Hinweise des Tages

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

(MB/AM)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  1. Alter Wein in grünen Schläuchen: die neuen Öko-Lügen
  2. Kajo Wasserhövel: SPD steckt nicht in der Krise
  3. Nach der Europawahl: SPD-Linke dringt auf Kurswechsel?
  4. Was haben die Kaufhausbetreiber in der Vergangenheit falsch gemacht?
  5. Erheblicher Finanzbedarf für den ÖPNV – In der nächsten Legislaturperiode politischen Konsens erarbeiten
  6. Munoz ermahnt Deutschland: Menschenrechte nicht für den Mond
  7. Mitarbeiter laufen Sturm gegen Heuschrecke
  8. Schafft die Private Krankenversicherung ab
  9. Drei Jobs und trotzdem arm
  10. 30.000 Euro für ein Auge
  11. Hannover will Verluste aus Cross-Border-Leasing-Geschäft sozialisieren
  12. Zahl der Tafel-Empfänger auf eine Million gewachsen
  13. Verdeckte PR – Wie Firmen ihr Image schönen
  14. Forscher bestätigen indirekt Wirkungslosigkeit der Hartz-Reformen
  15. Betr. Haftung der Prüfer

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Alter Wein in grünen Schläuchen: die neuen Öko-Lügen
    Öko ist in. Nicht nur bei der Bionade-Bourgeoisie, den Wellness-Grünen, die sich schon immer etwas Besseres leisten wollten. Öko ist einfach in Mode. Man kleidet sich in Green Cotton, geht zum Einkaufen in den Bio-Supermarkt und achtet auch darauf, dass die Aktien grün sind. Das haben nicht nur die Handelsketten gemerkt, sondern auch die Industrie. Lufthansa fliegt CO2-bewusst, Porsche baut Hybrid, und der Strom ist grün. Auch sonst wird gelogen, dass es eine Art hat – eine grün getünchte vom Art-Director. Denn allzu oft sind es nur die PR-Abteilungen der Unternehmen, die umgedacht haben.
    Quelle 1: hr2 – Der Tag (Einleitungstext und Abspielfunktion)
    Quelle 2: hr2 – Der Tag (Audio-Podcast, mp3, ca. 53 min, ca. 25 MB)
  2. Kajo Wasserhövel: SPD steckt nicht in der Krise
    Der SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel sieht nach dem Europawahlergebnis keinen Anlass für Inhalts- oder Personaldiskussionen in seiner Partei. Wasserhövel sagte, die Partei gehe geschlossen in den Wahlkampf. Sie habe ein gutes Regierungsprogramm, in dem die Alternativen sehr deutlich würden. Als Beispiele nannte er den Mindestlohn, die Studiengebühren und die Begrenzung von Managergehältern.
    Wuttke (Moderatorin): Man schreibt über Sie, Sie seien ein Müntefering im Quadrat. Trotzdem: Kann die SPD ernsthaft auf eine neue Regierungsverantwortung zustreben ohne die Linkspartei?
    Wasserhövel: Ja, ganz eindeutig. Das geht mit denen überhaupt nicht. Es gibt ja immer mehr nachdenkliche Menschen, die die Linkspartei verlassen und diesen sektiererischen Kurs auch von Lafontaine nicht mitmachen wollen. Die Linkspartei ist sozialpolitisch illusionär, weil sie allen alles verspricht. Die Linkspartei ist außenpolitisch vollkommen unzuverlässig …
    Wuttke: Und Sie sind sich sicher, dass ich Sie an dieses Versprechen jetzt am 28. September nicht erinnern muss?
    Wasserhövel: Das können Sie gerne machen, aber Sie werden keinen Anlass dazu haben, weil die Haltung der SPD dazu eindeutig ist. Und ich kenne da wirklich auch keine anderen Meinungen. Das ist eindeutig bei Frank-Walter Steinmeier, bei Peer Steinbrück, bei Franz Müntefering, in der gesamten SPD-Spitze, und das wird der Parteitag am Sonntag auch noch mal deutlich machen.
    Wuttke: Andrea Ypsilanti hat das auch mal gesagt.
    Wasserhövel: Ich glaube, dass viele aus dem gelernt haben, was da in Hessen abgelaufen ist. Wir sagen klipp und klar vor der Wahl, was geht und was nicht geht. Und Sie können sich darauf verlassen, daran werden wir uns auch halten.
    Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Text)
    Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (Audio-Podcast)

    Kommentar AM: Die Abgrenzung gegen die Linke ist offenbar das gravierendste Problem des SPD-Bundesgeschäftsführer. Da ist Hopfen und Malz verloren. Auch die Logik dieses leitenden Herrn ist beachtlich. Aus den Abläufen in Hessen lernt er, dass die SPD mit der Linkspartei nicht zusammengehen darf. Genau diese Linie hatte der SPD bei der erneuten Wahl im Januar einen Riesenverlust gebracht.

