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Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: „Beschäftigtungswunder“, Merkel und der EU-Gipfel, Großbritanniens Blamage, jahrzehntelange Atomgefahr, Berliner Wassertisch, Guttenberg, Ermittlungen gegen Klaus Ernst eingestellt, Stuttgart 21, Riester-Rente, Steuerparadies Deutschland, Korruption, Jugendgewalt, Nahost-Konflikt, Absagen für FH-Studenten, zu guter Letzt. (RS/WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. „Beschäftigungswunder“
  2. Angela Merkel und der EU-Gipfel – Europas Übermutter / Kommentar von Stefan Cornelius
  3. J. Bradford DeLong: Großbritanniens Blamage
  4. Jahrzehntelange Atomgefahr
  5. 265.400 Unterschriften abgegeben – Zweite Stufe erfolgreich
  6. Böses Erwachen mit Guttenberg
  7. Ermittlungen gegen Linke-Chef Ernst eingestellt
  8. Stuttgart 21 und das Demokratieverständnis
  9. Das Labor von Stuttgart / Ralf Fücks
  10. Riester-Renten-Atlas: Wo die Deutschen Geld verschenken
  11. Steuerparadies Deutschland
  12. Bilfinger Berger: Feine Unterschiede der Korruption
  13. Jugendgewalt in Europa Muslimische Jugendliche nicht gewalttätiger
  14. Nahost-Konflikt : Debatte im Schulbuch – Wer will schon Frieden
  15. Absagen für FH-Studenten: “Wir danken für Ihr Interesse an einem Studium”
  16. Zu guter Letzt: Bilanz von Pispers zu “schwarz-Gelb”:

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. „Beschäftigungswunder“
    1. Die beste Arbeitsmarkt-Nachricht seit 20 Jahren
      „Wir werden in diesem Monat die Drei-Millionen-Grenze bei den Arbeitslosen knacken – und das nicht zu knapp. Das ist der geringste Stand seit 20 Jahren!“, verkündet Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in BILD am SONNTAG. Und fügt hinzu: „Das ist ein sensationeller Erfolg der Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel.“
      Quelle: Bild.de

      Anmerkung WL: Selbst nach der Statistik der Bundesagentur suchen allerdings immer noch rund 4,5 Millionen Menschen nach einem bezahlten Arbeitsplatz.
      Dass von der Leyen einen Tag vor der offiziellen Vorstellung der Arbeitsmarktdaten durch die Bundesagentur für Arbeit an die Öffentlichkeit geht, belegt, dass es ihr vor allem um Eigenwerbung und nicht um die Probleme der Arbeitslosen und des Arbeitsmarktes geht.

      Anmerkung B.M.: Anmerkung: Jetzt jubeln sie wieder. Darüber, dass sie die Zahlen richtig getrimmt haben. Jauchzen und Frohlocken sind angesagt. Neoliberale Arbeitsmarktpolitiker und die zugehörige Wirtschaft verbreiten mit Hilfe der willfährigen Medien die frohe Botschaft. Doch was hat sich grundlegend geändert? Nichts! Der Aufschwung erreicht alle? Wo? Sprechblasen werden verbreitet, alles Ablenkmanöver von der unverfrorenen Klientelpolitik der Regierenden! Ein Job-Wunder? Normale Menschen werden wegen harmloserer Dauerverbreitung von Lügen in die Psychiatrie eingeliefert. Job-Wunder, Job-Boom? Ältere Arbeitslose sind die Gewinner am Arbeitsmarkt?! Wir werden wieder erleben, dass die Main-Stream-Medien unisono dieselben Nebelkerzen verbreiten, ungebremst, ungehemmt, unverschämt!

