Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 3. Juli 2008 um 9:45 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Die Antwort ist einfach, doch eine auf Inflation und „nur Inflation“ fixierte EZB kann oder will sie nicht geben. Jede vorübergehende Angebotsverknappung und jede vorübergehende Nachfrageausweitung führt zu einer Preissteigerung und damit zu einer Verschiebung der Preisrelationen zwischen verschiedenen Gütern, aber nicht zu einer dauerhaften Inflation, die man durch Zinssteigerungen bekämpfen müsste…
Statt der an den Finanzmärkten Pokernden treffen Zinssteigerungen in erster Linie die Sach-investoren und damit all diejenigen, die an den Güter- und Arbeitsmärkten ihr Brot verdienen. Ihnen jetzt den Hahn zuzudrehen, heißt, die unter dem Spekulantentum Leidenden hierzulande ein drittes Mal zur Kasse zu bitten: erst mit Steuergeldern bei der Sanierung der durch Immobilienspekulationen marode gewordenen Banken, dann mit Realeinkommensverlusten wegen steigender Lebenshaltungskosten durch Rohstoffspekulationen und nun auch noch mit erhöhtem Arbeitsplatzrisiko wegen lahmender Konjunktur dank Zinsanhebung.
Quelle: FTD WirtschaftsWunder
Anmerkung: Da macht die Kommission einmal Ansätze für ein soziales Europa und schon erntet sie aus Deutschland wieder geballten Widerstand. Wo war dieser Widerstand als es um die Festsschreibung wirtschaftsliberaler Rechte im EU-Reformvertrag ging? Deutlich wird hierbei, dass der Widerstand gegen soziale Rechte in Europa vor allem auch von Deutschland ausgeht.
Mit seinem jüngsten Urteil hat der EuGH über eine Klage der Europäischen Kommission gegen das Großherzogtum Luxemburg entschieden. Luxemburg hatte darauf bestanden, dass aus dem EU-Ausland entsandte Beschäftigte nach den landesüblichen Tarifen bezahlt werden müssen, die in Luxemburg automatisch der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst werden. Das, so der Gerichtshof, verstoße gegen die EU-Entsenderichtlinie. Luxemburg dürfe die Entsende-Unternehmen lediglich auf die Einhaltung von Mindeststandards wie Mindestlöhne verpflichten.
Quelle: ver.di News
Anmerkung WL: Wir haben auf den NachDenkSeiten oft genug darauf hingewiesen, dass Betriebsverlagerungen vor allem auch eine wirkungsvolle Drohgebärde waren um hierzulande die Löhne zu drücken und Arbeitsrechtsstandards abzubauen. Vgl. z.B. auch [PDF – 112 KB]
Sie erinnern sich sicherlich noch an die apokalyptischen Zahlen: Stoiber redet von 50.000 Arbeitsplätze pro Monat (ohne je einen Beleg angeben zu können), Merkel von 1.000 Arbeitsplätzen pro Tag, die abwanderten, Ifo-Chef (Un-)Sinn sprach von einer „Flucht der Mittelständler nach Osteuropa“, das waren politische Erpressungen, die nie der Realität entsprachen.
Siehe dazu auch Stoibers amtliche Panikmache
Zudem entfalle ein großer Teil des Beschäftigungswachstums auf Teilzeitarbeitsplätze; mit 22 Prozent aller Beschäftigten habe Deutschland hier einen der höchsten Anteile innerhalb der OECD. Auch bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen tut sich Deutschland besonders schwer: Gut 56 Prozent aller Arbeitslosen suchten schon im vorigen Jahr seit mehr als einem Jahr eine Stelle, verglichen mit weniger als 30 Prozent im OECD-Durchschnitt. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen lag damit nur in der Slowakei höher.
Quelle 1: FR
Quelle 2: OECD Employment Outlook
Anmerkung AM: Nun hatten wir doch von den Strategen in der neoliberalen Reformen immer zu hören bekommen, wir bräuchten Strukturreformen, zum Beispiel wie in Großbritannien, dann wäre die ökonomische Welt in Ordnung. Und wer versuchte, zu erklären, dass zum Beispiel der wirtschaftliche Aufschwung in Großbritannien Anfang der neunziger Jahre viel mit der anderen Geld- und Fiskalpolitik, also mit einer besseren Makropolitik zu tun hatte und weniger mit den Reformen von Thatcher und Blair, der wurde als unverbesserlicher Keynesianer des Platzes verwiesen. Jetzt plötzlich ist das ganz anders. Eigentlich sollten wir doch lernen, dass sich Großbritannien nach den Strukturreformen auf einem unerschütterlichen Wachstumspfad befindet, und wir doch auch, wenn wir genug reformieren.
