Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  1. Steinmeier soll SPD-Chef werden
  2. Steinmeier drohte Genossen mit Rückzug
  3. Wir sind die Partei
  4. SPD fällt in sich zusammen
  5. Internes Papier: SPD neu erfinden!
  6. Ex-SPD-Sozialpolitiker Rudolf Dreßler: “Es muss einen Neuanfang geben”
  7. Königin für eine Nacht
  8. Wahlanalyse: Volksparteien am Tiefpunkt
  9. Die Ergebnisse der Bundestagswahl am 27. September 2009 – Wahlnachbericht und erste Analyse
  10. Wahlergebnis nach Wahlbeteiligung
  11. Zeit der Zärtlichkeit
  12. Nach dem gestrigen Wahlabend gibt es eigentlich nur Gewinner
  13. Franz Walter: “Ohne Rentner wird es düster für die Union”
  14. Schleswig-Holstein: Rechtsstreit um Schwarz-Gelbe Mehrheit droht
  15. Dänische Minderheitspartei ebnet Carstensen den Weg
  16. Wirtschaft macht mobil
  17. Wirtschaftslobbyisten wittern Morgenluft
  18. Klassenunterschiede: Wie gerecht ist unser Steuersystem?
  19. NSH Nordbank: Ermittlungen gegen Nonnenmacher
  20. Union und FDP wollen neuen Anlauf bei Bahn-Privatisierung
  21. Riskante Geschäfte mit öffentlichem Eigentum
  22. Wie teuer ist billig?
  23. Paul Nolte “Weniger Staat mehr Demokratie”
  24. Immer mehr Nachwuchswissenschaftler wollen nach Deutschland zurück
  25. Vom Niedergang eines Berufsstandes
  26. Ausnahmezustand in Honduras
  27. Aufruf zu einer Leserbriefaktion anlässlich der Volksabstimmung der Iren über den EU-Reformvertrag
  28. Zu guter Letzt: Die Langzeitwirkung der Agenda 2010

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steinmeier soll SPD-Chef werden
    Die SPD steht offenbar vor einem radikalen Umbau der Parteispitze. Nach Informationen unserer Redaktion soll Frank-Walter Steinmeier auf dem SPD-Parteitag im November Franz Müntefering als Vorsitzenden ablösen. Außerdem soll die Zahl der Stellvertreter auf fünf erhöht werden. Peer Steinbrück will verzichten.
    Vize-Parteivorsitzende sollen Arbeitsminister Olaf Scholz, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel werden. Auch die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft will angeblich für einen Vize-Posten kandidieren. Andrea Nahles würde weiterhin Stellvertreterin bleiben.
    Quelle: RP Online

    Anmerkung WL: Nun soll Steinmeier neben dem Fraktionsvorsitz auch noch den Parteivorsitz übernehmen. Der Agenda-Kurs soll mit Scholz und Gabriel noch besser abgesichert werden. Eine Analyse der Niederlage und eine Erneuerung finden nicht statt. Die SPD-Basis lässt sich das ohne Murren bieten. Warum verlangen die Ortsvereine nicht endlich eine Mitgliederbefragung? Da stünde man jedoch leider vor dem Problem, wer bietet sich noch als personelle Alternative an – nachdem Schröder alle die ihn kritisiert haben, weggemobbt hat.

  2. Steinmeier drohte Genossen mit Rückzug
    Mehrere Teilnehmer verweisen auf Wahlanalysen, nach denen rund Zweidrittel der Wähler, die die SPD am Sonntag nicht gewählt haben, dies wegen der Hartz-Gesetze und der Rentenpolitik taten.
    Die Wortbeiträge sind offenbar derart konkret, dass Steinmeier nach Informationen von SPIEGEL ONLINE an die Präsidiumsmitglieder eine indirekte Drohung loslässt. Er stehe nur unter bestimmten Voraussetzungen für Spitzenämter in der SPD zur Verfügung. Wenn die Partei Reformen zurückdrehen wolle, die er entwickelt und eingeführt habe, dann sei er nicht der richtige Mann dafür. Bis hierhin und nicht weiter – so das Signal des 53-Jährigen an die murrenden Genossen.
    Quelle: Spiegel Online

