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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 10. Dezember 2007 um 9:18 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Albrecht Müller
(AM/KR)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Kommentar eines NachDenkSeiten-Lesers: Dies ist ein erschütterndes Dokument über den rasend schnellen sozialen Abstieg in ALG II und die nach sehr kurzer Zeit eigentlich nicht mehr vorhandene Chance, da jemals wieder herauszukommen.
(* Vorsicht! Satire!)
Kommentar AM: Dieser Kommentar aus dem Hause von Springers „Welt“ ist eigentlich nicht lesenswert. Aus zwei Gründen weisen wir dennoch darauf hin:
Hier deckt sich die Argumentation mit der Argumentation in manchen linken Kreisen.
Beide Zirkel leugnen die Bedeutung einer fehlenden Makropolitik und die Möglichkeiten einer guten Makropolitik zur Förderung der Binnennachfrage und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Beide hängen mehr oder weniger der These vom Ende der Arbeit an. Immerhin merkt der Autor in der „Welt“ noch an, dass eigentlich „das Quantum möglicher Arbeit unbegrenzt ist“, übersetzt: Dass es auch heute eine Menge Nützliches zu tun gäbe. Dass die Wirtschaftspolitik die Verantwortung hätte, diese Möglichkeiten zu nutzen, sieht der Autor nicht.
Kommentar AM: Siehe dazu den Kommentar in Hinweis Nr. 1 vom 5. Dezember 2007
Kommentar AM: Man soll dem Neuen eine Chance geben. Aber fragen, wofür Claus Kleber steht, darf man wohl. Ich verbinde inhaltlich nichts mit ihm – ein unbeschriebenes Blatt, mit einer eher angepassten, konservativen Grundlinie. Dass der Spiegel mit ihm zu seiner Rolle als wenigstens teilweise kritischem Magazin zurückfindet, ist fraglich. Man muss bei dieser Wertung Kleber zugute halten, dass er hiermit keine Ausnahme im neuen Zeitgeistjournalismus darstellt. So ist halt die Entwicklung: von Gaus zu Kleber.
Kommentar AM: Die Arroganz unserer Politikerinnen und Politiker ist schon beachtlich. Da redet Angela Merkel vor afrikanischen Staatschefs über Menschenrechte und „gute Regierungsführung“. Das mit den Menschenrechten kann ich ja verstehen, obwohl wir uns manchmal besser auch an die eigene Nase fassen würden. Das mit der „guten Regierungsführung“ ist sozusagen ein Hammer:
Bei uns wird unter der Ägide zuvor der Bundeskanzler Kohl und Schröder und jetzt der Bundeskanzlerin Merkel eine wichtige Errungenschaft nach der anderen ruiniert: die gesetzliche Rente, die Arbeitslosenversicherung, ein öffentliches Unternehmen nach dem andern, private Unternehmen werden an Heuschrecken verscherbelt, es wird ein Niedriglohnsektor eröffnet, regierungsamtlich werden niedrige Löhne gefordert und das Abgleiten in Minijobs subventioniert und gefeiert. Viele Menschen leben in Not. Siehe oben die Geschichte des Tagelöhners Lothar Daniel. Diese Bundesregierung, die letzte und die vorletzte haben in der Beschäftigungspolitik erbärmlich versagt, obwohl die Bedingungen für eine gute Beschäftigungspolitik weit besser sind als in jedem afrikanischen Staat.
Und dann fährt unsere Bundeskanzlerin nach Lissabon zum Treffen der EU mit Afrika und gibt den afrikanischen Präsidenten Ratschläge für „gute Regierungsführung“. Das ist unglaublich und nur so zu verstehen, dass die Bundeskanzlerin offenbar mit ihren Angriffen auf die afrikanischen Staaten und ihre Regierungen sich in einem guten Licht erscheinen lassen will. Klar nickt dann mindestens die Hälfte aller Deutschen und Angela Merkel wird vermutlich bei BILD gefeiert. Das ist auch das einzige Ziel. Sich feiern lassen, indem man andere angreift. Wenn ich Afrikaner angreife wegen ihrer schlechten Regierungskunst, dann bleibt beim deutschen Publikum hängen, bei uns sei es selbstverständlich anders als in Afrika und gut bestellt. Ein billiger Trick der Meinungsmache, aber er funktioniert. Übrigens auch im privaten Leben.
Der Einfachheit halber ihre Mail im Wortlaut:
Ich hatte am Samstag das Glück, in einem Sneak-Preview (also Überraschungsvorführung von Filmen, welche noch nicht angelaufen sind) in Tübingen einen höchst interessanten Film zu erwischen…
Ich zitiere aus der Besprechung von filmstarts:
(…)
Es gibt im Kino bestimmte Themengebiete, die sich nach Meinung vieler nur schwer miteinander verbinden lassen, und deshalb entweder gar nicht erst für die große Leinwand realisiert werden oder deren Ergebnis dann eher zwiespältige Reaktionen hervorruft. So überrascht es doch, dass „Vorne ist verdammt weit weg“, der deutsche Beitrag des Regisseurs Thomas Heinemann, eben solch einen Versuch unternimmt, indem er aktuelle wirtschaftspolitische Inhalte in einer Komödie mit satirischem Anspruch zum thematischen Mittelpunkt macht. Als Verbindungsfigur dient der vom Radiosender Bayern 3 und diversen Bühnenprogrammen vor allem im Süden Deutschlands bekannte Kabarettist Frank-Markus Barwasser (der hier auch als Autor und Produzent fungierte) in der Rolle seines Alter Egos Erwin Pelzig. Das Ergebnis ist in weiten Teilen amüsant und recht bissig, rutscht aber auch immer mal in halbgare Albernheiten ab, die für den eigentlichen humoristischen Ansatz des Films nicht nötig gewesen wären.
