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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Der 9. November; Solidarität zu Lasten Deutschlands; bei der Commerzbank muss der Staat um seine Zinsen bangen; Arbeitslosenstatistik; der Versprecher des Chefs der Bundesagentur für Arbeit; Arbeit ist mehr als ein Kostenfaktor; Sanktionen setzen Erwerbslose extrem unter Druck; jeder siebte Betrieb verstößt gegen Datenschutz; nochmals Staatsschulden als Einnahmequelle; immer mehr Jugendliche nehmen sich das Leben; Berlusconi kürzt Stipendiengelder; Studiengebühren steigen in GB drastisch; das Versagen der Eliten bei Anne Will; Einschüchterungsklima bei RTL; Lobbyismus für Dummies. (WL)

Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Hier die Übersicht, Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Der 9. November
  2. Solidarität zu Lasten Deutschlands
  3. Commerzbank: Staat muss um seine Zinsen fürs Rettungsgeld bangen
  4. Realer Boom: Die Arbeitslosenstatistik hat recht
  5. Ein Versprecher: Langzeitarbeitslose „binnen Jahresfrist um 100.000 auf 800.000 gesunken“
  6. Gerhard Bosch: Arbeit ist mehr als ein Kostenfaktor
  7. Sanktionen setzen Erwerbslose extrem unter Druck
  8. Beschäftigtendatenschutz: Verstöße in jedem siebten Betrieb
  9. Nochmals „Staatsschulden als permanente Einnahmequelle“
  10. Immer mehr Jugendliche nehmen sich das Leben
  11. Regierung Berlusconi will Stipendiengelder kürzen
  12. Studiengebühren in Großbritannien sollen drastisch steigen
  13. Das Versagen der Eliten bei Anne Will
  14. Mitarbeiterbefragung bei RTL: “Ein Klima der Einschüchterung und Angst”
  15. Zu guter Letzt: Lobbyismus für Dummies

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der 9. November
    Heute ist der 9. November. Auf dieses Datum fiel eine Vielzahl von Ereignissen, die in der deutschen Geschichte höchst bedeutsam waren. Da ist in der jüngeren Geschichte der Tag des Mauerfalls. Am 9. November 1938 begannen die Nazis die Novemberpogrome, verharmlosend „Reichskristallnacht“ bezeichnet. 1923 marschierten an diesem Tag Hitler mit seinen braunen Horden auf die Münchner Feldherrnhalle und versuchte zu putschen. Der 9. November war während der Nazi-Herrschaft ein Gedenk- und Feiertag. 1918 rief an diesem Tag Philipp Scheidemann die „Deutsche Republik“ und Karl Liebknecht vom Spartakusbund eine Räterepublik aus.
    1848 wurde an diesem Tag der republikanische Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Robert Blum hingerichtet und damit von den reaktionär-restaurativen Kräften das Ende der Deutschen Revolution von 1848/49 eingeleitet.
    Quelle: Historisches Institut der RWTH Aachen
  2. Solidarität zu Lasten Deutschlands
    Die Bundesbürger müssen sich auf höhere Kosten einstellen, um die gemeinsame Währung stabil zu halten. Der Sprecher der 16 Euroländer, Jean-Claude Juncker, will die Solidarität der Partner untereinander stärken und gemeinschaftliche Anleihen einführen…”Das ist ein intelligenter Weg, um wirtschaftlich schwächere Euroländer auch künftig für Investoren attraktiv zu halten”, sagte Juncker…
    Künftig sollen die Euroländer solidarisch für einen Teil der Gesamtschulden haften. Die Grenze soll bei dem Schuldenstand liegen, der 60 Prozent der Wirtschaftskraft jedes Eurolandes entspricht – so viele Schulden sind nach EU-Regeln gerade noch erlaubt. Diese Schulden sollten gebündelt und kollektiv garantiert werden, fordert Juncker. Für alle darüber liegenden Schulden müssten die Länder national haften. Dies würde Investitionen in allen Euroländern attraktiv machen und die Regierungen zum soliden Wirtschaften anhalten, sagte Juncker. Die bisherige Ankündigung der EU-Chefs provoziere unter den Marktteilnehmern das Gegenteil, nämlich die Annahme, dass es besser sei, sich aus schwächeren Ländern fernzuhalten, weil dort die Risiken unkalkulierbar oder die Renditen zu gering seien…
    Junckers Vorstoß dürfte neuen Streit mit Berlin provozieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte auf dem letzten EU-Gipfel jegliche neuen Gemeinschaftsinstrumente ausgeschlossen und betont, es sei logisch, dass schwächere Staaten künftig höhere Risikoaufschläge zahlen könnten.
    Quelle: SZ

