NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 6. Februar 2009 um 10:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(MB/WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • IMK: In Konjunkturpaketen vorgesehene Steuersenkungen bringen Kommunen Milliardenausfälle
  • Heribert Prantl über Hartmut Mehdorn: Die Bahn bin ich
  • Märklin: Insolvenzverwalter schmeißt alle Berater raus
  • Faule Kredite in Billionenhöhe
  • Darf man Ackermann trauen?
  • Harold James: Die Diktatur der Banken
  • Thomas Fricke: Zeit für eine Bad Ideas Bank
  • Hypo Real Estate: Hart oder sanft?
  • Michael Schneider: Fasst die Piraten der Geldmeere!
  • Seehofers Blockade bei der Schuldenbremse
  • Privatisierung schwächt Flächentarife
  • Christoph Schmidt soll Bert Rürup als Wirtschaftsweiser folgen
  • BILD: Schrumpf-Rente: Senioren bleibt immer weniger!
  • Wartende Wickeltische
  • Keine Besuche in Altenheimen
  • Seilschaften und Netzwerke der Agro-Gentechnik in Medien und Politik – Kontrolle oder Kollaboration?
  • Atomlobby in Quarantäne
  • Gesine Schwan: Wider die schleichende Erosion unserer Demokratie
  • Albrecht von Lucke: Leerstelle Konservatismus
  • Franz Müntefering: Was links ist
  • Schulen geht das Personal aus
  • Hartz IV: der große Betrug? – Nun auch Betrug bei Maischberger?
  • Zu guter letzt: Börsengequatsche über die Verstaatlichung der HRE

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.

Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. IMK: In Konjunkturpaketen vorgesehene Steuersenkungen bringen Kommunen Milliardenausfälle
    Sie sind das Herzstück des Konjunkturpakets: Mehr Investitionen in Städten und Gemeinden. Doch die ebenfalls beschlossenen Steuersenkungen bescheren den Kommunen gleichzeitig Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe. Insgesamt beziffert das IMK die kommunalen Mindereinnahmen auf 1,9 Milliarden Euro in diesem Jahr und sogar 3,4 Milliarden Euro 2010. Damit würden den Gemeinden heuer 30 Prozent der zusätzlichen Investitionsmittel gleich wieder entzogen, im kommenden Jahr wären es knapp 60 Prozent. Rechnet man noch die Folgen der höheren steuerlichen Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung hinzu, die ab 2010 gelten soll, verlören die Gemeinden im kommenden Jahr sogar fast 80 Prozent der zusätzlichen Investitionsmilliarden.
    Quelle: Böckler
  2. Heribert Prantl über Hartmut Mehdorn: Die Bahn bin ich
    Das Verhalten von Bahnchef Hartmut Mehdorn erinnert an das von Gerhard Schröder am Wahlabend des 18. September 2005: Damals gab der Noch-Kanzler in Verkennung von Lage und Wahlausgang den dicken Max. Der Unterschied zwischen Schröder und Mehdorn besteht darin, dass bei Ersterem die Realitätsverweigerung nach wenigen Stunden abklang. Bei Mehdorn hält sie an, und ihre Erscheinungsformen verschärfen sich. Er führt sein Unternehmen, als wäre es autark und er auch. Seine Informationspolitik (nicht erst im Datenschutzskandal, aber hier vor allem) ist eine Nichtinformations- und Desinformationspolitik. Er informiert nicht die Mitarbeiter, nicht Betriebsrat, Aufsichtsrat, Prüfungsausschuss, auch nicht den Verkehrsausschuss des Bundestages, nicht den Bundesverkehrsminister und nicht die Bundeskanzlerin – von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.

    Mehdorn präsidiert das Unternehmen nach dem Motto: Die Bahn bin ich. Die Antwort darauf lautet: Aber nicht mehr lange. Die Bahn ist eine Aktiengesellschaft. Da gibt es zwar keine Fach- und Rechtsaufsicht wie bei einem Staatsbetrieb – aber einen Aufsichtsrat, der sich angreifbar macht, wenn er bei massiven Rechtsverstößen nicht eingreift.
    Quelle: Süddeutsche

  3. Märklin: Insolvenzverwalter schmeißt alle Berater raus
    Für den zahlungsunfähigen Modelleisenbahn-Hersteller Märklin gibt es neue Hoffnung. Laut Insolvenzverwalter Pluta wird das Unternehmen weiter produzieren. Erste Maßnahme des Sanierers: “Alle Berater raus.”
    Quelle: Spiegel

    Siehe auch:

