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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 29. August 2011 um 8:30 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Deutsche so reich wie nie; Grüne Finanzkommission: Abschied vom “Wünsch dir was”; Steuerabkommen Schweiz–Deutschland; Über Irland Gewinne in Steueroasen schleusen; Steuerfahnder-Affäre; Euro-Bonds – Die Frage ist wie, nicht ob; „Deutschland muss mehr Schulden machen“; Bundessozialgericht: Wertersatz bei rechtswidrigem Ein-Euro-Job; Überlegungen zu der anstehenden Volksabstimmung über Stuttgart 21; Die dunkle Seite des Rohstoff-Booms; Links zu sein ist in – die Linkspartei nicht; Zeitdruck im Bachelor-Studium; Studenten entsorgt; Wie ein Deutsch-Marokkaner zum muslimischen Helden wird; Erst verstrahlt, dann verbrannt; Auf leisen Sohleins Gehirn; Gewaltige Anreize, die Medien zu bearbeiten; Zu guter Letzt: Herdentrieb an der Börse. (KR/WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Deutsche so reich wie nie
  2. Grüne Finanzkommission: Abschied vom “Wünsch dir was”
  3. Steuerabkommen Schweiz–Deutschland: Der Coup der Bankenrepublik
  4. Google und andere: Über Irland Gewinne in Steueroasen schleusen
  5. Steuerfahnder-Affäre: Jetzt reden die Fahnder
  6. Rudolf Hickel: Euro-Bonds – Die Frage ist wie, nicht ob
  7. Joseph Stiglitz: „Deutschland muss mehr Schulden machen“
  8. Bundessozialgericht: Wertersatz bei rechtswidrigem Ein-Euro-Job
  9. Überlegungen zu der anstehenden Volksabstimmung über Stuttgart 21 – Demokratie oder Täuschung?
  10. Die dunkle Seite des Rohstoff-Booms
  11. Links zu sein ist in – die Linkspartei nicht
  12. Zeitdruck im Bachelor-Studium: Generation der Lebenslauf-Optimierer
  13. Studenten entsorgt
  14. Wie ein Deutsch-Marokkaner zum muslimischen Helden wird
  15. Atomabfall von Fukushima – Erst verstrahlt, dann verbrannt
  16. Politics of Language: George Lakoff – Auf leisen Sohleins Gehirn
  17. Gewaltige Anreize, die Medien zu bearbeiten
  18. Zu guter Letzt: Herdentrieb an der Börse

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Deutsche so reich wie nie
    Alle reden von Crash und Eurokrise – dabei haben die Deutschen einen Riesenbatzen Geld angehäuft.
    Insgesamt belief sich der Bestand an Geldvermögen privater Haushalte zum Ende des ersten Quartals auf sagenhafte 4824 Milliarden Euro!
    Nach Angaben der Bundesbank ist das so viel wie noch nie. Dank wirtschaftlichem Aufschwung und gestiegener Einkommen haben die Deutschen ihren Reichtum von Januar bis März um knapp 50 Milliarden Euro vermehrt.
    Quelle 1: Bild
    Quelle 2: Bundesbank

    Anmerkung WL: Alle paar Wochen eine solche Meldung. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns gleichfalls immer wieder zu wiederholen. Siehe Ersparnisse auf Rekordniveau – Wie mit Irreführung Meinung gemacht werden soll oder hier Öffentliche Armut, privater Reichtum.