    Anmerkung unseres Lesers N.H.: Der Vorschlag Junckers geht in die richtige Richtung. Er würde die Angreifbarkeit der Euro-Länder gegenüber Spekulationen auf den Finanzmärkten verringern und insoweit die Souveränität der Staaten gegenüber den „Märkten“ wieder erhöhen.

  3. Commerzbank: Staat muss um seine Zinsen fürs Rettungsgeld bangen
    Der Staat muss trotz eines Milliardengewinns der Commerzbank im operativen Geschäft um die Zinsen für seine stille Einlage bangen. Die teilverstaatlichte Bank kündigte an, nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) im Einzelabschluss der Commerzbank AG eine Abschreibung in „signifikanter“ Höhe auf die Immobilienbank Eurohypo vornehmen zu müssen. Über die Höhe konnte die Bank noch nichts mitteilen. „Der HGB-Abschluss wird im März 2011 aufgestellt, dann wird auch die genaue Höhe des Wertberichtigungsbedarfs festgestellt“, hieß es in einer Mitteilung.
    Quelle: Die Welt Online

    Anmerkung WL: Nur zur Erinnerung: Der Staat leistete für die Commerzbank 18,2 Milliarden Euro direkte Kapitalhilfen und gab für weitere 5 Milliarden Euro Garantien.
    Hinweis: Unter diesem Beitrag finden sie auch eine ganz interessante Auflistung was die 30 sog. Top-Manager in Deutschland so „verdienen“.

  4. Realer Boom: Die Arbeitslosenstatistik hat recht
    Trotz aller Kritik an der Arbeitslosenstatistik – viele Daten belegen die extrem gute Verfassung des Jobmarktes in Deutschland. Vom deutschen Arbeitsmarkt kommen nach vielen düsteren Jahren inzwischen nur noch Rekordmeldungen. Die Arbeitslosigkeit ist in der unbereinigten Rechnung unter drei Millionen gesunken, die Beschäftigung über 40 Millionen gestiegen. “Wenn der Abbau der Arbeitslosigkeit sich in diesem Tempo fortsetzt, könnte die nächste Millionenmarke schon im Oktober oder November 2012 geknackt sein”, sagte Hilmar Schneider, Co-Direktor am Bonner Institut Zukunft der Arbeit. (…) Beim Vergleich aller Daten zeigt sich trotz allem: Der Boom auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist real.
    Quelle: FTD

