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Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert. (RS)
- Finanzkrise in der Eurozone
- EU prüft Anfang Januar Sanktionen gegen Belgien als Defizitsünder
- Portugal muss Banken verstaatlichen
- DGB: “4-Punkte-Programm für einen Kurswechsel in Europa”
- Studie: Global corporate Taxation and Resources for quality public services
- Die Antwort ist 8,50 Euro pro Stunde
- Zeitarbeit: Rettungsschirm für Lohndrücker
- Gewalttaten gegen Obdachlose: Nach unten treten
- Das Elend der Wirtschaftsprognosen
- Deutsche Zustände: Das entsicherte Jahrzehnt
- Studiengebühren: Bayerns Hochschulen sollen Millionen horten
- Auslandsmobilität deutscher Studenten stagniert
- Buchtipp: Steuermaßnahmen zur nachhaltigen Staatsfinanzierung
- Europas Banken verjagen US-Kunden
- Bundespräsident Wulff und der Kredit – Hannover Bande
- Die Praxisgebühr muss weg
- Lindner tritt als FDP-Generalsekretär zurück
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Finanzkrise in der Eurozone
- Brüsseler EU-Gipfel: Grosse Skepsis gegenüber der Austeritätspolitik
Der Brüsseler EU-Gipfel habe die europäische Staatsschulden- und Bankenkrise nicht überwunden und neue Probleme geschaffen, befürchten Marktbeobachter. Sie kritisieren, dass trotz Rettungsschirm EFSF und potenziellen Interventionen der Europäischen Zentralbank nicht klar sei, wie das die Märkte unmittelbar interessierende Problem der Refinanzierung der bald fällig werdenden Schulden gelöst werden könne. 2012 müssten Europas Staaten und Banken 1,9 Bio. ¤ allein für diese Refinanzierung an den sehr zugeknöpft gewordenen Kapitalmärkten aufnehmen, rechnet der Marktanalytiker und Autor Satyajit Das vor. Zwar hat sich der Gipfel bemüht, eine konstitutionelle Architektur zu zeichnen, die in Zukunft eine Überschuldung von Mitgliedstaaten verhindern soll. Aber das neue Regelwerk, sollte es in Kraft treten, hilft nicht, bestehende Insolvenzen zu überwinden.
Ausserdem sind Marktkommentatoren immer weniger von solchen Regeln überzeugt. James Nixon von der Société Générale kritisiert, dass die Politiker weiterhin von der falschen Annahme ausgingen, die europäische Krise sei allein auf zu hohe Staatsschulden zurückzuführen. Doch die Unfähigkeit, ausreichendes Wachstum zu sichern, sei mindestens so wichtig. Mohamed El-Erian von Pimco findet, der Gipfel habe sich zu sehr auf Austerität und zu wenig auf Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze konzentriert. Sehr deutlich ist Charles Dumas von Lombard Street Research. Er hält die «Merkozy»-Übereinkunft und implizit die Gipfelbeschlüsse für fehlgeleitet und die deutsche Forderung nach praktisch ausgeglichenen Staatshaushalten nicht nur für ökonomisch ignorant, sondern sogar für verantwortungslos. Natürlich wäre eine Kontrolle exzessiver Schulden und Defizite wünschenswert. Aber solange der Zwang zu Austerität in Defizitländern nicht ergänzt werde durch die Verpflichtung von Ländern mit Spar- und Exportüberschüssen, also vor allem Deutschland, reziprok die inländische Nachfrage anzukurbeln, werde der Nettoeffekt für die Region eine lange Rezession, vermutlich sogar eine tiefe Depression und für die Schuldner eine ungebremste Schuldenspirale sein.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Ein Krisengipfel jagt den Nächsten und die Wahrheit des einen ist beim nächsten bereits obsolet. Wie war das noch? Hatte die Kanzlerin nicht, wann war das noch mal, wie eine Löwin mit den Banken um eine Gläubigerbeteiligung gekämpft. Die heutige Wahrheit heißt, dass eben deswegen die Märkte nicht mehr in Europa investierten. Und werden sie es jetzt tun? Moody’s und Fitch sind übereinstimmend der der Auffassung, der Gipfel habe kaum dazu beigetragen, in der kurzen Frist den Schuldendruck von der Währungsunion zu nehmen. Leider haben Ratingagenturen manchmal auch recht. 2012 müssen Europas Staaten und Banken 1,9 Bio. € refinanzieren, nicht zu einem in den Sternen stehenden Zeitpunkt, an dem die geplanten Vertragsänderungen in Europa durch sind. Und wie oben gezeigt, hält zumindest ein Teil Akteure an den Finanzmärkten recht wenig von den neuen Regeln oder betrachtet diese sogar als kontraproduktiv.
