechts entgangen sind.
    Dass die HRE insgesamt nur noch 400 Millionen wert ist und auch in absehbarer Zeit keine 100 Milliarden erwirtschaften wird, sei mal dahingestellt.

    Die Rettung von Banken oder anderen Finanzinstitutionen ist ein Transfer der durch Steuergelder finanzierten Staatseinnahmen zu Finanzinstitutionen. Oder wie Joseph Stiglitz, einer der prominentesten und fundiertesten Kritiker der Bailouts nach US-amerikanischen Modell, sagt:

    There is, however, an alternative explanation for Wall Street’s celebration: the banks realized that they were about to get a free ride at taxpayers’ expense. No private firm was willing to buy these toxic mortgages at what the seller thought was a reasonable price; they finally had found a sucker who would take them off their hands – called the American taxpayer. (5)

    Natürlich muss man vorsichtig sein: Die Gefahren eines „Kaskadeneffektes“, d.h. das mögliche Übergreifen der Probleme im Finanzsektor auf die Realwirtschaft müssen gut bedacht werden. Der Kreditfluss für Unternehmen und weitere volkswirtschaftlich wichtige Aufgaben der Banken müssen gesichert werden. Aber dafür gibt es sicherlich weitaus bessere Möglichkeiten als Hunderte Milliarden oder gar Billionen für die Übernahme verbriefter Produkte auszugeben, die, nebenbei bemerkt, auf weiterverkauften Krediten und Hypotheken beruhen und zum Großteil nicht mehr bedient werden können.

    Die Forderung Strauss-Kahns lässt also zwei Schlüsse zu:
    Entweder hat er, als Chef des Internationalen Währungsfonds, die grundlegendsten Prinzipien im Umgang mit wirtschaftlichen Krisen nicht verstanden, oder, und das muss man in aller Deutlichkeit sagen, ihm ist das Schicksal des Vermögens großer Kapitalbesitzer wichtiger als das Schicksal des Großteils der Bevölkerung.
    Ich habe bis jetzt noch keine überzeugende Erklärung gelesen, warum die Bailout-Strategien in den USA und die Pläne der Bundesregierung sinnvoller sein sollten als die möglichen Alternativen, die Wissenschaftler rund um den Globus vorschlagen – nämlich den Kapitalbedarf für diejenigen sichern, die es auch wirklich brauchen.
    Ich muss noch polemisch hinzufügen: Und noch ein einziges, letztes Mal das zu tun, was der IWF jahrzehntelang propagierte: Die angeschlagenen Banken und Institutionen dem Markt zu überlassen. Der wird’s schon richten.

    (1) Bundesamt für Statistik, Deutsche Wirtschaft 2008
    (2) Bundesministerium für Finanzen, Finanzbericht 2007
    (3) www.isw-muenchen.de/download/finanzkriseref-lm-200810.pdf [PDF – 200 KB]
    (4) http://www.sueddeutsche.de/finanzen/808/455483/text
    (5) http://www.thenation.com/doc/20081013/stiglitz

