„Merkel will Steinbrück mit Prestige-Job belohnen“
das meldete SpiegelOnline am 5.9.. Als Dankeschön für die gute Zusammenarbeit wolle sie ihm im Falle einer schwarz-gelben Regierung zu einem internationalen Posten verhelfen. Angesichts dieser Großmut kommt einem kritischen Beobachter unwillkürlich die Volksweisheit auf die Lippen: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Aber das wäre nicht ganz korrekt. Angela Merkel und Peer Steinbrück haben sich bei wichtigen Fehlentscheidungen und Versäumnissen nicht geschlagen sondern gut vertragen. Also müsste man eher sagen: „Pack verträgt sich, Pack versorgt sich.“ Die darin liegende negative Kennzeichnung mag manchen Leser stören. Albrecht Müller
Das tut mir leid. Aber wir sind offensichtlich so sehr eingelullt von den schönen Reden der beiden Partner, dass wir die bitteren Folgen dieser ausgezeichneten Zusammenarbeit von Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister nicht mehr wahrnehmen. Hier ein paar Belege für die heillose, „gute Zusammenarbeit“:
- Beim Wahlkampf 2005 hat die SPD Steinbrücks gegen die Absicht von Angela Merkels CDU und CSU, die Mehrwertsteuer um zwei Punkte zu erhöhen, polemisiert. Die SPD klebte Plakate gegen die „Merkel-Steuer“, wie sie die Absicht einer Erhöhung um zwei Punkte nannte. In den Koalitionsgesprächen vergaß die SPD ihre Kampagne; vermutlich unter dem Einfluss von Peer Steinbrück wurden aus Angela Merkels 2 % sogar 3 %. Das nagt bis heute an der Glaubwürdigkeit der SPD, ein Grund mehr, gegenüber Steinbrück Dankbarkeit zu zeigen.
- Steinbrück war auch ein lautloser Gehilfe und eben nicht Vertreter sozialdemokratischer Interessen, als es um weitere Steueränderungen zu Gunsten der Unternehmen und um die Senkung der Erbschaftssteuer ging.
- Steinbrück bereitet jetzt schon durch Vergabe von Gutachten die Streichung der kleinen Steuervergünstigungen für Schicht- und Nachtarbeit vor. Er leistet Vorarbeit für Schwarz-Gelb. (Siehe hier: 5.9.2009 Steuern: Finanzministerium hält brisante Studie über Sonntagszuschläge zurück)
- Beide haben am Ausbau des „Finanzplatzes Deutschland“ gearbeitet, wie insbesondere Steinbrück die weitere Deregulierung der Finanzmärkte und die Erleichterung des Zugangs für undurchsichtige Finanzgruppen nannte. Im Koalitionsvertrag von 2005 wurde das festgeschrieben. Auf Seite 86 vom 11. November 2005 wurde vereinbart, dass Verbriefungen erleichtert werden sollen, dass die Finanzaufsicht ihre Arbeit „mit Augenmaß“ und wie in anderen EU-Staaten leisten soll, also genauso lässig, usw.. Steinbrück und seine Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium haben bis zum Sichtbarwerden der Finanzkrise am Ausbau des Casinos gearbeitet . Sie haben Verbriefungen und andere so genannte innovative Finanzprodukte erleichtert. Sie haben die Spekulation begünstigt. (Siehe dazu auch Steinbrücks biedere Flucht aus der Verantwortung (Finanzkrise XXIII)) – Die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister haben wie schon die Regierung Schröder die Wege zur Finanzkrise geebnet. Sie haben genauso nahtlos daran gestrickt, dass in der Öffentlichkeit dies nicht wahrgenommen wird und beide als Retter dargestellt werden.
- Beide haben gemeinsam dafür gesorgt, dass ohne Kritik und wirksame Kontrolle Hunderte von Milliarden der Steuerzahler für den Finanzsektor zur Verfügung gestellt werden: rund 8 Milliarden für die private Bank IKB, 480 Milliarden Rettungsschirm, davon über 100 Milliarden für die HRE, die heute nichts mehr wert und im Eigentum des Bundes ist. Die undurchsichtige Rettungsaktion wurde von Steinbrück und Angela Merkel gemeinsam „gemeistert“.
