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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 19. Juni 2009 um 9:17 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Albrecht Müller
(WL/AM)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Die Düsseldorfer Bank hatte sich vom Soffin schon vor ein paar Monaten Garantien über fünf Milliarden Euro geholt, diese im April aber aufgebraucht. Das Institut hatte sich mit US-Ramschhypotheken verspekuliert und war deshalb Mitte 2007 beinahe zusammengebrochen. Sie konnte nur durch Milliardenhilfen der damaligen Eigentümerin KfW und des Bundes gerettet werden. Heute gehört sie dem US-Finanzinvestor Lone Star.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung WL: Das ist schon ein Stück aus dem Tollhaus. Da ist der Steuerzahler mit fast 10 Milliarden Euro zur Rettung der IKB eingesprungen. Dann wurde die angeblich gerettete Bank für lächerliche 150 Millionen Euro an die „Heuschrecke“ Lone Star verkauft. Danach stoppte Lone Star mit seiner Aktienmehrheit eine Sonderuntersuchung zu Pflichtverletzungen von Ex-Vorständen. Und ohne dass das Missmanagement aufgeklärt werden konnte, will nun Lone Star weitere 7 Milliarden Bürgschaften vom Staat.
Dabei gibt es konkrete Vermutungen, dass die IKB sich nicht nur mit Ramschhypotheken verspekuliert hatte, sondern dass sie für die Deutsche Bank als Bad Bank fungierte und von dieser einer große Menge Schrottpapiere übernommen hatte, die vermutlich auch jetzt noch auf der IKB lasten.
Es besteht weiter Anlass zu der Vermutung, dass die IKB auch deshalb zum Schnäppchenpreis an Lone Star verkauft wurde, damit die Rolle etwa von Finanzstaatssekretär Asmussen im Verwaltungsrat der früheren IKB nicht weiter thematisiert wurde.
Überdies ist es ein Skandal, dass z.B. Andreas Leimbach, der 10 Monate lang das Firmenkundengeschäft der IKB geleitet hat dafür 1,12 Millionen Euro kassierte. Und all diese merkwürdigen Vorgänge sollen nun noch mit 7 Milliarden Staatsbürgschaften honoriert werden.
Wo ist da eigentlich das „systemische“ Risiko? Zeigt sich hier nicht eher ein Risiko des Systems?
Kommentar unseres Lesers JK aus Nürnberg, dem ich wenig hinzuzufügen habe:
Liebe Nachdenkseiten-Redaktion,
wie Sie sicher aus eigener Erfahrung wissen, ist es leider oft schmerzhaft mit seinen Voraussagen recht zu behalten. Doch ich gehe jede Wette ein, dass den erneuten Forderung der IKB über weitere Garantien in der Größenordnung von sieben Milliarden Euro bald entsprochen wird, während man auf der anderen Seite bei Arcandor 50.000 Menschen ihre Existenzgrundlage verlieren lässt nur um einem schwachsinnigen Dogma zu entsprechen.
Besonders pikant wird die Sache bekanntlich dadurch, dass die IKB inzwischen der US-Heuschrecke Lone Star gehört, der sie bekanntlich von der Bundesregierung für eine lächerliche Summe (150 Millionen) angedient wurde. Die Herren Finanzinvestoren wollen sich also die Bank auf Staatskosten sanieren lassen.
Nochmals, auf die verlogene Begründung darf man gespannt sein, weshalb einem US-Finanzinvestor weitere Milliarden hinterhergeschmissen werden, auf der anderen Seite aber das Schicksal von 50.000 Menschen der Bundesregierung keinen Pfifferling wert ist.
Bisher waren dafür vor allem Abschreibungen auf Wertpapiere verantwortlich, die die Banken am Kapitalmarkt gekauft hatten. Dieses Bild ändere sich nun, sagte Best: „Die weitaus größere Sorge gilt künftig den Ausfällen bei klassischen Krediten.“
Besonders hohe Lasten sieht die Ratingagentur auf die Commerzbank sowie die Landesbanken zukommen. Allein für die Commerzbank schätzt sie die fälligen Abschreibungen bis 2011 auf rund 14 bis 18 Mrd. Euro. Die Bank, deren Belastungen vor allem aus der Mittelstandssparte von der Immobilientochter Eurohypo stammen, hatte bereits gut 18 Mrd. Euro frisches Kapital aus dem Bankenrettungsfonds Soffin erhalten.
