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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 28. Oktober 2010 um 9:07 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: „Beschäftigtungswunder“, Merkel und der EU-Gipfel, Großbritanniens Blamage, jahrzehntelange Atomgefahr, Berliner Wassertisch, Guttenberg, Ermittlungen gegen Klaus Ernst eingestellt, Stuttgart 21, Riester-Rente, Steuerparadies Deutschland, Korruption, Jugendgewalt, Nahost-Konflikt, Absagen für FH-Studenten, zu guter Letzt. (RS/WL)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung WL: Selbst nach der Statistik der Bundesagentur suchen allerdings immer noch rund 4,5 Millionen Menschen nach einem bezahlten Arbeitsplatz.
Dass von der Leyen einen Tag vor der offiziellen Vorstellung der Arbeitsmarktdaten durch die Bundesagentur für Arbeit an die Öffentlichkeit geht, belegt, dass es ihr vor allem um Eigenwerbung und nicht um die Probleme der Arbeitslosen und des Arbeitsmarktes geht.
Anmerkung B.M.: Anmerkung: Jetzt jubeln sie wieder. Darüber, dass sie die Zahlen richtig getrimmt haben. Jauchzen und Frohlocken sind angesagt. Neoliberale Arbeitsmarktpolitiker und die zugehörige Wirtschaft verbreiten mit Hilfe der willfährigen Medien die frohe Botschaft. Doch was hat sich grundlegend geändert? Nichts! Der Aufschwung erreicht alle? Wo? Sprechblasen werden verbreitet, alles Ablenkmanöver von der unverfrorenen Klientelpolitik der Regierenden! Ein Job-Wunder? Normale Menschen werden wegen harmloserer Dauerverbreitung von Lügen in die Psychiatrie eingeliefert. Job-Wunder, Job-Boom? Ältere Arbeitslose sind die Gewinner am Arbeitsmarkt?! Wir werden wieder erleben, dass die Main-Stream-Medien unisono dieselben Nebelkerzen verbreiten, ungebremst, ungehemmt, unverschämt!
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Und täglich grüßt … nein, nicht das Murmeltier, sondern das von der schwarz-gelben Bundesregierung und nahezu allen Mainstreammedien mit Penetranz zelebrierte “Jobwunder”-Ritual. Ursula von der Leyen versucht, Lobes-Lorbeeren einzuheimsen und streut “frohe Kunde” vom Arbeitsmarkt unters Wahlvolk: Sie verkündet im Vorgriff auf BA-Chef Weise das (auch jahrezeitlich mitbedingte) Sinken der offiziell gemeldeten Arbeitslosigkeit knapp unter die 3-Millionen-Marke.
Die massiven statistischen Schönfärbereien, welche die offizielle Arbeitslosenstatistik in den vergangenen 15 Jahren mehr und mehr zu einer Verschleierungs- und Täuschungsstatistik verkommen ließen, werden von der Bundesministerin und nahezu allen Mainstreammedien unter den Teppich gekehrt. Gleiches gilt für das weitgehende Ausblenden der drastischen Qualitätsverschlechterung der Beschäftigungsverhältnisse: Teilzeitarbeit, Minijobs, 1-Euro-Jobs, Leiharbeitsplätze, befristete Arbeitsverhältnisse. So resultiert auch die aktuelle Beschäftigungszunahme im Vergleich zum Vorjahr nahezu ausschließlich aus dem Anstieg der zumeist prekären Leih- und Teilzeitarbeit.