    Einkommensverteilung

  2. Grüne Finanzkommission: Abschied vom “Wünsch dir was”
    Eine Finanzkommission um Fraktionschef Trittin kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Wollen die Grünen 2013 regieren, müssen sie sich von lieb gewonnenen Forderungen verabschieden. Die Grünen machen sich ehrlich, denn ohne Ehrlichkeit lässt sich kein Wahlkampf erfolgreich bestreiten, glaubt Volker Ratzmann, Fraktionschef der Berliner Grünen. “Bei den BürgerInnen wächst das Bewusstsein, dass Nachhaltigkeit mit finanzieller Solidität zu tun hat”, sagt der Mitverfasser des Berichts. Die Analyse fokussiert auf das Jahr der Bundestagswahl. Für 2013 sagt sie eine gesamtstaatliche Finanzierungslücke von 43,3 Milliarden Euro voraus. Dabei habe man mittelfristige Planungen der Länder und Angaben des Bundesfinanzministeriums zugrunde gelegt, erklärt Ratzmann – langfristige Auswirkungen der Schuldenkrise sind noch nicht eingerechnet. Sehr wohl planen die Grünen aber mit der Schuldenbremse, die im Bund ab 2016 greift. Ratzmann sagt: “Schuldenbremse heißt nun mal: Haushaltskonsolidierung first.” –  Das Fazit des Finanzberichts lautet: Das strukturelle Defizit von rund 43 Milliarden lässt sich mit ihren Vorschlägen um “etwas mehr als die Hälfte” reduzieren. Das heißt, die Grünen werden diskutieren müssen, auf welche inhaltlichen Ideen sie im Wahlkampf verzichten. Wie wichtig ihnen etwa die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze ist, oder der Green New Deal.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ehrlichkeit? Eher muss man davon ausgehen, dass die Grünen an einem Bild von Regierungsfähigkeit basteln, das auch bei der umschwärmten politischen Mitte ankommt. Die Grünen spekulieren im Zeichen der europäischen “Schuldenkrise” offensichtlich darauf, dass bei dieser Wählergruppe Haushaltskonsolidierung als vorrangiges Ziel gesetzt ist. In Wirklichkeit verabschieden sich die Grünen von dem, was Politik ausmacht: Gestalten für das Gemeinwesen. Traurig aber wahr, auch die Grünen stellen ihre Ideen unter einen Finanzierungsvorbehalt und erklären momentan geltende Rahmenbedingungen, wie z.B. die Schuldenbremse, als unverrückbar. Wenn das nicht die Bankrotterklärung gestaltender Politik ist? Wer sonst als die Politik kann auf die sozialen, ökonomischen und gesellschaftliche Rahmenbedingungen Einfluss nehmen, innerhalb derer wir Bürger leben und arbeiten? Gewiss, dieser Staat ist ein kapitalistischer Staat und das Kapital nimmt auf mannigfacher Weise Einfluss auf die Politik, ist aber letztlich immer noch auf bestimmte politische Verfahren angewiesen. Das Traurige ist, dass die Grünen aus einem wahltaktischen Kalkül heraus und nicht einmal auf Druck irgendwelchen Lobbyisten ihrer Politik eine Beschränkung auferlegen, welche sie wahrscheinlich Realpolitik nennen. Nur, eine gute Realpolitik schließt eine Veränderung der momentan geltenden Regeln, innerhalb derer die Gesellschaft heute mehr schlecht als recht funktioniert, nicht aus, sondern ist immer darauf ausgerichtet, die Rahmenbedingungen dieser Gesellschaft zu optimieren.
    “Skepsis sei angebracht” bei der Umsetzung des Umbaus der deutschen Steuerverwaltung, mit Unsicherheiten behaftet auch die Einführung einer Finanzumsatzsteuer, unbekannt der Ertrag. “So unseriös sind wir nicht”, schreibt die Kommission. Oberstes Ziel ist es, die Lücke des gesamtstaatlichen Defizits von 43 Milliarden Euro zu schließen. Nur warum eigentlich? Seit wann ist Haushaltskonsolidierung oberstes Ziel der Wirtschaftpolitik? Hängt davon die Wettbewerbsfähigkeit der Republik ab? Ist es nicht eher so, dass diese z.B. mit dem Bildungssystem einer Volkswirtschaft korreliert? Unsere öffentlichen Bildungsausgaben relativ zum BIP liegen unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Sollten wir nicht dafür sorgen, dass wir auf Augenhöhe mit unseren Konkurrenten kommen? Was spricht gegen über Staatsanleihen finanzierte Bildungsprogramme, solange die Rendite so deutlich über den anfallenden Zinsen liegt? Kommt doch selbst das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft für Bildungsinvestitionen auf Renditen bis zu zehn Prozent.