    2. Fremde Federn
      Diese Regierung kann nichts für die Beschäftigungsgewinne. Am Arbeitsmarkt hat sie so gut wie nichts bewegt. Ihre wichtigsten Reformen, die Umorganisation der Jobcenter und die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze, hat das Bundesverfassungsgericht erzwungen. Als größte arbeitsmarktpolitische Leistung muss die Entscheidung gelten, das verbesserte Kurzarbeitergeld zu verlängern und so die Erfolgsgeschichte der großen Koalition fortzuschreiben.
      Auch am konjunkturellen Aufschwung ist Schwarz-Gelb schuldlos. Die entscheidenden Anstöße kamen durch den Boom der Exporte ins europäische Ausland sowie nach China, Brasilien und anderen Schwellenländern. Zudem stützten die oft verkannten Konjunkturprogramme inklusive der großen Steuersenkungen, die auf das Konto von Schwarz-Rot gehen.
      Mit knapp drei Millionen Arbeitslosen ist die Bundesrepublik von Vollbeschäftigung weit entfernt. Auf dem Weg zurück zu diesem traumhaften Zustand hat sie den ersten, leichtesten Teil der Strecke zurückgelegt. Es bleiben gewaltige soziale Probleme. Der Niedriglohnsektor grassiert, die Langzeitarbeitslosigkeit drückt die Menschen in die Armut. Die Spaltung der Gesellschaft schreitet voran…
      Mehr denn je kommt es auch, aber nicht allein darauf an, Beschäftigung zu schaffen. Eine Gesellschaft mit dieser starken Basis kann es sich leisten, die Ausgeschlossenen und Abgehängten mitzunehmen. Sie kann mit Mindestlöhnen und einem gezielten Ausgleich durch einen kraftvollen Sozialstaat dafür sorgen, dass sich der Wohlstand gerechter verteilt. Das ist angesichts des demografischen Wandels auch ein ökonomischer Imperativ. Die Politik hat die Chance, den alten Satz endlich wieder mit Leben zu füllen: In diesem Land wird jeder gebraucht.
      Quelle: FR
    3. DGB: Langzeibarbeitslose profitieren nicht
      Die Arbeitslosigkeit wird durch das schrumpfende Angebot an Berufstätigen reduziert. Wegen der geburtenschwachen Jahrgänge wird der Arbeitsmarkt um rund 200.000 Leute jährlich entlastet. Immer noch sind nach der offiziellen Statistik der Bundesagentur rund 4,5 Millionen Menschen auf der Suche nach einem regulären Arbeitsplatz (…).
      Gut zwei Drittel der Arbeitslosen sind bereits auf Hartz IV angewiesen. Die Sicherungslücken bei Verlust des Arbeitsplatzes werden immer größer. Ein Viertel derjenigen, die ihren Job auf dem ersten Arbeitsmarkt verlieren, landen direkt im Hartz-IV-System, weil sie zu kurz oder gar nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren (…)
      Die konjunkturelle Erholung geht an den Langzeitarbeitslosen vorbei und die Arbeitslosigkeit der Älteren sowie der Menschen mit Behinderung liegt immer noch über Vorjahresniveau…
      Die Arbeitslosenversicherung und ihre Beitragszahler werden mit den arbeitsmarktpolitischen Krisenfolgen alleingelassen. Die geplanten Kürzungen in der Arbeitsförderung sind massiv. Trotz Fachkräftebedarf werden etwa 100.000 Menschen in beiden Systemen weniger gefördert werden können. Allein in der Arbeitslosenversicherung sollen 1,5 Milliarden gestrichen werden. Der Bund stiehlt sich wieder einmal aus der arbeitsmarktpolitischen Verantwortung Die Weiterbildungschancen werden sinken, Langzeitarbeitslosigkeit und Armut deutlich steigen.
      Quelle: FR
    4. Arbeitslosenzahl fällt unter die Drei-Millionen-Marke
      Von der Leyen spricht von “großem Erfolg”
      Die Zahl der Arbeitslosen ist nach Angaben der Bundesregierung im Oktober auf 2,945 Millionen gesunken. Das teilte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch in Berlin mit. Die Ministerin sprach von einem “großen Erfolg”. Dies sei der niedrigste Wert seit 1991, so von der Leyen weiter.
      Quelle: Heute.de

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: Und täglich grüßt … nein, nicht das Murmeltier, sondern das von der schwarz-gelben Bundesregierung und nahezu allen Mainstreammedien mit Penetranz zelebrierte “Jobwunder”-Ritual. Ursula von der Leyen versucht, Lobes-Lorbeeren einzuheimsen und streut “frohe Kunde” vom Arbeitsmarkt unters Wahlvolk: Sie verkündet im Vorgriff auf BA-Chef Weise das (auch jahrezeitlich mitbedingte) Sinken der offiziell gemeldeten Arbeitslosigkeit knapp unter die 3-Millionen-Marke.

