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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 28. Juli 2008 um 10:01 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Mitten im Sommer warnte DGB-Chef Sommer vor den Folgen der hohen Heizkosten: “Es droht der erste Winter seit Langem zu werden, in dem Zehntausende Deutsche frieren müssen.” Frieren sei genau so schlimm wie Hungern, sagte er der Bild-Zeitung und forderte Sozialtarife für Heizung und Strom.
Quelle: Telepolis
Siehe auch:
“Gysi, du hast schon einen Knall“
Quelle: Tagesspiegel
Aus den Daten geht hervor, dass in rund 35 Prozent der Betriebe weniger als die Hälfte der tariflichen Arbeitszeit gearbeitet wird. Demnach müsste eine große Zahl der etwa 16 000 beim Berliner Bau beschäftigten Arbeitnehmer nur Halbtagsstellen haben. Das eben sei aber unwahrscheinlich, sagt Witt. Denn Teilzeit am Bau existiere eigentlich nur in der Theorie. „Die Vermutung, dass in einer Vielzahl dieser Betriebe gegen den Mindestlohn verstoßen oder schwarzgearbeitet wird, liegt da auf der Hand“, sagt Witt. Wolf-Burkhard Wenkel, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau (FG Bau), sagt es noch deutlicher: „Der Mindestlohn wird in vielen Fällen offenbar dramatisch unterschritten.“
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung WL: Zu den Hintergründen der Überkapazitäten bei der Müllverbrennung in NRW siehe Vom blauen Himmel über der Ruhr zur vergifteten Luft über NRW.
Anmerkung Roger Strassburg: Es gibt sicherlich Bestürzenderes als die Bedrohung des Geschäftsmodells der PKV.
Kommentar AM: Die völlige Abwesenheit der Einsicht in konjunkturelle Zusammenhänge ist immer wieder frappant. Da kommt der Wirtschaftsminister endlich und letztlich zu spät auf die Idee, seine genuine Aufgabe auch darin zu sehen, kritischen konjunkturellen Bewegungen entgegen zu steuern, also anti-zyklisch zu handeln. Dann meldet sich die Kanzlerin mit der Bemerkung, solche Überlegungen stünden derzeit (!) nicht zur Debatte. Offenbar haben sie und ihr Umfeld wie auch der Bundesfinanzminister keine Ahnung davon, dass konjunkturpolitische Maßnahmen nicht sofort wirken, dass man nicht warten kann mit ihnen, bis die Rezession da ist. Schon im Jahr 2006, spätestens 2007, war erkennbar, dass die wirtschaftliche Belebung eine viel zu geringe Dimension hat und der Konsum sogar schrumpft. Damals schon wäre es an der Zeit gewesen gegenzusteuern. Unsere führenden Personen einschließlich der Mehrheit der so genannten Sachverständigen haben keine makroökonomische Kompetenz. Das ist unser größtes Dilemma.
Ergänzung WL: Allerdings ist von einem Konjunkturprogramm à la Wirtschaftsminister Glos nicht zuviel zu erwarten. Zu den geplanten Maßnahmen zählen
Punkt Nr. 1 muss halt ein CSU-Politiker vor den bayerischen Landtagswahlen fordern,
Punkt Nr. 2 bringt den niedrigen Einkommen wenig,
Punkt Nr. 3 ist eher als eine Bedrohung zu betrachten und dürfte wohl eher in die Richtung von Kirchhofs Bierdeckel gehen,
Punkt Nr. 4 ist die alte Forderung nach einem Dienstmädchen-Privileg für Besserverdienende.
Ein wirkliches Konjunkturprogramm sieht anders aus.
Siehe dazu:
Lessons to be learnt from the financial crisis
Quelle 1: The Financial Times Ltd.
Quelle 2: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist natürlich schön für den Finanzplatz Schweiz bzw. deren renommierteste Tageszeitung, wenn sich gerade in diesen Tagen ein Ökonom finden lässt, der für deregulierte globale Finanzmärkte eintritt. Auch der Wissenschaftler, Mathias Hoffmann, hat etwas davon, er kann sich mit seiner gegen den gegenwärtigen Trend gerichteten These größter Aufmerksamkeit sicher sein.
