Über die Engstirnigkeit der WhatsApp-Gemeinde und die Folgen des Privatisierungswahns
Der Präsident des „Bundesamtes für Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe“ (BBK) Schuster „nannte es zudem einen Fehler, dass die Warnungen zunehmend digitalisiert worden seien (empfangbar etwa über Smartphone); er sprach sich dafür aus, wieder mehr in analoge Sirenenschutzprogramme zu investieren.“ (Seite 1 der „Rheinpfalz“ vom 20. Juli). Hinter dieser Äußerung steckt ein ganzer Wust von Gedankenlosigkeit und mangelnder Umsicht. Die offensichtlich gepflegte Vorstellung, man könne alle Menschen digital erreichen, um sie zu warnen, ist typisch für die Nutzer von WhatsApp, SMS und den anderen digitalen Instrumenten der Kommunikation. Sie können sich nicht vorstellen, dass es jenseits ihrer so fortschrittlichen Gemeinde auch noch andere gibt, die an dieses Netz gar nicht angeschlossen sind, weil sie die notwendigen Instrumente nicht besitzen oder sie nicht mehr verstehen und nicht nutzen können. Alte Leute, kranke Leute, gebrechliche Menschen, kleine Kinder. Albrecht Müller.
Wenn der Präsident des für den Katastrophenschutz zuständigen Bundesamtes die Katastrophe des Hochwassers im Ahrtal braucht, um zu der oben zitierten Einsicht zu kommen, dann stimmt etwas nicht. Es stimmt vieles nicht, zum Beispiel:
- Die schon 4 Tage vor dem Hochwasser ausgesprochenen Warnungen des europäischen Frühwarnsystems EFAS wurden offensichtlich nicht ernstgenommen.
- „Am 10. September 2020 sollen in ganz Deutschland um 11 Uhr die Sirenen heulen. Auch über Warn-Apps, Radio, Fernsehen und soziale Medien werde an diesem Tag der Probealarm stattfinden.“ So hat RND, das Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Erprobung der Sirenen und der anderen Warninstrumente angekündigt. Die Tagesschau berichtete am Abend des Tages: „Bilanz des Innenministeriums: Bundesweiter Warntag “fehlgeschlagen”. Mit einem deutschlandweiten Probealarm sollte am Vormittag für Gefahrenlagen wie Unwetter oder Anschläge geübt werden. Doch am sogenannten Warntag ging vieles schief. Das Bundesinnenministerium zeigt sich selbstkritisch.“
Hat diese angebliche Selbstkritik irgendwelche konstruktiven Folgen gehabt? Nein.
- Im Rettungseinsatz, auch mit Hubschraubern, waren viele Organisationen tätig: Rotes Kreuz, THW, Bundespolizei, örtliche Landespolizei, ADAC, Bundeswehr und eine ganze Reihe mehr. Man musste den Eindruck gewinnen, dass es offensichtlich einen Mangel an Koordination gibt. Bei solchen Katastrophen müsste es eine bessere zentrale und staatliche Organisation geben. Die gesamten Vorgänge sind ein weiterer Beleg dafür, dass die Privatisierung in Deutschland viel zu weit getrieben worden ist. Entstaatlichung ist kein Fortschritt, es bedeutet Rückschritt und kostet Menschenleben.
- Verschlafenes Talsperren-Management. Von Talsperren in NRW wie andernorts weiß man: im Winter laufen sie voll, im Sommer werden sie immer leerer. Das müsste eigentlich auch das Talsperrenmanagement wissen. Deshalb kann man sich eigentlich nur wundern zu hören, dass der Staudamm zum Beispiel der Steinbachtalsperre (Näheres siehe hier) gefährdet war und möglicherweise noch ist. Warum wurde das Wasser nicht schon im Juni, als man vorhersehen konnte, dass sich sehr viel mehr Wasser ansammelt als üblicherweise um diese Jahreszeit, schon vorsorglich abgelassen? Um dann entsprechende Hochwassermassen aufnehmen zu können.