      Die massiven statistischen Schönfärbereien, welche die offizielle Arbeitslosenstatistik in den vergangenen 15 Jahren mehr und mehr zu einer Verschleierungs- und Täuschungsstatistik verkommen ließen, werden von der Bundesministerin und nahezu allen Mainstreammedien unter den Teppich gekehrt. Gleiches gilt für das weitgehende Ausblenden der drastischen Qualitätsverschlechterung der Beschäftigungsverhältnisse: Teilzeitarbeit, Minijobs, 1-Euro-Jobs, Leiharbeitsplätze, befristete Arbeitsverhältnisse. So resultiert auch die aktuelle Beschäftigungszunahme im Vergleich zum Vorjahr nahezu ausschließlich aus dem Anstieg der zumeist prekären Leih- und Teilzeitarbeit.

      An Unseriösität kaum noch zu überbieten ist von der Leyens Behauptung, bei der von ihr verkündeten Oktober-Arbeitslosigkeit handele es sich um den “niedrigsten Wert seit 1991”. Hierzu schreibt die Junge Welt unter der Überschrift “Falsche Prognose”

      Was ist aber tatsächlich los auf dem Arbeitsmarkt? Die Zahl der von den Beschäftigten abgeleisteten Arbeitsstunden ist von 52 (1991) auf 48 Milliarden Stunden (2008, dem Jahr vor dem Abschwung) gesunken. Das ist ein Rückgang von 7,7 Prozent. In derselben Zeit ist die Zahl der Beschäftigten von 35,1 auf 35,9 Millionen, das heißt um zwei Prozent, gestiegen. Das wirkt sich günstig auf die Statistik aus. (…)
      Also suchen nur 3,188 Millionen Menschen eine Arbeit (Stand der registrierten Arbeitslosigkeit im August) und demnächst noch weniger? Wenn man richtig rechnet, sind es nicht 3,188, sondern 4,330 Millionen. Diese Differenz von rund 1,1 Millionen setzt sich zusammen aus denen, die arbeitslos, älter als 58 sind und ALGI beziehen (0,35 Millionen), aus den Ein-Euro-Jobbern (0,32 Millionen), den Menschen in beruflicher Weiterbildung (0,19 Millionen) und denen in Eingliederungsmaßnahmen (0,2 Millionen). Im vergangenen Juni teilt das Statistische Bundesamt mit, daß 8,6 Millionen Menschen eine Arbeit suchen. 3,2 Millionen sind registrierte Erwerbslose, 1,2 Millionen gehören zur »Stillen Reserve« (die sind nirgendwo gelistet, suchen aber dennoch eine Stelle). Weitere 4,2 Millionen haben eine Arbeit, die aber nicht zum Leben reicht. Der größte Teil davon ist teilzeitbeschäftigt, ein anderer Teil ist zwar vollzeitbeschäftigt, aber das Einkommen reicht nicht aus. Sie alle suchen eine zusätzliche Beschäftigung. Nicht eingerechnet in diese Zahl von 8,6 Millionen sind all diejenigen, die aus der registrierten Arbeitslosigkeit herausgerechnet wurden, also die Differenz zwischen 4,330 und 3,118 Millionen. Das macht weitere 1,1 Millionen Leute. Es ist also ein Schmarren, wenn von knapp 3,2 Millionen Arbeitslosen die Rede ist. Die »Stille Reserve«, die Leute im Ein-Euro-Job, sind überhaupt nicht beschäftigt und suchen nach Arbeit, die anderen haben zwar eine Arbeit, so Teilzeit, können davon aber nicht leben. Auf der Suche nach Arbeit sind also, wenngleich aus recht unterschiedlichen Ausgangslagen, insgesamt 9,7 Millionen Menschen.