    Ergänzende Anmerkung WL: Auf die Idee die „gesamtstaatliche Finanzierungslücke“ etwa durch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder eine Angleichung der Erbschaftssteuer an angelsächsisches Niveau kommen die besitzbürgerlichen Grünen schon gar nicht mehr. „Gerade einmal 2,3 Prozent des deutschen Steueraufkommens stammten 2008 aus Vermögen. Zum Vergleich: Die USA und Großbritannien erzielen durch Steuern auf Vermögen 12,1 und 11,6 Prozent ihrer Staatseinnahmen. Zuletzt hat Deutschland sogar den Grundsatz aufgegeben, Einkommen jeder Art gleich hoch zu besteuern. Anfang 2009 wurde mit der Abgeltungssteuer eine einheitliche Steuer von 25 Prozent auf Einkünfte aus Vermögen eingeführt.“ (Jakob Schlandt in Frankfurter Rundschau v. 27./28. August 2011, S. 11).

  3. Steuerabkommen Schweiz–Deutschland: Der Coup der Bankenrepublik
    Die bislang vorliegenden Details des kürzlich vorunterzeichneten Steuerabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland lesen sich reichlich unappetitlich. Das über viele Jahre angehäufte Schwarzgeld im geschätzten Umfang von 131 Milliarden Euro für Deutschland allein (was bei einem Gesamtumfang von 5000 Milliarden Franken Vermögen, das laut Bankiervereinigung von Schweizer Banken «verwaltet» wird, ziemlich tief erscheint) wird weißgewaschen («Weißgeldstrategie») – und die Bankenrepublik Schweiz gleich mit. Und zwar zum «Discount-Steuersatz» (Deutsche Steuer-Gewerkschaft), sodass sich nicht nur ehrliche Steuerzahlerinnen, sondern auch diejenigen, die sich in jüngster Zeit selbst angezeigt haben, hintergangen fühlen müssen. Steuerhinterzieher mit besonders hoher krimineller Energie werden also privilegiert behandelt. Es werden Beweismittelverbote konstruiert, indem man die Verwendung «gestohlener» Daten-CDs zur Ermittlung von Steuerkriminalität ausschließt. Dieses Ansinnen der Schweizer Verhandlungsführer hat das Niveau einer Bananenrepublik. Die Schweiz gibt so zu verstehen, dass sie die unzulässige Steuerflucht weiter dulden will. Auch müssen sich BankmitarbeiterInnen, die sich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar gemacht haben, keine Sorgen mehr machen – jedenfalls mit Blick auf Deutschland. Da Schwarzgelder nun in der Schweiz sehr billig weißgewaschen werden können, könnte sich die Schweiz geradezu zu einem Eldorado für (vorerst nur deutsche) Schwarzgeldflüchtlinge entwickeln, die ihr Geld aus anderen Steueroasen in die Schweiz transferieren. Als den Banklobbyisten diese Möglichkeit aufschien, dürften die Sektkorken geknallt haben. Dies alles ist sehr ärgerlich und demütigend: Deutschland erklärt sich, in offenbar realitätsverleugnender Weise, damit «einverstanden, dass das vereinbarte System in seiner Wirkung dem automatischen Informationsaustausch dauerhaft gleichkommt». Tatsächlich besteht der größte Coup der Bankenrepublik Schweiz darin, den Informationsaustausch abzuwehren und an dessen Stelle eine «Abgeltungssteuer» zu setzen. Eine solche verletzt das Grundprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und privilegiert Kapitaleinkommen gegenüber Arbeitseinkommen.
    Quelle: WOZ
  4. Google und andere: Über Irland Gewinne in Steueroasen schleusen
    Nicht nur der Internetkonzern Google nutzt legale Steuertricks mit den Namen „Double Irish“ und „Dutch Sandwich“. Der irische Finanzminister muss zuschauen.
    Quelle: FAZ
  5. Steuerfahnder-Affäre: Jetzt reden die Fahnder
    Die vier hessischen Steuerfahnder, die mit teilweise wortgleichen Gutachten für verrückt erklärt und zwangspensioniert wurden, kommen am Montag erstmals offiziell im Hessischen Landtag zu Wort – eineinhalb Jahre nachdem dort ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde.