  9. ILO: Arbeitslosigkeit, Erwerbsarmut und prekäre Beschäftigung nehmen aufgrund der globalen ökonomischen Krise dramatisch zu
    Based on new developments in the labour market and depending on the timeliness and effectiveness of recovery efforts, the report says global unemployment in 2009 could increase over 2007 by a range of 18 million to 30 million workers, and more than 50 million if the situation continues to deteriorate.
    The ILO report also said that in this last scenario some 200 million workers, mostly in developing economies, could be pushed into extreme poverty.
    Quelle: ILO Press release, January 28, 2009 [PDF – 60 KB]
  10. Bundesagentur für Arbeit verzeichnet Milliardenminus
    Negativbilanz für die Bundesagentur für Arbeit: Hohe Sonderausgaben für die Pensionäre der Behörde haben im Etat ein Milliardenloch hinterlassen. Für 2009 rechnet die Agentur mit noch höheren Verlusten, da die Arbeitslosigkeit deutlich steigen dürfte.
    Quelle: SPIEGEL
  11. Big Brother: Europa will an Deine Daten
    In der Europäischen Union arbeiten Politiker wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble stark daran, die gemeinsame Pläne zur inneren Sicherheit auszubauen – nicht unbedingt zum Vorteil der Bürgerrechte. Ein Überblick anlässlich des Europäischen Datenschutztags.
    Quelle: Tagesspiegel
  12. ver.di: In weiteren Branchen soll Lohnuntergrenze gelten – Einheitliche Regelung notwendig
    In sechs weiteren Branchen soll es künftig einen Mindestlohn geben. Wenn der Bundesrat Mitte Februar zustimmt, profitieren die Beschäftigten bei Pflegediensten, in der Abfallwirtschaft, im Wach- und Sicherheitsgewerbe, in Großwäschereien, in der Weiterbildung und bei Bergbauspezialdiensten von dieser Lohnuntergrenze.
    In anderen fehlen sie weiterhin. Die Einführung eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns von 7,50 Euro pro Stunde steht daher weiter oben auf der Liste der gewerkschaftlichen Forderungen.
    Ein Beispiel für Sinn und Zweck eines gesetzlichen Mindestlohns ist die Leiharbeit. Hier streiten die politischen Akteure seit Monaten über eine Regelung. Jetzt haben sie einen Kompromiss eigens für diese Branche gefunden: Statt über das Entsendegesetz oder das Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen soll der Mindestlohn hier über eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes geregelt werden. Dann würde das Kabinett die Höhe beschließen, die per Rechtsverordnung gültig werden soll.
    Gerd Denzel, beim ver.di-Bundesvorstand für den Bereich Leiharbeit zuständig, geht davon aus, dass sich die Lohnuntergrenze am Tarifvertrag der christlichen Verband CGZP orientieren wird.
    Quelle: ver.di News
  13. IAB: HARTZ IV – Gewinner und Verlierer
    … die Kosten für Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Eingliederungsmaßnahmen steigen, obwohl der durchschnittliche Hartz-IV-Bezieher weniger Geld bekommt als der frühere Arbeitslosenhilfe-Empfänger. Doch gibt es hinter den Durchschnittswerten Gewinner und Verlierer – etwa im Verhältnis ein Drittel zu zwei Dritteln …Die Umstellung von einem am früheren Verdienst orientierten Leistungsprinzip zu einem bedarfsorientierten Fürsorgeprinzip hat zu vielen Ungerechtigkeiten geführt. Auch die Bürokratie hat nicht abgenommen. Das Nebeneinander von drei verschiedenen Arbeitsverwaltungen erzeugt Reibungsverluste.
    Quelle: FR

    Anmerkung WL: Dazu muss man wissen, dass das Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) eine Abteilung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) ist. Die Bundesagentur ist per Gesetz verpflichtet, die Hartz-Gesetze umzusetzen. Man kann sich leicht vorstellen, dass für ein solches Institut eine äußerst positive Sicht auf die Arbeitsmarktreformen Auftrag ist.

  14. Volkssolidarität: Rentenformel überprüfen und Dämpfungsfaktoren streichen
    “Die Volkssolidarität hält eine Überprüfung der Rentenformel für notwendig”, erklärte der Bundesgeschäftsführer des Sozial- und Wohlfahrtsverbandes Volkssolidarität Dr. Bernd Niederland am Mittwoch in Berlin. Anlass ist der am selben Tag vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin vorgestellte Vorschlag für eine neue Rentenformel.
    Niederland bezeichnete den Ansatz des DIW, Niedriglöhne höher zu bewerten und damit Altersarmut entgegenzuwirken, als richtig. “Die Volkssolidarität ist dafür, die im SGB VI vorhandene Regelung nach § 262 zu nutzen und Geringverdienern höhere Anwartschaften in der gesetzlichen Rente zu ermöglichen durch eine Entfristung dieser auf bis 1992 erzielte Niedrigverdienste. “Ungeeignet” sei aber die dazu vorgesehene Finanzierung allein aus Versicherungsbeiträgen. Statt die Lebenserwartung bei der Rentenformel ins Spiel zu bringen sollte ein sozialer Ausgleich durch Steuermittel sowie durch mehr Solidarität im System ermöglicht werden, d. h. eine stärkere Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. “Um das Prinzip der Solidarität nicht zu überdehnen, ist jedoch ein Ausgleich mit Steuermitteln unverzichtbar”, so der Bundesgeschäftsführer.
    Quelle: Volkssolidarität