  3. Nach der Europawahl: SPD-Linke dringt auf Kurswechsel?
    Hat das Europawahl-Debakel den SPD-Linken die Stimme verschlagen? Lammfromm kommentieren ihre führenden Köpfe die Schlappe: Die Wahlbeteiligung sei Schuld. Doch das ist nur Fassade. Intern schäumt der linke Parteiflügel – auf dem SPD-Parteitag am Wochenende werden seine Wortführer Kurskorrekturen fordern.
    Quelle: Stern

    Bei der SPD ist die Stimmung im Keller.
    Wer von den Parteigranden in diesen Tagen auf das Parteivolk trifft, muss sich warm anziehen – so wie Andrea Nahles am Mittwochabend in Stuttgart. Sie redete das EU-Wahlergebnis schön. Die Basis sagte: “Wir können es nicht mehr hören.” Ortstermin in der ideologischen Kampfzone der SPD.
    […]
    “Werde konkret, Andrea!”
    Eine halbe Stunde lang referierte die stellvertretende Parteivorsitzende über verantwortlichen Kapitalismus, amerikanische Rating-Agenturen und fairen Lastenausgleich. Die Leute im Waldheim wollten anderes hören. “Das haben wir alles schon tausendmal gehört. Wir können’s nicht mehr hören. Jetzt werd’ doch mal konkret, Andrea” – doch von den Zwischenrufen ließ sich Kampflächlerin Nahles, die Positive, nicht beirren.
    Nach einem weiteren Vortrag des ehemaligen Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und schwäbischen SPD-Lokalhelden Erhard Eppler durften dann endlich die Basis-Mitglieder ans Mikro. Und die wurden so konkret, dass es Andrea Nahles sichtlich die Laune verhagelte.

    Nahles’ Lächeln verschwindet
    “Das Wort Niederlage kam bei dir gar nicht vor, Andrea, und das bei nur zwölf Prozent, die wir in Bayern erreicht haben”, brüllte Thomas Volkmann, erster Vorsitzender vom Ortsverein Tübingen, ins Mikrofon. “Will der Parteivorstand da einfach durch oder wie stellt der sich das vor?” Und Rainer Nase, Vorstand vom Ortsverein Weikersheim, legte nach. “Wir brauchen klare eindeutige Worte. Die Parteispitze in Berlin, die macht konsequent das Gegenteil davon. Andrea, wo hast du denn mal einen Standpunkt und stehst dann auch dazu?” Das Lächeln auf dem Gesicht von Andrea Nahles war jetzt verschwunden.
    Mit verschränkten Armen, grimmig Kaugummi kauend, verfolgte die Vize-Parteivorsitzende die Anschuldigungen, die auch aus Schorndorf, Stuttgart und Göppingen auf sie einprasselten. “Die Leute auf der Straße glauben uns nicht mehr”, erklärte Rita Haller-Heid, Landtagsabgeordnete aus Tübingen. “Wir müssen unsere Fehler endlich eingestehen, damit wir unsere Glaubwürdigkeit wieder bekommen. Der erste wäre zum Beispiel, die Rente mit 67 rückgängig zu machen.” Schlimmer hätte es für Andrea Nahles auf einer Versammlung der CDU, wo sie Stimmen für das Wahlprogramm der SPD werben sollte, auch nicht kommen können.