Leider hat der britische Premier auch im Parlament nicht die Chance ergriffen, sein “No” mit einen alternativen Kurs zu Merkels Europa zu erläutern. So hätte Cameron ausführen können, dass gerade in Krisenzeiten nicht eine blinde Schuldenbremse, sondern eine flexible Fiskalpolitik notwendig ist, welche zu Wachstum führt und nicht in eine Abstiegsspirale endet. Ebenso hätte er auf die bisher erfolgreiche Rolle der Zentralbank angelsächsischen Typs verweisen können. Usw. – Letzte Meldung: Italien muss trotz Rettungsgipfel Zinsen in Rekordhöhe von 6,47 Prozent zahlen, dem höchsten Wert seit Einführung des Euro.
- Bundesbank-Chef droht mit Blockade des Rettungsplans
Deutschlands oberster Währungshüter macht ernst: Bundesbank-Präsident Weidmann droht damit, die Euro-Rettungspläne zu torpedieren. Einer Aufstockung der IWF-Feuerkraft will er nur zustimmen, wenn sich auch Länder außerhalb der Währungsgemeinschaft daran beteiligen.
Quelle: Spiegel-Online
- Vergebliche Euro-Rettung: Die Ruhe vor dem großen Knall
Von Wolfgang Münchau
Politik und Wirtschaft versuchen verzweifelt, den Euro-Crash zu verhindern. Doch die Gemeinschaftswährung jetzt noch zu retten ist fast unmöglich. Die Eigendynamik der Krise ist mittlerweile so mächtig, dass ein kleiner Funke reicht – und der Euro-Raum explodiert.
Quelle: Spiegel-Online
- Wachstumsprognose gesenkt IWF kritisiert mangelnde Anstrengungen Athens
14.12.2011 – Der Internationale Währungsfonds glaubt, dass Griechenland in einer schlimmeren Rezession steckt, als Athen zugibt. Der Institution zufolge ist daran vor allem die griechische Regierung schuld.
Quelle: FAZ
Anmerkung RS: Irgendwann müsste es den Schreiberlingen dämmern, dass Brüche Nenner haben. Denn auch dann, wenn gespart wird, kann die Defizitquote nicht verringert werden, wenn das BIP im gleichen Verhältnis sinkt. Doch es wird noch schlimmer: ein sinkendes BIP bedeutet natürgemäß sinkende Steuereinnahmen, die das Defizit noch weiter erhöhen. Die Rechnung kann nicht aufgehen.
- Class War: Low Wages and Beggar Thy Neighbor
Heiner Flassbeck: The words “class war” may be unfashionable, but it is still a battle between labor and capital.
Quelle: YouTube
Anmerkung RS: Hier die Rede von Heiner Flassbeck bei der Konferenz zur Finanzkrise der Eurozone, die von Prof. James K. Galbraith an der Universität von Texas in Austin Anfang November gehalten wurde. Die NachDenkSeiten haben von dieser Konferenz bereits berichtet, und haben mit Prof. Galbraith am 5.11. einen Exclusiv-Interview geführt.