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Der oben zitierte Beitrag der Financial Times Deutschland versucht, die zunehmend zur Täuschungs- und Verschleierungsstatistik verkommene Arbeitslosenstatistik in ein positives Licht zu rücken. In diesem Zusammenhang darf sebstverständlich Hilmar Schneider, Co-Direktor am Bonner Institut Zukunft der Arbeit, nicht fehlen. Der Leiter dieses von Arbeitgeberlobbyisten beherrschten Instituts wollte beispielsweise vor einigen Jahren Arbeitslose versteigern lassen.
    Symptomatisch für die in dem Beitrag der Financial Times Deutschland betriebenenen Schönfärberei der Arbeitsmarktdaten ist folgender Passus: “Auch der Vorwurf, die neuen Jobs taugten alle nichts, kann nicht überzeugen. So steigen seit vier Jahren auch die sozialversicherungspflichtigen Jobs wieder deutlich an, während die Minijobs seit Jahren stagnieren: Anfang 2006 waren nur noch knapp über 26 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Inzwischen sind es bereits fast wieder 28 Millionen.”
    Die Autoren dieses Beitrages verschweigen, dass der Terminus “sozialversicherte Jobs” längst kein automatisches Gütemerkmal mehr für hochwertige Arbeitsplätze darstellt. Denn die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beinhaltet auch die in den vergangenen Jahren kräftig ausgeweitete Leiharbeit und die Teilzeitarbeit (der Stundenlohn von Teilzeitbeschäftigten liegt lt. Analyse des Statistischen Bundesamtes um ca. 25% unter jenem von Vollzeitbeschäftigten). So zeigen auch die aktuellen Arbeitsmarktdaten für 2010, dass von dem im Vorjahresvergleich zu verzeichnenden Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung um 436.000 Stellen 190.000 Stellen auf die Zunahme der zumeist prekären Teilzeitbeschäftigung entfallen. Darüber hinaus teilt der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) mit, dass bereits im Monat August 2010 die Leiharbeit mit insgesamt 893.000 Stellen auf einen neuen Höchststand angestiegen war. Die Zunahme der Leiharbeitsstellen im Vergleich zum August 2009 beträgt 245.000 Stellen. [PDF – 799 KB]

    Die ftd-Autoren schreiben: “Inzwischen ist Deutschland in der ILO-Quote in der Spitzengruppe der Euro-Zone. Nur vier kleine Länder haben prozentual noch weniger Arbeitslose. Und die ILO-Methode beruht nach international üblichen Standards auf Umfragen, die nicht von Entscheidungen der Arbeitsbehörden beeinflusst sein kann.” Die Frage sei erlaubt: Wie hoch schätzen die ftd-Autoren die Seriösität und Qualität von “Umfragen” (z.B.: wer wird befragt? wie groß ist die Stichprobe?) zur Höhe der Arbeitslosigkeit ein? Die ftd-Autoren verschweigen zudem, dass nach dem ILO-Konzept bereits eine einzige Arbeitsstunde pro Woche ausreicht, um nicht mehr als arbeitslos zu gelten.
    Die sehr große Kluft zwischen der von der Bundesagentur für Arbeit ausgewiesenen Arbeitslosigkeit und dem tatsächlichen Mangel an Arbeitsplätzen zeigt die im Juni 2010 vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Pressemitteilung “Rund neun Millionen Menschen wünschen sich (mehr) Arbeit“.


    Folgende vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Grafik zeigt auf Basis von Daten aus dem Jahre 2009, dass im europäischen Vergleich insbesondere in Deutschland die Lücke zwischen der offiziell ausgewiesenen Erwerbslosenquote und der sog. Quote des ungenutzten Arbeitskräftepotenzials sehr hoch ist.

    Erwerblosenquote und ungenutztes Arbeitskräftepotenzial

    Ein Blick hinter die Kulissen der offiziellen Arbeitslosenstatistik und Beschäftigungsstatistik zeigt zudem, wie widersinnig die von Politik und Medien verbreitete Behauptung ist, die Arbeitslosigkeit hierzulande sei auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts gesunken:

    • Seit dem Beginn der 90er Jahre wurde die Arbeitslosenstatstistik häufig “bereinigt”. Allein in der jüngeren Vergangenheit wurden z.B. folgende statistische “Bereinigungen” (treffender: Manipulationen) vorgenommen: Große Teile der 58 jährigen und älteren Arbeitslosen wurden aus der Statistik entfernt, kranke Arbeitslose und von privaten Arbeitsvermittlern betreute Arbeitslose werden ebenfalls nicht mehr in der offiziellen Arbeitslosenstatistik ausgewiesen.
    • Beim Vergleich mit den Arbeitslosenzahlen zu Beginn der 90er Jahre wirkt sich besonders gravierend aus, dass der Anteil der Vollzeitarbeitsplätze reduziert und im Gegenzug der Anteil der zumeist prekären, nicht vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer drastisch ausgeweitet wurde. Dies führte zu einer deutlichen Aufhübschung sowohl der Arbeitslosenstatistik als auch der Beschäftigungsstatistik: Obwohl die Zahl der von den Beschäftigten abgeleisteten Arbeitsstunden von 52 Milliarden Stunden in 1991 um 7,7 Prozent auf 48 Milliarden Stunden in 2008 (dem Jahr vor dem Abschwung) abgesunken ist, hat sich die Zahl der Beschäftigten in diesem Zeitraum von 35,1 Millionen auf 35,9 Millionen (+2,3 Prozent) erhöht. Der Beschäftigungsanstieg trotz Rückgang des Volumens der geleisteten Arbeitsstunden resultiert ausschließlich aus einer Aufspaltung ehemaliger Vollzeitarbeitsplätze in Teilzeitarbeitsplätze und Mini-/Midijobs sowie aus der Einführung von 1-Euro-Jobs.