    Berater sollen Märklin ausgesaugt haben

    “Wenn die Beratungskosten nicht bestanden hätten, wäre die Firma jetzt nicht pleite”, sagte Insolvenzverwalter Michael Pluta am Donnerstag auf der Nürnberger Spielwarenmesse. Dort stellt das 150 Jahre alte Unternehmen trotz der Schieflage 400 Neuheiten aus. In einzelnen Jahren habe das Unternehmen mit zuletzt 128 Mio. Euro Umsatz bis zu 12 Mio. Euro für Berater ausgegeben, rechnete Pluta vor. Für den Betrag, der über die Jahre dafür ausgegeben worden sei, hätte man die ganze Firma kaufen können. Geschäftsführer Dietmar Mundil räumte ein, dass die häufig wechselnden Sanierungshelfer oft mehr Irritationen ausgelöst als Nutzen gestiftet hätten. Nach einem jahrelangen, lähmenden Familienstreit war Märklin 2006 den Finanzinvestoren Kingsbridge und Goldman Sachs verkauft worden. Seine erste Maßnahme im Unternehmen beschrieb der Jurist mit den Worten: “Alle Berater raus.” Schon damit spare Märklin einen knapp zweistelligen Millionenbetrag im Jahr, das sei fast die Hälfte des Jahresverlustes.
    Quelle 1: Financial Times Deutschland

    Anmerkung Orlando Pascheit: Man fragt sich, warum die Geschäftsführung, der Betriebsrat oder die “Finanzinvestoren” nicht einmal zu einfachsten Grundrechenarten der ersten Stufe fähig waren. Selbst Externe wie das Handelsblatt haben im April vorigen Jahres auf die Beratergoldgrube Märklin hingewiesen.
    Quelle 2: Handelsblatt

  4. Faule Kredite in Billionenhöhe
    Allein bei den 20 größten deutschen Banken hat die Finanzaufsicht BaFin festgestellt, dass sie auf faulen Wertpapieren in Höhe von rund 300 Milliarden Euro säßen. Davon sei aber erst ein Viertel abgeschrieben. Darüber, wie hoch die nötigen Wertberichtigungen bei allen deutschen Banken sind, gibt es nur wilde Schätzungen. Im schlimmsten Fall reichen bis sie zu 1 Billion Euro. Kürzlich hat der Internationale Währungsfonds (IWF) versucht zu ermitteln, wie hoch der Abschreibungsbedarf sein könnte, der auf die internationalen Banken zukommt. 2,2 Billionen Dollar lautete da die Schätzung. Allerdings hat der IWF nur US-Kredite berücksichtigt und “verbriefte Wertpapiere” – also jene seltsamen Konstruktionen, in denen Schrotthypotheken so lange neu gebündelt und umetikettiert wurden, bis sie die höchste Bonitätsnote erhielten. Inzwischen sind jedoch auch ganz normale Kredite gefährdet, weil sich die Finanz- zu einer Wirtschaftskrise ausgeweitet hat.
    Quelle: TAZ
  5. Darf man Ackermann trauen?
    Die Deutsche Bank ist eine sensationelle Bank, weil sie als eine der ganz wenigen internationalen Häuser keine Hilfe vom Staat braucht. Sie hat die riskanten Geschäftsfelder konsequent geschlossen und die zukunftsträchtigen gestärkt. Sie hat nun ihre Risiken im Griff, die hohe Verschuldung auf das neue internationale Maß heruntergefahren. Und im Januar lief es super. Das, in Kürze, war die Botschaft von Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank.

    Dürfen wir es glauben? Die Antwort auf diese Frage hat Ackermann eigentlich selbst gegeben: “Man kann heute die Bilanzen und Erfolgsrechnungen der Banken nur noch ganz schwierig miteinander vergleichen”, sagte er mit Blick auf die Wettbewerber der Deutschen Bank. Ein Beispiel gefällig? Die Relation Bilanzsumme (also überwiegend Verschuldung) zu Eigenkapital habe sich von 36 auf 30 im Jahr 2008 verringert. Die Bankbilanz ist also geschrumpft, was latent auf weniger Risiko hindeutet.