    Die Regierungsmehrheit aus CDU und FDP hatte lange versucht, das Untersuchungsthema des Gremiums gegen die Fahnder umzudeuten, bis die Opposition vorm Staatsgerichtshof gegen diese Behinderung klagte und weitgehend gewann. Nun sollen am Montag wieder die eigentlichen Fragen geklärt werden: Wer war für die falschen Zwangspensionierungen und die Drangsalierung der Fahnder verantwortlich?
    Quelle: FR
  6. Rudolf Hickel: Euro-Bonds – Die Frage ist wie, nicht ob
    Heilsbringer oder Teufelszeug? Beim Thema Euro-Bonds könnten die Meinungen nicht unterschiedlicher sein. Dabei ist die Frage längst nicht mehr, ob wir gemeinsam für Staatsschulden haften, sondern wie wir es tun sollten.
    Gegen die Einführung von Euro-Bonds steht die Sorge, dadurch würde das Euro-Land endgültig zu einer Haftungsunion. Diese Kritik übersieht, dass bereits Transferleistungen zur Stabilisierung des Euro-Lands eingesetzt werden: Aus dem Gemeinschaftshaushalt der EU wird eine Hilfe von 60 Milliarden Euro für Krisenländer zur Verfügung gestellt. Der Rettungsfonds EFSF gibt an die Krisenländer Griechenland, Irland und Portugal Kredite, für die der Euro-Club haftet. Schließlich sind durch Verzichte der Gläubiger im Rahmen des Umtauschs bisheriger Anleihen praktisch Euro-Bonds durch die Hintertür bereits eingeführt worden.
    Quelle: Handelsblatt
  7. Joseph Stiglitz: „Deutschland muss mehr Schulden machen“
    Mit dem Euro ist es wie mit Eiern: Es ist ziemlich schwer, aus einem Rührei wieder die einzelnen Eier herauszuholen. Natürlich kostet es Geld, ihn zu behalten. Aber es kostet noch mehr Geld, wenn er auseinanderfällt. Dann wird die deutsche Währung aufwerten, das macht das Geschäft für die Firmen schwieriger. Außerdem bekommen die deutschen Banken Schwierigkeiten mit ihren Krediten an die Länder, die Schwierigkeiten haben. Dazu kommt, dass auch Deutschlands Handelspartner Probleme bekommen werden…
    Natürlich wird es nicht billig, ihn zu behalten. Aber es wird doch immerhin relativ günstig, wenn sich die Politiker klar zum Euro bekennen und wenn man meiner Wachstumsstrategie folgt…
    Als sie (die EZB) gegründet wurde, hatten die Ökonomen etwas Wichtiges vergessen. Nämlich, dass sich Zentralbanken nicht nur um die Inflation kümmern müssen, sondern auch um die Stabilität des Finanzsektors. Jetzt verstehen das die meisten Zentralbanken wieder. Dummerweise sind Europas Gesetze aber nicht flexibel genug…
    Keine Firma verordnet sich eine Schuldenbremse. Wenn die Zinsen niedrig sind, nimmt man eben Kredite auf. Und Deutschlands Zinsen sind gerade niedrig. Es gibt genügend Investitionen, die viel mehr Rendite bringen würden als die Zinsen…
    Aber wenn Sie in Deutschland tatsächlich Angst vor Schulden haben, dann machen Sie es anders – kurbeln Sie die Wirtschaft an, ohne dass es Geld kostet…
    Sie können die Steuern für Firmen senken, die viel investieren – und sie für die Firmen erhöhen, die wenig investieren. Oder Sie können die Steuern für reiche Leute erhöhen und das Geld investieren. Oder Sie senken mit dem Geld die Mehrwertsteuer, das hilft dem Konsum. Man könnte auch eine Spekulationssteuer einführen. Das würde Geld bringen und helfen, die Finanzmärkte unter Kontrolle zu bringen…
    Quelle: FAZ
  8. Bundessozialgericht: Wertersatz bei rechtswidrigem Ein-Euro-Job