    FAZIT: Der Beitrag der Financial Times Deutschland zur Arbeitslosigkeit betreibt Schönfärberei. Diese Art von journalistischer Hofberichterstattung zu Gunsten interessierter Kreise in Politik und Wirtschaft liefert darüber hinaus Steilvorlagen für jene Medien, welche mit propagandistischen Parolen (“Wer arbeiten möchte, der findet auch Arbeit”) nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen bekämpfen möchten. Außerdem soll der Diskussion um den angeblichen “Fachkräftemangel” Vorschub geleistet werden.

  5. Ein Versprecher: Langzeitarbeitslose „binnen Jahresfrist um 100.000 auf 800.000 gesunken“
    “Entspannung zeigt sich auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit. Aktuell seien etwa 800 000 Leistungsbezieher länger als zwölf Monate als arbeitssuchend gemeldet und damit 100 000 weniger als vor einem Jahr, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt.” “Von dem seit Monaten anhaltenden Job-Boom haben nach Angaben von BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt auch Langzeitarbeitslose profitiert.Ihre Zahl sei binnen Jahresfrist um 100 000 auf 800 000 gesunken.”
    Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im IT-Fachverfahren der BA insgesamt 898.612 Langzeitarbeitslose im Oktober 2010 registriert – ohne (!) die auch fast sechs Jahre nach Inkrafttreten des SGB II (Hartz IV) immer noch nicht erfassten Langzeitarbeitslosen in der Zuständigkeit der sog. optierenden Kommunen (zugelassene kommunale Träger – zkT). Und dies waren (immer ohne die zkT) lediglich 9.657 Langzeitarbeitslose weniger als ein Jahr zuvor (Oktober 2009).
    Quelle der in diversen Zeitungen (Online) verbreiteten (falschen) Meldung über die registrierten Langzeitarbeitslosen:
    Eine von dpa gemeldete Aussage des BA-Vorstandsmitglieds Heinrich Alt auf der (monatlichen) Pressekonferenz der Bundesagentur für Arbeit (BA) am 28. Oktober 2010.
    dpa teilte dem Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) dazu auf Anfrage per eMail mit: Die in unserer Meldung genannte Veränderung der Langzeitarbeitslosigkeit beruht auf Angaben des Bundesagentur-Vorstandsmitglieds Heinrich Alt während der jüngsten Arbeitsmarkt-Pressekonferenz am 28. Oktober in Nürnberg. „Auf Rückfragen hat die Sprecherin von Herrn Alt inzwischen eingeräumt, dass die von Herrn Alt genannte Zahl unkorrekt ist. Ursache sei ein Versprecher.
    Herr Alt habe einen Dreijahresvergleich gemeint, aus Versehen aber von einem Vorjahresvergleich gesprochen.“ dpa bedauert diesen Fehler und will „diese Angaben in geeigneter Weise korrigieren und die Meldung im dpa-Archiv sperren.“
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ) [PDF – 135 KB]

    Anmerkung WL: Haben Sie irgendwo gelesen, dass diese Meldung – die ja weit verbreitet wurde – und die auch Ministerin von der Leyen ständig im Munde führt, korrigiert wurde?