    Siehe dazu auch:

  3. Wir sind die Partei
    Der Vorsitzende der Hamburger SPD hat heute seinen Rücktritt erklärt und damit die Verantwortung für das desaströse Wahlergebnis in der Hansestadt am vergangenen Sonntag übernommen.
    Die baden-württembergische Landesvorsitzende Ute Vogt hat ebenfalls ihren Rückzug aus dem Amt angedeutet. Das katastrophale Wahlergebnis mache eine “grundlegende Erneuerung” in der Partei nötig, von der sie sich selbst nicht ausnehme, teilte Vogt dem Landesvorstand und den SPD-Kreisvorsitzenden im Südwesten lt. Spiegel online am Montag in einem Brief mit.
    Hut ab vor einer solchen politischen Kultur. 
    Während allerorten in der Partei also die Frage der Verantwortung für die beispiellose Katastrophe diskutiert wird, läuft im Willy-Brandt-Haus bei den Hauptverantwortlichen bereits die Inzenierung  „Wie rette ich meinen A…..“.
    Schnell ist man sich bei Erstellung des Drehbuchs offenbar einig, der Meute den Parteivorsitzenden zum Fraß vorzuwerfen und verbindet damit die irrige Hoffnung, dadurch selber ungeschoren davon zu kommen.
    Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten in der SPD
  4. SPD fällt in sich zusammen
    Das historische Tief der SPD muss zu einem Bruch mit den Schröder-Jahren führen.
    Sie alle stehen zum Schröder-Projekt. Dieses Projekt des Ex-Bundeskanzlers Gerhard Schröder hatte implizit das Schreddern der alten Volkspartei SPD zum Ziel. Die Mittel dazu waren politische Entscheidungen, die den Interessen der Mehrheit der SPD-Wähler entgegengesetzt waren: Deregulierungen (der Finanzmärkte), Privatisierungen (der Bahn), Hartz IV und die Agenda 2010, die Einführung der Praxisgebühr, schließlich die Rente mit 67 durch Müntefering. Seit 2003 sind für die SPD die Folgen ihrer Politik klar: Der Verlust von hunderttausenden Parteimitgliedern und die Abwanderung von Millionen Wählern. Die Partei verlor Wahl nach Wahl und rettete sich in die Große Koalition. Und auch im gegenwärtigen Wahlkampf stand die SPD mit ihrem Personal, allen voran Steinmeier und Müntefering, für diese desaströse Politik.
    Mit dem Wahlergebnis nun ist das Schröder-Projekt praktisch erfüllt: Die SPD als große Partei des sozialen Ausgleiches, als Volkspartei der Arbeitnehmer und des fortschrittlichen Bürgertums, existiert nicht mehr. Und dies ist nicht die Folge der “Auflösung von traditionellen Milieus”, sondern der ganz konkreten und bewussten Politik der SPD-Führung.
    Ohne eine einschneidende Zäsur wird die SPD nur noch als Wurmfortsatz existieren.
    Quelle: Telepolis
  5. Internes Papier: SPD neu erfinden!
    Bleibt die Parte in der Rolle verhaftet, die sie sich – im Wesentlichen unter Führung Münteferings – hat aufdrängen lassen, wird ihr sowohl eine offensive Haltung zu der Reformpolitik Schröder/Steinmeier als auch deren Korrektur nicht glaubwürdig gelingen. Korrekturen haben immer etwas Defensives, es sei denn man steht klar zu dem Werk, das man korrigiert. Soviel Vertrauen in die Dialektik ist aber von den Spitzenvertretern der „Regierungs-SPD“ nicht zu erwarten. Bisher jedenfalls haben sie mit ihrem wahltaktisch zeitweise verschleierten Agenda-Fundamentalismus zwei Parteivorsitzende zu Fall gebracht. Matthias Platzeck und Kurt Beck mussten aus unterschiedlichen Gründen aufgeben – der erste, weil er die „Verbürgerlichung“ zu weit zu treiben drohte, der andere, weil er der geschilderten Dialektik aus moderner Reformpolitik und gemäßigt linkem Selbstverständnis zu sehr zu entsprechen schien. Damit ist die Weggabelung benannt, an der die Sozialdemokratie steht …
    Nach dem parteipolitischen Desaster der „Agenda“, die erst bei Müntefering den Status einer heiligen Kuh bekommen hat, sollte mit weiteren Regierungsjahren und in der Überzeugung „Wahlkampf können wir besser“, die SPD gerettet werden. Teil dieses Plans war es, die Kritik an der „Agenda“ nur lange genug durchzustehen (andere hätten gesagt: auszusitzen), dann würde das Volk schon eines Tages einlenken. Alles, was der Agenda-Logik der Arbeitsmarktreformen widersprach, versuchte er auszublenden. Entgegen der Legende ist Müntefering nicht der Erfinder des geinheitlichen gesetzlichen Mindestlohns. Als Arbeitsminister nahm er den Missbrauch der Zeitarbeit nicht wahr. Bis heute versteht er den Widerstand gegen die Rente mit 67 nicht, sondern hält ihn für eine parteipolitische Waffe aufmüpfiger Gewerkschafter und der Linkspartei.
    Spitzt man diese „Strategie“ nur ein wenig zu, so stellte Müntefering der SPD damit einen Wechsel auf die Dummheit der Wählerinnen und Wähler aus. Das mögen die Menschen überhaupt nicht.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Interessant zu lesen.