    Keinen Erfolg hatte der Hauptantrag der Klägerin, mit dem sie gegen die Beklagte Vergütungsansprü­che geltend macht. Ansprüche der Klägerin auf Arbeitsentgelt bestehen nicht, weil ihrer Beschäftigung kein Arbeitsverhältnis zugrunde lag. Sie hat in diesem Zeitraum vielmehr eine Arbeitsgelegenheit ge­gen Mehraufwandsentschädigung wahrgenommen; derartige Arbeiten begründen nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung kein Arbeitsverhältnis. Das Vorliegen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehrauf­wandsentschädigung ergibt sich aus den näheren Umständen des Zustandekommens sowie der Durchführung der Tätigkeit. Das Jobcenter hat die Arbeiterwohlfahrt mit Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2005 ausdrücklich mit der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschä­digung beauftragt. Der Beigeladene hat der Klägerin mit Zuweisungsschreiben vom 2. Februar 2005 eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung für Alg II-Bezieher vorgeschlagen und mit der reduzierten Arbeitszeit und der Höhe der Mehraufwandsentschädigung Merkmale einer Arbeitsgelegenheit benannt. Die auf Veranlassung des Jobcenters verrichtete Tätigkeit stellte deshalb eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung dar. Es liegt keine Fallgestaltung vor, in der wegen eines gelösten Zusammenhangs zwischen der Vermittlung in eine Arbeitsgelegenheit und gänzlich abweichenden Tätigkeitsinhalten ein Arbeitsentgeltanspruch möglich sein könnte.
    Hinsichtlich des Hilfsantrags der Klägerin auf Wertersatz für die geleistete Arbeit im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegen das beigeladene Jobcenter ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das Landessozialgericht begründet. Die für einen Erstattungs­anspruch erforderliche Vermögensmehrung kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn es an einer “Zu­sätzlichkeit” der Arbeitsgelegenheit fehlt. Da die Arbeit dann in Erfüllung einer Aufgabe erbracht wor­den ist, die in jedem Fall hätte durchgeführt werden müssen, ist beim begünstigten Jobcenter durch die ersparten, aber notwendig gewesenen Aufwendungen zur Erfüllung dieser Aufgabe ein Vermö­gensvorteil entstanden. Der Senat konnte auf Grund der Feststellungen des Landessozialgerichts nicht abschließend beurteilen, ob die von der Klägerin verrichteten Reinigungsarbeiten zusätzlich waren. Soweit es zu einer Vermögensmehrung insoweit gekommen sein sollte, muss sich das Job­center die von der Klägerin erbrachte Leistung ungeachtet des Umstandes zurechnen lassen, dass die Arbeitsgelegenheit bei der Arbeiterwohlfahrt durchgeführt worden ist.
    Quelle: Bundessozialgericht

    Anmerkung WL: Allgemeinsprachlich: Wenn Jobcenter Hartz IV-Empfängern eine Arbeitsgelegenheit (Ein-Euro-Job) zuweisen, dann müssen sie prüfen, ob es sich um eine „zusätzliche Arbeit“ handelt, durch die kein regulärer Job ersetzt wird. Ist dies der Fall dann besteht zwar kein Anspruch auf ein Arbeitsentgelt (weil kein reguläres Arbeitsverhältnis besteht), aber immerhin ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erstattung des Wertes für die geleistete Arbeit. D.h. das Jobcenter muss die Differenz zwischen der Hartz-Leistung und einem üblichen Lohn ersetzen.
    Das Jobcenter hatte eine Arbeitslose an ein von der (gemeinnützigen) Arbeiterwohlfahrt geführtes Pflegeheim zugewiesen, wo sie als Putzfrau eingesetzt wurde.
    Die Frage ist, ob sich das Jobcenter diesen Wertersatz von der den Hartz-Empfänger beschäftigenden Einrichtung wieder zurückholen kann.

  9. Überlegungen zu der anstehenden Volksabstimmung über Stuttgart 21 – Demokratie oder Täuschung?