    Schaut man dagegen in die veröffentlichen Kennzahlen der Bank, findet man zwei verwirrende Zahlen: Die Bilanzsumme ist von 1,9 Billionen Euro auf 2,2 Billionen Euro gestiegen – und das Eigenkapital ist von 38 auf 31 Milliarden geschrumpft. Nur diese Zahlen überführten den Bank-Chef der Lüge. Doch gemach. Er hat nicht die Zahlen nach internationaler Rechnungslegung gemeint, sondern nach US-Rechnungslegung. Und nach US-GAAP ist die Bilanz der Deutschen Bank nur halb so groß, nämlich genau 1,1 Milliarden Euro. Denn die Amerikaner kürzen die Derivate, die sich ausgleichen und gegenüber dem selben Kontrahenten bestehen, aus der Bilanz heraus, weil sie nach US-Auffassung kein Risiko darstellen.
    Quelle: FR

    Dazu auch:

    Ackermann hat nichts gelernt
    Nach einem mießen Jahr spricht der Chef der Deutschen Bank schon wieder über die Renditen der Gier-Ära. Er setzt offenbar darauf, dass der Kapitalmarkt kaum reguliert wird. “Eins habe ich gelernt”, sagt der Chef der größten deutschen Bank, “das Pendel schlägt auch immer wieder zurück.” Dieser naive wie wahre Satz verrät alles. Genau so steuert er auch seit sieben Jahren die Bank. Ganz prozyklisch. Wenn im Eigenhandel Geld verdient wird, wird das Zockerteam ausgebaut, hagelt es Verluste, werden wie jüngst drei Viertel der Casino-Tische wieder geschlossen. Schon einmal, nämlich 2003, sollte die Abhängigkeit der Bank vom riskanten Investmentbanking verringert werden. Dann lief’s aber 2005 plötzlich wieder überraschend rund, und Ackermann gab die Parole aus “let the good times roll”, lasst uns die Gewinne einfahren, auch wenn damit das Risiko rasant steigt. Vier Jahre später wieder die Kehrtwende.

    Lange Zeit ging die Strategielosigkeit gut, denn die Bank saß einst auf wahnsinnigen Reserven. Ihr Schatz war ein Industrieportfolio mit Anteilen an Daimler, der Allianz, der Münchener Rück, der Deutschen Börse, um nur einige wenige zu nennen. Ackermann hat diese Reserven geplündert, zum Wohle der Aktionäre und Angestellten. Auch 2008 steuerten die letzten Reste noch einmal 1,3 Milliarden zum Ertrag bei und rund drei Milliarden zum Eigenkapital. Jetzt ist die Schatulle leer. Und den Steuerzahlern bleibt nichts anderes übrig, als Ackermann und seiner Bank in der schlimmsten Krise seit 80 Jahren Fortune zu wünschen.
    Quelle: FR

  6. Harold James: Die Diktatur der Banken
    Die Vision einer Großbank, die das wirtschaftliche Schicksal eines Landes oder der Welt bestimmt, ist im Kern genauso falsch, wie es die Idee der Planwirtschaft war. Vielfalt und Komplexität ihrer Transaktionen machte die neuen Superbanken von Natur aus anfällig. Lange bevor sich die Subprime-Krise entwickelte, war die Citigroup durch das Verhalten ihrer Trader in Tokio beschädigt worden sowie auch durch ihre Londoner Händler, die versuchten, den europäischen Staatsanleihenmarkt zu manipulieren. Konzernen im Produktionsbereich fällt es leichter, die Produktqualität über Kontrollen zu gewährleisten. Wo die Geschäftsgrundlage dagegen die Finanzintermediation ist, werden Millionen Beurteilungen unabhängig voneinander getroffen, deren Auswirkungen das gesamte Unternehmen gefährden können.
    Quelle: Financial Times Deutschland

    Anmerkung Orlando Pascheid: Einige interessante Ausführungen, leider fällt Harold James am Ende nichts Besseres ein, als vor der Verstaatlichung von Banken zu warnen, während es doch der Fusionswahn privater war, der die Voraussetzung für die derzeitige Krise schuf.