An Unseriösität kaum noch zu überbieten ist von der Leyens Behauptung, bei der von ihr verkündeten Oktober-Arbeitslosigkeit handele es sich um den “niedrigsten Wert seit 1991”. Hierzu schreibt die Junge Welt unter der Überschrift “Falsche Prognose”
Was ist aber tatsächlich los auf dem Arbeitsmarkt? Die Zahl der von den Beschäftigten abgeleisteten Arbeitsstunden ist von 52 (1991) auf 48 Milliarden Stunden (2008, dem Jahr vor dem Abschwung) gesunken. Das ist ein Rückgang von 7,7 Prozent. In derselben Zeit ist die Zahl der Beschäftigten von 35,1 auf 35,9 Millionen, das heißt um zwei Prozent, gestiegen. Das wirkt sich günstig auf die Statistik aus. (…)
Also suchen nur 3,188 Millionen Menschen eine Arbeit (Stand der registrierten Arbeitslosigkeit im August) und demnächst noch weniger? Wenn man richtig rechnet, sind es nicht 3,188, sondern 4,330 Millionen. Diese Differenz von rund 1,1 Millionen setzt sich zusammen aus denen, die arbeitslos, älter als 58 sind und ALGI beziehen (0,35 Millionen), aus den Ein-Euro-Jobbern (0,32 Millionen), den Menschen in beruflicher Weiterbildung (0,19 Millionen) und denen in Eingliederungsmaßnahmen (0,2 Millionen). Im vergangenen Juni teilt das Statistische Bundesamt mit, daß 8,6 Millionen Menschen eine Arbeit suchen. 3,2 Millionen sind registrierte Erwerbslose, 1,2 Millionen gehören zur »Stillen Reserve« (die sind nirgendwo gelistet, suchen aber dennoch eine Stelle). Weitere 4,2 Millionen haben eine Arbeit, die aber nicht zum Leben reicht. Der größte Teil davon ist teilzeitbeschäftigt, ein anderer Teil ist zwar vollzeitbeschäftigt, aber das Einkommen reicht nicht aus. Sie alle suchen eine zusätzliche Beschäftigung. Nicht eingerechnet in diese Zahl von 8,6 Millionen sind all diejenigen, die aus der registrierten Arbeitslosigkeit herausgerechnet wurden, also die Differenz zwischen 4,330 und 3,118 Millionen. Das macht weitere 1,1 Millionen Leute. Es ist also ein Schmarren, wenn von knapp 3,2 Millionen Arbeitslosen die Rede ist. Die »Stille Reserve«, die Leute im Ein-Euro-Job, sind überhaupt nicht beschäftigt und suchen nach Arbeit, die anderen haben zwar eine Arbeit, so Teilzeit, können davon aber nicht leben. Auf der Suche nach Arbeit sind also, wenngleich aus recht unterschiedlichen Ausgangslagen, insgesamt 9,7 Millionen Menschen.
Anmerkung G.K: Autor des Junge Welt-Beitrages ist Herbert Schui. Herbert Schui ist Mitglied des Bundestages für Die Linke. Er war zuvor Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Er ist Mitbegründer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.
Anmerkung RS: Hier ist alles drin: Job-Wunder, Demographie, Arbeitsmarktflexibilität (= weniger Kündigungsschutz), Fachkräftemangel – ein gelungenes Propagandastück!
Anmerkung Volker Bahl: Zuerst vergeigt sie alles und holt die Spekulation in die Euro-Zone durch ihr ökonomisches Unverständnis (siehe Robert von Heusinger im “Parlament”) und dann zwingt sie den dadurch enorm geschädigten Ländern auch noch einen ökonomisch falschen Stabilitätspakt durch Vertragsänderungen auf . Oh, gibt es denn niemend , der diesem ökonomischen Schwachsinn aus Deutschland Einhalt gebietet – aber eine Weile werden die Chinesen wohl – aus purem Eigeninteresse – noch den Euro retten (R.v.H.)
Anmerkung RS: Eine Abrechnung mit dem Austeritäts-Dogma.
Anmerkung RS: Erst wochenlang hetzen, dann einfach sagen, „upps, das war wohl nichts“. Die Hetze bleibt aber in Erinnerung, also Kampagne erfolgreich!
Unser Leser M.G. macht uns auf folgendes aufmerksam:
Mappus, der ja seit einigen Monaten mit vehementen Protesten gegen Stuttgart 21 zu kämpfen hat, war neulich auf ner Dienstreise durch Saudi-Arabien. Der Pforzheimer Zeitung)ist zu entnehmen, dass er dabei folgendes verlautbart hat: “Wir bewundern, mit welcher Schnelligkeit sie Projekte angehen und realisieren”
Und warum Projekte in Saudi-Arabien so schnell angegangen und realisiert werden, liegt auf der Hand. Saudi-Arabien ist eine brutale Diktatur! Menschenrechte und Meinungsfreiheit werden dort mit Füßen getreten! Im Länderbericht zu Saudi-Arabien ist bei Amnesty International Folgendes zu lesen:
Tausende von Menschen waren auch im Jahr 2008 ohne Gerichtsverfahren unter Terrorismusverdacht inhaftiert, Hunderte weitere wurden festgenommen. Im Oktober teilte die Regierung mit, dass mehr als 900 Angeklagte vor Gericht gestellt werden sollen. Menschenrechtsverteidiger und Regierungskritiker, die sich friedlich für politische Reformen eingesetzt hatten, wurden inhaftiert oder befanden sich nach wie vor in Gewahrsam, darunter auch gewaltlose politische Gefangene. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit blieben stark eingeschränkt. Frauen litten weiterhin unter schweren Diskriminierungen, sowohl vor dem Gesetz als auch im täglichen Leben. Arbeitsmigranten litten unter Ausbeutung und Missbrauch und hatten kaum Möglichkeiten, ihre Rechte einzuklagen. Flüchtlingen und Asylsuchenden wurde kein hinreichender Schutz gewährt. Das Strafrechtssystem war weiterhin von Geheimhaltung und Willkür geprägt. Systematische Folterungen und Misshandlungen von Gefangenen waren weit verbreitet, und die Täter gingen straffrei aus. Auspeitschungen wurden auch im Berichtsjahr häufig als Haupt- oder Zusatzstrafe verhängt. Die Todesstrafe wurde weiterhin sehr häufig angewandt und traf nach wie vor hauptsächlich Arme, darunter Arbeitsmigranten aus Asien und Afrika, sowie Frauen. Mindestens 102 Menschen wurden im Jahr 2008 hingerichtet.
