Gezielte Manipulation bei den Zahlen zur Abwanderung von Arbeitsplätzen und zum angeblichen Niedergang des Weltmarktanteils der deutschen Volkswirtschaft
Beim Versuch, die Qualitäten unseres Landes und seiner bisherigen Strukturen „herunter zu machen“, wird in den letzten Monaten immer wieder das Phänomen der Abwanderung von Arbeitsplätzen und der angebliche Niedergang des Weltmarktanteils Deutschlands beschworen. Hier ist offenbar eine richtige Kampagne zu Gange. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch beteiligen sich aktiv an dieser Kampagne. Edmund Stoiber mit der Behauptung, monatlich würden 50.000 Arbeitsplätze verlagert. Roland Koch mit der Behauptung, der Weltmarktanteil der USA sei auf 19 Prozent gestiegen und sie hätten uns damit weit überholt.
Wer schon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Politik aufmerksam verfolgt hat, wird an die Empfehlung von Franz-Josef Strauß in seiner sogenannten Sonthofener Rede erinnert. Es müsse immer tiefer sinken, damit die Wähler die SPD-Regierung Schmidt zum Teufel jagen, meinte der CSU-Vorsitzende damals. Auf heute übersetzt: der Ruf des Standorts Deutschland muss weiter ruiniert werden, damit die parteipolitischen Süppchen besser gekocht werden können und der Systemwechsel vorangetrieben werden kann.
Es ist unbegreiflich, dass sich die BündnisGrünen und die SPD gegen diese Manipulationen nicht wehren. Die weitgehend auf wirtschaftsliberalem Kurs segelnden Medien tragen sowieso fast nichts mehr zur Aufklärung bei. Als Edmund Stoiber seine Behauptung von der angeblichen Verlagerung von monatlich 50.000 Arbeitsplätzen in der Sendung „Berlin Mitte“ vom 18.12.2003 aufstellte, fragte niemand nach – der SPD-Fraktionsvorsitzende Müntefering nicht, der Grünen-Vorsitzende Bütighofer nicht und auch nicht Maybrit Illner. Hier zu Lande kann man vor einem Millionen-Fernsehpublikum manipulieren – unwidersprochen. Die Beteiligten können für sich ins Feld führen, dass in der modernen Fernsehwelt der Austausch von Behauptungen, die unwidersprochen bleiben, üblich geworden sei. Vermutlich haben sie damit recht.
Dennoch: Dass SPD und Grüne die gegen sie gerichteten Kampagnen und Kampforganisationen nicht erkennen und schon gar nichts gegen sie tun, ist ein interessantes, erstaunliches und offenbar wiederkehrendes Phänomen. Als im Oktober 2000 die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft unter dem Kuratoriumsvorsitz des altgedienten CDU-Mitglieds Dr. Hans Tietmeyer und ausgestattet mit 100 Millionen der Arbeitgeber gegründet wurde, da war jedem kampagne-erfahrenen Zeitgenossen klar, was uns ins Haus steht: eine clever gemachte Propagandaorganisation der Konservativen und der Arbeitgeber; um vieles cleverer gemacht aber dennoch vergleichbar dem, was die SPD schon vor dreißig Jahren im Wahlkampf 1972 erlebt hat: den massiven Einsatz des großen Geldes gegen die SPD und für einen Machtwechsel zu Gunsten des konservativen Lagers.
Die Gefährlichkeit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft war schon im Oktober 2000 zu erahnen. Die Führungen von SPD und Grünen haben dennoch zugelassen, dass prominente Mitglieder dieser Parteien in der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mitmachten und mitmachen: Wolfgang Clement, Siegmar Mosdorf, Oswald Metzger, Christine Scheel, Peter Glotz, Rainer Wend, Florian Gerster.
Heute merken Sozialdemokraten und Grüne offenbar schon gar nicht mehr, wer für und wer gegen sie ist.