    Eine Volksabstimmung wäre prinzipiell der richtige Weg und das angemessene Verfahren. Nicht aber so wie vorgesehen und nicht unter so zweifelhaften Umständen. Die Volksabstimmung, so wie geplant, ist wegen der aufgeführten Mängel weder fair, noch demokratisch, noch im Sinne des S21-Kündigungsgesetzes zu gewinnen. Ganz im Gegenteil: bei Durchführung der Volksabstimmung würde wegen des Zustimmungsquorums das Kündigungsgesetz scheitern und damit S21 indirekt stützen. Die Volksabstimmung würde somit S21 faktisch bejahen und den Weiterbau noch legitimieren! Eine Volksabstimmung, so wie sie geplant ist, sollte deshalb von Befürwortern wie von Gegnern abgelehnt, und die Ablehnung sollte laut und deutlich begründet werden.
    Quelle: NRhZ-Online
  10. Die dunkle Seite des Rohstoff-Booms
    Zweifelsohne ist der Rohstoffabbau einer der sozial wie ökologisch heikelsten Wirtschaftsbereiche der Welt. Dementsprechend stellte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon schon 2007 im „World Investment Report“ fest: „Der Abbau natürlicher Ressourcen geht mit bedenkenswerten ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen einher […]. Wir brauchen institutionelle und regulierende Rahmensetzungen, die von verantwortlichen Regierungen vorangetrieben werden, sowie verantwortliche Investoren.“
    Zwar passen sich inzwischen einige Unternehmen den gestiegenen ethischen Ansprüchen an, doch ihre Zahl ist peinlich gering. Daher muss die Politik darauf dringen, dass Produktion und Lieferketten der Unternehmen zukünftig transparenter gestaltet werden – auch um bereits existente Zertifizierungen zuverlässiger zu machen. Daneben sind sogenannte Multi-Stakeholder-Initiativen unabdingbar, an denen neben den Unternehmen und Politikern auch Vertreter der Zivilgesellschaft, der Gewerkschaften und von NGOs beteiligt werden. Nur so können alle Interessengruppen gemeinsam an konkreten Umsetzungsplänen und Kompromisslösungen mitwirken.
    Neben besseren Arbeitsschutzmaßnahmen sind in den Abbauregionen vor allem regional angepasste Existenzlöhne entscheidend für ein Leben in Würde. Auch die Gründung von Kooperativen könnte den Minenarbeitern gegen die Willkür ihrer Anwerber helfen, der sie oft wie Leibeigene ausgeliefert sind. Zudem müssen alternative Arbeitsplätze geschaffen werden, beispielsweise in der Landwirtschaft. Dies gilt gerade im Hinblick auf die Kinderarbeit: Um diese zu bekämpfen, ist die Verbesserung des Schulsystems und der lokalen Infrastruktur entscheidend. Hier bietet sich ein weites Feld für die Akteure der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  11. Links zu sein ist in – die Linkspartei nicht
    Kapitalismuskritik ist hierzulande en vogue – was in einem so strikt antikommunistischen Land schon putzig ist. Dennoch kann die Linke von dieser Mode nicht profitieren.
    Was zu irgendetwas Sozialistischem nötig wäre, offen auszusprechen, bringt in diesem Land bloß Prügel ein, wo ein Geburtstagsschreiben an einen alten Mann, der einen grausamen, korrupten, von der sogenannten Freien Welt gestützten Diktator aus dem Land gejagt hat und dem zwar vieles nicht gelungen ist und der vieles furchtbar falsch gemacht hat, der aber aus einer versklavten Drittweltinsel eine ohne Analphabeten und Obdachlose hat werden lassen, zu öffentlichem Geschrei führt, als wären die so genüsslich im Mund gerollten “Menschenrechte” nicht zehnmal vergessen, wenn man mit Iran oder China Geschäfte machen kann. Was der Westen Castro nicht verzeiht, sind nicht seine politischen Gefangenen, sondern dass Castro sich bis zuletzt geweigert hat, in Kuba Sweatshops und Autohäuser einzurichten.
    Quelle: N24
  12. Zeitdruck im Bachelor-Studium: Generation der Lebenslauf-Optimierer
    Der Tempowahn im deutschen Bildungssystem macht Studenten zu akademischen Pauschaltouristen. Sie kommen zwar mit 21 von der Uni – aber von der Welt gesehen haben sie noch nichts. Wie Getriebene haken sie nur noch ab, was die Personalabteilungen der Unternehmen von ihnen erwarten.