  6. Gerhard Bosch: Arbeit ist mehr als ein Kostenfaktor
    Seit vielen Jahren benotet die Weltbank die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern. Dieses Jahr sieht sie Deutschland auf Platz 25 von 183 Ländern.
    Nehmen wir den Arbeitsmarkt, der mit einem Zehntel in den Gesamtindikator eingeht. Die Weltbank stuft die Flexibilität des deutschen Arbeitsmarktes auf Platz 158 ein, weit hinter Afghanistan, Haiti, Kasachstan, Tschad oder dem Kosovo. Wie kommt es zu so absurden Einstufungen, wo doch gerade weltweit das deutsche Jobwunder gelobt wird?
    In den Arbeitsmarktindikator gehen gesetzlichen Regelungen zu Mindestlöhnen, Kündigungsschutz oder Abfindungen ein. Alles, was Kosten verursacht, etwa bezahlter Urlaub, Kündigungsfristen, Höchstarbeitszeiten pro Woche oder Abfindungsansprüche, wird negativ bewertet. Das Leitbild ist also eine Wirtschaft, in der man ohne Kosten heuern und feuern und Löhne und Arbeitszeit ohne Begrenzungen festlegen kann. Arbeit wird nur als Kostenfaktor betrachtet.
    Mit einem solchen Leitbild wird man eine moderne Wirtschaft nicht für den internationalen Wettbewerb rüsten können. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren der deutschen Exportindustrie sind neben ihrer Innovationsfähigkeit die hohe Qualifikation, Motivation und Flexibilität ihrer Facharbeiter.
    Im Tausch für gute Leistung müssen die Unternehmen also gute Löhne zahlen und sichere Stellen bieten. Wirtschaftliche Effizienz und soziale Sicherheit sind keine Gegensätze, sondern hängen eng zusammen. Die Forschung hat dies vielfach belegt. Notwendig wären Arbeitsmarktindikatoren, die das Verhältnis von Leistung und Kosten messen.
    Sind die Argumente der Weltbank so abwegig, dass man sie ignorieren kann? Das geht leider nicht, da sie Politik bestimmen. Die kostenorientierte Sichtweise prägt die Politik der Weltbank und auch die des Internationalen Währungsfonds. Länder, die Kredite benötigen, werden gezwungen, ihre Arbeitsmärkte zu deregulieren, was ihnen in der Regel aber nicht hilft. So ist etwa die Bereitschaft, im Kosovo zu investieren, trotz der Arbeitsmarktliberalisierung sehr überschaubar.
    Quelle: Der Westen
  7. Sanktionen setzen Erwerbslose extrem unter Druck
    Bei unserer Erhebung waren insgesamt 43,2 Prozent von Kürzungen betroffen, von den befragten Migranten waren es sogar mehr als die Hälfte. Frauen werden leicht überdurchschnittlich bestraft, und Menschen mit höherem Bildungsabschluß erleben seltener Kürzungen…
    Häufig geht es um Melde- und Terminversäumnisse oder um mangelnde Mitwirkung an oder die Weigerung zur Teilnahme an bestimmten Arbeits- und Schulungsangeboten. Viele Qualifizierungsmaßnahmen sind einfach völlig sinnfrei und bieten keinerlei Perspektive.
    Kürzungen werden auch dann fällig, wenn nur 16 statt der geforderten 20 Bewerbungen pro Monat nachgewiesen werden oder ein Arbeits- oder Scheidungspapier nicht fristgerecht beigebracht wird.
    Für eine große Zahl von Menschen ist einfach keine Arbeit vorhanden. Viele Langzeitarbeitslose kommen bestenfalls noch auf dem grauen Arbeitsmarkt mit Ein-Euro-Jobs oder Nebenjobs unter. Auf keinen Fall taugen die Maßnahmen der Argen dazu, in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Ihr Nutzen besteht vor allem darin, daß sich mit ihnen die Arbeitslosenzahlen aufhübschen lassen.
    Quelle: junge Welt
  8. Beschäftigtendatenschutz: Verstöße in jedem siebten Betrieb
