CDU feiert ihr Grundsatzprogramm: Statt Wohlstand für alle, Teilhabe für alle
Das Programm vom Juli ist dasselbe geblieben, nur das Pathos hat in Hanau zugenommen. Wir erlauben uns deshalb unseren Kommentar zu wiederholen. Wolfgang Lieb.
Das Programm vom Juli ist dasselbe geblieben, nur das Pathos hat in Hanau zugenommen. Wir erlauben uns deshalb unseren Kommentar zu wiederholen. Wolfgang Lieb.
Das Abschlusspapier der Kabinettsklausur auf Schloss Mesberg [PDF – 56 KB] „Aufschwung – Teilhabe – Wohlstand“ (wir sind in den NachDenkSeiten schon darauf eingegangen) beginnt mit folgenden Sätzen: „Deutschland befindet sich im Wandel. Die Globalisierung und die demographische Entwicklung stellen Politik und Gesellschaft vor große Herausforderungen.“ Sind das wirklich unsere größten Herausforderungen? Aus meiner Sicht gibt es viel gravierendere Probleme. Und was uns im Kontext internationaler Finanzbeziehungen aktuell stört und bedrückt, hat mit Globalisierung wenig zu tun. Albrecht Müller.
Alles ist gut! Wir machen alles richtig! Wir sind besser als die anderen! Wir waren und wir bleiben auf der „Höhe der Zeit“! So kann man die selbstbeweihräuchernde Einleitung der designierten Parteivorsitzenden Steinmeier und Steinbrück unter Hilfestellung des zurückgetretenen SPD-Vorsitzenden Platzeck zu einem Buch über die Zukunft der Sozialdemokratie zusammenfassen. Auf schwindelnder Höhe über „marxistischer Orthodoxie und liberalem Laissez-faire“ und jenseits der realen Welt definieren die „Cheftheoretiker“ der heutigen SPD (an ihrem Vorsitzenden Kurt Beck vorbei) ihr Leitbild der „sozialen Demokratie“. Diese Definition besteht aus drei unausgefüllten Schlagworten, nämlich „Marktwirtschaft, Demokratie und sozialer Zusammenhalt“. In ihrem Text wird diese Begriffstriade wie in einer Waschtrommel hin und her gewälzt. Dabei entstehen Schaum- und Sprechblasen, die, sobald man sie greifen will, zerplatzen. Wolfgang Lieb
„Die Jungen zahlen ein, und die Alten sahnen ab“, schreibt BILD. Und: „Wer jünger ist als 45, zahlt drauf.“ … Professoren mit Neben(?)-Erwerb in der Versicherungsbranche, wie B. Raffelhüschen,. assistieren: „Rente – ein Verlustgeschäft für Junge“„Immer weniger Junge müssen die Renten von immer mehr Alten zahlen. Das kann nicht funktionieren.“
Das funktioniert sehr wohl, nämlich wenn auch die 3 Mio. Selbständigen, die Beamten und die Politiker für die Altersversicherung aller einzahlen würden – in eine allgemeine Erwerbstätigenversicherung! Ein Beitrag von Kurt Pittelkau, Arbeitskreis Alterssicherung ver.di-Berlin
Das ist der Titel einer Rede, die ich zur 50-Jahr-Feier des Lions-Club in Pforzheim gehalten habe. (In anderem Kontext war schon die Rede davon.) Die Reaktion in Pforzheim zeigte, dass auch in bürgerlichen Kreisen, bei Unternehmern und Managern kritische Fragen zur herrschenden Lehre gestellt werden. Bei weitem nicht alle sind im Einflussbereich der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, der Bertelsmann Stiftung oder anderer Kaderschmieden. Viele durchschauen die Borniertheit der herrschenden Ideologen – wie zum Beispiel des heute in einem Beitrag von Wolfgang Lieb aufgespießten Professors Raffelhüschen. Und viele sehen inzwischen, wie sehr sie als wertschöpfende Unternehmer und Manager von den Meinungsführern in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft vor den Karren der Interessen von international tätigen Spekulanten gespannt werden.