  7. Thomas Fricke: Zeit für eine Bad Ideas Bank
    Was waren das für Zeiten, als Professoren durch deutsche Talkshows stolzierten, um das lernresistente Volk ökonomische Vernunft zu lehren? Als sie entrüstet vortrugen, dass nur endlich dies oder das reformiert werden muss, damit die Wirtschaft blüht. Dass eigentlich klar sei, was zu tun ist. Seit ein paar Monaten ist es gespenstisch ruhig geworden, stolzieren Professoren höchstens heimlich durch entlegene Wälder. Dafür gibt es reichlich Spott über ratlose Gelehrte. Mit jedem Tag wird derzeit spürbarer, dass die Weltwirtschaftskrise eine Wissenschaft in die Legitimationskrise geworfen hat – ohne dass es viele Betroffene zu merken scheinen. Zeit für einen Neuanfang wie nach der Großen Depression. Wir sind eine Wissenschaft, die arrogant auftritt, aber gar keinen Grund hat, arrogant zu sein”, urteilte kürzlich Harvard-Ökonom Dani Rodrik. “In der Finanzkrise ist der Anspruch der Ökonomen erloschen, eine Wissenschaft zu sein”, polterte Moisés Naím*, Chef der Zeitschrift “Foreign Policy”, beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Umfragen in der Bevölkerung ergeben derzeit Ähnliches. “Die meisten von uns sind ziemlich ratlos”, räumt Friedrich Schneider, Chef der Vereinigung deutschsprachiger Ökonomen, ein: “Wir sind in der Krise.” Das Problem liegt weniger darin, dass keiner die Lehman-Pleite vorhergesagt hat (sonst hätte es sie wahrscheinlich nicht gegeben). Die aktuelle Finanzkrise reißt ganze Glaubenssätze mit: dass Märkte am besten funktionieren und eigene Fehler glimpflich korrigieren. “Diese Annahme ist gescheitert”, sagt Nobelpreisträger Edmund Phelps. “Der Marktfundamentalismus war ein Fehler”, so Ken Rosen von der University of California – ein Standardsatz, dem in Davos 2009 niemand mehr widersprach. Nobelpreisträger Joseph Stiglitz zufolge fehlt vielen Ökonomen vor lauter Spezialisierung auf Details heute das systemische Denken. Viele Kollegen verlören sich im Klein-Klein mathematischer Modelle, so Schneider. Absurd: Die Modelle werden aus Hypothesen oder langjährigen Erfahrungen gespeist; für das, was die Welt in Krisen erschüttert, gibt es aber keine mathematische Formel. Die Modelle funktionieren nur, wenn die Randbedingungen stabil sind, sagt der Bielefelder Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser. Und sie erfassen nicht, wie verheerend Unsicherheit wirkt. Was im September passiert sei, komme in Standardmodellen nicht vor, sagt Schneider: dass es zum Desaster werden kann, eine Bank pleitegehen zu lassen. In Lehrbüchern steht, dass das gut sei, um nicht andere leichtsinnige Banken in Sicherheit zu wiegen. Da fehle der Gedanke, dass manche zu groß und gewichtig sein können, um sie angesichts der drohenden Kollateralschäden einfach fallen zu lassen. In den Lehrbüchern steht bisher auch noch, dass Spekulanten stabilisierend wirken, weil sie gegen Kursausreißer wetten und diese so korrigieren helfen. Auf den Finanzmärkten passiert mit zunehmender Regelmäßigkeit das Gegenteil: Weil Spekulanten es auch nicht wissen und steigende Kurse eher dazu verleiten, dem Herdentrieb zu folgen, verstärken sie Finanzblasen und ihr folgenschweres Platzen. Modell kaputt.

    Kritiker Naím fordert einen “Bailout für Ökonomen”. Gute Idee. Vielleicht bräuchte die Zunft eine Art Bad Bank für schlechte Ideen, die toxische Theorien aufnimmt und Ökonomen animiert, Modelle und Methoden zu revidieren, bevor sie weiteren Schaden anrichten.
    Quelle: Financial Times Deutschland

    Anmerkung Orlando Pascheid: Der Punkt ist nur, dass toxische Papiere entsorgt werden können, aber vergiftete Wissenschaftler nur sehr schwer, und dass sie sich selbst entgiften, ist sehr unwahrscheinlich. Und wie man heterodoxe Ökonomen in wichtige wissenschaftliche Schaltzentralen bringt, ist leichter gefordert als getan. Man kann nur auf die jungen Wendehälse hoffen, die sich etwas ausrechnen. – Aber zu spät ist es allemal.

  8. Hart oder sanft?
    Soll man die konkursreife Hypo Real Estate verstaatlichen? Dieses Problem beschäftigt die Regierung seit einigen Wochen – bisher ergebnislos. Auch am Mittwoch fanden die Kanzlerin und die zuständigen Minister zu keiner Lösung: “Entscheidungen wurden nicht getroffen”, sagte ein Sprecher nach einem Treffen im Kanzleramt. “Jetzt folgen weitere fachliche Beratungen, in denen alle Optionen abgewogen werden.” Das bedeutet auch: Offenbar wird weiterhin eine Verstaatlichung erwogen.