  6. Ex-SPD-Sozialpolitiker Rudolf Dreßler: “Es muss einen Neuanfang geben”
    Nach der Wahlpleite der SPD fordert der ehemalige Sozialexperte der Partei, Rudolf Dreßler, die Re-Sozialdemokratisierung seiner Partei.
    Die Agenda war eine neoliberale Gesetzgebung, die völlig an der Identität der SPD vorbeiging. FDP und Union haben Beifall geklatscht, und in der SPD hat sich keiner darüber gewundert. Seit 1998 hat die SPD 400.000 Mitglieder verloren, 6 Ministerpräsidenten, tausende von Mandate und 11 Millionen Wähler. Diese Verluste liegen zum großen Teil an der Agenda 2010.
    Die SPD muss re-sozialdemokratisiert werden. Und das können nicht die Leute machen, die die Identität der SPD auf dem Gewissen haben. Es muss auch einen personellen Neuanfang geben.
    Quelle: taz
  7. Königin für eine Nacht
    Das Strahlen der Regentin zum Zeitpunkt ihres größten Sieges wirkte fahl und ihre Freude gespielt – wahrscheinlich wusste Angela Merkel, dass sie nun ihren Zenit erreicht hat und es von nun an bergab geht. Die vier Jahre dauernde apolitische Regierungszeit ist vorbei, der vier Jahre währende politische und mediale Schutzschirm wird sich bereits in Kürze schließen. Nun muss Schwarz-Gelb die Folgen der Krise ausbaden – viel Spaß dabei. Es wird nicht lange dauern, bis die Königin für eine Nacht und ihr Leichtmatrose bei breiten Gesellschaftsschichten und auch einem großen Teil der Medien in Ungnade fallen. Bereits im Mai nächsten Jahres wird Schwarz-Gelb bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen das erste Arbeitszeugnis bekommen – fällt es negativ aus, droht bereits die Mehrheit im Bundesrat zu kippen. Das Zeitfenster für marktradikale Reformen ist nur kurz geöffnet – je „reformfreudiger“ Schwarz-Gelb agiert, um so eher wird es sich schließen.
    Quelle: Spiegelfechter
  8. Wahlanalyse: Volksparteien am Tiefpunkt
    Das gute Ansehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Arbeit in den vergangenen Jahren haben nach Einschätzung der Forschungsgruppe Wahlen der Union den Wahlsieg gesichert. Der CDU-Chefin sei es gelungen, SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier in der Kanzler-Frage klar zu distanzieren.
    SPD: Die Partei kämpft laut den Demoskopen mit einem strategischen Dilemma: Neben einer stärker in die Mitte gerückten Union verliert sie nach links Wähler, deren Wünsche sie als Regierungspartei nicht bedienen kann. Als sozialer Ansprechpartner werden die Sozialdemokraten nach Angaben der Wahlanalysten nur noch von den Gewerkschaftsmitgliedern anerkannt.
    Quelle: FR
  9. Die Ergebnisse der Bundestagswahl am 27. September 2009 – Wahlnachbericht und erste Analyse
    Quelle: Dr. Benjamin-Immanuel Hoff/ Horst Kahrs [PDF – 668 KB]
  10. Wahlergebnis nach Wahlbeteiligung
    Bei der Bundestagswahl wählten…