Ergänzend dazu ein Interview des SR-DRS mit Prof. Galbraith:
Eurokrise: umverteilen statt sparen
Am 7. Dezember gab Prof. James Galbraith ein Interview mit dem SR-DRS zur Krise in der Eurozone. Hier das rohe (ungeschnittene) Interview in zwei Teilen (Fragen auf Deutsch, Antworten auf Englisch, Übersetzungspausen sind nicht herausgeschnitten)
Quelle 1: University of Texas at Austin (Teil 1) [Audio – mp3]
Quelle 2: University of Texas at Austin (Teil 2) [Audio – mp3]
Hier das heftig geschnittene und tatsächlich ausgestrahlte Interview:
Quelle: SR-DRS
Anmerkung RS: Nahe Ende des zweiten Teils des (ab ca. 13:15) des ungeschnittenen Interviews beteuerte Prof. Galbraith, dass es unbestritten sei, dass Überschüsse saldenmechanisch Defizite voraussetzen. Dabei bezeichnet Prof. Galbraith diejenige Ökonomen, die Überschüsse für alle verlangen, als „Quacks“ (Quacksalber). Zudem unterstellt er, dass diese Ökonomen wissen, dass ihre Rezepte falsch sind, und dass sie diese kein Interesse am allgemeinen Wohlstand haben, sondern lediglich politische Interessen dienen.
- EU prüft Anfang Januar Sanktionen gegen Belgien als Defizitsünder
Die EU-Kommission will erst Anfang Januar kommenden Jahres entscheiden, ob sie gegen fünf europäische Defizitländer – darunter Belgien und Polen – vorgeht.
Quelle: BRF-Online
- Portugal muss Banken verstaatlichen
Das Land greift in private Rentenfonds, um das hohe Haushaltsdefizit zu drücken, weil das Rezessionsland seine Versprechen nicht erfüllen kann
Es steht schlecht um Portugal und um seine Banken. Der extreme Verfall der Börsenkurse macht die Großbanken des Landes längst zu Penny-Stocks. So werden die Aktien der drittgrößten Bank zum Beispiel nur noch für 11 Cent gehandelt. Da auch die portugiesischen Banken die neuen EU-Kapitalanforderungen erfüllen müssen, muss die konservative Regierung mit Staatsmilliarden einspringen und die Großbanken verstaatlichen. Der Regierungschef versucht derweil mit Tricks das Haushaltsdefizit für 2011 noch unter das mit der Troika aus EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationale Währungsfonds (IWF) vereinbarte Ziel von 5,9% zu drücken. Das Land wird derweil tief in die Rezession gespart und die sozialen Konflikte nehmen deutlich zu.
Quelle: Telepolis
- DGB: “4-Punkte-Programm für einen Kurswechsel in Europa”
Die bisherigen Maßnahmen führen unsere Gesellschaften in eine Sackgasse aus Armut, Ungleichheit, Rezession und letztlich höherer Verschuldung, politischer Instabilität und der Gefährdung der bisherigen Integrationsfortschritte. Die Europäische Integration darf nicht zur Disposition stehen. Wir fordern deshalb vor allem die deutsche Bundesregierung auf, die Schlüsselrolle der EZB als Kreditgeber der letzten Instanz und die Einführung von Eurobonds nicht länger blockieren. Elite-Bonds für sechs Staaten mit einem AAA-Rating würden die Kapitalbewegungen aus den Krisenländern in diese neue Ländergruppe unnötig befeuern und den Zerfallsprozess der Eurozone beschleunigen. Das ist dann eine faktische Spaltung der Eurozone. Europa braucht eine gesamteuropäische Perspektive und keine Politik, die länderspezifische Partikularinteressen verfolgt. Wir wollen eine gemeinsame Zukunft für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Wir wollen ein gerechtes Europa, ein prosperierendes und ein demokratisches Europa frei von Zukunftsängsten, frei von Armut, mit Teilhabe an Arbeit, Vermögen und Wohlstand für alle.
Quelle: DGB Bundesvorstand I Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
- Studie: Global corporate Taxation and Resources for quality public services
The problem with the ‘no option but austerity’ line is that it thrusts national economies into downward spirals. Austerity dampens then freezes economic activity. Public revenues drop. The objective of reducing sovereign debt is defeated because of the downturn in economic activity, while uncertainty drives up the cost of servicing the debt – the classic ‘debt trap.’ There is another way….