      Anmerkung G.K: Autor des Junge Welt-Beitrages ist Herbert Schui. Herbert Schui ist Mitglied des Bundestages für Die Linke. Er war zuvor Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Er ist Mitbegründer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.

    5. Job-Wunder mit Schattenseite
      Der Aufschwung am Arbeitsmarkt verdeckt Probleme, die durch demographischen Wandel entstehen
      Quelle: Heute.de

      Anmerkung RS: Hier ist alles drin: Job-Wunder, Demographie, Arbeitsmarktflexibilität (= weniger Kündigungsschutz), Fachkräftemangel – ein gelungenes Propagandastück!

  2. Angela Merkel und der EU-Gipfel – Europas Übermutter / Kommentar von Stefan Cornelius
    Die Kanzlerin wird ihre Vertragsänderungen bekommen, weil es wohl anders gar nicht geht.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Volker Bahl: Zuerst vergeigt sie alles und holt die Spekulation in die Euro-Zone durch ihr ökonomisches Unverständnis (siehe Robert von Heusinger im “Parlament”) und dann zwingt sie den dadurch enorm geschädigten Ländern auch noch einen ökonomisch falschen Stabilitätspakt durch Vertragsänderungen auf . Oh, gibt es denn niemend , der diesem ökonomischen Schwachsinn aus Deutschland Einhalt gebietet – aber eine Weile werden die Chinesen wohl – aus purem Eigeninteresse – noch den Euro retten (R.v.H.)

  3. J. Bradford DeLong: Großbritanniens Blamage
    Ende 2008, als die Finanzkrise mit voller Kraft zuschlug, teilten sich die Länder der Welt in zwei Gruppen auf: diejenigen, deren Politiker entschieden, sich durchzuwursteln, und China. Nur die Chinesen nahmen Milton Friedmans und John Maynard Keynes Argument ernst, dass man bei der Möglichkeit einer Depression als Erstes mithilfe des Staats strategisch auf den Produkt- und Finanzmärkten eingreifen sollte, um den Fluss der Gesamtnachfrage aufrechtzuerhalten.
    Dann, Anfang 2010, teilten sich die Länder, die sich durchgewurstelt hatten, in zwei Gruppen auf: Diejenigen, deren staatliche Kreditwürdigkeit unbeeinträchtigt blieb, wurstelten sich weiter durch, während Länder wie Griechenland und Irland, deren staatliche Kreditwürdigkeit Schaden nahm, keine andere Wahl hatten, als einen Sparkurs einzuschlagen und zu versuchen, das fiskalische Vertrauen wiederherzustellen.
    Quelle: Project-Syndicate

    Anmerkung RS: Eine Abrechnung mit dem Austeritäts-Dogma.