Anmerkung: Ein interessanter Blick hinter die Kulissen des Casinos.
Der Artikel ist auch wegen eines Details zur Bahnprivatisierung ganz interessant:
„Eigentlich sollten ja Morgan Stanley und die Deutsche Bank den für November geplanten Börsengang der Deutschen Bahn organisieren. Völlig überraschend benannte die Bahn aber von Anfang an vier Banken: UBS und Goldman Sachs rutschten als nahezu gleichberechtigte globale Koordinatoren mit ins Konsortium. „Goldman wurde auf massiven Druck aus dem Kanzleramt mitreingenommen“, sagt ein Frankfurter Investmentbanker. Angela Merkel kann gut mit Goldman-Deutschland-Chef Alex Dibelius. Für den zahlt sich das aus: Jede der vier Führungsbanken dürfte mindestens 15 Millionen Euro einnehmen.
Zwei US-Banken, ein schweizerisches und nur ein deutsches Institut dominieren den milliardenschweren Börsengang eines Staatsunternehmens – und alle tun dies im Wesentlichen von London aus. Nichts illustriert besser, welchen Einfluss angelsächsische Institute mittlerweile auf dem heimischen Finanzmarkt gewonnen haben.
Haben wir nicht immer gesagt: Die Privatisierung der Bahn versteht man nur, wenn man fragt, wer daran verdient.
Anmerkung WL: Wieder einmal typisch Bertelsmann, der gemeinnützige Helfer der angeblich nur das Gute im Sinn hat: „Nur ein unabhängig informierter Patient ist ein mündiger Patient: Er ist in der Lage, aktiv und verantwortlich an der Entscheidung für seinen Behandlungsweg und den richtigen Ort mitzuwirken. Informationen sind aber nur dann wertvoll, wenn sie glaubwürdig sind. Die Bertelsmann Stiftung ist unabhängig und gemeinnützig und steht deshalb mit der Weißen Liste ebenso wie die kooperierenden Patientenorganisationen genau dafür.“
Wie bei den Hochschulrankings geht es aber darum unter den Krankenhäusern eine Art Wettbewerb zu inszenieren. Später wird dann nach diesem Ranking womöglich entschieden, welches Krankenhaus geschlossen wird. Was hat der Patient in Passau davon, dass ihm die „Weiße Liste“ in Flensburg ein passendes Krankenhaus vorgaukelt?
Müsste nicht der den Patienten behandelnde Arzt am besten beurteilen können, welches Krankenhaus für die spezifische Krankheits-Symptomatik und für die soziale Betreuung am geeignetsten ist? Wird hier nicht dem Patienten eine Pseudokompetenz suggeriert, die das ärztliche Vertrauensverhältnis stört oder gar gefährdet? Gibt es nicht bei schwerkranken Patienten genügend Scharlatane, die deren Hoffnung schamlos ausbeuten?
Anmerkung: Richtig an Franz Walters Feature ist, dass in der SPD, etwa bei Steinbrück, Steinmeier oder Heil und vielen anderen mehr, das Verständnis dafür abhanden gekommen ist, dass die unteren Schichten sich zusammentun müssen, wenn sie ihre Interessen durchsetzen wollen. Ja noch schlimmer, der rechte Führungskader hat die unteren Schichten längst abgeschrieben und ist stolz darauf, wenn ihnen die bürgerlichen Honoratioren, sprich die Banker und die Unternehmer huldvoll auf die Schulter klopfen.
Ein Kernstück der Ideologie, die in den letzten zehn Jahren hegemonial war ist der Gedanke, dass man die Krise am Arbeitsmarkt zumindest abdämpfen kann, wenn man auf die Erwerbslosen nur genug Druck ausübt. „Fordern und Fördern“ heißt die Devise, dank derer der „versorgende Sozialstaat“ abgeschafft und „moderne Arbeitsagenturen“ geschaffen werden sollten. Das Grundprinzip, nachdem die Massenarbeitslosigkeit personifiziert und zu einem individuellen Versagen umdefiniert wird, setzt darauf, das Individuum zu aktivieren, sich fit für den Markt zu machen. Für die Sozialdemokratie ist es angezeigt, eine vorläufige Bestandsaufnahme dieses Systemumbaus vorzunehmen. Das Ergebnis ist verheerend.