Edited by Laura Figazzolo and Bob Harris
Education International Research Institute, December 2011
Quelle: Download bei Axel Troost
- Die Antwort ist 8,50 Euro pro Stunde
Endlich ist Bewegung in die Diskussion um den Mindestlohn gekommen. Aber jetzt darf die
CDU nicht länger herumdrucksen. Sie muss in wichtigen Fragen Farbe bekennen.
Das CDU-Modell drückt sich jedoch um die Frage, was passieren soll, wenn sich die zentrale Kommission auf keinen gemeinsamen Mindestlohnsatz verständigen kann. Dass ein solcher Fall keineswegs unwahrscheinlich ist, zeigt das langjährige Verhalten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA). Im bundesweiten Tarifausschuss haben BDA-Vertreter sogar schon einmal die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen blockiert, die der betreffende Branchenarbeitgeberverband ausdrücklich wünschte. Einen allgemeinen Mindestlohn lehnt die BDA prinzipiell ab. Deshalb darf sich die Politik am Ende nicht aus der Verantwortung stehlen und muss letztlich die Entscheidung über einen angemessenen Mindestlohn selber fällen.
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung [PDF – 91 KB]
- Zeitarbeit: Rettungsschirm für Lohndrücker
Nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts müssten hunderte Zeitarbeitsfirmen Löhne und Sozialbeiträge in Milliardenhöhe nachzahlen. Viele Firmen wollen sich aus der Verantwortungen stehlen – und bekommen Schützenhilfe vom CDU-Wirtschaftsflügel. Die Sozialversicherung solle statt dessen lieber von ihrer Möglichkeit gebraucht machen, auf Nachforderungen zu verzichten. Man wolle ja auch kein Unternehmen in die Insolvenz treiben. Über 1700 weitere Betriebe werden noch geprüft. Insgesamt summierten sich die Nachforderungen bislang auf 7,7 Millionen Euro. Wenn die Beträge bei den weiteren Betrieben ähnlich hoch wie bisher ausfallen, sammeln die Sozialkassen insgesamt wohl nicht einmal 50 Millionen Euro ein. Das ist ein ziemlich bescheidener Ertrag. Die DGB-Gewerkschaften allerdings schätzen, dass die Sozialversicherungen Ansprüche in Höhe von rund zwei Milliarden Euro geltend machen können.
„Geradezu absurd“ sei der Vorschlag der Wirtschaftsweisen, den Zeitarbeitsfirmen Vertrauensschutz zu gewähren. Peter Schüren, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Münster, sagt, mit dieser Forderung vertrete der Sachverständigenrat eine juristisch nicht haltbare Position, die bislang von den Arbeitsgerichten ausnahmslos abgelehnt worden sei. Damit mache er sich zum Sachwalter der Verleiher, die CGZP-Tarife genutzt haben, und stifte unnötig Verwirrung. Schon seit Jahren sei erkennbar gewesen, dass die CGZP im Wesentlichen die Wünsche der Arbeitgeber erfülle. Wer Hunderte von Haustarifen nach Arbeitsgeberwunsch produziere, sei nach deutscher Rechtsprechung keine Gewerkschaft. Die Union plant nun eine ähnliche Regelung. wie die vom Sachverständigenrat vorgeschlagene. Nur noch ein wenig umfassender.