  4. Jahrzehntelange Atomgefahr
    Als eine „undemokratische, skandalöse Fehlentscheidung“ bezeichnet die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW den für morgen erwarteten Bundestagsbeschluss über die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke. „Die Entscheidung ist zutiefst undemokratisch, weil die Bevölkerung mehrheitlich strikt dagegen ist, weil sie gegenüber den Bundestagsabgeordneten nur per Fraktionszwang durchgesetzt werden kann, weil das Gesetzgebungsverfahren ohne die Beteiligung des Bundesrates verfassungswidrig ist und weil aller Erfahrung nach die Atomindustrie beteiligte Spitzenpolitiker für ihre Dienste später reich belohnen wird“, kritisiert IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz.
    Quelle: IPPNV
  5. 265.400 Unterschriften abgegeben – Zweite Stufe erfolgreich
    Mit der Übergabe mehrerer zehntausend Unterschriften am Mittwoch, 27.10.2010, an die Landeswahlleiterin Dr. Petra Michaelis-Merzbach hat sich die Zahl der bislang gesammelten Unterschriften auf 265.400 erhöht. Damit ist die Mindestzahl von 172.000 Unterschriften weit überschritten, selbst unter Einbeziehung der ungültigen. Der Wassertisch bedankt sich bei allen Berlinerinnen und Berlinern, die dieses hervorragende Ergebnis ermöglichten. „Der Arbeitsauftrag an den Senat und an alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus ist eindeutig und unmissverständlich: Wir Berliner fordern die kostengünstige, verbraucherfreundliche und bürgernahe Rekommunalisierung. Gewinne – ganz gleich ob privat oder öffentlich – haben weder in der Wasserversorgung noch in der öffentlichen Daseinsvorsorge etwas verloren“, heißt es in der Pressemitteilung des Wassertischs.
    Quelle: Berliner Wassertisch
  6. Böses Erwachen mit Guttenberg
    Nichts, was noch nicht gesagt worden wäre über Karl-Theodor zu Guttenberg? Nun ja – das stimmt, wenn wir über Personality-Storys reden. Aber für alle Begeisterten hier ein kleiner Hinweis: Der Mann ist Politiker – Zeit, vor ihm zu warnen.
    Quelle: Stephan Hebel.Blog
  7. Ermittlungen gegen Linke-Chef Ernst eingestellt
    Ernst war vorgeworfen worden, die Kosten für Flüge zu Unrecht über den Bundestag abgerechnet zu haben. Doch das konnte er widerlegen.
    Quelle: Die Welt

    Anmerkung RS: Erst wochenlang hetzen, dann einfach sagen, „upps, das war wohl nichts“. Die Hetze bleibt aber in Erinnerung, also Kampagne erfolgreich!

  8. Stuttgart 21 und das Demokratieverständnis

    Unser Leser M.G. macht uns auf folgendes aufmerksam:

    Mappus, der ja seit einigen Monaten mit vehementen Protesten gegen Stuttgart 21 zu kämpfen hat, war neulich auf ner Dienstreise durch Saudi-Arabien. Der Pforzheimer Zeitung)ist zu entnehmen, dass er dabei folgendes verlautbart hat: “Wir bewundern, mit welcher Schnelligkeit sie Projekte angehen und realisieren”

    Und warum Projekte in Saudi-Arabien so schnell angegangen und realisiert werden, liegt auf der Hand. Saudi-Arabien ist eine brutale Diktatur! Menschenrechte und Meinungsfreiheit werden dort mit Füßen getreten! Im Länderbericht zu Saudi-Arabien ist bei Amnesty International Folgendes zu lesen:

    Tausende von Menschen waren auch im Jahr 2008 ohne Gerichtsverfahren unter Terrorismusverdacht inhaftiert, Hunderte weitere wurden festgenommen. Im Oktober teilte die Regierung mit, dass mehr als 900 Angeklagte vor Gericht gestellt werden sollen. Menschenrechtsverteidiger und Regierungskritiker, die sich friedlich für politische Reformen eingesetzt hatten, wurden inhaftiert oder befanden sich nach wie vor in Gewahrsam, darunter auch gewaltlose politische Gefangene. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit blieben stark eingeschränkt. Frauen litten weiterhin unter schweren Diskriminierungen, sowohl vor dem Gesetz als auch im täglichen Leben. Arbeitsmigranten litten unter Ausbeutung und Missbrauch und hatten kaum Möglichkeiten, ihre Rechte einzuklagen. Flüchtlingen und Asylsuchenden wurde kein hinreichender Schutz gewährt. Das Strafrechtssystem war weiterhin von Geheimhaltung und Willkür geprägt. Systematische Folterungen und Misshandlungen von Gefangenen waren weit verbreitet, und die Täter gingen straffrei aus. Auspeitschungen wurden auch im Berichtsjahr häufig als Haupt- oder Zusatzstrafe verhängt. Die Todesstrafe wurde weiterhin sehr häufig angewandt und traf nach wie vor hauptsächlich Arme, darunter Arbeitsmigranten aus Asien und Afrika, sowie Frauen. Mindestens 102 Menschen wurden im Jahr 2008 hingerichtet.