    Zahlreiche Betriebe missachten den Anspruch ihrer Beschäftigten auf Datenschutz: Jeder siebte Betriebsrat berichtet von Verstößen gegen geltende gesetzliche Vorschriften. Das ergibt die neue Betriebsrätebefragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.
    “Datenschutz, oder vielmehr dessen Missachtung, ist kein exklusives Problem einiger weniger Unternehmen”, betont Dr. Martin Behrens, WSI-Experte für industrielle Beziehungen, der die Befragung ausgewertet hat. 14 Prozent der knapp 2000 repräsentativ befragten Arbeitnehmervertreter berichteten von rechtswidrigem Umgang mit Informationen über die Beschäftigten. Die tatsächliche Quote in der gesamten deutschen Wirtschaft dürfte sogar noch darüber liegen, sagt der WSI-Forscher: Betriebsräte erfahren nicht von jedem Fall. Kleine Betriebe unter 20 Beschäftigten und Betriebe ohne Arbeitnehmervertretung werden von der Studie nicht erfasst.
    Der Forscher wertet Datenschutz-Probleme als Symptom für schlechte Unternehmensführung. “Es fällt auf, dass die Missachtung von Datenschutzvorschriften häufig gemeinsam mit weiteren Problemen der betrieblichen Sozialordnung auftritt”, so Behrens. “Immer wenn Betriebsräte angeben, dass ihre Mitwirkungsrechte durch das Management behindert, Tarifstandards unterlaufen werden und das Betriebsklima schlechter geworden ist, steigt die Wahrscheinlichkeit der Probleme mit dem Datenschutz.”
    Quelle: Böckler Impuls
  9. Nochmals „Staatsschulden als permanente Einnahmequelle
    Zu diesem Beitrag von gestern machte unser Leser E.H. folgende Anmerkung:
    Die Abhandlung von Prof. Helmedag wurde schon einmal auf den NDS präsentiert und schon damals hatte ich eine kurze Erwiderung parat. Allerdings nicht weggeschickt.
    Ich habe eine Modellphobie, das gebe ich unumwunden zu. Besonders schlimme Ätzungen an meinen Nervenzellen bekomme ich, wenn man aus Modellen nur das herausliest, was einem gerade passt und das wesentlich Wichtigere nicht erwähnt. An dieser Modellinterpretation stört mich das Wort „permanent“ in der wahrheitswidrigen Überschrift und folgender Abschnitt auf der Seite 614: „Der Ausdruck (6) wartet mit einer frohen Botschaft auf: Solange die nominale Wachstumsrate g größer als der Zins(-und Tilgungs)satz ist, kann der Staat dem Bürger mehr an Leistungen bieten, als er ihnen in Form von Steuern abverlangt, ohne dass dies mit einem Anstieg der Schuldenquote einhergeht. Gegebenenfalls kann sie sogar gesenkt werden. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verschließt sich dieser Erkenntnis nicht: „Übersteigt die Wachstumsrate den Zinssatz, ist […] eine Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben wohlfahrtserhöhend.“5 Leider hat sich diese Einsicht weder herumgesprochen, noch wurden daraus die richtigen Konsequenzen gezogen.“
    Der Ausdruck (6) wartet selbstverständlich auch mit einer – unterschlagenen – negativen Botschaft auf – die dann eintritt, wenn die nominale Wachstumsrate kleiner als der jährliche Zinssatz ist. Und das war bis zur Finanzkrise ab 2007 der Normalzustand. Dann steigen nicht nur die Staatsschulden schneller an, sondern die Spielräume für soziale Ausgaben werden noch geringer als sie früher und heute schon sind. Und dies verschweigt uns der Herr Professor. Was nützen neue, hohe Schuldenberge, die heute aufgrund der Modellrechnung angehäuft werden, wenn übermorgen die Zinssätze hochschnellen und bald über der nominalen Wachstumsrate liegen? Zinssätze sind beweglicher als ungetilgte Staatsschulden. Fußballer wissen, was ein Eigentor ist.
