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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 29. Januar 2009 um 9:30 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(KR/AM/WL)
Heute unter anderem zu diesen Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Da hat der frühere Staatsanwalt und heute oberste Korruptionsbekämpfer der Bahn Schaupensteiner aber gründliche Arbeit geleistet. Von 240.000 Beschäftigten wurden 173.000 bis auf die Kontonummer überprüft und mit den Daten von 80.000 Auftragnehmern der Bahn abgeglichen. Dabei habe sich in 175 Fällen ein Tatverdacht ergeben. Eine private Detektei, die schon bei der Telekom einschlägige Spitzelerfahrung gesammelt hat, erhielt dafür 800.000 Euro.
Anmerkung AM: Ein gutes Beispiel dafür, mit welchen Methoden die so genannten Investoren (die keine sind, weil sie den übernommenen Firmen hohe Schulden oder sonstige erdrückenden Verpflichtungen aufdrücken) arbeiten. In diesem Fall eine viermal überhöhte Mietbelastung, bei anderen übernommenen Firmen hohe Zinsen für die Schulden oder teure Wartungsverträge mit den neuen Eigentümern oder ihren Helfern und Strohmännern.
– Das ist das, was Gerhard Schröder euphorisch die Auflösung der Deutschland AG nannte und worunter Hunderttausende von Arbeitnehmern in Deutschland leiden müssen. Abgesehen davon, dass auf diese Weise inzwischen schon messbar Wertschöpfung ins Ausland abfließt. Und das Ganze wird von uns auch noch dadurch steuerlich gefördert, dass der beim Verkauf an diese Sorte von Heuschrecken realisierte Gewinn steuerfrei bleibt, wie auch weitere Gewinne beim Wiederverkauf.
Anmerkung AM: Und dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Banken-Rettungsschirm und/oder die Gründung einer üblen Bank dazu führt, dass mit Steuergeldern die Kurse der Aktienbesitzer hochgehalten werden beziehungsweise hochgetrieben werden. Siehe dazu unser gestriger Eintrag “Unser Land wird betrügerisch geplündert. 4. Fall und anderes”. Die Steuerzahler bezahlen die Spekulationsgewinne der auf der Börse Aktiven. Bitte beachten Sie dabei, dass der DAX immer noch mehr als doppelt so hoch ist wie auf dem tiefsten Punkt des Jahres 2003. Siehe dazu die Analyse vom 7. Januar 2009: “Den Kapitalmarkt effizienter organisieren – Konversion ist angesagt (Teil I)”, Ziffer 3.
Anmerkung AM: Komisch, eigentlich sind die Banken ja bankrott. Sie sind aber in diesem Zustand nicht nur fähig, Dividenden, Boni und andere Vergütungen zu zahlen, sie zahlen auch noch Spenden an Parteien. Woher kommt das Geld? Von uns Steuerzahlern. Wir alle spenden auf dem Umweg über die Bankenrettung vor allem für die so genannte bürgerliche Mehrheit. Wir sollten uns also nie mehr über die Parteienfinanzierung durch den Staat aufregen, wie sie stattfindet, wenn pro Wählerstimme ein Betrag an alle Parteien gezahlt wird. Das ist wenigstens noch einigermaßen fair.
Dazu siehe auch eine weitere Meldung zum Thema und den Kommentar eines 23-jährigen Lesers der NachDenkSeiten und Volkswirts aus Mannheim:
IWF: Regierungen sollen Banken retten
IWF-Chef Strauss-Kahn fordert neue Rettungsrunde für die Banken. „Es ist derzeit effizienter, einen Euro in den Bankensektor zu stecken, als ihn für Brücken oder Schulen auszugeben.“
Der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, hat die Regierungen Deutschlands und anderer Länder aufgefordert, die Probleme im Finanzsektor entschlossener anzugehen. „Es wird keine wirtschaftliche Erholung geben, solange die Banken immer neue Verluste anhäufen. Die Regierungen müssen die Banken sanieren“, sagte Strauss-Kahn der ZEIT.
Das sei seine „Botschaft für die Bundeskanzlerin“, sagte Strauss-Kahn, der kommenden Donnerstag mit Angela Merkel zusammentrifft. In Deutschlandaber auch in anderen Staaten wird derzeit über neue Rettungspakete für den Finanzsektor diskutiert…
Auch die Verstaatlichung von Banken dürfe nicht ausgeschlossen werden. „In manchen Fällen kann die vorübergehende staatliche Übernahme von Banken nötig werden“, sagte er. Er glaube, dass eine „Bad Bank“, also ein Institut, das den Banken faule Wertpapiere abkauft, „eine sinnvolle Sache“ sei.
Strauss-Kahn bemängelte den Umgang Deutschlands und Europas mit der Krise. „Die Europäer waren bislang zu zögerlich im Kampf gegen die Krise, das galt auch für Deutschland. Ich hätte mir gewünscht, dass das europäische Konjunkturprogramm größer ausfällt.“ Die Zentralbanken hätten „gut auf die Krise reagiert“. Es wäre aber nicht verkehrt, „wenn die EZB etwas mehr Gas geben würde“, sagte Strauss-Kahn.
