Zur Diskussion: Das IAT sieht in der Fleischbranche den gesetzlichen Mindestlohn als wirksame Maßnahme gegen Lohndumping
Anders als in der Bauwirtschaft, wo es seit 1996 mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine Regelung gibt, die ausländische Unternehmen dazu verpflichtet, tarifliche Mindestlöhne einzuhalten, sieht eine Studie des Instituts Arbeit und Technik in der Übertragung solcher Regelungen auf die Fleischbranche keinen gangbaren Weg. Lars Czommer und Georg Wortmann plädieren deshalb für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.
Die Zusammenfassung der Studie:
- Seit der EU-Osterweiterung im Mai 2004 werden auf deutschen Schlachthöfen verstärkt osteuropäische Arbeitskräfte zu Niedrigstlöhnen eingesetzt. Dieses “Lohndumping” gefährdet Arbeitsplätze in Deutschland.
- Die Beschäftigung osteuropäischer Arbeitskräfte erfolgt im Rahmen der EU- Dienstleistungsfreiheit legal zu den Arbeits- und Sozialbedingungen des jeweiligen Herkunftslandes.
- Eine ähnliche Situation bestand vor ca. 15 Jahren in der deutschen Bauwirtschaft. Hier wurde 1996 mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine Regelung geschaffen, die ausländische Unternehmen dazu verpflichtet, tarifliche Mindestlöhne einzuhalten.
- Um Niedrigstlöhne auf deutschen Schlachthöfen zu vermeiden, wird über die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgedacht.
- Zwischen der Bauwirtschaft und der Fleischbranche bestehen jedoch große Unterschiede, die das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für die Festschreibung von Mindeststandards als unbrauchbar erscheinen lassen.
- Eine wirksame Maßnahme gegen Lohndumping besteht daher derzeit nur in der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes.
Die Begründung für dieses Plädoyer für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ergibt sich aus Folgendem: Das Zustandekommen eines Mindestlohn-Tarifvertrages ist an fünf Voraussetzungen gebunden:
- Die Tarifparteien haben ein gemeinsames Interesse daran , die Entsendepraxis in ihrer Branche zu verändern.
- Die Tarifparteien können sich auf einen Mindestlohn-Tarifvertrag verständigen.
- Die Tarifvertragsparteien schließen einen möglichst bundesweit geltenden Flächentarifvertrag ab.
- Die Ausdehnung des Mindestlohn-Tarifvertrages auf nicht-tarifgebundene Arbeitgeber liegt im öffentlichen Interesse.
- Die tarifgebunden Arbeitgeber beschäftigen mindesten 50% der heimischen Arbeitnehmer.
Eine Übertragbarkeit auf die Fleischbranche scheitert an Folgendem:
- Die Arbeitgeber dieser Branche haben kein Interesse an einer tariflichen Mindestlohnregelung.
- Den Gewerkschaften stehen aufgrund einer zersplitterten Tariflandschaft großteils keine Verhandlungspartner zur Verfügung.
- Weit unter 50% der Arbeitgeber sind Mitglied in einem tarifabschließenden Arbeitgeberverband und der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Arbeitnehmer ist gering.
Angesichts der Tatsache, dass der Anteil der tarifgebundenen Beschäftigten seit 1988 von 76 auf 70 Prozent gesunken ist und im Osten Deutschlands gar nur noch bei 54 Prozent liegt, ist die Tarifbindung heute keine Garant mehr, um vor Niedrigstlöhnen zu schützen. Deshalb sieht die Studie des IAT die Gefahr, dass Deutschland aufgrund der bestehenden Lücken in der europäischen Gesetzgebung immer mehr zu einem „Billiglohnparadies“ für ausländische Großkonzerne wird. Vor allem auch weil Deutschland im Hinblick auf den Einsatz der von Osteuropa entsandten Arbeitskräften Standortvorteile gegenüber anderen europäischen Ländern hat. Hinz kommt ein geringerer gewerkschaftlicher Organisationsgrad und deshalb müssten Arbeitgeber mit weniger Widerstand der Gewerkschaften, als z.B. in Dänemark rechnen.