Quelle: FR
- Gewalttaten gegen Obdachlose: Nach unten treten
Gewalttaten gegen Obdachlose werden selten politisch eingeordnet, Täter und Ursachen meist im »Milieu« gesucht. In Leipzig hat Prozeß nach Mord in Oschatz begonnen. Statistiken gibt es kaum über die Gewalt gegen Wohnungslose in Deutschland. Sie bilden die Opfergruppe mit der höchsten Dunkelziffer, erläuterte Marianne Thum von der RAA in Dresden. Die Beratungsstelle versucht zwar, Zugang zu den Opfern zu finden. Doch gerade bei Wohnungslosen sei dies wegen häufiger Ortswechsel schwer, so Thum. Jahrelange Alkoholabhängigkeit könne das Erinnerungsvermögen der Opfer an die Tat beeinträchtigen und erschwere die Erstattung von Anzeigen zusätzlich. Außerdem hätten viele Wohnungslose die Erfahrung gemacht, von der Polizei nicht ernst genommen zu werden. Und sie seien auch psychisch kaum in der Lage, einen Prozeß durchzustehen. Da Wohnungslose über keinerlei gesellschaftliche Lobby verfügen, können sich die Täter durchaus Chancen errechnen, daß ihre Angriffe folgenlos bleiben. Auch in den Medien erhält das Thema kaum Aufmerksamkeit.
Quelle: junge Welt
- Das Elend der Wirtschaftsprognosen
Jedes Jahr im Frühjahr und Herbst geben die sechs bzw. (seit 2007) vier “führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute” im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers ihre Prognose für das zu erwartende Wirtschaftswachstum ab. Besonders beliebt: die Herbstprognosen fürs Folgejahr. Doch gerade die lagen 2005-2010 stets arg daneben. Einmal mehr zeigt sich: Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.
Für 2005 hatten sie im Herbst des Vorjahres 1,5 % Wachstum prognostiziert. In Wirklichkeit waren es dann 0,7 %.
Für 2006: 1,2 % prognostiziert, tatsächlich 3,7 %.
Für 2007: 1,4 % prognostiziert, tatsächlich 3,3 %.
Für 2008: 2,2 % prognostiziert, tatsächlich 1,1 %.
Für 2009: 0,2 % prognostiziert, tatsächlich -5,1 %.
Für 2010: 1,2 % prognostiziert, tatsächlich 3,7 %.
Sabine Weiler, Sprecherin des Rheinisch-Westfälisches Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, hält eine Abweichung der Prognose vom tatsächlichen Wachstum von 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten für gut. In Wirklichkeit lag diese Abweichung 2005-2010 im Schnitt bei 2,35 Prozentpunkten. Auch wenn wir den Extremfall 2009 mal gnädigerweise ignorieren, bleibt die Abweichung bei im Schnitt 1,76 Prozentpunkten. Demnach sind die Prognosen, wenn wir den eigenen Maßstab des RWI anlegen, grottenschlecht und faktisch unbrauchbar.
Weiler sagte bei der Gelegenheit noch etwas Vernünftiges: „Es wäre vernünftiger zu sagen, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent eine Zahl zwischen x und y eintreffen kann.“ In der Tat: Wir warten auf die erste offizielle Wachstumsprognose, die genau so formuliert ist – und auf Manager, Politiker und Journalisten, die mit solch unscharfen Aussagen umgehen können.
Quelle: Lügen mit Zahlen, Gerd Bosbach, Jens Jürgen Korff
- Deutsche Zustände: Das entsicherte Jahrzehnt
Die Entwicklungen im zurückliegenden, einem entsicherten Jahrzehnt, sind in allen zentralen Lebenssphären erfahrbar.
- In der ökonomischen Sphäre scheint weiterhin eine Mentalität bei Besserverdienenden vorzuherrschen, die von der grundgesetzlichen Maxime, laut der Eigentum verpflichtet (etwa zur Verhinderung sozialer Desintegration), wenig wissen will und der sozialen Spaltung Vorschub leistet. Zu den Kennzeichen des entsicherten Jahrzehnts gehören auch die Krisenstadien wie Finanz-, Wirtschafts-, Fiskal- und jetzt Schuldenkrise und ihre Wahrnehmungen und Verarbeitungen durch die Menschen.
- In der politischen Sphäre gibt es mit der Wahrnehmung einer Demokratieentleerung, also von Vertrauensverlusten und einem Gefühl der Machtlosigkeit, ernste Warnsignale, da die Anfälligkeit für rechtspopulistische Mobilisierungen auffällig ist.