Quelle: Welt Online
mm.de: Professor Horn, die Regierung Obama hat Kernpunkte einer neuen Finanzmarktregulierung umrissen. In den Medien bekommt dieser Plan das Etikett “Radikalreform”. Finden Sie die Regeln radikal?
Horn: “Radikal” wäre nicht meine Wortwahl. Aber wenn Sie sich ansehen, welche Freiheiten die Finanzjongleure der Wall Street bisher genießen, dann muss man schon zugeben: Der Obama-Plan ist ein Paradigmenwechsel.
mm.de: Reicht er denn aus, um eine neue große Finanzkrise zu verhindern?
Horn: Ich denke, dass diese Chance besteht. Wichtig ist, dass man die Lehre gezogen hat, alle Institute unter Beobachtung zu stellen, die bisher als “too big to fail” galten. Aber man muss abwarten, wie die Gesetze am Ende aussehen und umgesetzt werden. Die Regulierung wird ihre schützende Wirkung nur entfalten, wenn sie mit der nötigen Härte und Konsequenz durchgesetzt wird.
Quelle: Manager-magazin
Die Abwehrschlacht der deutschen Banker geht schon los:
Die deutschen Banken warnen vor einem Alleingang der USA bei der Reform der dortigen Finanzaufsicht. “Für die deutschen Banken ist entscheidend, ob die daraus erwachsenden US-Standards mit denjenigen der EU und unseres Landes übereinstimmen werden”, erklärte der Bundesverband deutscher Banken (BdB) am Donnerstag.
Quelle: Spiegel Online
Jede einzelne Tat ist unverantwortlich, zusammengenommen verdichtet sich das Verhalten der Wirtschafts- und Parteien-Elite dieses Landes zum Wahnsinn. Sie spinnen, um es klar zu sagen, und gefährden damit Wohlstand, Jobs und Wachstum. Denn die Krise ist noch nicht einmal zur Hälfte überstanden.
Deshalb müssen die Banken viel härter angepackt werden als bislang. Die beiden Bad-Bank-Modelle der Regierung, das eine für die privaten Banken, das andere für die Landesbanken, sind zu halbherzig, weil sie auf freiwilliger Teilnahme basieren. Sie haben nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn es einen obligatorischen Stresstest zumindest für die 20 größten Banken des Landes gibt.
Ist diese Operation gelungen, gilt es den Banken ihre Lieblingsspielzeuge aus der Hand zu nehmen. Dazu zählt der intransparente Handel mit Derivaten, was inzwischen sogar US-Präsident Barack Obama verstanden hat.
Aber dazu zählt genauso das kurzfristige Gezocke an den Terminbörsen für Devisen und Rohstoffe. Denn die Lehre aus der Krise lautet: Banken haben der Realwirtschaft zu dienen durch die Vergabe von Krediten. Im Casino haben sie dagegen nichts zu suchen.
Quelle: FR
Ich halte diese Einschätzung für falsch. Ich glaube, dass sich die Obama-Regierung dem Druck und der Panikmache der großen Banken gebeugt hat. Deshalb hat sie die Rettung der Banker und der Aktionäre mit einer Entschuldung der Banken verwechselt.
Einige haben diese neue Wirtschaftsform “Sozialismus auf amerikanische Art” genannt. Aber Sozialismus hat sich um normale Individuen zu kümmern. Die Vereinigten Staaten haben aber – ganz im Gegenteil – den Millionen Amerikanern, die ihre Häuser zu verlieren drohen, nur wenig Hilfe gewährt. Arbeiter, die ihre Jobs verlieren, erhalten nur 39 Wochen lang einen begrenzte Arbeitslosen-Unterstützung und werden sich dann selbst überlassen. Wenn sie ihre Jobs los sind, verlieren die meisten auch noch ihre Krankenversicherung.
Amerika hat das Sicherheitsnetz für Unternehmen in beispielloser Weise ausgeweitet, von Handelsbanken auf Investment-Banken, dann auf Versicherungen und jetzt sogar auf Autohersteller, und es ist noch kein Ende in Sicht. In Wahrheit ist das kein Sozialismus, sondern eine Ausweitung des bisherigen Schutzes für Konzerne. Die Reichen und Mächtigen fordern von der Regierung immer neue Hilfen, während bedürftige Einzelpersonen kaum sozialen Schutz erhalten.