    Einfacher ausgedrückt: Selbstverständlich muss ein Staat Schulden machen, weil er die einzige Institution ist, die gezielt und ohne Gewinnabsicht investieren kann, wenn die Wirtschaft schwächelt. Ein Staat muss aber von höheren (Steuer)Einnahmen in einer anschließenden Konjunkturerholung profitieren. Es macht auf Dauer keinen Sinn, wenn er unentwegt, also in jeder, auch in angenehmeren Konjunkturphasen, den Schwarzen Schuldenmacher-Peter zugeschoben bekommt. Das macht ihn in der Zukunft handlungsunfähig(er).
    Überspitzt formuliert ist nach dem Modell das ‘Steuern erheben’ nicht entscheidend. Lasst uns Schulden machen, denn der Staat profitiert permanent davon. Die Interpretation dieses Modells soll wohl ablenken von einer fairen und ausgewogenen Steuereinnahmedebatte. 
    Und am einfachsten ausgedrückt: Schlagen wir nach bei Keynes – und so sollten es die Politiker machen, wenn sie verantwortungsbewusst wären.
    (Mein Kommentar bezieht sich ausschließlich auf das ‘Chemnitzer Modell’ und nicht auf die richtigen Äußerungen von Flassbeck.)
  10. Immer mehr Jugendliche nehmen sich das Leben
    Die Zahl der Freitode bei Jugendlichen ist nach Jahren des Rückgangs wieder gestiegen. Die Zukunft sei für sie unabwägbar und kaum noch kalkulierbar, sagt ein Psychologe.
    Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilt, nahm sich 2008 mehr als jeder siebte gestorbene Jugendliche in Deutschland selbst das Leben. Insgesamt starben 1325 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren, 210 von ihnen töteten sich selbst. 2007 waren es 196.
    „Viele Kinder haben Zukunftsängste“, sagt der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut Ulrich Müller aus Fulda. „Es hat den Anschein, dass es eine Krise nach der anderen gibt.“… Außerdem fehle es den Jugendlichen an Spielräumen, weil ihre Freizeit wegen des größeren Drucks in der Schule kürzer werde.
    Quelle: FR
  11. Regierung Berlusconi will Stipendiengelder kürzen
    Nach den Hochschulen müssen nun die Studierenden dran glauben: Das italienische Bildungsministerium kürzt die Stipendiengelder von 99 Millionen auf 25 Millionen Euro – dabei wird die Zahl der Empfangsberechtigten der “borse di studio” immer größer…
    184.000 Studierende haben derzeit das Recht auf ein solches Stipendium. Der Staat stellte für sie im vergangenen Jahr 246 Millionen Euro zur Verfügung. Je nach Region hat ein Stipendium eine Höhe von 1000 bis 2000 Euro im Monat; je nachdem, in welcher teuren oder weniger teuren Stadt sich eine Universität befindet. Mit diesem Geld kommen die betroffenen Studierenden für Studiengebühren, eine Unterkunft und Studienmaterialen auf…
    In diesem Jahr sind die staatlichen Ausgaben für Stipendien um 147 auf nur noch 99 Millionen Euro zusammengestrichen worden. Für das kommende Jahr sind lediglich 26 Millionen Euro vorgesehen. Studierende und ihre Eltern gehen jetzt auf die Barrikaden. Es wird demonstriert.
    Quelle: DLF
  12. Studiengebühren in Großbritannien sollen drastisch steigen
    Die Studiengebühren in Großbritannien werden ab 2012 drastisch erhöht. Der Staatsminister für die Universitäten, Willetts, sagte in London, dann sollten die Hochschulen jährlich bis zu 6.000, in besonderen Fällen auch bis zu 9.000 Pfund von jedem Studierenden verlangen können. Bisher sind es knapp 3.300 Pfund. Die geplante Erhöhung der Gebühren, für die noch die Zustimmung des Parlaments nötig ist, steht in Zusammenhang mit dem Sparkurs der Regierung im Bildungshaushalt.
    Quelle: DLF