(Das Interview wird am Donnerstag veröffentlicht)
Quelle: ZEIT
Anmerkung K.Sch.: Mal abgesehen von dem logischen Unsinn, den Konstrukteuren der Krise durch Rettungsmaßnahmen ihre destabilisierenden Praktiken weiterhin zu ermöglichen, lässt sich auch mit Blick auf ein paar Statistiken und konjunkturdynamischen Überlegungen die Aussage als ziemlich bodenlos darstellen.
Gesamtwirtschaftlich betrachtet sind Löhne und Gehälter mit 56.4% Anteil am BIP und die Staatsnachfrage mit 18.2% Anteil am BIP (1) (welche sich wiederum zu 80% (2) aus Lohn- und Verbrauchssteuern zusammensetzt) mit zusammen 75% also die eindeutigen und maßgeblichen Nachfrageposten. Durch sie sind nachhaltiges Wirtschaftswachstum erst möglich: Sie sind die Grundvariable ALLER wirtschaftspolitischen Modelle – die Konsumnachfrage.
Eine nicht vorhandene oder unzureichende Unterstützung dieser Nachfrage, so wie es also die Bundesregierung derzeit plant, hat ganz einfache Auswirkungen:
Die Unternehmen haben einen Nachfrageeinbruch, drosseln ihre Produktion, entlassen Mitarbeiter oder es gibt zumindest Lohnkürzungen, die Staatseinnahmen sinken und damit die Staatsnachfrage und Staatstätigkeit in vorrangig sozialen Bereichen, die Unternehmen treffen wieder auf gesunkene Nachfrage – und wir sind da, wo wir nicht hinwollen: In der größten rezessiven Abwärtsspirale seit 1930.
Diese Konjunkturdynamik kann durchbrochen oder zumindest abgeschwächt werden, indem man auf den wichtigsten Faktor einer Marktwirtschaft einwirkt und unterstützt, ganz simpel eigentlich:
Die Löhne/Gehälter und die Staatsnachfrage.
Man muss sich nochmals klarmachen, dass es sich hierbei nicht um ein vergleichsweise schnödes Konjunkturprogramm von 50 Milliarden Euro handeln würde – Selbst wenn nur die Hälfte der Bankenrettung für solche Maßnahmen eingesetzt würden reden wir hier von hunderten von Milliarden.
Im Gegensatz dazu die Forderung von Strauss-Kahn:
Öffentliche, durch Steuern oder Kreditaufnahme (mit neuen Zinsen) finanzierte Staatsgelder sollen zur Rettung des Vermögens der Banken, Großaktionäre (und natürlich auch Kleinanlegern), Versicherungen und weiteren Finanzinstitutionen eingesetzt werden.
Die geretteten Institutionen werden weiter auf folgenden drei Hauptfeldern agieren:
Die fortwährende Spekulation mit Derivaten bzw. anderen Finanzmarktinstrumenten, Investitionen in neue Privatisierungsobjekte und, meiner Ansicht nach, die bedeutendste: Die Akquisition von Unternehmen mit Problemen in der Realwirtschaft. Sowohl in Deutschland als auch in Nordamerika gibt es berechtigte Hinweise darauf, dass sich Finanzakteure wie Investmentbanken, Hedgefonds und andere Großanleger darauf vorbereiten, erst durch das „Short-Selling“ und Aktienverkäufe die Aktienkurse von strauchelnden Unternehmen aus verschiedenen Branchen zu drücken und sich dann Mehrheitsanteile an den jeweiligen Unternehmen zu sichern. Dass das die gängige Praxis im Zusammenspiel zwischen den Abteilungen M&A und Financial Markets ist, war schon in der Vergangenheit kein Geheimnis.
Weitere, massive Entlassungen und Druck auf die Tarifabschlüsse im Namen „der Rettung der Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit“ sind die Folge.
Dass die dadurch weiter wachsenden bzw. „geretteten“ Vermögen in viel geringerem Ausmaß in Konsum, Investition oder realwirtschaftlich produktive Tätigkeiten investiert werden, ist hierbei nicht nur Randnotiz, denn die Gewinnverwendung einer AG sieht normalerweise folgendermaßen aus:
Im internationalen Vergleich werden für gewöhnlich weit über die Hälfte des Jahresgewinns für Ausschüttung an Anteilseigner und Bildung von Gewinnrücklagen verwendet.
Da Finanzinstitutionen in Deutschland und in Europa generell einen sehr geringen Investitionsbedarf haben und auch die dadurch vorrangig betroffenen höheren Einkommensklassen eine um fast 40% höhere Sparquote haben (Einkommen geteilt durch Ersparnis), Geld also nicht produktiv genutzt wird, sind die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt verschwindend gering, was an Statistiken der letzten Jahrzehnte belegt werden kann.
Davon abgesehen das Beispiel der Hypo Real Estate:
Allein die Hypo Real Estate liegt zu 73% in den Händen von fünf Großaktionären, der Rest ist Streubesitz. Diese sitzen in den USA (zwei) auf den Caymaninseln und den Bermudas (die anderen drei) (3).