Allerdings ist die Argumentation recht dünn. Schon die Grundüberlegung, dass ein Haushalt oder eine Volkswirtschaft „das gegenwärtige Konsumniveau von Schwankungen im Produktionseinkommen zumindest vorübergehend abkoppeln kann, etwa durch Sparen, durch die Aufnahme von Kredit oder durch Dividendenzahlungen aus einem Portfolio von Finanzanlagen“ ist ziemlich abgehoben. Denn die überwiegende Zahl von Haushalten und Ländern mag zwar potentiell Zugang zu Banken bzw. den Finanzmärkten haben, verfügt aber real über keinen Überschuss, der gespart werden könnte, ist wenig kreditwürdig und kann in den seltensten Fällen auf Dividendenzahlungen zurückgreifen, um „den Konsum auch in einer konjunkturellen Flaute zu glätten.“ Hoffmann schränkt seine Aussage bezeichnender Weise in Bezug auf etliche Schwellen- und Entwicklungsländern ein. Ebenso könnte er hinzufügen, dass diese Konsumglättung für einen Großteil der Haushalte ausfällt.
Auch der Hinweis auf das Ergebnis empirischer Studien, dass „eng mit den Weltfinanzmärkten verflochtene Volkswirtschaften konjunkturelle Einbrüche, aber auch längerfristige strukturelle Anpassungen ohne allzu schmerzhafte Konsumanpassungen für die Privathaushalte abfedern können“, ist zu hinterfragen. Es stellt sich die Frage, was wird hier korreliert. Die wesentliche Eigenschaft von mit den Weltfinanzmärkten verflochtene Volkswirtschaften bzw. Volkswirtschaften mit entwickelten Binnenfinanzmärkten ist doch, dass sie hochentwickelte, reiche Industrienationen sind. Damit wird die These Hoffmanns auf die ziemlich banale Aussage reduziert, dass die an Spitze der Entwicklungs- bzw. Einkommensskala stehenden Volkswirtschaften Krisen besser überstehen als arme Länder, dito Haushalte.
Hoffmann räumt zwar ein, dass die Finanzmärkte ihre Funktion der Risikoverteilung in Krisenzeiten weniger leicht erfüllen, aber er bleibt den Beweis schuldig, inwiefern diese sie doch erfüllen. Er mag ja bezweifeln, dass „eine verstärkte Regulierung notwendigerweise zu besseren Ergebnissen führen würde (etwa indem sie Finanzkrisen und deren internationale Ausbreitung vermeiden hülfe)“, aber dann sollte er doch konkret werden und nicht allgemein gehaltene Vergleiche mit den 30er Jahren bemühen. Er könnte sich z.B. die Frage stellen, warum die kaum in die globalen Finanzmärkte integrierten südostasiatischen Volkswirtschaften so wenig von der primären Finanzmarktkrise betroffen sind.
Auch die Übertragung der eng miteinander verflochtenen US-Gliedstaaten auf die zukünftige Finanzmarktintegration auf internationaler Ebene ist bereits systematisch zu hinterfragen – gerade wenn aus dieser Betrachtung ein großes Plädoyer für eine Deregulierung der Finanzmärkte entwickelt werden soll. Es muss davon ausgegangen werden, dass in den USA bei der Überwindung von Krisen zentralstaatlichen Maßnahmen (Geld- und Fiskalpolitik) eine größere Rolle gespielt haben als sie zunehmende Deregulierung, die ja letztlich zum heutigen jämmerlichen Zustand geführt hat. Neben einer gewissen Eingleisigkeit – die ökonomische Forschung vielleicht zwangsläufig kennzeichnet – fehlt jedoch die Diskussion konkreter Deregulierungs- bzw. Regulierungsmaßnahmen, vor allem aber ein Gespür für den Ernst der Lage, wenn die heutigen Verwerfungen als „Imperfektionen im Finanzsystem“ abgetan werden
Ein anderes Bild bietet der leitende Ökonom der Londoner Financial Times bei der Lektüre des Jahresberichts der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich). Martin Wolf ist wahrlich ein Verfechter unseres kapitalistischen Systems, aber er bietet schon ein beachtliches Stück Kapitalismuskritik, wenn er schreibt: „Some instability is a normal part of a capitalist economy. But I do not accept that the huge bubbles in equities and housing over the past decade are normal. Moreover, even if normal, they cannot fall within any definition of desirability.” Selbst wenn Wolf abschließend, eher eine kurze weltweite Krise, als einen großen Anstieg der Inflation in Kauf nimmt und für Zinsanhebungen plädiert, ist er weit entfernt von der Selbstgewissheit Hoffmanns. „We do not have all the answers. But, to its great credit, the BIS has at least defined the right questions.”
Anmerkung WL: Das Spekulationsspiel dürfte dann bald ähnlich ablaufen wie bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone. Bei der damaligen Übernahmeschlacht stiegen die Mannesmann-Aktien auch von 144 auf 353 Euro. Die Aktienbesitzer erzielten eine Steigerung ihres Aktienwertes um fast das Zweieinhalbfache. Viele konnten bei dieser „Wertsteigerung“ steuerfrei Millionen, ja die hongkong-chinesische Firma Hutchinson Whampoa sogar Milliarden an Gewinnen einstreichen.