    Quelle: SZ
  13. Studenten entsorgt
    Universität Köln setzt 32 Diplom- und Magisteranwärter vor die Tür, die nicht fristgerecht ihren Abschluß gemacht haben. Schuld ist Systemumstellung auf Bachelor und Master.
    Bachelor und Master sind an Deutschlands Hochschulen auf dem Vormarsch, Diplom, Magister und Staatsexamen nur noch ein Auslaufmodell. Mit den traditionellen Abschlüssen verschwinden sukzessive auch die nach dem alten System Studierenden von der Bildfläche. Daß das nicht immer geräuschlos abgeht, zeigt sich aktuell an der Universität Köln. Dort wurden auf einen Schlag 32 Diplom- und Magisteranwärter zwangsexmatrikuliert, weil ihre Studien- und Prüfungsordnung ausgelaufen ist. Ihr Versäumnis besteht aus Sicht der Uni darin, zu lange studiert und nicht freiwillig das Feld geräumt zu haben – so wie Hunderte andere vor ihnen. Gegen den Rauswurf regt sich Protest, Studierendenvertreter haben sich mit den Betroffenen solidarisiert.
    Quelle: junge Welt
  14. Wie ein Deutsch-Marokkaner zum muslimischen Helden wird
    Seit fast anderthalb Jahren sitzt der Deutsch-Marokkaner Mohamed Hajib in Marokko in Haft. Unschuldig, wie er behauptet. Und gefoltert, wie Amnesty International befürchtet. Doch Deutschland scheint das wenig zu interessieren. Für Islamisten wie Pierre Vogel ein gefundenes Fressen.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Inzwischen hat auch die SZ zu diesem Fall recherchiert. In dem leider kostenpflichtigen Artikel, “Zur Folter nach Casablanca”, erheben John Goetz und  Hans Leyendecker schwere Anschuldigungen gegen deutsche Behörden. Bei Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen sei Hajib von Beamten des polizeilichen Staatsschutzes beim hessischen Landeskriminalamt erwartet und zu seinem Aufenthalt in Pakistan befragt worden. Ein “Gespräch aus präventiven Gründen’, teilte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP) mit. Als Hajib erzählte, dass er noch Geld bei einem Freund borgen müsse, um sich ein Flugticket nach Casablanca (Erkrankung des Sohnes) zu kaufen, erboten sich die Beamten, ihm ein günstiges Last-Minute-Ticket zu besorgen. ” ‘Schadenfroh’, berichtete Hajib später im Internet-Videoportal YouTube, habe ihn einer der Beamten, ein Deutsch-Tunesier, der sich ‘Ramsi’ genannt habe, nach dem Kauf des Tickets angeschaut. Er werde dessen Gesichtsausdruck ‘nie vergessen’. Tags darauf wurde Hajib bei seiner Ankunft in Casablanca von marokkanischen Sicherheitsleuten abgeführt. Das Bundeskriminalamt hatte die Behörden über den Fluggast aus Deutschland informiert, gegen den in Marokko nichts vorlag.”
    Im Sternartikel heißt es Hajib sei nach Pakistan gereist, “um sich gemeinsam mit einer Gruppe eifriger Missionare fit zu machen für die ‘Rechtleitung gestrauchelter Muslime’.” Das ist ein wenig missverständlich. Mohamed Hajib gehört einer muslimischen Erweckungs- und Missionierungsbewegung an, die sich um Junkies und Trinker kümmert. – Es versteht sich, dass der Staatsschutz sich für Reisende nach Pakistan interessiert, aber es entspricht nicht unseren rechtsstaatlichen Verständnis, dass ein Terrorismusverdächtiger, zu diesem Schluss müssen die Beamten gekommen sein, zwecks Erhärtung dieses Verdachts einem Folterstaat zugespielt wird. Etwas scheinfromm fragen Goetz und  Leyendecker: “Konnten die deutschen Beamten ahnen, was Hajib bei der Einreise möglicherweise bevorstand?”