- In der sozialen Sphäre haben die Ökonomisierung des Sozialen und die Statusunsicherheit mit den verschiedenen Desintegrationsängsten und -erfahrungen eine Kernrelevanz für die steigenden Abwertungen der als »Nutzlose« und »Ineffiziente« deklarierten Gruppen, also von Hartz-IV-Empfängern und Langzeitarbeitslosen.
- In der religiösen Sphäre ist das friedliche und vom Ideal der Gleichwertigkeit geprägte Zusammenleben der Menschen unterschiedlichen Glaubens immer noch latent gefährdet. Immer weniger Menschen wollen in Gebieten mit vielen Moslems leben. Auch die verschiedenen Varianten des Antisemitismus geben Grund zur Sorge, wie der israelbezogene Antisemitismus.
- In der Sphäre der Lebensstile bleibt auch die Abwertung von Homosexuellen oder Obdach-losen auf der gesellschaftlichen Tagesordnung.
Zwar kann man Ende 2011 konstatieren, dass bislang keine Kumulation der Effekte der unterschiedlichen Krisen eingetreten ist, sondern das diese zeitlich gestaffelt spürbar werden. Dies ist allerdings kein Grund zur Beruhigung, denn es konnte keine der Krisen gelöst werden, nirgends gelang die Rückkehr zum stabileren Status quo ante, die Krisen wurden und werden bestenfalls »prozessiert«. Zudem haben sich die krisenhaften Entwicklungen seit 2008 zeitlich massiv verdichtet, wobei die Schuldenkrise, die alle anderen Probleme überwölbt, da sie nicht länger lediglich einzelne Sektoren betrifft, in denen sie eingehegt werden könnte, diesen Zustand der Staffelung und des Prozessierens nun möglicherweise beendet.
Entsicherung, Richtungslosigkeit und Instabilität sind zur neuen Normalität geworden, die Nervosität scheint über alle sozialen Gruppen hinweg zu steigen. Wir erleben, wie sich ein neuer Standard etabliert: volatility so die New York Times. Eine explosive Situation als Dauerzustand. Daher sollten wir der rohen Bürgerlichkeit (nicht zu verwechseln mit Bürgertum) weiterhin unsere Aufmerksamkeit widmen. Einer Bürgerlichkeit, die sich bei der Beurteilung sozialer Gruppen an den Maßstäben der kapitalistischen Nützlichkeit, der Verwertbarkeit und Effizienz orientiert und somit die Gleichwertigkeit von Menschen sowie ihre psychische wie physische Integrität antastbar macht und dabei zugleich einen Klassenkampf von oben inszeniert.
Quelle: Institut für interdisziplinäre Konflikt und Gewaltforschung, Präsentation der Langzeituntersuchung „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ [PDF – 348 KB]
- Studiengebühren: Bayerns Hochschulen sollen Millionen horten
Verbesserung der Studienbedingungen? Von wegen! Dutzende Millionen an Studiengebühren schlummern ungenutzt auf den Konten, kritisieren die Grünen. Zudem seien Mittel in fragwürdiger Weise verwendet worden, beispielsweise für Elektroanschlüsse. Der Streit um die Gebühren wird durch solche Meldungen neu entfacht. Bayerns Hochschulen sollen Millionen horten..
Danach liegen noch mehr als 61 Millionen Euro auf den Konten. Und im aktuellen Wintersemester kommen nach Schätzungen der Hochschulen aufgrund der gestiegenen Studentenzahlen wieder 86 Millionen dazu. Bei der TU München sind es acht, bei der LMU und in Augsburg sieben, nur Bamberg hat einen relativ geringen Rest von 1,7 Millionen.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
- Auslandsmobilität deutscher Studenten stagniert
In der Auslandsmobilität deutscher Studenten zeichnet sich einerseits eine Stagnation ab, andererseits hat es strukturelle Veränderungen gegeben. Die Strukturänderungen führten die Experten bei einem öffentlichen Fachgespräch des Bildungsausschusses am Mittwochvormittag vor allem auf die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master zurück. Als Grund für die Stagnation wurde besonders die Frage der Finanzierung von Auslandsaufenthalten hervorgehoben.
