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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 26. November 2007 um 9:27 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung: Wo der Banker Recht hat, hat er Recht.
Anmerkung: Jetzt jammern die Angebots-Ökonomen plötzlich über die Milch, die sie verschüttet haben.
Kommentar: Das sind Nachrichten aus den so „überlegenen“ angelsächsischen Volkswirtschaften.
Dazu passt auch:
Paul Krugman rechnet in seinem Beitrag am 23.11. in der New York Times mit den Handelnden der Kreditkrise ab:
Quelle: NYTimes
Bericht Roger Strassburg: Krugman schreibt, wie er in August 2005 vor dieser Krise gewarnt hat: “These days, Americans make a living selling each other houses, paid for with money borrowed from the Chinese. Somehow, that doesn’t seem like a sustainable lifestyle.” Obwohl die Warnsignale sich vermehrten, kaufte Wall Street Papiere, die auf fragwürdige Hypotheken basierten. Merrill Lynch machte seinen größten Kauf sogar in der ersten Jahreshälfte 2007, nachdem die Subprime-Krise schon öffentlich bekannt war. Jetzt muss die Zeche bezahlt werden – von fast allen, außer den Verantwortlichen.
Es geht laut Krugman nicht nur um die Verluste der Anleger, sondern hauptsächlich um die Kosten für die hunderttausenden von Menschen, die zum Abschluss von Hypothekenformen verführt wurden, die sie nicht verstanden. Dazu kommt die daraus resultierende Knappheit an Kapital bei den Kreditinstituten. Und das Vertrauen ins Finanzsystem ist zerstört.
Wie konnte das passieren? Krugman meint, zum einen haben diejenigen, die die Gefahren hätten erkennen und gegen sie Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssen, die Probleme verharmlost und Amerikaner weiterhin ermuntert, sich auf riskante Hypotheken einzulassen. Damit spricht er ausdrücklich Alan Greenspan an.
Das andere Problem liegt daran, dass die Verantwortlichen nichts von den Vergütungen zurückzahlen müssen, die sie bekommen haben, bevor die Torheit ihrer Aktivitäten bekannt wurde.
Vor etwa 25 Jahren hat sich in amerikanischen Wirtschafts- und Politikerkreisen die Idee verbreitet, dass Habgier etwas Gutes sei. Topmanager wurden großzügig vergütet, solange die Unternehmen, die sie leiteten, erfolgreich schienen. Wenn dieser Erfolg sich als Illusion entlarvte, durften sie ihr Geld trotzdem behalten. Also Kopf gewinnt der Manager, Zahl verlieren alle anderen.
Das heißt, dass es sich lohnt, schlechte Risiken einzugehen, manchmal auch Betrug. Solange Topmanager den Anschein von Erfolg schaffen können, wenn auch nur zwei Jahre lang, werden sie das Unternehmen immens reich verlassen. Dass der Erfolg nur eine Täuschung war, muss ein anderer ausbaden.
Das ist unfair, wie Krugman meint, und nichts anderes, als das, was zu den großen Skandalen vor einigen Jahren geführt hat. Obwohl es diesmal keine Anzeichen für illegales Handeln gibt, war das Vertrauen der Öffentlichkeit verraten – schon wieder.
Diese Krise ist laut Krugman das Ergebnis dessen, dass die Unternehmensaufsicht (“corporate governance”) nach den letzten Skandalen nicht reformiert wurde.
John Edwards hat neulich einen Reformplan herausgebracht. Dieser hat aber kaum Aufmerksamkeit bekommen. Krugman meint, Unternehmensaufsicht hat immer noch keine politische Priorität.
Anmerkung Roger Strassburg: Von wegen, die Dollar-Schwäche ist keine Gefahr für europäische Unternehmen. Was jedem, der rechnen kann, schon klar sein müsste, entdeckt jetzt Airbus: Der starke Euro ist schlecht fürs Exportgeschäft, vor allem dann, wenn Kosten in Euro entstehen, aber Einnahmen in Dollar. Und siehe da, der starke Euro drängt Arbeitsplätze in den Dollarraum. Da helfen auch die niedrigsten Lohn”neben”kosten nichts.