    Debatte? Nicht erwünscht
    “Ich verstehe ja Eure Emotionen”, versuchte die die Parteivorsitzende die Stimmung zu besänftigen. “Aber jetzt ist einfach der falsche Zeitpunkt dafür.” Und damit war klar, worum es eigentlich geht: nämlich um den Bundesparteitag am kommenden Sonntag und damit um die Bundestagswahl im Herbst. Sollte es jetzt zu größeren Diskussionen innerhalb der Partei kommen, fürchten die Sozialdemokraten noch mehr Stimmen zu verlieren. “Kapiert Ihr denn nicht, dass wir am Sonntag ein gutes Wahlprogramm verabschieden müssen?”, flehte Andrea Nahles fast schon die etwa einhundert anwesenden Genossen an. “Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass wir sagen können, was wir in den letzten Jahren alles falsch gemacht haben und uns dann die Leute wählen! Das interessiert die Leute doch auch nicht, wenn wir in den Eingeweiden der SPD rumwühlen.”
    […]

    Quelle: Stern

    Der Einsatz von Andrea Nahles zeigt erste „Erfolge“:

    Die blanke Not eint die SPD
    Die völlig unerwartete Niederlage (???, KR) hat die SPD geeint – in der Angst, noch tiefer zu fallen. Jetzt bloß keine Kritik an Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, bloß kein öffentliches Zerwürfnis – das ist die Botschaft aller Parteiflügel vor dem Wahlparteitag am Sonntag in Berlin. Johannes Kahrs, der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises, warnt, “den Kurs zu ändern”. Björn Böhning, der Sprecher der SPD-Linken, klingt, was selten passiert, ähnlich wie Kahrs. Auf dem Parteitag, meint Böhning, werde es “kaum kontroverse Debatten oder Nachhutgefechte geben”. Die zahlreichen Änderungsanträge für den Wahlparteitag hat die SPD-Linke eigenhändig abgeräumt. Alle Antragsteller, so Karl Lauterbach, seien “sehr kooperativ” gewesen.
    Quelle: TAZ

  4. Was haben die Kaufhausbetreiber in der Vergangenheit falsch gemacht?
    Alles unter einem Dach von einer Marke zu bekommen, ist nicht mehr gefragt. Die Konsumenten fokussieren mehr auf bestimmte Marken und Themen. Das haben die Warenhausbetreiber im Gegensatz zu den Shopping Malls nicht umgesetzt. Die neuen Shopping Center haben sehr attraktive Angebote, zum Beispiel das Sevens in Düsseldorf, mit einem Elektronikangebot auf der obersten Etage bis hin zur Entertainment- und Gastro-Meile im Untergeschoss.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Die in der öffentlichen Diskussion aufgeworfene Frage, ob das Kaufhaus-Konzept “Alles unter einem Dach” noch zeitgemäß ist, hat durchaus ihre Berechtigung. Bei einer Verdichtung der zukünftig noch verbleibenden Kaufhäuser in einer “Deutschen Warenhaus AG” ist jedoch ebenso der kartellrechtliche Aspekt zu bedenken: Es würde zukünftig wahrscheinlich ein Weniger an Wettbewerb im Warenhaussektor und generell im Einzelhandel herrschen. Dies auch unter dem Blickwinkel, dass beispielsweise die Elektronikmärkte Saturn und Media-Markt zum Konzerngebilde der Kaufhof-Muttergesellschaft (Metro) gehören. Die (unabhängig von Arcandor) auch im europäischen Vergleich sehr schlechte Entwicklung der deutschen Einzelhandelsumsätze ist vor allem eine Folge des seit vielen Jahren in Deutschland betriebenen Lohndumping. Auch im Zeitraum Januar bis April 2009 ist der reale Einzelhandelsumsatz lt. Mitteilung des Statistischen Bundesamtes gegenüber dem Vorjahreszeitraum erneut um 2,4 Prozent gesunken.