    • 29,2 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
    • 23,6 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU/CSU.
    • 16,1 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
    • 10,2 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
    • 8,3 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE.
    • 7,5 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.

    Quelle 1: ad sinistram
    Quelle 2: Grafik [PDF – 28 KB]

  11. Zeit der Zärtlichkeit
    Journalisten und Politiker ernten jetzt, was sie gesät haben: Eine depolitisierte Öffentlichkeit, in der bald ein Drittel der Menschen sich nicht mehr zuständig fühlt.
    Politiker wie Merkel und Steinmeier zerstören das demokratische Gewebe. Sie entpolitisieren. Sie bestärken bei den Menschen das Gefühl, Politik sei die Summe technischer Fragen von denen sie wenig verstehen, die so komplex sind, dass man sie Fachleuten überlassen sollte. Das ist aber nicht wahr.
    Die Aufgabe der Politik liegt darin, die grundsätzlichen Wertentscheidungen klarzumachen und den Menschen zur Abstimmung zu präsentieren. Das geschieht aber nicht. Wir erleben, im Gegenteil, eine Verschleierung der Wertfragen, eine Überdeckung der Konflikte, eine Verschiebung ins Nebelige. Aufgabe der Journalisten müsste es sein, diesen Mechanismus aufzudecken. Aber es regiert die Kumpanei.
    Es sind nicht die Themen, die sich gewandelt haben. Es ist die politische Kultur. Sie ist konservativ geworden, unkritisch, bequem.
    Quelle: der Freitag
  12. Nach dem gestrigen Wahlabend gibt es eigentlich nur Gewinner
    Ja selbst die SPD, allen desaströsen Zahlen zum Trotz, hat gewonnen – und zwar die Zeit, die sie dringend benötigt, um ihre nach Schröders Kanzlerschaft verlorene Mitte wieder zu finden. Es wird wohl ein schmerzhafter Prozess werden, denn mit einem künftigen Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier und einem Parteichef Franz Müntefering, nicht erst seit gestern ein Auslaufmodell, ist die notwendige Neupositionierung der Sozialdemokratie gerade gegen Linksaußen kaum zu erreichen.
    Quelle: Stuttgarter Nachrichten

    Anmerkung WL: Die Außensteuerung der SPD durch die konservative Presse geht weiter. Dem Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten wäre es wohl am liebsten, wenn die SPD weiter den Schröder-Kurs fahren würde, dann wäre der Wahlsieg von Union und FDP 2013 auch schon gesichert.