Wir müssen die Banken, die so groß sind, dass sie nicht scheitern dürfen, zerschlagen; es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie der Gesellschaft die Kosten, die sie ihr aufgebürdet haben, jemals erstatten werden. Wenn wir sie schon nicht zerschlagen, müssen wir wenigstens ihre Handlungsspielräume entscheidend einengen. Was sie in der Vergangenheit getan haben, darf ihnen nicht mehr erlaubt sein – sie dürfen nicht mehr in der Lage sein, auf Kosten der Allgemeinheit zu zocken.
Es gibt noch ein anderes Problem mit den amerikanischen Banken, die so groß sind, dass sie nicht scheitern dürfen und nicht restrukturiert werden können: sie haben zu viel politische Macht. Ihre Lobby-Arbeit hat gut funktioniert; erst haben sie die Deregulierung durchgesetzt und dann die Steuerzahler die Aufräumungsarbeiten bezahlen lassen. Sie hoffen darauf, dass sie es noch einmal schaffen, frei in ihren Entscheidungen zu bleiben, und tun und lassen zu können, was sie wollen, ohne Rücksicht auf die Risiken für die Steuerzahler und die Wirtschaft. Wir dürfen nicht zulassen, dass das geschieht.
Quelle: The Guardian/ nachgedruckt Project Syndicate
Berlin – Es ist eine Summe, die es so noch nicht gegeben hat: Bis 2013 wird der Bund 310 Milliarden Euro neue Schulden machen. Das geht nach Informationen von SPIEGEL ONLINE aus der aktualisierten mittelfristigen Finanzplanung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hervor, die das Kabinett in der nächsten Woche zusammen mit dem Haushaltsentwurf für 2010 beschließen wird.
Für das kommende Jahr ist danach eine Neuverschuldung des Bundes von 86 Milliarden Euro vorgesehen. So viel zusätzliche Kredite hat bislang noch kein Finanzminister in einem seiner Haushaltsentwürfe einplanen oder später auch aufnehmen müssen. Dieses Jahr hofft Steinbrück, mit 48 Milliarden Euro auskommen zu können.
In den Folgejahren verharrt die Neuverschuldung nach den Planungen auf hohem Niveau. So muss der Bund 2011 rund 72 Milliarden Euro neue Schulden machen, 2012 sinkt der Bedarf auf 59 Milliarden Euro. 2013, am Endpunkt der neuen mittelfristigen Finanzplanung, ist immer noch eine Nettokreditaufnahme von 45 Milliarden Euro eingeplant.
Insgesamt plant Steinbrück im kommenden Jahr Ausgaben von rund 328 Milliarden Euro – ebenfalls eine Rekordsumme. Damit liegt das Volumen des Bundeshaushalts deutlich über den Ansätzen des alten Finanzplans. Ursache dafür sind zusätzliche Ausgaben, die durch die Wirtschaftskrise erzwungen werden.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung WL: Und CDU/CSU schwadronieren von Steuersenkungen. Ein wirkliches Konjunkturprogramm, das die Rezession überwinden könnte und zusätzliche Steuereinnahmen durch Wachstum generiert werden könnten, ist auch nicht erkennbar.
Am längerfristigen Erosionsprozess der Alterssicherung in Deutschland ändert die Maßnahme der Bundesregierung hingegen wenig. Altersarmut wird in Zukunft wieder deutlich mehr Menschen betreffen, zeigen neue Analysen aus dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt – mehr atypische Jobs und mehr Niedriglöhne – machen sich bemerkbar. Aber auch die Rentenreformen der vergangenen Dekade tragen dazu bei. Sie haben zwar die Entwicklung des Beitragssatzes stabilisiert, allerdings um den Preis stark sinkender Rentenniveaus.
Die Zahl der erforderlichen Beitragsjahre für eine Rente auf Sozialhilfe-Niveau wird ansteigen. Wer beispielsweise 2030 in Ruhestand geht und im Laufe seines Erwerbslebens 75 Prozent des durchschnittlichen Einkommens erzielte, muss 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahl haben, um eine Rente in Grundsicherungs-Höhe zu bekommen. Wer nur die Hälfte verdient, hat keine Chance – sie oder er bräuchte 68 Beitragsjahre. Private und betriebliche Vorsorge können das kaum ausgleichen: Niedriglöhner und Arbeitslose sind selten in der Lage, in einen Riestervertrag einzuzahlen. Und gerade sie haben oft keinen Zugang zu betrieblichen Pensionskassen.
