Nachtrag zur Frage, ob die demokratische Sanktion noch funktioniert. Ein NachDenkSeiten-Leser meint im Blick auf Baden-Württemberg: Nein!
Seine Beobachtungen sind von allgemeinem Interesse. Hier seine Mail: Ihre vor kurzem im Sonderbeitrag „Spannendes Großexperiment zur Frage, ob die demokratische Sanktion, also die Bestrafung für Fehlverhalten, noch funktioniert“ (15. März 2011) gestellte Frage, ob das System der demokratischen Meinungsbildung noch funktioniert, kann ich zumindest für Baden-Württemberg mit ziemlicher Gewissheit vorhersagen: es funktioniert nicht. Albrecht Müller.
Dies mache ich an zwei Punkten fest und verweise dazu zunächst auf das am 16.3. gelaufene TV-Duell im SWR-Fernsehen zwischen Mappus (CDU) und Schmid (SPD):
- Ohne jetzt auf das gesamte Duell einzugehen, habe ich für mich die Beobachtung gemacht, dass Hr. Mappus an drei Stellen des Abends so ziemlich hilflos dastand: Zum einen natürlich erwartungsgemäß beim Thema Energiepolitik. Die Widersprüche, in der sich seine Partei und auch er selbst verstrickt haben, konnte er auch an diesem Abend nicht auflösen. Zum zweiten, als es um den Kauf der EnBW-Anleihen ging. In welchem Dilemma sich Hr. Mappus in diesem Fall befindet, haben Sie ja auf den Nachdenkseiten am17.3. bereits ausführlich dargelegt. Und zu guter Letzt beim Thema Stuttgart 21 und zwar, als es konkret um die Frage ging, wie Hr. Mappus zu den Planungsunsicherheiten bezüglich des Filderbahnhofs steht. Hier versuchte er aus meiner Sicht sehr plump, der eigentlichen Frage auszuweichen und wurde überraschend deutlich von den Moderatoren darauf hingewiesen. Letztlich blieb er aber eine wirkliche Antwort schuldig.
Nach dem Duell wurden dann die drei Chefredakteure der größten Tageszeitungen des Südwestens (Hr. Hauser von der Badischen Zeitung, Hr. Wiedenhaus von der Südwestpresse und Hr. Dorfs von der Stuttgarter Zeitung) im Studio zu ihren Eindrücken befragt. Alle kamen mehr oder weniger zum Schluss, dass sich kein Kandidat einen Vorteil erarbeiten konnte und ein Duell “auf Augenhöhe” stattgefunden habe. Kein Wort über die für mich sehr deutlichen Widersprüche in den Ausführungen von Hr. Mappus, keine Kritik oder wenigstens eine Anmerkung zu seinen Ausweichmanövern. Wenn es noch eines weiteren Beweises bedürfte, wie unkritisch die Medien in Baden-Württemberg mit “ihrer” CDU umgehen, dann haben wir ihn gestern alle live vor laufenden Kameras erleben müssen. Von einem „Duell auf Augenhöhe“ hätte man nämlich nur sprechen können, wenn auch Hr. Schmid in einzelnen Punkten in solch eine arge Bedrängnis gekommen wäre, dies ist mir jedoch nicht aufgefallen. Also kann man sich folgerichtig die Frage stellen: weshalb hofieren unsere unabhängigen Medien den Ministerpräsidenten so offensichtlich? Falls ich tatsächlich plausible Antworten der jeweiligen Chefredakteure auf diese Frage erhalten sollte, werde ich Ihnen diese gerne mitteilen.
- Was für mich persönlich aber deutlich erschreckender war: zeitgleich zum Duell wurde an der Uni Hohenheim eine “Blitzanalyse” durchgeführt: 120 ausgewählte Bürger (“ein bunter Querschnitt der Bevölkerung”) sollten während des Duells per Regler mitteilen, wer aus ihrer Sicht den besseren Eindruck bei ihnen hinterlässt. Dieser Regler konnte jederzeit während der gesamten Veranstaltung zugunsten eines Kandidaten gedreht werden, um so anschließend sekundengenau eine Auswertung zu den jeweiligen Themenblöcken vornehmen zu können. Herausragendes Ergebnis: Hr. Mappus erntete die stärkste Zustimmung (auch auf Seiten der Menschen, die sich zuvor dem SPD-Lager zugehörig gefühlt haben!) exakt in dem Moment, als er beim Thema Spitzensteuersatz ein “Argument” (hohle Phrase trifft es wohl besser) gegen eine Erhöhung vorbrachte, welches wir alle sehr gut kennen, nämlich: Leistung muss sich lohnen [sic].