  13. Franz Walter: “Ohne Rentner wird es düster für die Union”
    Der Göttinger Parteienforscher Franz Walter spricht im Interview mit der Frankfurter Rundschau über die biologische Uhr der Volksparteien, das Ende der Zweierbündnisse und seine eigenen Ambitionen auf dem nächsten SPD-Parteitag.
    Quelle: FR
  14. Schleswig-Holstein: Rechtsstreit um Schwarz-Gelbe Mehrheit droht
    Ob Schwarz-Gelb eine Mehrheit im Landtag hat, hängt von der Interpretation des Wahlgesetzes ab.
    Laut Landeswahlleiterin kommen CDU und FDP also auf eine Mehrheit von 49:46 Sitzen, obwohl sie nur 46,5 % der Zweitstimmen erhalten haben, während auf SPD, GRÜNE, DIE LINKE und dem SSW zusammen immerhin 48,2 % der Zweitstimmen entfallen.
    Auch wenn die Auslegung der Landeswahlleiterin mit dem Gesetzeswortlaut und der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vereinbar sein mag, so ist sie doch rechtlich höchst fragwürdig. Anders als im Kommunalwahlrecht schreibt nämlich Artikel 10 Absatz 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein Ausgleichsmandate für Landtagswahlen ausdrücklich vor und erwähnt dabei keinerlei Begrenzung.
    Quelle: wahlrecht.de
  15. Dänische Minderheitspartei ebnet Carstensen den Weg
    Peter Harry Carstensen kann aufatmen. Seine schleswig-holsteinische CDU scheint mit der FDP regieren zu können – weil die Partei der dänischen Minderheit einer umstrittenen Überhangmandat-Regelung zustimmen will. Kanzlerin Merkel bekommt damit wohl eine schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit.
    Mit wenigen Sätzen machte Anke Spoorendonk dem schleswig-holsteinischen Machtgerangel ein Ende. Den Wählern sei “nicht vermittelbar”, dass die Zusammensetzung des Landtags und damit der Regierung “im Landeswahlausschuss oder vor Gericht geklärt wird”, sagte die Chefin des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) an diesem Montag nach der Wahl. “Das wäre ein Missbrauch des Landeswahlausschusses.”
    Quelle: Spiegel Online
  16. Wirtschaft macht mobil
    Steuern runter, Kündigungsschutz aufweichen, Gesundheitsreform revidieren – Lobbyvereinigungen stellen ihre Forderungen an Schwarz-Gelb.
    Quelle: junge Welt
  17. Wirtschaftslobbyisten wittern Morgenluft
    Mit der neuen schwarz-gelben Regierung wittern die Lobbyisten und Wirtschaftsverbände Morgenluft. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag war einer der ersten, die vorpreschten und einen wirtschaftsfreundlichen Kurs forderten (Spiegel-Online). Interessant als Stimmungsbild ist auch ein Zeit-Artikel von einer Lobbyisten-Wahlparty.
    Die FDP und die Union sind zugleich die Parteien, die wenig mit Transparenz und Schranken für Lobbyisten am Hut haben, wie unsere Wahlprüfsteine deutlich gezeigt haben.
    Quelle: LobbyControl
  18. Klassenunterschiede: Wie gerecht ist unser Steuersystem?
    Die eigene Steuerklasse kennt man, aber den Dschungel der Steuerreformen der letzten Jahre durchschaut kaum jemand. Seit langem geht in Deutschland die Belastung von Gewinnen und Vermögen durch Steuern zurück, die Belastung von Löhnen und Gehältern dagegen steigt.
    Die Politik versprach sich von der Förderung der Gewinne mehr Investitionen und neue Arbeitsplätze. Tatsächlich wurde mehr investiert – aber nicht so sehr in der Welt der Industrie und der Dienstleistungen, sondern auf den Finanzmärkten. Gleichzeitig hat die Bedeutung von Verbrauchssteuern wie Mehrwertsteuer und Energiesteuern zugenommen. Diese Trends werden von einem Arbeitslosen, einer Büroangestellten, einem Steuerberater für Gutverdienende und einem Wirtschaftswissenschaftler kommentiert.