    Das hätte Mappus wohl auch gerne, um Stuttgart 21 durchzuboxen!

    Ich hatte ja mal darauf hingewiesen, wie ungeheuerlich es ist, dass Mappus Saudi-Arabien huldigt. Nur wenigen Medien war das überhaupt eine Erwähnung wert:

    Ironischerweise berichtet BILD zwar auch aber keinen Hauch von Kritk, sondern im Gegenteil; die Überschrift ist schon ziemlich zynisch:

    Ministerpräsident Mappus in Saudi Arabien Scheich, mach’ uns reich!

    Die öffentliche Empörung bleibt aus, dass Mappus sich wohlwollend über eine brutale Diktatur geäußert hat.

    Siehe dazu auch:

  9. Das Labor von Stuttgart / Ralf Fücks
    Stuttgart 21 : Die Regierungen und Parlamente müssen lernen, dass sie nicht immer das letzte Wort haben. der Weg führt zu einer demokratie der Teilhabe.
    Quelle: TAZ
  10. Riester-Renten-Atlas: Wo die Deutschen Geld verschenken
    Der Staat stützt die Riester-Rente mit satten Zuschüssen – doch viele Bundesbürger verzichten auf die Finanzhilfe, insgesamt sind es knapp eine Milliarde Euro pro Jahr. Eine aktuelle Studie zeigt, wo die Bürger das meiste Geld verschenken.
    Quelle: Spiegel-Online

    Anmerkung Jens Berger: Die lieben Kollegen von SPON nennen zwar löblicherweise den Auftraggeber dieser “Studie” (Union Investment), unterlassen es aber – wie eigentlich immer – die Neutralität von Raffelhüschens Forschungszentrum Generationenverträge abzuwägen und geben die Riester-PR der Versicherungskonzerne 1:1 als redaktionellen Beitrag aus. Das ganze wird natürlich im “nutzerfreundlichen” Format eines Atlas präsentiert – das kennt man schon von der Bertelsmann Stiftung und der INSM.

    Ergänzende Anmerkung RS: Schon die Überschrift macht klar, dass es sich um Werbung handelt, denn es gibt inzwischen zahlreiche Studien, die deutlich zeigen, dass sich die Riester-Rente für die allermeisten nicht lohnt. Dennoch heißt es hier, „Nicht-Riestern“ ist gleich „Geldverschenken“.

  11. Steuerparadies Deutschland
    Während Hartz-IV-Bezieher damit rechnen müssen, dass Kontrolleure sogar in ihren Kühlschrank blicken, um potentiellen Missbrauch aufzudecken, dürfen Wohlhabende in Deutschland in puncto Steuerzahlungen mit einem rücksichtsvollen und nachlässigen Vorgehen des Staates rechnen – und dass, obwohl dem notleidenden Fiskus damit dreistellige Milliardensummen entgehen. Dabei offenbaren die Besserverdiener in Sachen Steuerhinterziehung olympischen Ehrgeiz und ungeahnte anarchistische Energien. Ein Interview mit Kim Otto, der sich mit seinem Kollegen Sascha Adamek für das Buch “Schön Reich – Steuern zahlen die anderen” investigativ dem Thema widmete.
    Quelle: Telepolis
  12. Bilfinger Berger: Feine Unterschiede der Korruption
    Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International kritisiert den geplanten Wechsel des Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch zu Bilfinger Berger. Denn der Konzern verdankt dem Politiker einen Millionen-Auftrag.
    Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International kritisiert den beabsichtigten Wechsel des ehemaligen Ministerpräsidenten Roland Koch zum Baukonzern Bilfinger Berger. „Wir fordern, dass Spitzenpolitiker für mindestens drei Jahre nicht in Positionen der Wirtschaft arbeiten, die zuvor in ihrem Verantwortungsbereich lagen“, sagte Transparency-Vorsitzende Edda Müller am Dienstag in Berlin.
    Der Baukonzern Bilfinger Berger hatte in Kochs-Regierungszeit einen 80-Millionen-Euro-Auftrag zum Bau der Nordwest-Landebahn am Frankfurter Flughafen erhalten. …
    Quelle: FR
  13. Jugendgewalt in Europa Muslimische Jugendliche nicht gewalttätiger
    Die Zugehörigkeit zum Islam führt einer EU-Studie zufolge bei Jugendlichen nicht zu einer höheren Gewaltbereitschaft. Vielmehr verleite Diskriminierung junge Menschen zu Gewalt.
    Die Zugehörigkeit zum Islam führt einer EU-Studie zufolge bei Jugendlichen nicht zu einer höheren Gewaltbereitschaft. Vielmehr verleite das Gefühl, diskrimiert zu werden, junge Menschen zu Gewalt, heißt es in einer Studie der EU-Grundrechteagentur, die am Mittwoch in Wien vorgestellt wurde.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  14. Nahost-Konflikt : Debatte im Schulbuch – Wer will schon Frieden
    Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer – und das soll auch so bleiben
    Quelle: SZ
  15. Absagen für FH-Studenten: “Wir danken für Ihr Interesse an einem Studium”
    Nach dem ersten Abschluss drängen auch viele FH-Absolventen für den Master an eine Universität – und dürfen in der Zulassung nicht benachteiligt werden. Einer Bremer Studentin passierte allerdings genau das, als sie sich an der FU Berlin bewarb. Schließen Universitäten FH-Studenten systematisch aus?