    Die Hypo Real Estate (HRE) ist vor allem durch ihre irische Tochter Depfa in die Krise geraten. Diese hatte sich auf ein sehr riskantes Geschäftsmodell verlegt: Sie vergab langfristige Kredite für staatliche Projekte und, um die schmalen Renditen aufzubessern, refinanzierte sich nur kurzfristig bei anderen Banken. Dieser Trick funktionierte jedoch nicht mehr, als die Finanzkrise ausbrach. Die Depfa konnte sich kein Geld mehr leihen oder nur noch zu horrenden Zinsen, während sie zugleich ständig kurzfristige Kredite zurückzahlen musste.
    Quelle: taz

  9. Fasst die Piraten der Geldmeere!
    Schriftsteller Michael Schneider kann das Gerede von der neuen Finanzarchitektur nicht mehr hören. Er fordert ein Internationales Tribunal für Großspekulanten.
    Quelle: Der Freitag
  10. Blockade bei der Schuldenbremse
    CSU-Chef Seehofer stellt sich gegen Hilfen für arme Bundesländer – und fordert schärfere Regeln für den Bund als Alternative.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Vorschlag: Seehofer erhebt “Va’, pensiero, sull’ali dorate” (Gefangenenchor aus Giuseppe Verdis Oper Nabucco) zur bayerischen Nationalhymne, tut sich mit Umberto Bossi zusammen und betreibt die Vereinigung Padanies mit Bayern.

  11. Privatisierung schwächt Flächentarife
    Seit den 1990er-Jahren hat die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen nicht nur gut 600.000 Jobs gekostet. Auch Bezahlung und Arbeitsbedingungen haben sich verschlechtert. Zahlreiche Branchen werden vom Tarifwerk des öffentlichen Dienstes abgekoppelt, ohne dass neue Branchentarifverträge entstehen. Dies ist das Ergebnis einer Studie der WSI-Forscher Torsten Brandt und Thorsten Schulten. Nach der Öffnung der Märkte für öffentliche Dienstleistungen bekamen vormalige Monopolisten Konkurrenz. Die neuen Anbieter sind in der Regel jedoch nicht an die bestehenden Tarifstrukturen gebunden. Sie haben meist Haus- oder gar keine Tarifverträge. Der Konkurrenzdruck wirkt auch zurück auf die ehemaligen Monopolisten. Eine Zusammenstellung der Wissenschaftler zeigt, wie das Tarifgefüge ausfranst.
    Quelle: Böckler
  12. Christoph Schmidt soll Bert Rürup als Wirtschaftsweiser folgen
    Der »Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage« wurde im Jahre 1963 vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Erhard ins Leben gerufen. Von den im Gremium sitzenden fünf »Wirtschaftsweisen« erhoffte er sich überparteilichen Rat. Vor allem aber sollte der unabhängige Rat der Weisen den Lohnforderungen der Gewerkschaften einen Dämpfer verpassen, so dass Kalkül Erhards. In dieser Tradition steht der Sachverständigenrat noch heute. So bildet das Ideal eines »beschäftigungsneutralen (also niedrigen) Lohnabschlusses« immer noch die Grundlage eines jeden Gutachtens. Allerdings musste der Rat jüngst einen schmerzhaften Verlust verkraften. Denn der Vorsitzende des Gremiums, Bert Rürup, wechselte im Dezember zum Finanzdienstleister AWD und muss deshalb sein Mandat niederlegen. Wie nun bekannt wurde, hat man sich hinter den Kulissen bereits auf einen Nachfolger einigen können. Die Wahl fiel auf Christoph Schmidt, den bisherigen Chef des Rheinisch Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Der 46-jährige Schmidt ist ein neoliberaler Ökonom, der selbst angesichts der gegenwärtigen Krise seiner Wirtschaftsideologie treu bleibt. Dabei lässt sich der Princeton-Absolvent auch von offensichtlichen Fakten nicht beirren. So verstieg er sich jüngst zu der Behauptung: »Für einen Zusammenbruch des Systems gibt es keinerlei Anzeichen.« In einer Fernsehdiskussion warnte er auch vor der zunehmenden Einmischung des Staates in die Angelegenheiten der freien Wirtschaft. Deregulierung dürfe nicht verteufelt werden, meinte der Wirtschaftsweise in spe. Auch die Agenda 2010 sei eine gute Sache gewesen. Schließlich sei doch die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren zurückgegangen.
    Quelle: Neues Deutschland
  13. Schrumpf-Rente: Senioren bleibt immer weniger!
    Nullrunden, höhere Krankenkassenbeiträge und steigende Inflation – die 20 Millionen Rentner in Deutschland haben in den vergangenen Jahren deutliche Einbußen ihrer Altersgelder hinnehmen müssen. Unter dem Strich ist die Kaufkraft der Rente allein seit 2004 um knapp 8,5 Prozent gesunken, haben Experten der Uni Freiburg errechnet.
    Quelle 1: BILD