  15. Atomabfall von Fukushima – Erst verstrahlt, dann verbrannt
    Radioaktive Erde wird vergraben, verstrahlter Klärschlamm verheizt – und Premier Naoto Kan bittet um eine temporäre Deponie. Fünf Monate nach der Atomkatastrophe von Fukushima entsorgt Japan radioaktiven Müll höchst fragwürdig.
    Quelle: SZ
  16. Politics of Language: George Lakoff
    Auf leisen Sohleins Gehirn
    Politische Sprache und ihre heimliche Macht
    Quelle 1: Leseprobe [PDF – 700 KB]
    Quelle 2: FORA TV Vortrag vor dem Commonwealth Club
  17. Gewaltige Anreize, die Medien zu bearbeiten
    In jüngster Zeit haben Gerüchte die nervösen Börsen heftig zu bewegen vermocht. Wie instrumentalisieren Börsenspekulanten die Medien, um mit ihren Wetten Geld zu verdienen? Klaus Wellershoff, CEO bei Wellershoff & Partners, findet im Interview unverblümte Worte:
    Gerade bei der Staatsfinanzkrise, in der wir immer noch stecken, geht es nicht nur um die Frage, wie man mit dem Streuen von Gerüchten Geld verdienen kann, sondern auch um das Marketing einzelner Länder. Es kann sich ebenfalls sehr lohnen, in Fragen von Stabilität und Schuldenquoten von den eigenen Problemen abzulenken. Es ist sehr auffällig, dass sich die Finanzmärkte schon sehr lange und immer wieder mit den Europäern beschäftigt haben und dass die Fragezeichen immer dann über den Ländern der Euro-Zone auftauchen, wenn die Lage in den angelsächsischen Ländern sehr, sehr eng wird. Dass viele Länder bewusstes Marketing betreiben, liegt auf der Hand. … Die Schuldenproblematik berührt die nationalen politischen Interessen der Länder. Früher gab es die Vorstellung, dass eine Regierung, wenn es innenpolitisch schwierig wird, einen außenpolitischen Streit anfängt. Es kann sein, dass sich dies heute auf die Finanzmärkte überträgt: Wenn die innenpolitische Lage schwierig wird, dann versucht man, das Augenmerk auf andere zu lenken. … Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage. Wir wissen alle, dass Berichterstatter häufig selbst Medien als Quellen benutzen, und dass es dadurch Kaskadeneffekte gibt. Gerade die europäischen Wirtschaftsjournalisten haben sehr viel Respekt vor dem «Wall Street Journal», der «Financial Times» oder dem «Economist». …  Im Grunde genommen hat jede Investor-Relations-Abteilung einer börsennotierten Gesellschaft den Auftrag, die Dinge realistisch, aber positiv darzustellen. Und natürlich will sie damit erreichen, dass der Aktienkurs langfristig schneller aufwärts geht, als bei einer anderen Gesellschaft. Hier ist die Trennlinie zwischen problematischem und normalem Verhalten relativ verwaschen. … Es ist wichtig, dass man sich insbesondere aus Quellen informiert, die keinerlei Produkte oder Finanzmarktransaktionen anbieten. An diese Erkenntnis haben wir auch geglaubt, als wir mit unserer unabhängigen Beratungsfirma begonnen haben. Ich denke, die Leute werden vermehrt durchschauen, dass das, was die einzelnen Banken, die Broker, die Unternehmen und auch die Regierungen ihnen erzählen, letztlich immer interessengeleitet ist.”
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der ehemalige Chefökonom der UBS betont zwar, dass es seinerzeit in keinem Einzelfall einen Auftrag gab, etwas Konkretes zu machen oder zu tun, aber räumt immerhin ein: “Wenn man in einer solchen Organisation lebt, dann bestimmt das Sein eben doch das Bewusstsein.” Man könnte auch sagen: Das Bewusstsein von Sein z.B. in einer Bank bestimmt …

    Dazu passt:

  18. Zu guter Letzt: Herdentrieb an der Börse

    Herdentrieb an der Börse


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