    Anmerkung WL: Studiengebühren haben die kurzfristige Wirkung einer Droge, die – erst einmal eingeführt – nach einer ständigen Erhöhung der Dosis verlangt. In Großbritannien wurden sie schon dreimal erhöht, viermal in Zürich, verdoppelt in Australien, selbst im klassischen Gebührenland wurden die Gebühren gab es in den letzten Jahren einen Zuwachs von 50%.
    Würde der Widerstand gegen Studiengebühren in Deutschland nachlassen, so wären wir auch hier in diese Drogenabhängigkeit.

  13. Das Versagen der Eliten bei Anne Will
    Anne Will fragte, warum die Menschen zu Tausenden auf die Straße gehen in Stuttgart und im Wendland. Die Antwort ist erschreckend und einfach zugleich.
    Auf gewisse Weise bekam man in der Sendung auch eine Antwort, allerdings hatten die nicht Hans-Christian Ströbele (Grüne), Martin Lindner (FDP), die Autoren Thea Dorn und Frank Schätzing, Akademie der Künste-Präsident Klaus Staeck, der Architekt Meinhard von Gerkan und am wenigsten wohl Anne Will parat.
    Man musste die Fragen schon selbst beantworten, und nach einer langen Stunde wusste man: Das liegt nicht an den Projekten und natürlich auch nicht an einem ängstlichen, zaghaften Volk sondern an den Eliten selbst. Ihnen ist in den vergangenen Jahren das Vertrauen abhanden gekommen, die Menschen glauben ihnen nicht, sie versagen auf ganzer Linie.
    So auch an diesem Sonntagabend. Nebenbei erklärte die Sendung zudem den momentanen Höhenflug der Grünen, war Ströbele doch der einzige in der Runde, dem man abnahm, dass er aus innerer Überzeugung zu seiner Meinung gekommen ist, so absurd sie auch in manchen Fällen scheinen mag.
    Lindner glaubt nicht, was er sagt, sondern versucht lediglich, das andere Lager anzugreifen.
    Zum Beispiel Meinhard von Gerkan. Ein Mann mit zig Großprojekten, der an diesem Abend vom Bau einer Stadt für 800.000 Menschen in China erzählte, und wie einfach die Umsetzung des Projekts gewesen sei, zigmal länger hätte so etwas in Deutschland gedauert, sagte er.
    Zwar blieb nicht unerwähnt, dass China eine Diktatur ist die „ohne Rücksicht auf Verluste“ (von Gerkan) solch ein Projekt umsetzt, aber richtig aufgeregt hat sich in der Runde niemand darüber.
    Quelle: Welt Online
  14. Mitarbeiterbefragung bei RTL: “Ein Klima der Einschüchterung und Angst”
    Zu wenig Lohn, zu wenig Respekt, zu wenig Sicherheit: Eine Mitarbeiterbefragung unter Journalisten zeichnet nach SPIEGEL-Informationen  ein düsteres Bild von den Arbeitsbedingungen bei RTL und n-tv. RTL-Chefin Anke Schäferkordt will dagegen vom Unmut in ihrem Haus nichts wissen.
    In der Mitarbeiterumfrage mochte jeder vierte infoNetwork-Mitarbeiter nicht der Aussage zustimmen, dass er von seinem Vorgesetzten mit Respekt behandelt wird…. Zwar schätzten in der Umfrage gute 71 Prozent die Aussichten des Unternehmens optimistisch ein. Den eigenen Arbeitsplatz halten jedoch nur knapp 38 Prozent für sicher. Tatsächlich hat nur jeder Zweite bei infoNetwork einen festen unbefristeten Vertrag.
    Michael Klehm, der für den Deutschen Journalisten-Verband die RTL-Journalisten betreut, sagt dagegen: “Früher gab es bei RTL ein Family-Feeling. Heute herrscht ein Klima der Einschüchterung und Angst.”
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: RTL gehört übrigens zum Bertelsmann-Konzern, der doch angeblich sonst auf seine korporatistische Unternehmenskultur so großen Wert legt.

  15. Zu guter Letzt: Lobbyismus für Dummies
    Quelle: NDR Extra 3

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