    Anmerkung MB: Welche Experten der Uni Freiburg werden das wohl gewesen sein … Wir tippen auf Raffelhüschen & Co. Wetten dass, nach dieser Schreckensmeldung wieder ein Appell für die private Altersvorsorge folgt.
    Quelle 2: Uni Freiburg
    Quelle 3: Nachdenkseiten vom 18.04.2007
    Da ist ein Link nicht mehr aktuell; die einschlägigigen Sponsoren von Raffelhüschens „Forschungsinstitut“ gibt es jetzt hier.
    Quelle 4: Forschungszentrum Generationenverträge

    Dazu passt:

    Rentenkassen machen 2008 erneut Überschuss
    Die Rentenkassen haben im vergangenen Jahr erneut einen Überschuss erzielt. Wie die Deutsche Rentenversicherung Bund am Mittwoch in Berlin mitteilte, lagen die Beitragseinnahmen 2008 nach dem vorläufigen Rechnungsergebnis bei rund 179,1 Milliarden Euro. Das waren rund 5,3 Milliarden Euro oder etwa 3,1 Prozent mehr als 2007. Die Rücklage belief sich zum Jahresende auf rund 16,3 Milliarden Euro. Damit lag sie um rund 4,8 Milliarden Euro über dem Wert zu Jahresbeginn 2008 und um etwa 610 Millionen Euro über den Erwartungen der letzten Schätzung vom Oktober 2008.
    Quelle: NGO Online

  14. Wartende Wickeltische
    Vor zwei Jahren setzte Ursula von der Leyen gegen alle Widerstände den Ausbau der Kinderbetreuung durch. Doch das Prestigeprojekt der Ministerin droht zu scheitern.
    Quelle: Der Freitag
  15. Keine Besuche in Altenheimen
    Unter dem Streit über die neuen Honorarregeln für Fachärzte leiden offenbar auch die Patienten in Alten- und Pflegeheimen: Die Wohlfahrtsverbände prangern an, dass immer mehr Fachärzte aus finanziellen Gründen Hausbesuche in Heimen verweigern.
    Quelle: BR-Online

    Anmerkung: Alles nicht so neu, aber wir beweihräuchern uns lieber auf hohem moralischen Niveau mit Forderungen an den Papst

    Dazu auch:

    Medizin-Rationierung
    Die Kosten für die medizinische Versorgung in Deutschland werden weiter steigen. Da aber das Budget begrenzt ist, stellt sich die Frage, wie Medizin rationiert werden kann.
    Quelle: Mdr

    Dazu noch:

    Ärzte wollen Wiederbelebung von Alten einsparen
    Sollten Seniorenheim-Bewohner nach einem Herzinfarkt nicht mehr wiederbelebt werden, um Kosten zu sparen? Britische Mediziner haben diese These jetzt in einem renommierten Fachblatt vorgestellt.
    Quelle: Spiegel

  16. Seilschaften und Netzwerke der Agro-Gentechnik in Medien und Politik – Kontrolle oder Kollaboration?
    Inwieweit arbeiten die zuständigen Ämter in den Bundesländern mit den Großkonzernen Monsanto, Syngenta, Agrevo (heute BAYER CropScience), KWS und BASF bezüglich der Agro-Gentechnik zusammen? Das fragt man sich, wenn man den präzise recherchierten Bericht “Kontrolle oder Kollaboration? Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden” von Antje Lorch und Christoph Then gelesen hat. Er wurde in Auftrag von Ulrike Höfken, Sprecherin für Ernährungspolitik und Verbraucherfragen in der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen erstellt. Durch die Lektüre erfährt man, dass z. B. Monsanto auf Empfehlung der internationalen Beratungsagentur Burson-Marsteller nicht selbst in Erscheinung tritt, sondern auch durch “neutralere“ Institutionen vertreten wird. So entstanden Arbeitskreise, Initiativen und Aktionsgruppen, die im “Gen-Dialog” mit Hausfrauenbund, Verbraucherinitiativen und Medien stehen.