    Siehe dazu:

    Wirtschaftsforscher fordern eine Reform des Rentensystems, die Besserverdienende nicht mehr begünstigt
    Der Grund: Einkommensstärkere haben statistisch eine deutlich höhere Lebenserwartung. Wer länger lebt, profitiert ökonomisch gesehen stärker vom System – denn unterm Strich erhält er mehr ausgezahlt. Im Schnitt, folgert Zimmermann, erhielten Gutverdiener „also für jeden eingezahlten Euro deutlich mehr Rente als die Bezieher niedriger Einkommen“.
    Der DIW-Vorschlag zielt darauf, diese „Umverteilung“ zu beseitigen und auch die Dauer des Leistungsbezugs in der Rentenformel zu berücksichtigen. Konkret würde dies bedeuten, dass Gutverdiener mit mehr als 3000 Euro im Monat geringere Rentenzahlbeträge als bisher zu erwarten hätten. Wer hingegen weniger verdient, erhielte monatlich für jeden eingezahlten Euro etwas mehr Rente.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Statt der Rückkehr zu einem vernünftigen Rentensystem wird die Umverteilung im Armenhaus vorgeschlagen.

  15. „Würzburg frustriert“
    Elektronische Bürgerverwaltung: Public-Private-Partnership-Modellprojekt von Bertelsmann steht in der fränkischen Stadt auf der Kippe.
    Quelle: Junge Welt
  16. Krise der Pflegeheime
    Durch immer mehr neue Pflegeheime wird die Konkurrenz auf diesem Markt härter. Die Heimleitungen versuchen mit allen Tricks, ihre Häuser auszulasten. Viele arbeiten eng mit Krankenhäusern zusammen, damit alte Menschen direkt ins Pflegeheim verlegt werden, anstatt nach Hause zurückzukehren.
    Quelle: ARD/Plusminus
  17. Wirtschaftswoche ein Propagandaorgan der arbeitgeberfinanzierten INSM
    Die Soziale Marktwirtschaft ist eine Erfolgsgeschichte und hat Deutschland zu einem der reichsten Länder der Welt gemacht. Zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik wird Bilanz gezogen. Das Sonderheft der Wirtschaftswoche “Armes Deutschland? Reiches Deutschland!” ist am 26.01.2009 in Zusammenarbeit mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erschienen.
    Quelle: INSM

    Anmerkung WL: Ein weiteres Beispiel dafür, wie in Deutschland Propaganda und Journalismus ineinander übergehen. Und so heißt der Titel des Sonderheftes der Wirtschaftswoche sehr passend: „Armes Deutschland“. In Abwandlung des Titels könnte ergänzen: Von den Reichen beherrschtes Deutschland.

  18. Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) wehrt sich gegen Vorwürfe der Hochschulrektorenkonferenz (HRK)
    Bernhard Scheer von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) hat sich gegen Vorwürfe der Hochschulrektorenkonferenz gewehrt, die ZVS sei schuld an dem Bewerberchaos im letzten Semester. Jede von der Politik beschlossene Änderung am Zulassungsverfahren, habe die ZVS “immer fehlerfrei umgesetzt”. Derzeit entwickle die ZVS ein neues Softwareprodukt für das Ausschreibungsverfahren, fügte Scheer hinzu.
    Quelle: DLF
  19. Studiengebühren sollen Unidefizit ausgleichen
    Die Universität Hohenheim will offensichtlich Studiengebühren verwenden, um ein drohendes Haushaltsloch zu stopfen. Mehr als eine Million Euro aus den Beiträgen der Studierenden könnten so zweckentfremdet werden, befürchtet der Asta der baden-württembergischen Hochschule.
    Quelle: Tagesspiegel
  20. Mal etwas anderes:
    Peter Licht – Lied vom Ende des Kapitalismus
    Quelle: YouTube
  21. Zu guter letzt:
    Neues aus der Anstalt Folge 21
    Siehe vor allem Georg Schramm: Der Aufschwung ist für alle da
    Quelle: ZDF


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