Das Problem ließe sich aber eindämmen – durch eine Ausweitung der Rentenversicherung auf Selbstständige sowie mehr Mindestsicherung.
Mehr dazu: Artikel Böckler Impuls mit Grafiken zum Download und mit dem Untersuchungsschwerpunkt Wachstum des Niedriglohnsektors und schwache Lohnentwicklung
Zurückdrehen will die Union auch die Reform der Ärztehonorare. Sie ist sehr umstritten, weil in Westdeutschland viele Mediziner Gehaltseinbußen erwarten.
Quelle: SZ
Für die Sperrung von Seiten mit kinderpornographischen Inhalten soll das Bundeskriminalamt zuständig werden. Der Bundesrat kritisiert in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzentwurf weder eine anlassbezogene noch eine regelmäßige Überprüfung gesperrter Inhalte vorsehe. Es liege offenbar allein im Ermessen des Bundeskriminalamtes, ob und wann eine Überprüfung der bereits gesperrten Seiten durchgeführt werde. “Um dem befürchteten Zensurcharakter der Norm vorzubeugen, sollte eine gesetzlich verpflichtende regelmäßige Überprüfung in den Entwurf aufgenommen werden”, verlangt der Bundesrat. Außerdem wenden sich die Länder gegen eine undifferenzierte Speicherung von Daten. So könnten die Daten von Nutzern gespeichert werden, die unproblematische Inhalte abgerufen hätten, die zufällig auf demselben Server gespeichert gewesen seien wie kinderpornographische Inhalte. Außerdem soll in den Entwurf ein spezielles rechtsförmiges Verfahren aufgenommen werden, damit sich Diensteanbieter gegen die Sperrung ihrer Telemedienangebote wehren können.
Die Bundesregierung schreibt in ihrer Gegenäußerung, sie gehe von einer laufenden Aktualisierung der Sperrliste aus. Internetadressen, die keine Kinderpornographie mehr enthalten, würden unverzüglich von der Liste entfernt. Bei anderen Einwänden der Länder sichert die Regierung eine Prüfung zu.
Quelle: Deutscher Bundestag
Der Grund für die Rund-um-die-Uhr-Tagung ist nicht allein die lockende Urlaubszeit. Auch die Legislatur geht zu Ende, bis zur Bundestagwahl im September ist nur noch eine Sitzungswoche Ende Juni vorgesehen. Doch es gibt eine Fülle an Gesetzesvorhaben, über die entschieden werden muss: Begrenzung der Managervergütung, Bekämpfung von Kinderpornografie und Verschärfung des Waffenrechts sind nur einige der drängenden Aufgaben. Und so einiges ist im Laufe des Legislatur mangels Mehrheiten auch liegen geblieben, zum Beispiel die Neuregelung der Patientenverfügung.
Gegen 5.35 Uhr in der Früh aber soll es laut Tagesordnung um ein von der Opposition abgelehntes Vorhaben gehen: das „Gesetz zur Stärkung der Informationstechnik des Bundes“, mit dem die Bundesregierung die Befugnis zur Rundumüberwachung der Behördenkommunikation schaffen will. Bei der Sachverständigenanhörung im Bundestag war das Projekt von mehreren Experten als wahlweise „untauglich“, „katastrophal“ oder gar „in Teilen verfassungswidrig“ kritisiert worden.
Ein solches Gesetz, „dass den höchstrichterlich geschützten Kernbereich der privaten Lebensführung berührt, darf nicht heimlich durch das Parlament gehievt werden“, sagt Leutheusser-Schnarrenberger.
Quelle: Welt Online
Siehe dazu auch:
Der Vertrag von Lissabon und das Grundgesetz
Rechtsgutachten über die Zulässigkeit und Begründetheit verfassungsgerichtlicher Rechtsbehelfe gegen das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon und die deutsche Begleitgesetzgebung.