In den vergangenen Jahren habe sich die Auslandsmobilität deutscher Studenten weder verbessert noch verschlechtert, sagte Ulrich Heublein vom HIS Hochschul-Informations-System. Mit der Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge hätten sich die Voraussetzungen für studienbezogene Auslandsaufenthalte jedoch grundlegend geändert. Als Beispiele nannte er in seiner schriftlichen Stellungnahme unter anderem die kürzere Studiendauer, eine stärkere Strukturierung des Studienablaufs und das veränderte Prüfungsreglement. Derzeit stagniere die Zahl der Bachelorabsolventen, die am Ende ihres Studiums einen Auslandsaufenthalt von mindestens einem Monat absolviert haben, bei etwa 22 Prozent an den Universitäten. Bei den Fachhochschulen liege sie bei 25 Prozent. Um die Auslandsmobilität zu erhöhen, müsse unter anderen die Vereinbarkeit von Auslandsaufenthalt mit dem normalen Studienverlauf erhöht werden, sagte Heublein. Zudem müssten die Finanzierungsmöglichkeiten erweitert werden – etwa um entsprechende Studienkredite – und bestimmte Fächergruppen stärker in den Blick genommen werden. So sei die Auslandsmobilität bei Ingenieurs- und Naturwissenschaften eher gering.
Quelle: Deutscher Bundestag
- Buchtipp: Steuermaßnahmen zur nachhaltigen Staatsfinanzierung
Lorenz JARASS / Gustav M. OBERMAIR
“Wer viel verdient, kann seine Steuerschuld mindern. Er kann gute Berater bezahlen, stille Reserven bilden, Firmen verschachteln, Auslandsgesellschaften einrichten und so Gewinne und Verluste verschieben. Wer über viel Vermögen verfügt, kann die Steuer vermeiden. Aber nicht der, der mit seinem Jahreseinkommen sich und seine Familie ernähren muss”, so ganz treffend Prof. KIRCHHOF im FAZ-Interview am 21.08.2011.
In unserem neuen Buch ´Steuermaßnahmen zur nachhaltigen Staatsfinanzierung´ schlagen wir systematische Maßnahmen vor, die verfassungs- und EU-konform die Möglichkeiten zur Steuervermeidung drastisch einschränken. Die Maßnahmen können zur Herstellung einer fairen Besteuerung, zur nachhaltigen Finanzierung unentbehrlicher staatlicher Leistungen und zum Abbau der seit 2008 wegen der Bankenkrise massiv zunehmenden Schulden beitragen.
Quelle 1: Axel Troost – Dort auch zum Download
- Europas Banken verjagen US-Kunden
Deutschen Banken werden die bürokratischen Auflagen von US-Finanzbehörden zu bunt, denn verschärfte Meldepflichten ziehen hohe Kosten nach sich. Daher kündigten führende Geldinstitute Tausenden US-Depotinhabern. Ausländische Banken in den USA müssen den Finanzbehörden seit diesem Jahr sehr viel umfangreicher über die Wertpapiergeschäfte ihrer Kunden Auskunft erteilen als zuvor. Hintergrund ist der Versuch der Amerikaner, Steuerschlupflöcher zu schließen. Seit Anfang 2011 sind Auslandsbanken bei Wertpapiergeschäften von US-Kunden verpflichtet, den individuellen Veräußerungsgewinn oder -verlust zu ermitteln. Dieser ist dann – getrennt nach kurzfristigen und langfristigen Erfolgen – zusammen mit weiteren Daten an die Finanzverwaltung zu melden. Hinzu kommen Spezialvorschriften über die Anwendung von Quellensteuerermäßigungen und Doppelbesteuerungsabkommen. “Das lässt sich nicht mehr nur in einer Tabelle darstellen”, sagte ein Banker. Die Hürden für Auslandsdepots seien so hoch, dass es für US-Bürger oder Unternehmen extrem schwierig werde, Wertpapiere außerhalb der USA anzulegen. Dies komme den amerikanischen Banken zugute. Mit den umfangreichen Dokumentations- und Meldevorschriften sowie Haftungsrisiken würden ausländische Banken zu einem verlängerten Arm der US-Finanzbehörden.