Das hätte Mappus wohl auch gerne, um Stuttgart 21 durchzuboxen!
Ich hatte ja mal darauf hingewiesen, wie ungeheuerlich es ist, dass Mappus Saudi-Arabien huldigt. Nur wenigen Medien war das überhaupt eine Erwähnung wert:
Ironischerweise berichtet BILD zwar auch aber keinen Hauch von Kritk, sondern im Gegenteil; die Überschrift ist schon ziemlich zynisch:
Ministerpräsident Mappus in Saudi Arabien Scheich, mach’ uns reich!
Die öffentliche Empörung bleibt aus, dass Mappus sich wohlwollend über eine brutale Diktatur geäußert hat.
Siehe dazu auch:
Anmerkung Jens Berger: Die lieben Kollegen von SPON nennen zwar löblicherweise den Auftraggeber dieser “Studie” (Union Investment), unterlassen es aber – wie eigentlich immer – die Neutralität von Raffelhüschens Forschungszentrum Generationenverträge abzuwägen und geben die Riester-PR der Versicherungskonzerne 1:1 als redaktionellen Beitrag aus. Das ganze wird natürlich im “nutzerfreundlichen” Format eines Atlas präsentiert – das kennt man schon von der Bertelsmann Stiftung und der INSM.
Ergänzende Anmerkung RS: Schon die Überschrift macht klar, dass es sich um Werbung handelt, denn es gibt inzwischen zahlreiche Studien, die deutlich zeigen, dass sich die Riester-Rente für die allermeisten nicht lohnt. Dennoch heißt es hier, „Nicht-Riestern“ ist gleich „Geldverschenken“.
Um einen Masterstudienplatz hatte sich Tina M. nie große Sorgen gemacht: Ihr Bachelor-Studium an der Hochschule Bremen im Fach Politikmanagement hat sie straff durchgezogen, die Note 1,4 steht in ihren Bewerbungen. Auslandsaufenthalte in Brasilien und den USA zieren ihren Lebenslauf. “Ich dachte, ich hätte die besten Aussichten.”
Doch die FU Berlin erteilte der Bremer Studentin auf ihre Master-Bewerbung im Fach Politikwissenschaften eine Absage. Schon in der Vorrunde war M. ausgeschieden. Im Ablehnungsbescheid hieß es:
Wir danken für Ihr Interesse an einem Studium an der FU Berlin. Leider können wir Ihren Antrag nicht berücksichtigen. Die Prüfung Ihrer vorgelegten Zeugnisse hat ergeben, dass Sie die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen.
Die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt? M. verstand das nicht. Die FU Berlin legt genaue Punktzahlen fest, die ein Bachelor-Absolvent mitbringen muss und die brachte Tina M. auch mit. Wie sie fanden auch zwei Kommilitoninnen aus Bremer Tagen Absagen im Briefkasten. Sie wurde skeptisch und fragte nach. Eine Mitarbeiterin des Fachbereichs Politikwissenschaften antwortete ihr per E-Mail: “Ein an einer Fachhochschule abgeschlossener Bachelor-Studiengang ist nicht hinreichend für die Zulassung zum hiesigen Master.”
Quelle: Spiegel-Online
Anmerkung J. K.: Ein weiterer Beleg für das komplette Scheitern des Bachelor/Master-Systems. Die Aussage, dass es um eine größere Transparenz in der Hochschulausbildung und um die internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse gehe, sollte nun endgültig in das Reich des Baron von Münchhausen verwiesen werden. Mit der kompletten Umgestaltung der deutschen Hochschullandschaft auf das Bachelor/Master-System ging es nur darum ein Hochschulsystem zu schaffen, das an den Interessen der herrscheden Eliten ausgerichtet ist. Schaffung eines schnell und billig verwertbaren akademischen Proletariats in Gestalt des Bachelors explizit an den Fachhochschulen und auf der anderen Seite Abschlüsse die an Elitehochschulen einer privilegierten Minderheit vorbehalten bleiben sollen.
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