Quelle: Peter Gauweiler [PDF – 654 KB]
Anmerkung WL: Am 30. Juni will das Bundesverfassungsgericht über die Klagen gegen den Vertrag von Lissabon entscheiden. Dem Gericht liegen Klagen des rechtsgerichteten CSU-Abgeordneten, des ehemaligen Vorstandschefs der Thyssen AG, Dieter Spethmann, des früheren CSU-Europaabgeordnete Franz Ludwig Graf Stauffenberg, des eher Ordoliberalen Volkswirtschaftlers Joachim Starbatty und des Berliner Juraprofessor Markus Kerber, aber auch Diether Dehm hat mit anderen Abgeordneten der Partei Die Linken Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Wir von den NachDenkSeiten haben Schwierigkeiten uns mit den politischen Zielen vor allem von Gauweiler oder Spethmann gemein zu machen. Auch der Verfassungsrechtler Murswiek hat eine eher rechtsextreme Vergangenheit. Dennoch halten wir die Position, dass mit dem Lisabon Vertrag wesentliche Kernpunkte des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt oder zumindest überlagert werden. Das gilt etwa für die Bundeswehr als „Parlamentsarmee“, die bundesdeutsche Rundfunkordnung, aber vor allem auch für das Sozialstaatsprinzip. Schon die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs belegt, wie durch europäisches Vertragsrecht liberale Wirtschaftsrechte eine Dominanz gegenüber dem hiesigen Arbeitsschutz- oder Streikrecht (Einhaltung von Tariflöhnen bei öffentlichen Ausschreibungen) geschaffen hat. Man muss nicht europafeindlich gesinnt sein, wenn man den Vertrag von Lissabon ablehnt und die im Grundgesetz verankerten sozialstaatlichen Prinzipien verteidigen will.
Man kann auf das Verfassungsgericht ein Stück Hoffnung setzen, denn würde es diesen „Reformvertrag“ (ohne Einschränkungen) passieren lassen, dann würde es seine eigene Funktion in Frage stellen. Seine Rechtsprechung könnte dann vom EuGH kassiert werden.
Spannend ist auch, wie der zuständige zweite Senat, in dem etwa der vertragskritische Richter Siegfried Broß sitzt, mit dem „Reformvertrag“ umgeht.
Das Bologna-Konzept wird vor allem von Bildungsministerien und Hochschulrektoren gepuscht, deren Machtposition im »Unternehmen Universität« auf Kosten der akademischen Selbstverwaltung verstärkt wurde. Widerstand leisten immerhin die Hochschullehrer, deren Standesorganisation, der Deutsche Hochschulverband (DHV), jüngst ein »Bologna-Schwarzbuch« vorlegte.
Quelle: junge Welt
Anmerkung Thomas Barth: Wie die jW auf die Bildunterschrift „Privatuniversitätsabsolventen: Schneller und labiler Foto: AP“ kam, weiß ich nicht, auch nicht warum sie 1 Woche brauchten, um meinen schönen Titel “Einmal Bildungsabbau Bolognese!” gegen “Paukpädagogik” zu er- bzw. unmotiviert 3 Zeilen runter- und klein zu setzen.
Doch zu den Spitzenverdienern im Tingeltangel-Gewerbe gehört nach dieser Liste neben der ZDF-Galionsfigur Claus Kleber, der einst auch aus den USA berichtet hat, eben jener freundliche News-Verkäufer der ARD: Tom Buhrow. Beide werden mit jeweils 20.000 Euro taxiert.
Quelle: SZ
Siehe dazu:
Nebenverdienste: Wie Fernsehmoderatoren ihre Prominenz vermarkten
Quelle: NDR Zapp
Anmerkung WL: Sie haben sich sicherlich auch schon öfters gewundert, wie die Hahnes, Buhrows, Klebers in ihren Interviews pfleglich mit den Mächtigen aus der Wirtschaft umgehen, oder wie in den Moderationen unterschwellig Verständnis für Firmenbosse aufgebracht wird und wie gering oft das Einfühlungsvermögen gegenüber denjenigen ist, die nicht auf der Sonnenseite der Gesellschaft stehen. Wenn Sie über diese „privaten“ Geschäfte dieser „Vertrauenspersonen“ der Informationsvermittlung lesen, wird Vieles verständlich. Angesichts solcher Summen, die hier für geringen Aufwand eingenommen werden können, versteht es sich von selbst, dass man es sich mit potentiellen Geld- pardon Auftraggebern nicht verderben will und dass man gegenüber solchen Firmen und deren Bosse, bei denen man schon mal für gutes Geld aufgetreten ist, zumindest freundlicher formuliert, als es ein kritischer Journalismus eigentlich erforderte. Das ist nur allzu menschlich, aber dem Journalismus dient es nicht und schon gar nicht dem Bedürfnis nach neutraler und unabhängiger Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger. Dass die Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Sender hier keinen Riegel vorschieben ist, hat viel damit zu tun, dass sie durch diese „Nebeneinnahmen“ Abwerbungsversuche von Kommerzsendern besser abwehren können. Auch hier zeigt der Wettbewerb zwischen Privatsendern und den öffentlich-rechtlichen seine korrumpierende Wirkung.