    Um einen Masterstudienplatz hatte sich Tina M. nie große Sorgen gemacht: Ihr Bachelor-Studium an der Hochschule Bremen im Fach Politikmanagement hat sie straff durchgezogen, die Note 1,4 steht in ihren Bewerbungen. Auslandsaufenthalte in Brasilien und den USA zieren ihren Lebenslauf. “Ich dachte, ich hätte die besten Aussichten.”

    Doch die FU Berlin erteilte der Bremer Studentin auf ihre Master-Bewerbung im Fach Politikwissenschaften eine Absage. Schon in der Vorrunde war M. ausgeschieden. Im Ablehnungsbescheid hieß es:

    Wir danken für Ihr Interesse an einem Studium an der FU Berlin. Leider können wir Ihren Antrag nicht berücksichtigen. Die Prüfung Ihrer vorgelegten Zeugnisse hat ergeben, dass Sie die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen.

    Die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt? M. verstand das nicht. Die FU Berlin legt genaue Punktzahlen fest, die ein Bachelor-Absolvent mitbringen muss und die brachte Tina M. auch mit. Wie sie fanden auch zwei Kommilitoninnen aus Bremer Tagen Absagen im Briefkasten. Sie wurde skeptisch und fragte nach. Eine Mitarbeiterin des Fachbereichs Politikwissenschaften antwortete ihr per E-Mail: “Ein an einer Fachhochschule abgeschlossener Bachelor-Studiengang ist nicht hinreichend für die Zulassung zum hiesigen Master.”
    Quelle: Spiegel-Online

    Anmerkung J. K.: Ein weiterer Beleg für das komplette Scheitern des Bachelor/Master-Systems. Die Aussage, dass es um eine größere Transparenz in der Hochschulausbildung und um die internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse gehe, sollte nun endgültig in das Reich des Baron von Münchhausen verwiesen werden. Mit der kompletten Umgestaltung der deutschen Hochschullandschaft auf das Bachelor/Master-System ging es nur darum ein Hochschulsystem zu schaffen, das an den Interessen der herrscheden Eliten ausgerichtet ist. Schaffung eines schnell und billig verwertbaren akademischen Proletariats in Gestalt des Bachelors explizit an den Fachhochschulen und auf der anderen Seite Abschlüsse die an Elitehochschulen einer privilegierten Minderheit vorbehalten bleiben sollen.

  16. Zu guter Letzt: Bilanz von Pispers zu “schwarz-Gelb”:
    Quelle: WDR2

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