  5. Erheblicher Finanzbedarf für den ÖPNV – In der nächsten Legislaturperiode politischen Konsens erarbeiten
    Für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) besteht in den kommenden Jahren ein erheblicher Finanzbedarf, um Infrastruktur und Betrieb zu sichern und weiterzuentwickeln. Das hat die Studie „Finanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025“ ergeben, die gemeinsam vom Deutschen Städtetag, den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen sowie dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Auftrag gegeben und heute in Frankfurt vorgestellt wurde. „Der ÖPNV in Deutschland hat heute einen im internationalen Vergleich herausragenden Standard. Die vorhandenen Standards wollen und müssen erhalten und in Anbetracht des Klimawandels und der Ressourcenknappheit effizient weiterentwickelt werden“, sagten für die Auftraggeber der Studie Petra Roth, Präsidentin des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main, Lutz Lienenkämper, Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, und Volker Sparmann, VDV-Vizepräsident und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV). Mit der Studie sei Basismaterial für eine faktenbasierte politische Diskussion über die Zukunft der Finanzierung des ÖPNV in Deutschland erarbeitet worden. Losgelöst von allen aktuellen Einzelinstrumenten der ÖPNV-Finanzierung liege jetzt der Gesamtmittelbedarf für ein angemessenes und effektiv bedientes bundesweites Angebot vor. „Diese objektive Ermittlung stellt damit die umfassendste Untersuchung zu dieser Thematik dar, die jemals in Deutschland durchgeführt wurde“, betonten die Auftraggeber.
    Quelle: Deutscher Städtetag

    Anmerkung Martin Betzwieser: Irgendwie klingt das verdächtig nach PPP in spe.

  6. Munoz ermahnt Deutschland: Menschenrechte nicht für den Mond
    Der UN-Sonderberichterstatter für Das Menschenrecht auf Bildung, Vernor Munoz, hat sich erneut sehr kritisch über den Umgang mit behinderten Schülern in Deutschland geäußert. Munoz sagte der taz, “das Menschenrecht auf Bildung ist nicht für den Mond gemacht!” Er reagierte damit auf die Äußerung eines Marburger Schulrats, der sagte: Die Konvention der Vereinten Nationen für behinderte Menschen habe in Hessen keine Gültigkeit. Wie die taz berichtet hatte, verweigert das Schulamt mit diesem Hinweis einem 15-jährigen Jugendlichen mit Down-Syndrom den Zugang zu einer Gesamtschule – obwohl diese ihn aufnehmen will.
    Quelle: TAZ
  7. Mitarbeiter laufen Sturm gegen Heuschrecke
    Das kleine Städtchen Herborn am Fuß des Westerwalds gehört zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Städten Deutschlands. Schloss, Stadtbefestigung mit vielen Türmchen, gemütliche Cafes, Fachwerkhäuser und eine Stadtkirche mit gotischem Chor. Mitten in der Idylle sitzt ein Mittelständler, der für seine Eigentümer ein Bilderbuchbetrieb sein sollte: Seit 1954 fertigt der Luftfahrtzulieferer Sell dort Küchen, Bars und Schlafkojen für Großflugzeuge. Weltmarktführer, jahrzehntelange Kundenbeziehungen und innovative Produkte – kurz das, was Politiker für gewöhnlich als Vorzeigefirma feiern. Doch zum Feiern ist den rund 1250 Beschäftigten kaum zumute: Gut jede vierte Stelle soll wegfallen. Gewerkschaft und Arbeitnehmervertreter laufen Sturm. Sie sehen sich als Opfer einer Heuschrecke und deren riskanter Finanzierungspraktiken. Mit am Pranger steht die britische Royal Bank of Scotland (RBS). Sie verwaltet einen Fonds unter dem Namen „RBS Special Opportunities Fund“, der Eigentümer der britischen Sell-Mutter Premium Aircraft Interiors Group (PAIG). Insidern zufolge sind oder waren die Schotten, die derzeit massiv mit dem Geld des britischen Steuerzahlers gestützt werden, sogar in den Fonds investiert. RBS lehnt eine Stellungnahme in der Angelegenheit ab.
    In den letzten Jahren wurde Insidern zufolge auf Neuinvestitionen fast durchgängig verzichtet. Dafür gab es zigfach Wechsel in der Geschäftsführung. „Dazu kamen zweistellige Millionenhonorare für Berater“, sagt ein hochrangiger Mitarbeiter. „Genutzt hat es nichts, nur das Chaos wird von Monat zu Monat größer.“ In Herborn vergleicht manch einer die eigene Lage bereits mit dem mittlerweile insolventen Modelleisenbahn-Hersteller Märklin.
    Quelle: Handelsblatt

    Kommentar AM: Bitte immer bedenken, dass die frühere und die jetzige Bundesregierung diese sogenannten Investoren eingeladen und steuerlich gefördert hat.