Es geht nicht nur um lukrative Nebenverdienste von Journalisten, viel mehr verbreitet sind Rabatte und sonstige Vergünstigungen:
Fast drei Viertel aller Journalisten, 74 Prozent, geben zu, dass sie Presserabatte nutzen. Der Medienwissenschaftler Dominik Stawski hat 1.300 Journalisten befragt, ob und welche Presserabatte sie in Anspruch nehmen(…)
Die Auswahl für die Journalisten ist grenzenlos. Ob beim Urlaub, beim Fliegen oder beim Neuwagenkauf. Meistens gelten für Journalisten Sonderpreise.
Unter pressekonditionen.de und journalismus.com steht detailliert, welche Firma wie viel Prozent gewährt.
Dominik Stawski, Medienwissenschaftler: „Journalisten berichten über alle möglichen Verstrickungen zwischen Wirtschaft und Politik, aber sie berichten sehr, sehr wenig über das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Journalismus und in dem Fall halt auch über Presserabatte.“ Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Genau die Journalisten, die Presserabatte nutzen, haben ja nun wirklich überhaupt kein Interesse, das auch noch zum Berichterstattungsgegenstand zu machen.“ Reporter: „Sprich der Zuschauer weiß nichts davon?“ Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Der weiß nichts davon, der soll ja auch nichts davon erfahren, denn das ist ja genau das Ziel der Unternehmen die Presserabatte vergeben. Gewogenheit schaffen und damit auch die Berichterstattung unterdrücken, die nicht so positiv ist.“
Klaus-Dieter Altmeppen, Professor für Journalistik: „Unternehmen entwickeln vielfältigste Strategien um dorthin zu kommen, zu sagen, wie stelle ich mein Unternehmen in der Öffentlichkeit positiv dar und da gehören Journalistenrabatte eindeutig mit zu diesen Strategien, Gewogenheit herzustellen. Also genau das, was Journalisten nicht sein sollten.“… „Journalisten leben von ihrer Glaubwürdigkeit, von ihrem Image, von ihrem Ruf, machen sich aber offensichtlich keine Gedanken darüber, dass sie mit Presserabatten genau diesen Ruf aufs Spiel setzen.“
Quelle: NDR Zapp
Anmerkungen WL: Aber über Politiker, wie damals über Kurt Biedenkopf, die Rabatte verlangen das Maul aufreißen, das passt schlecht zusammen.
Dazu:
Der Philosoph der Deutschen
Vor 80 Jahren wurde Jürgen Habermas geboren
Seit Jahrzehnten ist er eine öffentliche Institution. Es gibt wenig so einflussreiche Wissenschaftler und Intellektuelle in Deutschland wie den Sozialphilosophen Jürgen Habermas. Von Beginn an hat er die Bundesrepublik mit seinen öffentlichen Interventionen kritisch begleitet.
Habermas: “Die vornehmste Aufgabe der Philosophie sehe ich heute darin, gegen jede Gestalt des Objektivismus, also gegen die ideologische, das heißt scheinhafte Verselbständigung von Gedanken und Institutionen gegenüber ihren lebenspraktischen Entstehungs- und Verwendungszusammenhängen die Kraft der radikalen Selbstreflexion aufzubieten.”
Quelle: Deutschlandradio Kultur
Anmerkung WL: Ein ganz klein bisschen wollen die NachDenkSeiten der Philosophie helfen gegen die gegenwärtige Gestalt des Objektivismus, nämlich den Neoliberalismus, die Kraft der radikalen Selbstreflexion aufzubieten. Die Philosophie selbst hat bei dieser Aufgabe in den letzten Jahren weitgehend versagt.
Dostaler ist seit 1975 Wirtschaftsprofessor an der Québec-Universität in Montréal, Kanada. Buchveröffentlichungen: „Le libéralisme de Hayek“, 2001; „Keynes et ses combats“, 2005, neue erweiterte Ausgabe 2009; zusammen mit Bernard Maris „Capitalisme et pulsion de la mort“, 2009.
Keynes’ Ideen wurden vor Ausbruch der Krise von “den Liberalen” verteufelt. War nicht Keynes selbst ein Liberaler gewesen?