Ich stelle meine Pforzheimer Rede zu Ihrer Verfügung. Vielleicht können Sie damit Personen in Ihrem Umfeld ansprechen. Das ist wichtig für den Aufbau einer rationaleren Gegenöffentlichkeit. Albrecht Müller.
Ein Bundespräsident darf und soll auch seine politischen Überzeugungen vertreten, er darf sogar einer wirtschaftspolitischen Ideologie anhängen, was man aber vom obersten Repräsentanten unseres Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger erwarten darf und muss, das ist, dass er wenigstens die Meinungen, ja noch mehr die Sorgen der Mehrheit der Menschen zur Kenntnis nimmt und sich damit auseinandersetzt.
Köhler redet im Sommerinterview des ZDF zwar darüber, „dass sich jeder Gedanken machen sollte, wie wir dieser Entfremdung zwischen Politik und Bürgern etwas entgegensetzen“, er spricht davon, dass sich die Leute danach „sehnen“, „dass sie ernst genommen werden“, er fordert sogar, die „Politiker sollten den Bürgern zuhören“, doch er tut genau das Gegenteil. Er übernimmt die Rolle des rigorosesten Propagandisten der „Reform“-Politik und plappert fast wortwörtlich die Apologetik des Neoliberalismus der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft nach. Wolfgang Lieb.
Am 2.7. hatte ich auf einen Beitrag in Financial Times Deutschland über die bisherige Politik des heutigen Premiers von Großbritannien aufmerksam gemacht. Gerold Schwarz, Sprecher der EU-AG von attac, verweist darauf, dass Brown um vieles kritischer zu sehen ist als im Artikel der FTD. Ich wollte Brown insgesamt nicht loben. Mir war wichtig, darauf hinzuweisen, dass Großbritanniens wirtschaftlicher Erfolg auch etwas mit expansiver Wirtschaftspolitik zu tun hat. Und eben nicht mit den zu Recht kritisierten Reformen. Deshalb bin ich dankbar für die folgende Mail von Gerold Schwarz. Albrecht Müller.
Die Konservativen haben eine jahrhundertelange Übung darin, bestehende ungerechte, ja sogar inhumane Lebensverhältnisse mit moralischem Pathos zu legitimieren.
Das beweist einmal mehr der Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU. Die ersten dreißig Seiten des 77-seitigen Programms lesen sich wie ein Glaubensbekenntnis an die christlich abendländischen Werte, danach folgt das in verführerischen Tarnworten gekleidete knallharte Gesellschaftsbild einer „Chancengesellschaft“ in der jeder seines Glückes Schmied ist und derjenige, der seine Chance verpasst hat, der Hilfe zur Selbsthilfe oder bestenfalls der „Nächstenliebe“ überlassen bleibt. Wolfgang Lieb.
„Die Globalisierung zwingt die Deutschen dazu, alle sozialen Errungenschaften, die sie in der Nachkriegszeit erkämpft haben, insbesondere ihre solidarischen Sicherungssysteme, auf den Prüfstand zu stellen.“ – „Sie müssen auch ihre traditionellen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Solidarität preisgeben.“ – „Um den Sozialstaat zu erhalten, muss er umgebaut, nicht abgebaut werden.“ Solche Parolen beherrschen seit mehr als einem Vierteljahrhundert die politische Öffentlichkeit in Deutschland.
Hengsbach versucht in einem Policy Paper für die Stiftung Entwicklung und Frieden herauszuarbeiten, wie notwendig und wie berechtigt die Anpassung normativer Überzeugungen an eine global veränderte ökonomische Situation in reifen Volkswirtschaften tatsächlich ist. Er skizziert einleitend die wachsende Schieflage der Verteilung von Lebenschancen in Deutschland. Danach unterzieht er die kontroversen Deutungs- und Bewertungsmuster einer kritischen Analyse. Abschließend legt er den wirtschaftlich reichen und mächtigen Ländern wie Deutschland die Aneignung eines „demokratiefähigen Kapitalismus“ als Vorleistung einer gerechten Globalisierung nahe.
Ein sehr lesenswerter Aufsatz, dessen Lektüre wir unseren Leserinnen und Lesern dringend empfehlen.