  8. Schafft die Private Krankenversicherung ab
    Ulla Schmidt kann jubeln. Die Karlsruher Richter haben ihre Gesundheitsreform gestützt, wonach auch die privaten Krankenversicherer solidarisch sein müssen. Zumindest etwas. Das ist der Kern des Verfassungsgerichtsurteils. Die Gesundheitsreform sieht vor, dass die Versicherer einen Basistarif anbieten müssen. Dieser Tarif ist anders als die üblichen Tarife. Die Versicherer dürfen nicht prüfen, wie gesund ein Kunde ist, für die Prämien gelten Höchstgrenzen, Bedürftige erhalten Nachlass, und die Unternehmen dürfen den Basistarif keinem verweigern, der früher einmal privat versichert war. Die Vorgaben sind keine Revolution, sie bedeuten nur mehr Kundenfreundlichkeit. Die Firmen aber interpretierten sie als Kampfansage. Sie sagen, die Reform würde ihre Geschäfte zerstören, weil sie die Tarife stark subventionieren müssten. Und das könnten sie sich nicht leisten. Außerdem würde die Regierung die Branche weiter in die Enge treiben. Besserverdiener könnten schlechter als früher von den gesetzlichen Kassen zu den Privaten wechseln. Beweise für die zerstörende Wirkung der Reform legte die Branche in Karlsruhe nicht vor. Sie sind auch schwer zu finden. Es gibt keinen Run auf den Basistarif, bislang nutzen etwa 5000 Menschen dieses Angebot. Bei etwa acht Millionen Privatversicherten entspricht das 0,5 Prozent. Dass es viel mehr werden, ist nicht zu erwarten. Der Basistarif ist für viele Menschen zu teuer und zu unattraktiv. So ist es wenig verwunderlich, dass die Richter die Klage abschmetterten. Ein wenig Solidarität muss die Privatbranche verkraften können. Für die Privatpatienten ändert das Urteil nichts, die Reform bleibt bestehen.
    Das ist auch richtig. Denn die Reform gefährdet die Geschäfte der Privatversicherer nicht. Das übernimmt die Branche selbst. Ihr Geschäftsmodell ist nicht nachhaltig. Seit Jahrzehnten leben die Privatversicherer als Parasiten. Sie leben davon, dass Besserverdiener, Selbständige und Beamte zu ihnen flüchten, und diese dann nicht mehr solidarisch sein müssen. Die Gesundheitskosten für Arme, Alte und Arbeitslose tragen die Kassenpatienten – nicht die Privatpatienten. Privatpatienten sind nur mit sich selbst solidarisch.
    Quelle: Stern

    Anmerkung Martin Betzwieser: Die Werbung für die angeblich beste private Krankenkasse oben wirkt etwas deplatziert. Aber ein solcher Artikel ist sehr, sehr ungewohnt, nachdem wir den Stern wegen seiner Haltung zur gesetzlichen Sozialversicherung seit Jahren kaum noch mit der Pinzette anfassen wollen.