Keynes sympathisierte mit der an John Stuart Mill orientierten liberalen englischen Partei. Das Programm dieser Partei sah individuelle und politische Grundrechte, jedoch nicht den Wirtschaftsliberalismus als fundamental an. In Abgrenzung zur Konzeption des marxistischen oder kommunistischen Sozialismus bezeichneten die englischen Liberalen ihr Programm als „sozialen Liberalismus“, „liberalen Sozialismus“ oder „Zukunftssozialismus“. In diesem, man würde heute sagen „sozialdemokratische Konzept“, sollte der Staat durch Eingriffe und Regulierungen die Mängel der Marktwirtschaft korrigieren, um den Menschen optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten.
Bestätigt die aktuelle Krise die Keynes’sche Sicht des Kapitalismus?
Größtenteils ja. Keynes stellt im zwölften Kapitel seiner „Allgemeiner Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ detailliert die irrationale Kasino-Ökonomie mit ihren zu Blasen führenden Spekulationsmechanismen dar. Wenn sich in der Welt auch einiges seit den 1930-er Jahren verändert hat, so ist doch Keynes „Allgemeine Theorie“ heute brandaktuell. Die Deregulierung der Finanzmärkte ist der Hauptgrund der heutigen Krise, die Deregulierung führte zum unverantwortlich- riskanten Verhalten von Bankern und Spekulanten. Ebenfalls eine große Rolle spielte die mit der Aufhebung der Konvertierbarkeit von Dollar in Gold seit 1971 beginnende Auflösung des Bretton-Woods-Währungssystems von 1944.
Wie ordnen Sie Keynes’sches Denken ein?
Keynes sieht auf der einen Seite klassisch-orthodoxe Ökonomen, die an die Selbststeuerungs- und Selbstheilungskräfte des Marktes glauben. Diese Orthodoxen sehen die Ursachen von Krisen in staatlicher Intervention oder in nicht funktionierenden, weil zu wenig freien Märkten. Die zweite Gruppe von Ökonomen, zu denen sich Keynes selbst zählt, sind “die Ketzer“ – die nicht an die wirtschaftsliberale Religion „glauben“. Diese Ketzer-Ökonomen kommen in ihren Arbeiten zu dem Resultat, dass der sich selbst überlassene Kapitalismus aus sich heraus (“endogen”) Arbeitslosigkeit, Krisen und gesellschaftliche Instabilität schafft, die durch staatliches Handeln und Gegensteuern korrigiert werden müssen. Keynes war zwar kein Marx-Anhänger, übernahm jedoch, wie auch Joseph Schumpeter, Elemente der Marxschen Vision.
Alan Greenspan, ehemaliger Präsident der amerikanischen Zentralbank Fed, bekannte vor dem amerikanischen Kongress ganz offen, er habe sich über die Selbststeuerung der Märkte getäuscht (…)
Greenspan hatte eigentlich schon in seiner Rede am 5. Dezember 1996 eine realistische Beurteilung des wirtschaftlichen Geschehens, als er vor irrationalen Übertreibungen der Märkte gewarnt. Er scheint nun, durch seine eigene Erfahrungen, diese Einsichten wieder gefunden zu haben.
Neoliberale werfen Greenspan eine zu laxe Zinspolitik vor (…)
Ein typischer Mythos monetaristischer Wirtschaftsvision. Für Milton Friedman kehrt eine Wirtschaft dann „natürlich-automatisch“ zum Gleichgewicht zurück, wenn
Keynes dagegen akzeptiert das marktwirtschaftliche System nur dann, wenn seine Mängel korrigiert werden. Hauptmängel sind für ihn ein übermäßiges Gewicht der Finanzwirtschaft und das Anwachsen der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen. Für Keynes wird der Kapitalismus von der Bevölkerung nur dann akzeptiert, wenn die kleinen Leute den Status der Bessergestellten als deren persönliches Verdienst akzeptieren können. Sollten jedoch die Leute zur Überzeugung gelangen, Einkommen und Reichtum der Oberschicht beruhten auf Spekulation und Diebstahl, dann sei die Legitimität des kapitalistischen Systems grundlegend in Frage gestellt.
Zweifellos fürchten heute viele in Verantwortung stehende Politiker genau diese Infragestellung des Kapitalismus, wenn sie ihre Haltung zum in den letzten Jahrzehnten von ihnen unterstützten Neoliberalismus ändern.
Quelle: Le Monde
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