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung Orlando Pascheit: “Wir sind nicht froh über die Verschärfung”, sagte ein Sprecher des Bundesverbands deutscher Banken. Verständlich, aber der Bundesverband deutscher Banken möge entschuldigen: Wir sind froh, ja fröhlich. Zeigen doch die USA, dass man Finanzgeschäfte mit dem Ausland einschränken kann. Da wird seit Jahr und Tag von unserem Finanzkapital und der ihr hörigen Politik verkündet, eine strenge Regulierung des Finanzsektors der Eurozone sei nicht möglich, da die Institute dann nach London, New York oder Singapur ausweichen. Die ‘Amis’ haben uns wieder einmal gezeigt, wie man es macht. Endlich ist der erste Schritt getan, die volkswirtschaftlichen Kosten gegenüber dem Nutzen der globalisierten Finanzindustrie auszutarieren.
- Bundespräsident Wulff und der Kredit – Hannover Bande
Man kennt sich, man hilft sich: In Hannover liegt der Sumpf aus Politik, Wirtschaft, Unternehmen und Prominenz, auf dem Karrieren blühen – unter anderem die von Bundespräsident Wulff und Altkanzler Schröder. Die Wahrheit über Wulffs Privatkredit rückt jetzt wieder die sogenannte Maschsee-Connection in den Mittelpunkt. Sie gibt Anlass für wildeste Gerüchte.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
- Die Praxisgebühr muss weg
Kurz vor Jahresende wird in der Koalition laut über eine Änderung der Praxisgebühr nachgedacht. Die von der rot-grünen Regierung 2004 eingeführte Praxisgebühr von 10 Euro pro Arztbesuch im Quartal hat nie die gewünschte Steuerungsfunktion für Arztkontakte erfüllt – im Gegenteil: Nachweislich wurde von dieser Zuzahlung gerade ärmere Menschen vom Arztbesuch abgehalten. Mit 2,5 Mrd. Euro stellt sie aber eine Zusatzeinnahme der Krankenkasse dar, die allein von den Kranken und nicht von den Versicherten getragen wird. Jetzt wird diskutiert, eine Gebühr von 5 Euro pro Praxisbesuch zu erheben. Dadurch werden PatientInnen, die chronisch krank sind und deshalb häufiger den Arzt aufsuchen müssen, noch mehr belastet. Finanziell schlechter Gestellte werden vom Arztbesuch abgehalten, während die besser Verdienenden sich auch weiterhin den Arztbesuch „leisten“ können. Nebenbei wird der bürokratische Aufwand in der Arztpraxis noch höher als er jetzt schon ist. In Deutschland gibt es nicht nur besonders viele Arztkontakte, diese sind jeweils auch extrem kurz. Eine Steuerung der Häufigkeit von Arztkontakten ist nicht über eine finanzielle Belastung der PatientInnen zu erreichen, da sie vorrangig systeminduziert ist. Soll die Häufigkeit von Arztkontakten reduziert werden, so müsste z.B. die Quartalsbudgetierung im Gesundheitswesen aufgehoben werden, da sie zur routinemäßigen Wiedereinbestellung von Patienten führt, die nicht medizinisch sondern rein finanziell motiviert sein kann. An solchen systemischen Punkten müsste angesetzt werden, wenn das Ziel wirklich eine Reduzierung überflüssiger Arztkontakte ist.
Quelle: Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte e.V.
- Lindner tritt als FDP-Generalsekretär zurück
Zwei Jahre war er im Amt. Jetzt hat FDP-Generalsekretär Lindner überraschend seinen Rücktritt erklärt. Die Opposition reagierte umgehend.
Quelle: Welt