  9. Drei Jobs und trotzdem arm
    In seiner Reportage stellt Thomas Karp Menschen vor, die sich nicht vorstellen können, dass man mit einem einzigen Beruf durchs Leben kommt. Er begleitet drei Multijobber in ihrem mühevollen Alltag.
    Quelle: NDR-Mediathek
  10. 30.000 Euro für ein Auge
    Der Strahl eines Wasserwerfers schoss Steffen Berger beim G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 ins Gesicht. Seitdem ist der zweifache Vater auf dem linken Auge blind. Jetzt verklagt er die Polizei auf Schmerzensgeld – auch, weil die Staatsanwaltschaft noch immer keine Anklage erhoben hat.
    Quelle: Spiegel
  11. Hannover will Verluste aus Cross-Border-Leasing-Geschäft sozialisieren
    Die Deutsche Messe AG in Hannover hat mit einem Cross-Border-Leasing-Geschäft 25 ihrer insgesamt 27 Messehallen an US-Investoren verpachtet und zurückgemietet, um Steuern zu sparen. Jetzt aber steckt das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten. Und den Beschäftigten der Stadt drohen deshalb Stellenabbau und Lohneinbußen.
    Die Messe AG muss jährlich rund 60 Millionen Euro aufbringen, um das Ausstellungsgelände abzuzahlen und zu unterhalten. Seit der Weltausstellung Expo 2000 stehen dort zu viele kaum genutzte Hallen. Gleichzeitig laufen die Geschäfte schlechter als früher. Wegen der sogenannten Cross-Border-Leasing-Verträge kann das Unternehmen überflüssige Hallen weder abreißen noch verkaufen. Die Verträge, die vor neun Jahren geschlossen wurden und eine Mindestlaufzeit von 28 Jahren haben, könnte die Messe AG zwar kündigen. Dann aber würden Vorfälligkeitszinsen an die Banken fällig, was noch teurer käme. Wie so oft, soll jetzt die Allgemeinheit für die roten Zahlen des Unternehmens aufkommen, das eine Finanzspritze in Höhe von 250 Millionen Euro braucht. Die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen als Hauptanteilseigner wollen das Geld je zur Hälfte geben. Die Stadt muss dafür Schulden machen. Die Kreditaufnahme über 125 Millionen Euro, die der Rat heute mit großer Mehrheit beschließen dürfte, genehmigte das Land Niedersachsen im Schnellverfahren. Günstige kommunale Kredite für die Sanierung von Schulen und Kindertagesstätten werden dagegen gedeckelt.
    Quelle: Neues Deutschland
  12. Zahl der Tafel-Empfänger auf eine Million gewachsen
    Wegen der Wirtschaftskrise rechnen die Deutschen Tafeln mit einer wachsenden Zahl von Bedürftigen, die auf regelmäßige Lebensmittelspenden angewiesen sind. Die Zahl der Tafel-Kunden sei nach Schätzungen bereits in den vergangenen zwölf Monaten um 100.000 auf mehr als eine Million gestiegen, sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutsche Tafel, Gerd Häuser, in Göttingen.
    Quelle: Tagesschau
  13. Verdeckte PR – Wie Firmen ihr Image schönen
    Quelle: NDR Zapp
  14. Forscher bestätigen indirekt Wirkungslosigkeit der Hartz-Reformen
    “Mit ihrem Zwischenbericht zur Arbeitsmarktprojektion 2009 und 2010 haben Experten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) indirekt bestätigt, dass die seit 2002 unternommenen Reformen auf dem Arbeitsmarkt kaum Wirkung gezeigt haben”, sagt Kornelia Möller. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE erklärt weiter:
    “Die IAB-Experten sehen die Hauptursache für das im Vergleich zu früheren Krisen langsamere Ansteigen der Erwerbslosigkeit vorrangig in Unternehmensstrategien zur Anpassung des Personaleinsatzes an die schlechtere Auftragslage. Hinzu kommt die umfangreiche Nutzung von Kurzarbeit. Zugleich erwarten die Forscher, dass trotz der Hartz-Reformen die Zahl der Erwerbslosen 2010 jene Rekordmarken von fast 5 Millionen erreichen wird, die Ausgangspunkt der Arbeitsmarktreformen von Rot-Grün und ihrer Weiterführung durch Schwarz-Rot gewesen sind. Auf eine traurige Weise wirkungsvoll waren die Hartz-Reformen allerdings, indem sie zu einer gravierenden Verwerfung des deutschen Sozialsystems geführt haben, zu einer Zunahme der Armut und zu einer Senkung des allgemeinen Lohn- und Einkommensniveaus.”
    Quelle: Die Linke im Bundestag
  15. Betr. Haftung der Prüfer
    Noch am 12. August 2008, als die Subprime-Krise schon fast ein Jahr lang wütete, schreiben die KMPG-Prüfer in einem Zwischenbericht: „Selbst bei einem Worst-Case-Szenario ist sichergestellt, dass die HRE-Gruppe und ihre Tochterunternehmen jederzeit uneingeschränkt zahlungsfähig sind.“
    Bislang ist die Verantwortung der Wirtschaftsprüfer an der Finanzkrise kein Thema. Doch wie lange geht der Kelch noch an ihnen vorüber? In den USA hat der Konkursverwalter von New Century Financial, einem zusammengebrochenen Immobilienfinanzierer, kürzlich eine Milliarden Dollar teure Klage gegen den Abschlussprüfer erhoben. Der Name: KPMG.
    Quelle: wiwo

    Anmerkung eines NDS-Lesers: In Deutschland haften Wirtschaftsprüfer auch. Wenn sie denn mal verurteilt werden … und dann mit sage und schreibe 4 Millionen Euro bei börsennotierten Mandaten.

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