Anmerkung WL: Erst waren es die niedrigen Löhne in Osteuropa, jetzt der Dollarkurs, der als Drohkulisse herhalten muss, um die Löhne in Deutschland zu senken.
Fazit: Welche ökonomischen Rahmenbedingungen sich auch immer ändern mögen, die Löhne, die Arbeitszeiten und die Arbeitsplätze werden als Verfügungsmasse genommen, um die Veränderungen zu bewältigen. Airbus schließt Kaufverträge über 3000 Maschinen in zweistelliger Milliardenhöhe ab, hat der Konzernleitung eigentlich nie jemand gesagt, dass der Dollar an Wert verliert und dass man diesen Wertverlust entweder absichern kann oder einkalkulieren müsste? Sind sie wirklich dem Experten-Gerede aufgesessen, dass die Dollarschwäche kein Problem sei. Das aber hieße, die Airbusmitarbeiter leiden unter einem unfähigen Management und unter der grottenschlechten Beratung durch Deutschlands Ökonomen.
Anmerkung: Nun ist auch die BA für den Mindestlohn. Aber das Motto der Bundesregierung scheint zu sein: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht.
Anmerkung WL: Verteidigungsminister Jung folgt offenbar seinem amerikanischen Kollegen Rumsfeld, dessen Ziel es war, eine „hohle Armee“ durch Outsourcing an Private einzuführen, und wo auch der Krieg im Irak oder im Balkan zu einem blühenden Zweig der hochprofitablen Dienstleistungswirtschaft wurde. So ist etwa der Irak-Krieg die profitabelste Unternehmung in der Geschichte der Firma Halliburton. Es ging dabei nicht um die Einsparung von Steuergeldern, sondern um eine Neuverteilung der Geldmittel, nämlich weniger Geld für Personal in der Armee und weit mehr öffentliche Gelder direkt in die Schatullen privater Unternehmen. Der Kerngedanke ist jedenfalls hier wie in den USA der gleiche: Der Staat soll das Regieren – selbst seiner ureigenen staatlichen Aufgaben wie der Armee – an den generell als überlegen geltenden privaten Sektor delegieren. So kann die Profitmaximierung dann auch die militärischen und sicherheitspolitischen Ziele effizient bestimmen. Die Soldaten, die die Bevölkerung zu stellen hat, dürfen dann dafür ihr Leben aufs Spiel setzen, und Bertelsmann bestimmt über Arvato die Einsatzziele.
Siehe dazu:
Bertelsmann macht Weltpolitik
Was hat der Bertelsmann-Konzern von einer hochgerüsteten, zu den USA in Konkurrenz tretenden Supermacht EU? Offenbar verspricht er sich Vorteile von militärischer Flankierung bei der Eroberung neuer Märkte. Daneben kann vor allem die Bertelsmann-Tochter Arvato lohnende Geschäfte erwarten. Als Spezialist für Logistik und Informationstechnologie-Anwendungen aller Art kommt Arvato sowohl für zivile wie militärische Dienstleistungen in Betracht. Die im EDS-Papier geforderten Outsourcing- und PublicPrivatePartnership-Projekte für Aufgaben, die nicht zum militärischen Kernbereich gehören, sowie die behaupteten Defizite im Bereich »command, control, communications, computers capabilities, intelligence, surveillance and reconnaissance« öffnen für Arvato ein weites Auftragsfeld.
Quelle: Ossietzky
Anmerkung: Es wird immer deutlicher, dass es bei der Vorratsdatenspeicherung nicht um Terrorbekämpfung, sondern um ganz andere Verwendungsmöglichkeiten geht, z.B. um die Durchsetzung der Interessen der Musikindustrie und den Kampf gegen Raubkopien etc..