So beginnt alles mit einem Missgeschick des gutmütigen Erwin Pelzig (Frank-Markus Barwasser), das seinem Nachbarn und siebenfachen Vater Johann Griesmaier (Peter Lohmeyer) zum Glück nur fast die Hand kostet, ihn aber für mehrere Wochen ins Krankenhaus befördert. Das ist doppelt tragisch, da Griesmaier eine Anstellung als Fahrer des einflussreichen Großindustriellen Bieger (Philipp Sonntag) innehat, die aber kurzerhand von Pelzig selbst übernommen wird. Dieser bekommt in seinem neuen Job als Chauffeur schnell firmeninterne Unstimmigkeiten mit. Bieger, sich gerade erst von einem Infarkt erholend, wurde von seiner Tochter Melanie (Franziska Schlattner) während seiner Abwesenheit seines Amtes enthoben, die nun ihrerseits mit Hilfe des schmierigen Beraters Kienze (Tobias Oertel) den Betrieb ins billigere Ausland verlagern will. Außerdem ist es da noch der geschäftsuntüchtige Sohnemann Bertram Bieger (Martin Eschenbach), der seine Aktienanteile an Kienze verkaufen möchte und somit interessierten Investorengruppen die Tür öffnet. Nun liegt es an Pelzig, mithilfe der Eskortdame und früheren Wirtschaftsanwältin Chantal (Christiane Paul) einzugreifen, und die „Bieger Einkaufswagenfabrik AG“ vor dem Untergang zu retten. Dabei soll ihm ein einfaches „Gerücht“ große Dienste erweisen
(…)
Ich kann mich der Kritik nur anschließen… der antimoderne Held des Filmes erinnert in den besten Szenen an die Kunstfigur des Mr. Hulot von Jacques Tati, als bayerische Ausgabe hiervon allerdings sehr geschwätzig, ständig moralisierend und frei philosophierend. Auch wird sich dieser Film eines Tages sicherlich gut als Zeitzeugnis, als Dokument, als plakative Darstellung der allgemeinen Stimmung im “refomierten” Deutschland im Jahre des großen Aufschwungs? 2007 eignen. Leider wird der Filmgenuss etwas getrübt durch einige wirklich schlechte Nebendarsteller, sowie die doch sehr ärgerliche Darstellung der “freiberuflichen” Chantal, welche mit der zwar schön anzuschauenden Christine Paul völlig fehlbesetzt wurde, das hätte man auch weniger sexistisch (weniger bayrisch “Pauli-mäßig” ;-), dafür subversiv-kritisch inszenieren können.
Der Film behandelt erstaunlich bissig die typischen “Nachdenkseiten-Themen”, natürlich insgesamt eher undifferenziert bis naiv, wie halt in deutschen Komödien so üblich (was will man nach Jahrzehnten dumpfer deutscher Komödien mit Til Schweiger mehr erwarten?), aber dennoch meiner Meinung nach sehenswert und vor allem eine Art von Dammbruch gegen die ganzen Reformfloskeln, gegen die “Reformübereinkunft” in den ganzen deutschen Medien, ich bin sehr gespannt, wie das deutsche Feuilleton und Publikum auf diesen Film, der am 13.Dezember anläuft, reagiert. Also mein Tipp an die NDS-Redaktion: Diesen Film und die zugehörigen Rezensionen mal im Auge behalten…..
AM: Diese Empfehlung geben wir gerne an unsere Leserinnen und Leser weiter.
KR: Die Qualitäten des Films scheinen mir vor allem aus diesem „filmstarts-Zitat“ über die Rolle des Erwin Pelzig erkennbar zu sein: „Irgendwo zwischen fränkischem Geschwätz und bayerischer Gemütlichkeit stolziert er wie ein Fremdkörper durch den Film, wirkt in jeder Szene völlig deplaziert mit seinem Hut und der altmodischen Herrenhandtasche, und scheint irgendwie nicht von dieser Welt. Dennoch gelingt es ihm gerade dadurch, in den richtigen Momenten die Grundprobleme deutscher Wirtschaftsinteressen auf den Punkt zu bringen, die lediglich auf schnellen Profit aus sind und sich nicht im geringsten um die Sicherung von Arbeitsplätzen scheren. Da besitzen Sätze wie „Vorne ist verdammt weit weg, vor allem, wenn man ganz hinten steht“ einen geradezu philosophischen Ansatz und offenbaren in ihrer Einfachheit vieles, was einem Großteil der Bundesbürger auch im wahren Leben bezüglich der wackeligen Arbeitsmarktlage auf der Seele brennen dürfte.
Der Film macht in den Momenten seiner satirischen Zuspitzung und Übertreibung wirklich großen Spaß. Wenn zum Beispiel Kienze mit den unmöglichsten Anglizismen wie „emotional baggage“ (für die zu entlassene Arbeiterschaft) und Sätzen wie „it‘s all about the money, honey“ sein Umfeld penetriert, wird ein überhöhtes, aber dennoch treffsicheres Bild eines prototypischen Unternehmensberaters skizziert. Pelzig bleibt im gesamten Geschehen die Galions- und Kunstfigur, eine Mensch gewordene Antithese zu den gezeichneten korrupten Wirtschaftsgeschäften, die mit einer naiv-dümmlichen Beiläufigkeit Machtstrukturen unterläuft und offen legt, die aktueller kaum sein könnten und von ihm mit gut beobachteten Sprachspitzen kommentiert werden.“
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