Nun kann man sich natürlich die Frage stellen, ob die Menschen entweder einfach nicht richtig zuhören, oder es doch tatsächlich so ist, dass die Mehrzahl ein “weiter so” befürwortet und somit die seit einigen Jahren faktisch zunehmende steuerliche Entlastung unserer “Leistungsträger” von weiten Teilen der Bevölkerung zustimmend mitgetragen wird. Was nun der Fall ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht.
Allein diese beiden Beobachtungen lassen in mir die Hoffnung schwinden, dass sich im Ländle irgend etwas in naher Zukunft verändern wird.
Mein Prognose für den 27. März 2011: Da es Die Linke leider nicht in den Landtag schaffen wird, reicht der schwarz-gelben Regierung eine denkbar knappe Mehrheit, um weiter regieren zu können. Zum Thema Energiepolitik wird Fr. Merkel in einem knappen Vierteljahr etwas von einem wirtschaftlich vernünftigen und moralisch vertretbaren Energiemix erzählen. Die Sicherheitsüberprüfungen werden ergeben haben, dass tatsächlich am ein oder anderem Kraftwerk ein paar Schrauben nachgezogen werden müssen, aber zusammengefasst besteht für die Bürger keine unmittelbare Gefährdung, was dann eben auch rechtlich ein Rücknahme der Laufzeitverlängerungen erschwert.
Kurz gesagt: Mund abwischen und weiter geht’s.
Leider nicht arg hoffnungsvolle Grüße,
Björn Barthold
Anmerkungen Albrecht Müller:
Erstens: In diesem Bericht wird wieder einmal deutlich, dass es eine klar erkennbare Asymmetrie im Verhalten wichtiger Medien – siehe die Einschätzung der Chefredakteure – gegenüber „ihrem“ konservativen Lager und gegenüber der Alternative links von der Mitte gibt. Die Parteien links von der Mitte ziehen aus dieser Einseitigkeit leider nicht die notwendigen Schlüsse: Weder in Baden-Württemberg noch in Rheinland-Pfalz, wo am gleichen Tag, am 27. März, gewählt wird, wird von Seiten der SPD und der Grünen diese spezielle Medienbarriere thematisiert. Ob von der Linkspartei, konnte ich nicht feststellen.
Zweitens: Noch ist die Wahl nicht gelaufen. Wenn die Gefahr besteht, wie Björn Barthold feststellt, dass die Linke scheitert und damit Mappus gerettet wird, dann kann das doch auch heißen, der Linken über die 5%-Hürde zu helfen. Progressive Sozialdemokraten und Grüne haben eh ein Interesse daran, dass der Druck auf ihre Parteiführungen von Seiten der Linkspartei erhalten bleibt. Also ist doch klar, was zu tun ist.
P.S.: Nachtrag am Mittag – die einschlägige Mail eines NDS-Nutzers:
Guten Tag,
zur schlechten Rolle der Badischen Zeitung möchte ich ergänzen:
Kürzlich hat die BZ ( Herr Rüskamp ) zu suggerieren versucht, dass die Linke bei ca. 2 % Zustimmung liege und Linke-Stimmen folglich verlorene Stimmen seien.
Herr Rüskamp berief sich dabei auf eine Umfrage, deren Methode als verfälschend zuvor bereits bekannt war (Umfrage nur bei Festnetzanschlussinhabern). Es war also eine gewollte Lüge.
Seit ich mit dem Presserat gedroht habe und die Landeswahlleiterin angeschrieben habe, hat die BZ es unterlassen, diese Lüge weiterzuverbreiten.
Falls man einen Erfolg der Lüge aus dem Wahlergebnis herauslesen kann, wäre dieses Verhalten ein Wahlanfechtungsgrund im Verbreitungsgebiet der BZ.Herzliche Grüße W. B. Breisach