Um es ganz klar auszudrücken: Die fast 100 (!) Milliarden (4) für die HRE dienen im Prinzip nur einem Zweck: Das Kapital der Kapitaleigner von Unternehmen zu retten, die in weit größerem Stil als Klaus Kleinfeld den Regelungen des deutschen Rechts entgangen sind.
Dass die HRE insgesamt nur noch 400 Millionen wert ist und auch in absehbarer Zeit keine 100 Milliarden erwirtschaften wird, sei mal dahingestellt.
Die Rettung von Banken oder anderen Finanzinstitutionen ist ein Transfer der durch Steuergelder finanzierten Staatseinnahmen zu Finanzinstitutionen. Oder wie Joseph Stiglitz, einer der prominentesten und fundiertesten Kritiker der Bailouts nach US-amerikanischen Modell, sagt:
There is, however, an alternative explanation for Wall Street’s celebration: the banks realized that they were about to get a free ride at taxpayers’ expense. No private firm was willing to buy these toxic mortgages at what the seller thought was a reasonable price; they finally had found a sucker who would take them off their hands – called the American taxpayer. (5)
Natürlich muss man vorsichtig sein: Die Gefahren eines „Kaskadeneffektes“, d.h. das mögliche Übergreifen der Probleme im Finanzsektor auf die Realwirtschaft müssen gut bedacht werden. Der Kreditfluss für Unternehmen und weitere volkswirtschaftlich wichtige Aufgaben der Banken müssen gesichert werden. Aber dafür gibt es sicherlich weitaus bessere Möglichkeiten als Hunderte Milliarden oder gar Billionen für die Übernahme verbriefter Produkte auszugeben, die, nebenbei bemerkt, auf weiterverkauften Krediten und Hypotheken beruhen und zum Großteil nicht mehr bedient werden können.
Die Forderung Strauss-Kahns lässt also zwei Schlüsse zu:
Entweder hat er, als Chef des Internationalen Währungsfonds, die grundlegendsten Prinzipien im Umgang mit wirtschaftlichen Krisen nicht verstanden, oder, und das muss man in aller Deutlichkeit sagen, ihm ist das Schicksal des Vermögens großer Kapitalbesitzer wichtiger als das Schicksal des Großteils der Bevölkerung.
Ich habe bis jetzt noch keine überzeugende Erklärung gelesen, warum die Bailout-Strategien in den USA und die Pläne der Bundesregierung sinnvoller sein sollten als die möglichen Alternativen, die Wissenschaftler rund um den Globus vorschlagen – nämlich den Kapitalbedarf für diejenigen sichern, die es auch wirklich brauchen.
Ich muss noch polemisch hinzufügen: Und noch ein einziges, letztes Mal das zu tun, was der IWF jahrzehntelang propagierte: Die angeschlagenen Banken und Institutionen dem Markt zu überlassen. Der wird’s schon richten.
(1) Bundesamt für Statistik, Deutsche Wirtschaft 2008
(2) Bundesministerium für Finanzen, Finanzbericht 2007
(3) www.isw-muenchen.de/download/finanzkriseref-lm-200810.pdf [PDF – 200 KB]
(4) http://www.sueddeutsche.de/finanzen/808/455483/text
(5) http://www.thenation.com/doc/20081013/stiglitz
Anmerkung WL: Dazu muss man wissen, dass das Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) eine Abteilung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) ist. Die Bundesagentur ist per Gesetz verpflichtet, die Hartz-Gesetze umzusetzen. Man kann sich leicht vorstellen, dass für ein solches Institut eine äußerst positive Sicht auf die Arbeitsmarktreformen Auftrag ist.
Siehe dazu:
Wirtschaftsforscher fordern eine Reform des Rentensystems, die Besserverdienende nicht mehr begünstigt
Der Grund: Einkommensstärkere haben statistisch eine deutlich höhere Lebenserwartung. Wer länger lebt, profitiert ökonomisch gesehen stärker vom System – denn unterm Strich erhält er mehr ausgezahlt. Im Schnitt, folgert Zimmermann, erhielten Gutverdiener „also für jeden eingezahlten Euro deutlich mehr Rente als die Bezieher niedriger Einkommen“.
Der DIW-Vorschlag zielt darauf, diese „Umverteilung“ zu beseitigen und auch die Dauer des Leistungsbezugs in der Rentenformel zu berücksichtigen. Konkret würde dies bedeuten, dass Gutverdiener mit mehr als 3000 Euro im Monat geringere Rentenzahlbeträge als bisher zu erwarten hätten. Wer hingegen weniger verdient, erhielte monatlich für jeden eingezahlten Euro etwas mehr Rente.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung WL: Statt der Rückkehr zu einem vernünftigen Rentensystem wird die Umverteilung im Armenhaus vorgeschlagen.
Anmerkung WL: Ein weiteres Beispiel dafür, wie in Deutschland Propaganda und Journalismus ineinander übergehen. Und so heißt der Titel des Sonderheftes der Wirtschaftswoche sehr passend: „Armes Deutschland“. In Abwandlung des Titels könnte ergänzen: Von den Reichen beherrschtes Deutschland.
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