Quelle: Friedhelm Hengsbach: Gerechtigkeit und Solidarität im Schatten der Globalisierung [PDF – 196 KB]
Normalerweise komme ich aus dem Staunen darüber, wie einvernehmlich heute von Rechts bis Links die siebziger Jahre eher als Sündenfall denn als golden betrachtet werden, nicht mehr heraus. Jetzt werde ich durch einen Hinweis von Gerhard Kilper getröstet. Er berichtet von einem Artikel in Le Monde, in dem eine erst jetzt bekannt gewordene internationale Würdigung der deutschen Wirtschaftspolitik der 1970-er Jahre durch den amerikanischen Ökonomen Sydney Weintraub beschrieben wird. Albrecht Müller.
„Der wirtschaftliche Aufschwung hat den Deutschen im letzten Jahr ordentlich Geld in die Kassen gespült. Ihr Geldvermögen legte um 225 Milliarden oder 5 Prozent auf gut 4,5 Billionen Euro zu. Es hat sich damit – statistisch gesehen – seit 1991 pro Haushalt fast verdoppelt“, so berichtet das manager-magazin ohne jede kritische Anmerkung über den neuesten Monatsbericht der Bundesbank.
Die statistische Logik unserer Bundesbanker lautet also etwa so: Wenn ich 20.000 Euro Geldvermögen habe und mein Nachbar hat 10.000 Euro Schulden, dann haben wir beide im Durchschnitt 5.000 Euro Geldvermögen. Darüber kann sich mein Nachbar aber richtig freuen!
…die gestern zum wiederholten Male Gegenstand eines Hinweises der NachDenkSeiten war (siehe zuletzt Hinweis 2).
Ein Leser der NachDenkSeiten sandte uns dazu einen bedenkenswerten Kommentar.
Sowenig eine Kopfpauschale im Gesundheitssystem der unterschiedlichen finanziellen Leistungsfähigkeit von Krankenversicherten gerecht würde, sowenig eignet sich jedoch das Grundeinkommen, um die tiefe Wohlstandskluft in der Gesellschaft zu schließen. Letztlich würde es als Kombilohn für alle wirken. Weil das Existenzminimum seiner Bezieher/innen gesichert wäre, könnten diese noch schlechter entlohnte Jobs annehmen, wodurch den Unternehmen mehr preiswerte Arbeitskräfte zur Verfügung stünden und die Gewinne noch stärker steigen würden. Gleichzeitig wäre die Regierung nicht nur ihrer Pflicht zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit enthoben, sondern auch die Durchsetzung weitreichender Deregulierungskonzepte möglich.
Christoph Butterwegge hat uns eine Langfassung seines am 24. Mai 2007 in der taz erschienenen Aufsatzes zur Verfügung gestellt.
Im Mai 2006 berichtete „Die Welt“ über Berechnungen der Deutschen Bank Research wonach Deutschland im Wohlstandsvergleich zurückfällt und schon 2008 beim Pro-Kopf-Einkommen von Spanien überholt werde. Damals herrschte noch die Mode der Miesmacherei.
Im April 2007 berichtet nun das Manager-Magazin unter Bezugnahme auf Zahlen des IWF, dass die Bundesbürger „in den zwölf vergangenen Monaten den gesamten finanziellen Vorsprung der Spanier wettgemacht haben, den die in den fünf Jahren zuvor erwirtschaftet haben.“ Heute ist eben Euphorie auf der Tagesordnung.
Und das alles, weil die Konjunktur einen leichten Aufschwung nimmt.
Dass der Vergleich des Pro-Kopf-Einkommens verschiedener Länder nur wenig über die Verteilung des Wohlstands zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen aussagt, wird darüber hinaus vor lauter Euphorie vergessen. Wolfgang Lieb.
Die Chefaufsichtsräte der Dax-Konzerne erhalten für das Geschäftsjahr 2006 durchschnittlich 321 000 Euro. Gegenüber dem Vorjahr sind das 15 bis 20 Prozent mehr, wie Berechnungen des Handelsblatts ergeben. Bestbezahlter Aufsichtsratsvorsitzender ist Jürgen Strube von der BASF mit 469 000 Euro, gefolgt von Ulrich Hartmann (Eon, 408 000 Euro) und Gerhard Cromme (Thyssen-Krupp, 396 000 Euro). Wolfgang Lieb.