- Beide reden viel von neuen Regeln für die Finanzmärkte und von mehr Transparenz. Tatsächlich haben sie nicht einmal das Minimum an Korrekturen erledigt. Zum Beispiel gilt nach wie vor die Steuerfreiheit für Gewinne beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen. Dieses Privileg für Hedgefonds, Private Equity Gruppen und die großen deutschen Aktiengesellschaften und die großen Familienvermögen, das von der Regierung Schröder zum 1.1.2002 eingeführt wurde, existiert immer noch. Keine Initiative vom Kanzleramt, keine Initiative vom zuständigen Bundesfinanzminister, reibungslose Zusammenarbeit auf unsere Kosten. Es fehlt nämlich das Geld in der Staatskasse und was noch schlimmer ist: diese Steuervergünstigung erleichtert auch noch den Ausverkauf deutscher Unternehmen an ausländische und inländische so genannte Investoren, die gar keine Investoren sind, weil sie nur circa 20 % des Kaufpreises mitbringen, ansonsten die aufgekauften Unternehmen in die Verschuldung und oft in die Insolvenz treiben. Dieses Treiben zu Gunsten der Finanzindustrie wird von beiden Partnern gedeckt.
- Beide waren sich auch seltsam einig beim zögerlichen Umgang mit den notwendigen Konjunkturprogrammen.
- Beide sind Förderer der Privatisierung. Steinbrück ist stolz darauf, dass er ein öffentliches Unternehmen nach dem andern verkauft hat. Er hat systematisch die Verarmung der öffentlichen Hände betrieben und Futter für die Finanzindustrie besorgt. Beide haben es klaglos hingenommen beziehungsweise gefördert, dass die Postbank in die Hände der Deutschen Bank fällt. – Hier, beim besorgen von Futter für die Investmentbanker, decken sich die Interessen Steinbrücks mit jenen von Angela Merkel, die eng mit Goldman Sachs und anderen Investmentbankern verbunden ist.
Besonders deutlich wurde das beim Versuch, die Deutsche Bahn zum Teil zu privatisieren. Als im Jahr 2008 nahezu eindeutig klar war, dass sachliche Gründe gegen die Privatisierung sprechen und als die SPD-Basis auf ihrem Hamburger Parteitag im Oktober 2007 deutlich gemacht hatte, dass sie die Privatisierung nicht will, hat Peer Steinbrück im März und April 2008 zusammen mit Steinmeier den damaligen SPD-Vorsitzenden Beck quasi erpresst, gegen den Parteitagsbeschluss die Privatisierung der Bahn zu betreiben. (Siehe dazu hier und hier)Zum Gesamtkomplex finden sich auch wichtige Texte in unserem Kritischen Jahrbuch 2008/2009 und in meinem neuen Buch „Meinungsmache“. Dort insbesondere in den Kapiteln 17 und 18.)
Dass Angela Merkel sich bei Steinbrück für dessen gute Zusammenarbeit und Zuarbeit bedanken will, falls es nicht mehr zu einer Großen Koalition sondern zu Schwarz-gelb kommt, kann ich gut verstehen. Beide wissen viel zu viel über einander, über gemeinsame Versäumnisse zulasten des Steuerzahlers und über gemeinsame Entscheidungen zu Gunsten der Finanzwirtschaft. Deshalb übrigens auch mein Vorschlag in meiner Analyse der rätselhaften SPD-Strategie. Wenn Steinbrück der SPD im Wahlkampf noch helfen wollen würde, dann könnte er das tun: mit der Übernahme der Verantwortung für die kostspielige und undifferenzierte Bankenrettung und mit der Offenlegung der mindestens so großen Verantwortung von Angela Merkel und ihrer Verflechtung mit der Finanzwirtschaft.
Wahrscheinlich wird übrigens die Versorgung Steinbrücks mit einem staatlichen Posten gar nicht nötig sein. Bei ihm wie schon bei verschiedenen Staatssekretären würde der Drehtüreffekt mit hoher Wahrscheinlichkeit funktionieren: wer in Zeiten seiner öffentlichen Tätigkeit ordentlich etwas für private Interessen tut, bekommt dann auch anschließend einen guten Job.