Kurze Zeit danach sackten die Aktienwerte wieder drastisch ab. Durch passende konzerninterne Umgruppierungen konnten dann die Kursverluste in der Bilanz einer deutschen Vodafone-Tochter „wertberichtigt“ und die „Verluste“ gegen die jeweiligen Gewinne verrechnet und von der Steuer abgesetzt werden. Der Spekulationsgewinn an der Börse wurde also privat einkassiert, der Verlust vom deutschen Fiskus ausgeglichen.
Man darf gespannt sein, welchen Steuertrick Porsche-Chef Wiedeking findet, um beim Absinken dieser Spekulationswelle die Gewinne den Aktionären zukommen zu lassen, den Kursverlust aber steuerlich geltend zu machen.
Und sicherlich werden sich auch wieder die Ackermanns dieser Welt finden, die angesichts dieser Milliarden-„Wertsteigerung“, die durch die Neubewertung des 31-prozentigen Aktienanteils von Porsche an VW „geschaffen“ wurde, die gewinnabhängige Gehaltsteigerung auf 100 Millionen Euro für „angemessen“ halten, genauso wie damals die 60-Millionen-Euro-Abfindungen an die „Leistungsträger“ des Mannesmann-Vorstandes.
Kommentar AM: Wenn Andrea Ypsilanti am zweiten Versuch gehindert wird oder ihr der Versuch mit öffentlichem Getöse beschädigt wird, dann wird Roland Koch im Winter/Frühjahr 2007 auf Neuwahlen setzen, diese vermutlich gewinnen und mit der FDP und notfalls neu orientierten Grünen koalieren. Und das wird dann ein weiterer Schub für die SPD nach unten – ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl.
Auch beim umstrittenen Koalitionsthema Zeitarbeit griff Heil Merkel an: “Frau Merkels Äußerung, es gebe kein Lohndumping in der Zeit- und Leiharbeit, zeugt davon, dass sie über die Lebenswirklichkeit der Menschen schlecht informiert ist”. Die SPD werde Mindestlöhne durchsetzen.
Quelle: Linkszeitung
Anmerkung KR: Das klingt ja richtig kämpferisch. Allerdings sei an Volker Pispers Worte erinnert: „Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, seit wann die SPD für einen Mindestlohn eintritt? Seitdem die in einer Koalition mit der CDU ist und genau weiß: Mit denen geht das nicht!“
Anmerkung AM: Der Artikel zeigt ein bisschen etwas von dem Einfluss-Netz, das Angela Merkel und die CDU stricken. Die CDU ist insgesamt mehr und mehr eine reine Wirtschaftspartei. Alles andere ist Tünche. Der Einfluss der SPD geht proportional zum Mitgliederbestand abwärts.
Kommentar AM: Immerhin liest man so etwas in der Neuen Zürcher Zeitung.
Anmerkung AM: Das ist kein Wunder. Wenn jahrelang gepredigt wird, dass der Beruf „Lehrer/in“ nicht so ganz ernst zu nehmen ist, dass Lehrer faul sind (Schröder) und das Ergebnis ihrer Tätigkeit minderwertig (so die Pisa-Agitation), dann muss man sich nicht wundern, dass das Image nicht sonderlich gut ist und dass dann junge Leute gerne in die Wirtschaft wechseln. Deren Image ist systematisch hochgeredet worden.
Das ist eine sehr ungute Entwicklung. Denn wir bräuchten qualifizierte junge Menschen für die Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen.
Was er wirklich meint, offenbarte Obama beim TV-Interview am Freitag im Berliner Hotel „Adlon“. Der US-Sender CNN wollte wissen: „Wie lautet die Botschaft an die Amerikaner, die sich fragen, was die Zwangsversteigerung meines Hauses oder die hohen Benzinpreise mit Ihrer Rede in Europa zu tun haben?“
Obamas Antwort:
Wenn wir mehr Nato-Truppen in Afghanistan haben, bedeutet das langfristig weniger amerikanische Truppen dort. Das wiederum bedeutet, dass wir Milliarden Dollar sparen, mit denen wir Steuersenkungen für Mittelklassefamilien finanzieren können, die unter den gestiegenen Benzinpreisen leiden.
Dieser Obama-Plan löst in Deutschland heftigen Widerspruch aus!
Quelle: Bild
Wie meinte doch der Sprecher des republikanischen Gegenkandidaten McCain zu Obamas Auftritt in Berlin: Der Senator aus Illinois ziehe einen “Haufen unterwürfiger Deutsche” einem Besuch bei verwundeten Truppen vor.
Quelle: Kurier
Anmerkung WL: Eine schöne atlantische Partnerschaft.
Siehe dazu:
Quelle: Klaus Stuttmann
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