Anmerkung P.K.: Ich habe von Franz Walter lange nicht einen so oberflächlichen Quatsch gelesen. Der Satz: „dass man trotz allen Verdrusses über die Große Koalition die drei Oppositionsparteien in Deutschen Bundestag vor und nach Parteitagen öffentlich kaum mehr wahrnimmt.“ zeigt schon seinen Tunnelblick. Da werden von den Mainstream-Journalisten in Funk und Fernsehen nur noch die Pofallas und Heils zu Wort geholt, und Westerwelle spielt „Die Opposition“ in den Medien. Wenn die GRÜNE Parteibasis Druck auf die GRÜNE Führungsriege in Friedens- und Sozialpolitischen Fragen macht, von der Linkspartei ganz zu schweigen, herrscht Schweigen in unserer freien Pressewelt.
Und das wirft der Professor aus Göttingen den ausgegrenzten Parteien auch noch vor.
Zum Streik und zum Streikrecht in Frankreich passt:
Wenn Oskar auf die Straße geht
Da machen sich die Leute noch einen Kopf wegen des Bahnstreiks. Doch schon kommt Oskar Lafontaine daher und verlangt nach dem politischen Generalstreik als einem neuen Medium der Politik, weil mit den hergebrachten demokratischen Strukturen nach seiner Ansicht kein Staat und keine gerechte Politik zu machen sind. Ein Bahnstreik mag uns auf die Nerven gehen. Oskar Lafontaine aber geht an die Substanz, ans Eingemachte unserer verfassungsmäßigen Politik überhaupt.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: So neu ist die Forderung Oskar Lafontaines nach dem Generalstreik als Instrument der Politik nicht, aber Robert Leicht macht es sich in seiner Gegnerschaft zu Lafontaine zu leicht bzw. lässt sich von seiner Antipathie dazu verleiten, sprachlich wie auch inhaltlich das Maß zu verlieren: “in allerletzter Konsequenz kündigt der Generalstreik den Bürgerkrieg als Ultima Ratio an”.
Eine Verfassung ist nicht heilig, sondern von Menschen gemacht – ganz abgesehen davon, dass der Politische Generalstreik nicht ausdrücklich in der Verfassung verboten ist, sondern in Gerichtsentscheidungen ausgeschlossen wurde. Diese Entscheidungen basieren letztlich auf einem Gutachten (1952) und dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1955, an denen beide Male Hans Carl Nipperdey zentral beteiligt war. Das, was also bis heute in der Bundesrepublik tradiert wird, ist von einem Mann formuliert worden, der, milde gesagt, nicht gerade in demokratischen Traditionen wurzelt. Man lese nur aufmerksam den Titel eines Aufsatzes aus dem Jahre 1938: “Die Pflicht des Gefolgsmannes zur Arbeitsleistung.”
Das alles sollte der Jurist Leicht wissen, aber der Journalist, obgleich Träger des Theodor-Wolff-Preises, konnte und wollte wohl nicht anders: “Ein Generalstreik hingegen beansprucht das Monopol der Entscheidung in politischen Angelegenheiten, er will den verfassungspolitisch geordneten Entscheidungsprozess kapern und zur Geisel seiner nackten Massen- und Eigenmacht nehmen.”
Lafontaine in einer Ecke mit den Neonazis, nichts Neues in deutschen Blättern, allerdings gelingt es Leicht in seinem Übereifer, unsere europäischen Nachbarn in die gleiche Ecke zu stellen. Griechenland, Spanien, Italien und Frankreich, gewiss nicht arm an demokratischer Tradition, kennen den Generalstreik. Diese Länder singen also alle “das alte antidemokratische, antiparlamentarische und antiliberale Lied von der schmutzigen und nutzlosen Parlamentspolitik („Schwatzbude“), das seit jeher linken wie rechten Extremisten als Hymne bei ihrem Kampf gegen die geordnete Verfassung (mit all ihren Flöhen, zugegeben) gedient hat. Dass mit diesem angeblich verrotteten System keine richtige Politik zu machen sei, das sagen schließlich auch die Neonazis wieder.” Was von der Liberalität eines Robert Leicht zu halten ist, wird allerdings deutlich.
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