    Stefan Bottler schreibt dazu in der Fachzeitschrift Werben & Verkaufen: „Ganz pointierte Aktionen fahren Novartis, Monsanto Deutschland, die Hoechst-Tochter Agrevo und der von der Industrie getragene Bonner Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Sie begnügen sich nicht mit konventioneller Öffentlichkeitsarbeit, sondern nehmen einzelne Zielgruppen wie junge Frauen, Ärzte oder Lehrer ins Visier. Der August-Ausgabe von Bravo Girl lag ein Genfood-Beihefter der Vierer-Gruppe mit Preisausschreiben bei.”

    Auch Schulen sollten sich dieser Entwicklung bewusst sein, wenn ihnen von Großkonzernen Labore eingerichtet werden, die für Gentechnikversuche benutzt werden können, um Schüler/innen für derartige Zwecke zu interessieren und zu begeistern – einseitig, meist ohne auf die Risiken dieser Technik, die mit einer weltweiten Umweltzerstörung einhergeht, aufmerksam zu machen.
    Quelle: Neue Rheinische Zeitung

  17. Atomlobby in Quarantäne
    Mit einer Menschenkette um das Berliner Maritim-Hotel wollen Anti-Atom-Bürgerinitiativen und Umweltgruppen heute gegen die dort stattfindende Wintertagung des Deutschen Atomforums protestieren. Es handle sich dabei um eine Propagandaveranstaltung der Atomwirtschaft – die wolle man »symbolisch unter Quarantäne stellen«, erklärten die Organisatoren der Protestaktion am Dienstag vor Medienvertretern. Die Demonstration soll um 17 Uhr vor der Zentrale des Energiekonzerns Vattenfall am U-Bahnhof Zinnowitzer Straße beginnen und zum Tagungshotel führen.

    Das diesjährige Motto der Wintertagung, zu der unter anderem der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Prof. Hans-Werner Sinn, und der bayerische CSU-Staatsminister für Umwelt und Gesundheit, Markus Söder, als Referenten eingeladen sind, heißt »Energieverantwortung für Deutschland«.
    Quelle: Junge Welt

  18. Gesine Schwan: Wider die schleichende Erosion unserer Demokratie
    Als Bundespräsidentin sähe ich meine Aufgabe darin, dieser schleichenden Erosion der Demokratie entgegenzutreten. Wie? Durch vermitteln, erklären, Zusammenhänge offenlegen, ohne dabei das System als solches infrage zu stellen. Es geht um Anregungen zu den langen Linien, wie wir zukünftig zusammenleben wollen. Aber es müssen auch die Widersprüche benannt werden, die unsere aktuelle Lage prägen: etwa, wenn wir mit Hunderten von Milliarden schlecht gemanagte Banken retten müssen, während die Hartz-IV-Sätze vielen Menschen in diesem Land nur das Nötigste zum Leben lassen. Gerade jetzt brauchen wir mehr Vertrauen zwischen Politik und Gesellschaft als je zuvor. Die doppelte Unsicherheit der Situation – bei den Regierenden wie den Regierten – erzwingt eine neue Offenheit von Gesellschaft und Politik, verlangt das Überwinden alter Gräben. Wenn die Menschen begreifen, dass politische Aushandlungsprozesse in der pluralistischen Demokratie naturgemäß mühselig und unvollständig sind, wir aber ohne sie gar keinen Wandel zum Besseren hätten, trägt das zum Abbau von Enttäuschungen bei. Das Gelingen demokratischer Politik liegt in unser aller Möglichkeit und Verantwortung. Denn Zukunft haben wir nur gemeinsam.
    Quelle: Tagesspiegel
  19. Albrecht von Lucke: Leerstelle Konservatismus
    Was für ein Auftrieb: Als die Bundesregierung binnen weniger Tage erst die Commerzbank teilverstaatlichte und anschließend ein zweites Konjunkturpaket im Umfang von 50 Milliarden auflegte, standen die kapitalnahen Zeitungen Kopf. „Ist Deutschland noch zu retten? Bloß keine DDR light“, flehte Springers „Welt“, derweil die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ klagte: „Wer rettet die Steuerzahler vor den Rettern? Wo ist die schwäbische Hausfrau?“ – als welche sich die Kanzlerin zuvor stets ausgegeben hatte. Ist Angela Merkel nun also tatsächlich zu „Mutter Staat“ mutiert; ist dies tatsächlich die „Revolution der CDU“, wie die „tageszeitung“ mutmaßt?