    Quelle: Deutschland Radio Kulut
  19. HSH Nordbank: Ermittlungen gegen Nonnenmacher
    Den HSH-Managern wird Veruntreuung von Bankvermögen vorgeworfen. Sie sollen für eine womöglich ungerechtfertigte Überweisung in Höhe von 45 Millionen Euro an das US-Finanzinstitut Goldman Sachs verantwortlich sein. Beschuldigt werden drei der vier derzeitigen Vorstandsmitglieder: Nonnenmacher, dessen Stellvertreter Peter Rieck und Joachim Friedrich. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Bernd Mauruschat.
    Quelle: SZ
  20. Union und FDP wollen neuen Anlauf bei Bahn-Privatisierung
    Union und FDP wollen einen neuen Anlauf zum Verkauf der Deutschen Bahn unternehmen. “Wir wollen die Privatisierung”, sagte der Vize-Fraktionschef der Union, Hans-Peter Friedrich (CSU), dem “Tagesspiegel”. “Wir werden das auf jeden Fall im Koalitionsvertrag dokumentieren”, sagte auch der FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Dirk Fischer, fügte hinzu, der Personen- und Güterverkehr der Bahn solle verkauft werden, “sobald es der Kapitalmarkt zulässt”. Gleise und Bahnhöfe sollten aber in Staatshand bleiben.
    Quelle: AFP auf google.com
  21. Riskante Geschäfte mit öffentlichem Eigentum
    Viele deutsche Kommunen haben seit den 1990er Jahren Teile ihrer Infrastruktur an US-amerikanische Investoren verleast, um ihre klammen Finanzen aufzubessern. In der gegenwärtigen Krise wird das von Anfang an problematische Geschäftsmodell des Cross Border Leasing indes zur finanziellen Bedrohung für die Kommunen. Eine aktuelle Deutschlandkarte des Leibniz-Instituts für Länderkunde zeigt, wo und in welchem Umfang solche hoch riskanten Verträge abgeschlossen wurden.
    Mehr als 50 deutsche Kommunen und Zweckverbände haben seit 1995 öffentliches Eigentum in so genannte Cross Border Leasing-Verträge mit US-amerikanischen Investoren eingebracht. Während das hoch spekuklative Geschäftsmodell kurzfristige finanzielle Vorteile versprach, wird es heute in einem Atemzug mit faulen Hypothekenkrediten genannt. Wo in Deutschland Müllverbrennungsanlagen, Einrichtungen der Wasserver- und -entsorgung, Verkehrsinfrastruktur oder Kranken­häuser verleast worden sind, zeigt die jetzt in Nationalatlas aktuell (http://aktuell.nationalatlas.de) erschienene Karte des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) zum Thema Cross Border Leasing (CBL).
    Danach steht Nordrhein-Westfalen mit insgesamt rund der Hälfte des deutschlandweiten Transaktionsvolumens an der Spitze, gefolgt von Sachsen und Baden-Württemberg. In Bayern und Niedersachsen sind dagegen nur wenige und in Schleswig-Holstein, Brandenburg und dem Saarland gar keine Vertragsabschlüsse zu verzeichnen. Die Städte mit den größten Beteiligungen an CBL sind Düsseldorf, Leipzig, Berlin und Stuttgart.
    Quelle: idw
  22. Wie teuer ist billig?
    Die Textilkette Kik boomt auch in der Krise – mit konkurrenzlos niedrigen Preisen. Doch die Zeche zahlen junge Näherinnen in Bangladesch, unterbezahlte Beschäftigte und oft auch die Kunden.
    Quelle: Spiegel Online
  23. Paul Nolte “Weniger Staat mehr Demokratie”
    Der starke Staat lässt sich nicht wiederherstellen – und ist auch kein Ideal mehr. Die Bürgergesellschaft hat ihn zur Entwaffnung gezwungen.
    Quelle: taz
     
