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Titel: Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme – auch so ein Glaubenssatz ohne jede Vernunft

Datum: 23. Juni 2006 um 16:38 Uhr
Rubrik: „Lohnnebenkosten“, Sozialstaat, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Die zu Ende gehende Woche hat es in sich. Immer mehr wird sichtbar, dass auch die Große Koalition nicht begreift, wie wichtig es wäre, endlich eine richtige Makropolitik zu machen, um unser Land aus der Rezession herauszuführen. Statt dessen verschreiben sie sich mehr und mehr dem „Kollektiven Wahn“, Reformen seien das Gebot der Stunde. Und noch schlimmer als vor der Großen Koalition: die kritischen Stimmen werden noch leiser. Der Glaube, die Senkung der Lohnnebenkosten und die Steuerfinanzierung der Krankenkassen z.B. sei irgend eine Lösung, ist fest verankert. Wahnsinn.

Die Steuerfinanzierung ändert nichts an der gesamtwirtschaftlichen Belastung. Das habe ich schon ausführlich erläutert z.B. in „Die Reformlüge“ Denkfehler 22: “Die Lohnnebenkosten sind zu hoch.” Nachzulesen auch in einem früheren Eintrag den NachDenkSeiten.

Dass dennoch ausgewachsene Professoren wie Professor Lauterbach wie schon früher das Kanzleramt, und heute Angela Merkel, und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck, und die Grünen, und so viele Medien-Vertreter an das Märchen glauben, hat etwas mit der gegenseitigen Bestätigung dieses Glaubenssatzes zu tun. Auch dazu gibt es unter dem Titel „Kollektiver Wahn“ einen einschlägigen früheren Beitrag in den NachDenkSeiten: „Kollektiver Wahn – Wie in Deutschland Meinungen gemacht werden.“ Über unreflektierte Modernisierungs- und Reformdebatten. Von Albrecht Müller, Frankfurter Rundschau Dokumentation, Eintrag vom 12.02.2003.

Die Konzentration auf Reformen als Mittel zur Lösung unserer wirtschaftlichen Probleme wird inzwischen lebensgefährlich für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Typisch dafür war Merkels Wort vom „Sanierungsfall Deutschland“. Eine solche überhaupt nicht in die konjunkturelle Notwendigkeit passende Äußerung, nämlich dieses Land endlich zu beruhigen und optimistisch zu stimmen, ist nur zu verstehen, wenn man begriffen hat: die Reformer müssen die Strukturen des Landes schlecht reden, um die von ihnen betriebenen Strukturreformen als notwendig erscheinen zu lassen. Diese Stimmungsmache ist zusammen mit den politische Entscheidungen für die Mehrwertsteuererhöhung tödlich für das zarte Pflänzchen Aufschwung.
Aber auch dieser Wahnsinn findet Unterstützer. So zum Beispiel heute in der Süddeutschen Zeitung durch Nikolaus Piper. Hier der Anfang eines seiner typischen Beiträge:

Debatte um Merkel-Wort
Sanierungsfall Deutschland
Es lohnt sich, den deutschen Staat als Sanierungsfall zu betrachten. Das gilt vor allem für den Föderalismus: Bund und Länder müssen ihre Finanzverhältnisse entflechten. Ein Kommentar von Nikolaus Piper.

Schlussbemerkung. Es bestätigt sich die Beobachtung: die politischen Entscheidungen sind bei uns auch deshalb so miserabel, weil die öffentliche Debatte so miserabel ist.

Und noch ein PS.:
Gerade erreicht mich ein einschlägiger Hinweis eines Lesers der NachDenkSeiten. Interessant:

Hallo Nachdenkseiten,
vermutlich haben Sie es selbst schon gelesen, aber dennoch der Hinweis. Gestern las ich leider mal wieder in SPON. Es ist schon fast albern, wie das Reformgelaber auch schon in die Sportberichterstattung eingedrechselt wird.
Es soll wohl jeder, auch wirklich jeder an jeder Ecke, besser noch auch auf der eigenen Unterhose das Wort “Reform” besser noch “Reformen, die greifen” (ENDLICH!!!) und den “erzwungenen Bruch mit ehernen Traditionen” wahrnehmen müssen. In diesem Bericht ausnahmsweise sogar mit einen für den ein oder anderen Fußballfan positiven Kontext. Fast schon heiterkeitserregend diese Bemühungen.
Ich freue mich jetzt schon darauf, wenn dann zum Ende der WM die gesamte Staatsführung, von Köhler über Merkel, Müntefering usw. uns dann, die Leistungsbereitschaft des Nationalteams lobend, ins Gewissen reden werden wollen. Wenn dies nicht geschähe, wäre ich sehr überrascht, das wäre dann wirklich auch mal ein veritables Reförmchen.

Grüße
Ch. W.


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