    Während das Paket instrumentell höchst akkurat austariert wurde (neun Milliarden Euro für Steuersenkungen gegen neun Milliarden Euro für die Senkung der Krankenkassenbeiträge), fiel der erforderliche Streit um die richtige Schwerpunktsetzung aus. Doch mehr noch: Indem innerhalb der Union die CSU den Ton angab, setzte der neue Parteivorsitzende Horst Seehofer seine anti-etatistische Steuersenkungspolitik durch. Darin besteht nach wie vor der Kern der Politik jenes angeblich „bürgerlichen Lagers“ aus Union und FDP, das nach der gewonnenen Hessenwahl auch für die kommende Bundestagswahl als gemeinsames Projekt ausgerufen wurde. Mit Konservatismus hat das jedoch nichts zu tun. Die lange Zeit gelobte „Physik der Macht“ der Kanzlerin entpuppt sich in Zeiten der Krise als bar inhaltlicher Orientierung und Führungsbereitschaft. Ihre inhaltliche Konturlosigkeit zeigt, dass sich dahinter weniger innengeleitetes Regieren als von außen angestoßenes Arrangieren mit den stärksten Interessen verbirgt, sprich: die Anpassung an die Bedürfnisse der Wirtschaft.

    Am deutlichsten wurde dies in ihrer abschließenden Regierungserklärung. Demnach war das 50-Milliarden-Konjunkturpaket für Angela Merkel „die bisher schwerste innenpolitische Entscheidung“, die sie als Bundeskanzlerin zu treffen hatte. „Schwerer also als das 500-Milliarden-Bankensicherungsprogramm?“ zeigte sich selbst die FAZ verwundert und fuhr besorgt fort: „Sind die Zahlenschöpfungen der vergangenen drei Monate überhaupt zu fassen, sind die Folgen der Bürgschaften und Neuschulden noch richtig einzuordnen?“
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

  20. Franz Müntefering: Was links ist
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung Orlando Pascheit: In der Tat, “Menschen ändern die Verhältnisse”. Selten konnte so klar beobachtet werden, wie eine kleine Gruppe von Akteuren, deren nicht unwichtigster Franz Müntefering selbst ist, der SPD das Linke ausgetrieben und die Linken vertrieben hat.

  21. Schulen geht das Personal aus
    Aufgrund der Konjunkturpakete sind bald lang benötigte Investitionen in Schulgebäude möglich. “Der Renovierungsbedarf an den Schulen in Deutschland ist gigantisch”, sagt Klaus Klemm, emeritierter Professor für Bildungsplanung der Universität Essen-Duisburg. Die Atmosphäre des Lernens wird sich also an einigen Orten verbessern – ob das auch für die Betreuung der Schüler gelten wird, bezweifelt der Bildungsforscher jedoch. Denn Deutschlands Schulen droht in zahlreichen Unterrichtsfächern ein dauerhafter Lehrermangel, und der ist nicht wie in der Vergangenheit mit den jährlichen Schwankungen der Zahl der Lehramts-Studierenden und der offenen Stellen zu erklären. Der sich ankündigende Lehrermangel hat strukturelle Ursachen, wie Klemm analysiert.
    Quelle: Böckler
  22. Hartz IV: der große Betrug? – Nun auch Betrug bei Maischberger?
    Mit Befremden nahm heute das Erwerbslosen Forum Deutschland zur Kenntnis, dass die in der Sendung „Menschen bei Maischberger“ vom 03.02.2009 vorgestellte Familie in der TV-Landschaft nicht ganz unbekannt ist und glänzend die von ihr abverlangten Rollen spielen kann, je nachdem, welche Klaviatur gerade gespielt werden muss. In der von „Pro Sieben“ ausgestrahlten Doku-Soap „We are Family – Bruderzoff im Plattenbau! So lebt Deutschland!“ vom 02.02.2009 bekam man einen gegenteiligen Eindruck. Eine Mutter, die ihre 2 Söhne Dominik und Johnny, in einem Zimmer lebend, nicht unter Kontrolle bekommt und sich professionelle Hilfe einer Antiaggressionstrainerin suchen muss. Von den Kindern aus gesehen fehlt es nicht an Geld, sondern an Zeit, die die Eltern nicht haben, um mit ihnen hinauszugehen, sich wirklich um sie zu kümmern, mit ihnen zu spielen, sich um deren Ausbildung zu sorgen. Sie haben wenig Zeit, um zu kochen oder ein Familienleben zu organisieren.

    Noch was hat sich geändert: Johnny war auf „PRO7“ als Musterschüler noch auf dem Gymnasium, was die Mutter ganz stolz erzählte, aber in der ARD-Sendung ist er Gesamtschüler und hat starke Schulprobleme.
    Quelle: Erwerbslosenforum

  23. Zu guter letzt:

    Börsengequatsche über die Verstaatlichung der HRE
    Quelle: youtube


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3750