    Anmerkung V.B.: Diese Schein-Analysen, gegründet auf einer Staatsphobie ohne Empirie, die die “cui bonum”-Frage konkret lösen würde, haben eine lange Tradition – insbesondere in Deutschland mit dem Siegeszug der Ordoliberalen. Wolfgang Lieb hat das kürzlich nach der Lektüre von dem Buch “Mythos Markt” von Walter Otto Ötsch schon deutlich gemacht. Die ausführlichste Studie hat der marxistische Sozialforscher Berhard Walpen unter dem Titel “Die offenen Feinde und ihre Gesellschaft” – eine hegemonietheoretische Studie zur Mont Pelerin Society, wo die ganze Geschichte von Lippmann über Hayek bis zu den neueren “Strömungen” dargestellt wird.
  24. Immer mehr Nachwuchswissenschaftler wollen nach Deutschland zurück
    … so hat die Finanzkrise die amerikanischen Hochschulen mit voller Wucht erreicht. Viele reagieren mit einem Stellenbesetzungsstopp, der die Karriereperspektiven in den USA verschlechtert. Auch die sozialen Sicherungssysteme Europas schaffen mehr Vertrauen als die unsicheren Aussichten in Nordamerika, was die Krankenversicherung, Alterssicherung oder Ausbildungskosten für Kinder betrifft. Die klare Selbstverpflichtung der deutschen Politik, durch drei “Pakte” (Hochschulpakt, Fortsetzung der Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung und Innovation) in den nächsten Jahren für Wissenschaft und Hochschulen 18 Mrd. Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen und dadurch Tausende neuer Stellen zu schaffen, ist ebenfalls ein Pluspunkt.
    Eindruck bei den deutschen Nachwuchsakademikern machte es auch, dass sich deutsche Hochschulen viel mehr als noch vor wenigen Jahren in speziellen Beratungszentren um Doppelkarrieren von Wissenschaftlerpaaren kümmern. Inzwischen gibt es in Deutschland ein Netzwerk von 30 solcher Beratungsstellen. An vielen amerikanischen Hochschulen lockt dagegen immer noch die Möglichkeit des “tenure track”, d.h. einer Aufstiegsperspektive von der zeitlich befristeten Anstellung als Assistant Professor zur Festanstellung als Full Professor an derselben Institution, die in Deutschland nur langsam und in unterschiedlichen Ausprägungen Fuß zu fassen beginnt. Auf der Tagung wurde aber berichtet, dass in jüngster Zeit in den USA die Zahl solcher Dauerstellen stark zurückgegangen ist und immer größere Teile der Lehre über relativ schlecht bezahlte befristete Stellen abgewickelt werden.
    Quelle: idw
  25. Vom Niedergang eines Berufsstandes
    Es gab einmal einen Journalisten, der schrieb Kommentare und hieß Rudolf Augstein. Alle 14 Tage vertrat er im Spiegel den immer gleichen Standpunkt zum immer gleichen Thema: Realpolitik sei besser als Kriegspolitik.
    Heute gibt es keinen Journalisten, der Vergleichbares in Sachen Afghanistan sagt. Politiker schon: Lafontaine, Gysi, überhaupt die ganze Linken-Führung, Ströbele und manche Basis-Grüne. Die Journalisten übernehmen die Sprachregelungen der regierenden Parteien. Das ist sehr seltsam. Denn diese Sprachregelungen sind ja schon auf den ersten Blick falsch.
    Quelle: taz
  26. Ausnahmezustand in Honduras
    Die Putschregierung in Honduras hat für 45 Tage den Ausnahmezustand verhängt. Ab sofort werden die Versammlungs-, Presse- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt sowie die Sicherheitskräfte mit größeren Befugnissen zur Festnahme von Demonstranten ausgestattet. Ein entsprechendes Dekret wurde am Sonntagabend in den Medien verlesen. Zudem gilt die Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr morgens ab sofort jeden Tag. (…) Innenminister Oscar Matute warnte die kritischen Medien zunächst, sie riskierten die Schließung, falls sie “gegen die öffentliche Ordnung und den Frieden” verstießen. Da bis auf einen TV- und einen Radiosender alle Print- und elektronischen Medien den Staatsstreich gegen Zelaya stützen, kommt dieses Dekret der faktischen Zensur von Radio Globo und dem TV-Kanal Cholusat Sur gleich. Am Montag umstellte dann die Polizei das Gebäude des Radiosenders, der kurz darauf verstummte. Auch Cholusat Sur sendte Montagfrüh nicht mehr.
    Quelle: FR