Quelle: Politik-Poker
Anmerkung Martin Betzwieser: Interessant ist ein Bericht über das gestrige Wahlverfahren und ein Kommentar des Gewinners Rief: Oswald Metzger habe nie in seinem Leben etwas zu Ende gebracht; das fing bei seinem Studium an und sei auch jetzt noch so.
Quelle 2: Deutschlandradio (Podcast)
Siehe dazu aber den durch und durch widersprüchlichen Kommentar des Chefredakteurs der Frankfurter Rundschau: Wehret dem Metzger!
Quelle: FR
Anmerkung: Auf der einen Seite lobt Vorkötter die Kandidatenwahl als ein schönes Beispiel innerparteilicher Demokratie, um dann wieder den „Apparat einer Partei“ zu tadeln, der nur die eigene Macht schütze. Er bedauert, dass ein ordentlicher und fleißiger Landwirt Josef Rief einem Oswald Metzger vorgezogen wurde. Metzger sei „ein brillanter Redner, ein begnadeter Selbstdarsteller, Dauergast in den einschlägigen Talkshows. Er ist streitbar, vertritt aus Überzeugung und Lust an der Debatte seinen Standpunkt, und sei es der falsche. Eigentlich wünschen wir uns im Bundestag mehr solcher Typen: unbequeme, eigensinnige Parlamentarier, denen Parteidisziplin nicht über alles geht. Die Eitelkeit, die diesem Typ Politiker zu eigen ist, sehen wir ihm nach.“
Nein, lieber Herr Vorkötter, solche eitle Selbstdarsteller, die sich als Lautsprecher einer Reformideologie verstehen und sich von der Inititative Neue Soziale Marktwirtschaft promoten lassen, die sich nur selbst vertreten und für die „Volksvertreter“ nur heißt, sich möglichst lukrativ selbst zu vermarkten, die wollen die Bürgerinnen und Bürger gerade nicht.
Eine Lappalie, so könnte man denken. Doch Axel Mayer sieht das anders. “Wir haben Wikipedia-Artikel nicht inhaltlich verändert, sondern nur Links zu unseren Webseiten hinzugefügt“, sagt der Atomkraftgegner zu heute.de. Er sieht in den Links zu seinen eigenen atomkritischen Seiten eine Art Ausgleich für die zahlreichen Links in der Wikipedia, die zu den nicht gerade für ihre Neutralität bekannten Webseiten der AKW-Betreiber führen.
Quelle: ZDF
Quelle 2: ZDF Frontal-21 (Video)
Als bundesweiter Vorreiter bei der Durchsetzung neoliberaler Hochschulreformen, insbesondere der Einführung von Studiengebühren, hat sich Jörg Dräger (parteilos im CDU Senat) nicht nur bei den hamburger Studierenden unbeliebt gemacht, die er zu Tausenden exmatrikulieren ließ. Der Hamburger Senator kassierte eine satte Fünf minus im Minister-Ranking der Landesbildungsminister. Dafür machte sich der ehemalige Unternehmensberater (Roland Berger Strategy Consultants) umso beliebter bei der Gütersloher Bertelsmann Stiftung (NRW), der Unternehmensstiftung von Europas größten Medienkonzern Bertelsmann. Dieser hat kürzlich den großen Einstieg in den Bildungsmarkt angekündigt: Hartmut Ostrowski, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, will „neue Potenziale“ im „globalen Megatrend Bildung“ erschließen. Mit Einführung des Bezahlstudiums hat Dräger eine wichtige Investitionsvorausssetzung für das Geschäft mit der Bildung geschaffen, wie sie auch die Bertelsmann Stiftung und das ihr angegliederte Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) [1] seit Jahren fordern. Jetzt bedanken sich die Bertelsmänner bei Dräger gleich doppelt: Ab 1. Juli 2008 wird er Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung „Bereichsleiter Bildung“ und zugleich einer von zwei Geschäftsführern des CHE.
Quelle: indymedia
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3316