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Die “liberale” FDP des wahrscheinlich künftigen Außenministers Westerwelle hat sich in den vergangenen Wochen als Fürsprecher der honduranischen Putschistenregierung entuppt. “Spreeblick” schreibt unter der Überschrift “Honduras und die FDP – Freunde der Putschisten”:
    “Es gibt einige Gründe, den immer wahrscheinlicher werdenden Einzug Westerwelles ins Außenministerium mit Skepsis und Widerwillen zu betrachten. Die aktuellen Äußerungen seiner Parteifreunde zum Thema Honduras jedenfalls geben Grund zur Sorge. (…) Die FDP hat sich angesichts der Entwicklungen in Honduras zu einigen Äußerungen hinreißen lassen; vielleicht, um sowas wie ein aussenpolitisches Profil zu entwickeln. FDP-Außenexperte und stellvertretender Fraktionsvorsitzender Werner Hoyer beispielsweise schrieb einen Gastkommentar für die Welt, und man weiß nicht so recht, ob es Ahnungslosigkeit oder Dreistigkeit ist, die ihn zu folgenden Zeilen inspiriert haben mag.”

    Ergänzende Anmerkung WL: Man stelle sich einmal das Zeter und Mordio bei uns vor, wenn Hugo Chavez in Venezuela einen Ausnahmezustand ausrufen würde.

  27. Aufruf zu einer Leserbriefaktion anlässlich der Volksabstimmung der Iren über den EU-Reformvertrag
    Der Vertrag von Lissabon legt auf vielen Feldern wirtschaftsliberale Grundsätze fest, weicht den Sozialstaatsgedanken auf, leistet u.a. einer weiteren Chancenungleichheit in der Bildung Vorschub und kehrt den defensiven Verteidigungsauftrag um, indem er militärische Kampfeinsätze zum integralen Bestandteil der künftiger europäischer Außenpolitik macht (Art. 42 EUV). Die neoliberale Leitordnung der Europäischen Union wie freie Märkte, freier Kapital-, Waren und Dienstleistungsverkehr (Grundfreiheiten Art. 26 (2) VAEU) werden im Vertrag zementiert. Der EU-Bürger sucht im Vertrag von Lissabon vergeblich nach einer Bestimmung, die die sozialen Rechte schützt. Der Vertrag von Lissabon stellt die neoliberalen Grundfreiheiten prinzipiell über Arbeitnehmerrechte, Streikrecht und Tarifautonomie. Die EuGH-Urteile im letzten Jahr zu Arbeitnehmerrechten haben gezeigt, dass die vier Grundfreiheiten zugunsten von Unternehmerfreiheiten wirken und Arbeitnehmer den Bedingungen des Wettbewerbs schutzlos ausgeliefert sind und dass Dienstleistungsfreiheit über nationalem Arbeitsrecht steht. Nationale Arbeitnehmerrechte werden durch europäische Regelungen massiv zurückgedrängt.
    Darum stimmen Sie bitte stellvertretend für die EU-Bürger, die nicht demokratisch wählen dürfen, gegen den Vertrag von Lissabon und lassen Sie uns gemeinsam, grenzübergreifend, für ein wirklich soziales, gerechtes und friedliches Europa einsetzen, das die Grundrechte der EU-Bürger über wirtschaftliche Interessen stellt und Arbeitnehmer ehrlich und fair absichert und vor Armut und sozialem Absturz schützt.

    Anlage:

    1. Englische Übersetzung [PDF – 24 KB]
    2. E-Mail-Adressen [PDF – 168 KB]
  28. Zu guter Letzt: Die Langzeitwirkung der Agenda 2010
    Agenda 2010, Langzeitwirkung
    Quelle: Tagesspiegel

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